Was seitdem geschah.

Lukaz ist endlich zu Hause. Dafür gibt es jetzt Lena:

„La Paz ist echt crazy! Hier merkt man den Wind eines dritte Welt Landes schon sehr! Es ist dreckig, laut, korrupt, kriminell, ekelig (Maenner pissen wo sie stehen und gehen, kein Witz!) aber trotzdem irgendwie auch spannend und mit ganz eigenem Charme!“

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Daniel Fallenstein kämpft weiterhin für die Wahrheit.

„Zur Korrelation solchen Abschaums mit bestimmten Herkunftsumständen  sagen wir jetzt nichts. Denn das wäre ja Rassismus. Und der ist auch auf Kosten der Mitschüler und sonstigen Opfer dieser Benachteiligten zu verhüten.“

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Florian Philipp Ott hat es leider weder in den Landtag noch in das Studierendenparlament geschafft. Dabei klang „Kommunisten dürfen nichts zu sagen haben! FDP wählen.“ doch so überzeugend.

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Liliana weint schon wieder im Fernsehen. Diesmal über ihre Trennung von Lothar Matthäus. Dieser zieht mittlerweile die Rechtmäßigkeit der Ehe in Frage:

„Dass sie damals noch Jungfrau war, habe ich nicht bemerkt. Zumindest gab es dafür keine Anzeichen.“

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Und der Tanker geht ins Dock.


Lothars Liliana

Lothar Matthäus‘ 22-jährige Ehefrau hat es trotz ihrer jungen Jahre schon weit gebracht. Sie ist mit einer Trainerlegende verheiratet, läuft als Model bei den großen fashion shows in Mailand und arbeitet als Reporterin bei RTL. Doch trotz all dieser Erfolge ist sie immer Mensch geblieben und nutzt ihre Popularität, um denen zu helfen, die vom Leben nicht so reich beschenkt wurden wie sie selbst.

Ihre letzte humanitäre Mission führte sie und ihren Gatten im Auftrag der Kampagne „The Big Kick“ nach Malawi (Mit Video!). Dort wurde sie Zeugin von solch traurigen Schicksalen, dass sie noch heute, wenn sie zurückdenkt, die Krokodilstränen nicht zurückhalten kann. Schon vor Ort tat Lilli alles Menschenmögliche, um das Elend der Menschen zu mildern:

„Das Ergreifende für mich war zu sehen, dass man die Kinder so einfach glücklich machen konnte. Einfach nur da zu sein, erzeugte ein Lächeln in ihrem Gesicht.“

Da siechen die Menschen dahin und „das Ergreifende“ für Liliana ist, dass die armen Kinder beim Anblick ihrer Pferdefresse zu lachen anfangen. Schade nur, dass Liliana Matthäus angesichts der Erkenntnis, dass es den Bewohnern Malawis an nichts außer ihrer Anwesenheit zum Glück fehlt, nicht auf die Idee kam, einfach dort zu bleiben. Die Bussi-Bussi-Gesellschaft Lilongwes wäre entzückt gewesen!

„Dann wird sie von ihren Erinnerungen an den Afrika-Trip überwältig, bricht im Satz ab, muss, von heftigem Schluchzen geschüttelt, immer wieder neu ansetzen.“

Es gibt nichts widerlicheres als Menschlichkeit. Nichts schlimmeres als die mediale Inszinierung der eigenen Betroffenheit angesichts der schieren Ungerechtigkeit in dieser Welt und der unermüdlichen Selbstvergewisserung, doch moralisch auf Seiten der Opfer zu stehen. Besoffen von der eigenen Großherzigkeit möchte Liliana zusammenbrechen, weinen, klagen. Doch der scheinbar so unkontrollierte Gefühlsausbruch ist nichts als emotionales Kalkül im Angesicht der Kameras, die schon jede klägliche Gefühlsregung im erbärmlichen Leben der Liliana M. dokumentieren durften.

„Ich sah 12-jährige Mädchen mit Babys auf ihren Rücken, obwohl sie nichts zu essen hatten und keinen Schlafplatz für die Kleinen. Das machte mich so unendlich traurig.“

Ich sehe einen abgehalfterten Ex-Fußballer mit 22-jährigem Dummchen vor einer Kamera, obwohl beide bekanntermaßen seit jeher nur unerträglichen Irrsinn – da hilft auch die kraus gezogene Stirn nichts – in die Mikrofone brabbeln. Mein Hass ist unendlich.

„Wir haben was erlebt, was man mit Worten gar nicht beschreiben kann.“

Sei es im liebgewonnenen Promi-Leben oder auf dem Platz, Lothar Matthäus hat wohl noch nie etwas erlebt, das er zu beschreiben in der Lage gewesen wäre. Doch nie habe ich mir mehr gewünscht, dass er auch nur einmal die Konsequenz aus seinem Unvermögen zieht und seine Fresse hält. Nur einmal.

„Es wäre schön, wenn wir diese Liebe, diese Herzlichkeit und die Aufmerksamkeit von den Leuten in Malawi übernehmen würden.“

Eines muss man den Afrikanern lassen, sie schaffen es beim Verhungern ihre Würde zu bewahren. Das imponiert einem Lothar Matthäus, der – sollte es so etwas wie Würde geben – wohl der Letzte ist, der dieses Wort in den Mund nehmen sollte. Es ist nur all zu schade, dass die Leute in Malawi nicht im Gegenzug im Austausch für all diesen unnützen Tugenden, an denen es im Hause Matthäus zu mangeln scheint, nicht mal eben Lothars Auto, Kleidung und Geld übernommen haben.

Zugunsten von „Ein Herz für Kinder“ wurde bei „The Big Kick“ ein Ball quer durch Deutschland, Österreich, Italien und Afrika gedribbelt.

Zugunsten meines Seelenheils sollte man Lothar und Liliana an seinen Jeep hängen und quer durch Deutschland, Österreich, Italien und Afrika schleifen. Ein Herz für Tanker.

Es wird wohl lange dauern, bis Lothar und Liliana ihre Erlebnisse verarbeitet haben, schließlich hatten die beiden keine Ahnung, „dass der Trip SO emotional werden würde“. Spätestens heute abend ab 18:30 Uhr wird es bei RTL Exklusiv dann aber so weit sein. „Lothar Matthäus und seine Liliana sagten nämlich sofort zu“, als sie für diese Selbstinszinierung auf dem Rücken der Menschen in Malawi angefragt wurden. Aber wen interessiert schon die Staffage, wenn die schöne Liliana weint.

ANWALTISIERT DAS!

Ja, dies ist ein verzweifelter Versuch, auf der Club MolliWelle mitzuschwimmen.

Hundeleben.

Vielversprechende Nachwuchspolitiker (III): Daniel Fallenstein (Freelancer)

Daniel Fallenstein (auch bekannt unter dem Namen „‚Tzach“) und ich waren dereinst Waffenbrüder. Als IDF-Soldaten verkleidet robbten wir durch brandenburgische Wälder, fachsimpelten über Merkava-Panzer und ein ums andere Mal räumten wir in unserer Phantasiewelt das Flüchtlingslager Dschenin. Schon damals war Daniel ein höchst ambitionierter Intellektueller, der mit dem deutschen Thinktank „ADF Berlin“ assoziiert war und zu den Gründervätern der Aussteigerplattform „Freunde der offenen Gesellschaft“ gehörte. Ich hingegen war mit deutlich weniger Talenten gesegnet und so kreuzten sich unsere Wege immer seltener. Während ich nicht mehr so genau weiß, was ich in all den Jahren trieb, lässt sich Daniel Fallensteins beachtlicher Werdegang leicht nachvollziehen.

Schon Daniels prägnante Beschreibung seiner selbst lässt ahnen, dass er für größeres bestimmt war als den antideutschen Szenesumpf: Laut seinem twitter-Profil ist er „goodlooking, healthy, white, male, straight, capitalist, german, zionist, skeptic, atheist“. Manche werden nun einmal reicher vom Leben beschenkt als andere. Doch selbst diese vor Selbstbewusstsein strotzende Beschreibung seiner selbst kann über einen Makel nicht hinwegtäuschen: Daniels Englisch ist nicht das beste, da halfen auch zwei Jahre Englisch-Studium (mit Judaistik im Nebenfach Hauptfach versteht sich) an der FU Berlin nichts. Ganz gleich, Fallensteins liberale Kompagnons haben die Meinungsfreiheit im Angesicht des Todes erkämpft und so lässt er sich von sprachlichen Hürden nicht beeindrucken, wenn es darum geht, die zentralen Begriffe seines Weltbildes prägnant auf den Punkt zu bringen. Audite!

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Daniel Fallenstein, der mittlerweile im „Consulting“ tätig ist, begann wie so viele große Staatsmänner als Träumer und Idealist. Den Kommunismus begrub er jedoch schon bald, als er erkennen musste, dass der Kapitalismus ebendiesem „erwiesenermaßen haushoch überlegenen“ ist. Und so kämpfte er fortan unter dem Banner des angelsächsisch geprägten Liberalismus für eine bessere, gerechtere Welt. Er verzichtete auf seine akademische Karriere, um Darfur zu retten und begann ehrenamtlich für das antibuerokratieteam („undogmatisch, politisch inkorrekt und polemisch“) zu arbeiten. An Stelle der Weltrevolution traten profanere Ziele, allen voran der Kampf gegen den unerträglichen Zustand, dass die EU mit ihrem gewaltigen Verwaltungsapparat die vollkommene Entfaltung des Marktes seit Jahren torpediert. Wahltag ist Zahltag!

[kml_flashembed movie="http://vimeo.com/moogaloop.swf?clip_id=4929838" width="255" height="206" allowfullscreen="true" /] (Man beachte die wechselnde Kameraperspektive!)

Durch seine Arbeit für die verschiedensten zionistischen und pro-kapitalistischen Initiativen konnte Daniel wichtige Kontakte knüpfen. Mit Henryk Broder ist er längst per Du („Gegen 11 Uhr rief Daniel an. „Kommst du mit, Verrückte gucken?“ – „Veganer, Herta BSC-Fans oder moderate Taliban?“, fragte ich. „Viel besser“, sagte Daniel, „jüdische Stimmen für eine gerechte Endlösung der Nahostfrage“), auf Kundgebungen für Israel und gegen seine Feinde tritt er als Redner auf und seine Videos und Artikel erscheinen sogar in dem angesehenen jüdischen Onlinemagazin haOlam.de.

Und dennoch, trotz all seiner journalistischen Verpflichtungen, hält sich Daniel Fallenstein weiterhin die Möglichkeit offen, doch noch parteipolitisch Karriere in der FDP zu machen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Freien endlich auf „die Stimme der liberalen Basis“, also Daniel, hören. Vom Bundesparteitag der FDP in Köln etwa berichtete Daniel Fallenstein für LiberalHome, ein „konsequent liberales“ Netzwerk, dessen Ziel darin besteht, FDP-Abgeordneten „öffentlich den Rücken zu stärken“. Dabei blieb der schöne Daniel nicht unbemerkt und wurde live von phoenix zu seinem Schaffen befragt:

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Ein Satz, den Daniel vor vielen Jahren sagte, ist mir im Gedächtnis geblieben: „iPod nano, Canon EOS 400D, Reiturlaub – damit beginnt der Spaß“. Das mag stimmen, ich kann es leider nicht beurteilen, doch eines ist gewiss: Ein Daniel Fallenstein gibt sich mit ein wenig Spaß nicht zufrieden. Merkt euch diesen Namen.

Vielversprechende Nachwuchspolitiker (II): Von Julia Seeliger (Grüne) und der Polyamory

Zugegeben, die Bezeichnung „Aufstrebende Jungpolitikerin“ mag auf Julia Seeliger nicht mehr zutreffen, immerhin trat sie vor mehr als einem Jahr von all ihren Ämtern bei den Grünen zurück und arbeitet mittlerweile als Redakteurin bei der taz. Und so ganz jung ist sie auch nicht mehr. Ganz gleich, ich habe ein Blog zu füllen.

[…]

Julia Seeliger fasste verganene Woche in der taz ein ganz heißes Eisen an: Sie stellte in einer Homestory ihr unangepasstes Liebesleben vor. Denn Julia Seeliger ist polyamor. Das bedeutet, dass ihr Freund, während sie Artikel für die taz schreibt, bei einer anderen ist. Ihr zweiter Freund ist wohl auch irgendwo unterwegs. Und diesen organisatorischen Aufwand möchte Julia jetzt gerne gesetzlich gewürdigt sehen.

An der ein oder anderen Stelle kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Julia Polyamorie aus einer recht subjektiven Perspektive erklärt, doch ganz gleich: Polyamorie ist in ihrem Augen, wenn die „allein zu Hause sitzende“ Partnerin es „nicht so prickelnd“ findet, wenn der andere Partner durch fremde Betten wandelt und schließlich, „weil sie einen geliebten Partner nicht aufgeben“ will, die anderen Gschpusis des treuelosen Partners mit in die „institutionalisierte Liebesbeziehung“ holt. Das sind sie also, die „jungen Utopien“.

So belämmert einem das auch erscheinen mag, Julia stellt klar: Polyamoriker verdienen „unabhängig von ihrer Motivation Toleranz und Anerkennung“, die taz hat beides passenderweise im Überluss anzubieten. Denn Diskriminierung von Polyamoren ist allgegenwärtig, all zu oft wird ihnen fälschlicherweise „Promiskuität“ vorgeworfen und auch die Tatsache, dass Polys „besonders liberal oder besonders kritisch gegenüber Besitzverhältnissen“ (d.h. halbe Kommunisten) sind, wird nur unzureichend gewürdigt.

Doch aufgepasst! „Nicht alles Private ist politisch!“, argumentiert Julia. Denn „Liebesbeziehungen oder gar Sex mit politischer Bedeutung aufzuladen ist ein Irrweg“. Denn  – ähnlich wie bei der taz – ist auch bei der Liebe „der Bauch, das Irrationale wichtig“ und nicht „Argumente und Fakten“. Doch auch das Vergnügen soll bei der ganzen Chose nicht zu kurz kommen, schließlich kann es nicht funktionieren, „Herrschaftsverhältnisse über das Bett zu ändern“ und, so ganz nebenbei, das macht „auch keinen Spaß“. Julia war offensichtlich nicht auf dem Antifacamp 2004.

Julia Seeliger hat den Anfang gemacht, jetzt muss die Legislative folgen. Polyamorie ist eine „Lebensform“, die „gleichberechtigt neben der monogamen Zweierbeziehung und vielen anderen Lebensformen betrachtet werden muss“. Vor solchen Realitäten kann der Staat seine Augen nicht weiter verschliessen, Beziehungen sind nun einmal „weitaus vielfältiger als das, was gesetzlich als Normalfall festgelegt ist“ und der Status Quo drängt unzählige Menschen in die Perversität, obwohl sich diese ach so gerne in den warmen Schoß der rechtlichen Gleichstellung begeben würden.

Sollte hier der Eindruck entstanden sein, Polyamorie sei ein Phänomen, dessen Vertreter sich ausschließlich aus Opfern der Triple Oppression aus Antifaschismus, Veganismus und Soziologie-Studium („MissyMarcMaikeMichi-Magazine“, ich hör dir trapsen) rekrutieren, muss dem entschiedend widersprochen werden. Auch die Ärmsten der Armen sind zunehmend betroffen. In Berlin wachsen schon „mehr als die Hälfte aller Kinder nicht in einer klassischen Kleinfamilie auf“, sprich polyamor. Da ist es bitter nötig, dass 5 Jahre nach dem Ende von Rot-Grün endlich „wieder Gerechtigkeit in der Lebensformenpolitik hergestellt wird“.

Bekanntermaßen helfen gegen miese Hetze nur Gesetze und so schlägt Julia vor, dass „Menschen, die füreinander Verantwortung übernehmen wollen, einen Vertrag mit Rechten und Pflichten unterzeichnen“. Das deutsche Schicksal: Geknechtet zu werden. Das deutsche Ideal: einen Vertrag dagegen zu unterschreiben. Und ganz so, als hätten Kinder nicht schon genug unter ihren Eltern zu leiden, sollen „mit dem Familienvertrag Mehrelternschaften möglich“ werden. Auch hier könnte man vielleicht auf die jahrelangen Erfahrungen der Grünen im Durchführen von Mehrfachabschiebungen und Mehrfachbombardierungen zurückgreifen.

Und so wie „Drei sind mehr als zwei, und vier mehr als drei“ nicht nur für tote Kinder im Kosovo gilt, sondern auch für die Anzahl der Bezugspersonen, die „die den Kindern etwas beibringen können“, d.h. Kinder vom Spielen, Rumhängen und Träumen abhalten, gilt es auch für die Anzahl der Vorteile, die ein Familienvertrag bringen könnte: Mit einem solchen würde die Welt endlich „vielfältiger, mobiler und flexibler“. werden.  Manche gehen sogar so weit, von einem „Wandel von der Kleinfamilie zum Freundesschwarm“ zu sprechen, „mit Internetdiensten, die zeigen, wer sich gerade an welchem Ort befindet“. Man möge mich bitte baldigst in die Steinzeit bomben.

Doch damit nicht genug, „sicherlich wird es irgendwann auch möglich sein, körperlichen Sex über das Netz zu machen“. „Sex machen“, hihi, dazu fällt mir was ein! „Doch darum geht es nicht.“, bremst Julia. Ganz Recht, ging es hier nicht mal um Polyamorie und Julias Wege zum Liebesglück? Eben, und Julia bekommt zum Ende des Artikels vorbildlich wieder die Kurve zu ihrer Sex-„Familie“ und gewährt uns einen weiteren Blick in ihr Schlafzimmer: „Ich liebe mehr Menschen als nur meinen Freund. Und der hat sich inzwischen auch wieder gemeldet.“ Bei solch ausgeprägtem Besitzdenken und Meldezwang ist wohl noch ein weiter Weg zu gehen. Aber die Frau wird das schon managen.

Gesichter des Bösen: Amok-Rentner Hans P.

Die Bild-Zeitung zeigt heute die „Gesichter des Bösen„, die Gesichter „der schlimmsten Verbrecher der vergangenen Jahre“. Das mag dem ein oder anderen zunächst moralisch fragwürdig erscheinen, doch wer in die kalten Augen des „Amok-Rentners Hans P.“ geblickt hat, wird nicht umhin kommen, der BILD in ihrem Urteil Recht zu geben: Sperrt dieses Tier weg!

Hört, hört! (III)

“Es ist gar nicht relevant, was hier gesagt wird […], das alles spielt überhaupt keine Rolle. Es läuft, es rollt die leere Fassade.”

A.B.

Zur Kritik der Imperialismus-Analyse des Gegenstandpunktes

Ich selbst möchte selbstverständlich keine Kritik an der Imperialismus-Analyse des Gegenstandpunkt-Verlags üben. Ich möchte auf eine solche Kritik hinweisen, die bisher leider nicht die Aufmerksamkeit bekam, die sie verdient hätte. Besagter Text trägt den unverständlichen Titel „Vun Höpsken op Stöckzken“ und ist online leider nicht mehr verfügbar. Ich konnte mir jedoch glücklicherweise ein Exemplar sichern und möchte die besten Argumente der Allgemeinheit zugänglich machen. Alle folgenden Zitate entstammen (teilweise leicht korrigiert) dem Text. Die Kommasetzung behielt ich aus humorigen Gründen bei.

Schon die ersten Zeilen reißen ein Loch in die Deckung des sich staatskritisch gebenden Gegenstandpunktes, denn bei der Lektüre der Imperialismus-Broschüre „fällt einem direkt auf: Der Text ist in Paragrafen strukturiert. Da stellt sich mir doch die Frage: Sind das Gesetze? Hat GSP allgemeinen Wahrheitsanspruch?“ Dies wäre nämlich nicht nur „philosophisch gewagt“, es könnte auch als „sektiererisch gewertet werden, zu glauben, Strukturen, wie die des Imperialismus‘, allgemeingültig korrekt analysieren zu können.“ Wichtige, unangenehme Fragen werden hier gestellt. Die vom Gegenstandpunkt scheinen wirklich selbst zu glauben, was sie da schreiben. Man möchte sich gar nicht ausmalen, wer alles im Knast säße, wenn das Wort solcher Leute Gesetz wäre!

Der Autor der Analyse spricht dem Gegenstandpunkt jedoch auch ein Lob aus, denn „die Struktur des Textes ist schon recht stimmig und logisch aufgebaut“. Das werden die Autoren gerne hören. Wenn schon die Argumente nicht ankamen, dann doch wenigstens die hübschen Formalia, die sie allenorts versteckt haben. Doch auch hier muss kritisch angemerkt werden, dass die sprachlichen „Parallelen zu Marx“ nicht entsprechend mittels Fußnoten gekennzeichnet wurden. Denn das, verehrte Autoren, ist „eurem Gott“ gegenüber reichlich „respektlos“. Und erst die Fremdwörter, die diese Marxisten-Professoren benutzen! „Begriffe wie „akklamiert“, „zu exploitieren“[sic], „affiziert“, „die Potenz als Käufer“, etc. gehen nicht klar“ , zumindest, „wenn sie alle, in nur einem Text, vorkommen“. Es sei verraten: Die Begriffe kommen in mehreren Texten vor. Doch der Gegenstandpunkt will wohl einfach nicht verstehen, dass solche „pseudointelligenten, unwissenschaftlichen“ Worte in intelligenten, wissenschaftlichen Texten nichts zu suchen haben. Hallo, Gegenstandpunkt? „Ist euer Autor über 80?

Doch den Kritiker in seinem Lauf hält weder Ochs‘ noch Esel auf und so beisst er sich weiter durch den Text und muss schon bald erkennen, dass der feine Gegenstandpunkt einen völlig falschen Begriff vom Imperialismus hat, denn um solchen handelt es sich „erst, wenn der (eigentlich) souveräne Staat unter fremder Hegemonie, gestellt wird und wenn diese Hegemonialmacht Herrschaft, über die ganze Welt verteilt, ausübt, sie also, in Abgrenzung zu normalem „Kolonialismus“, so etwas wie ein Imperium (Weltreich), aus vielen Kolonien, hat.“ Hätten sich die Autoren der Broschüre das mal überlegt, bevor sie mit dem Schreiben anfingen, sie hätten sich viel Zeit und Arbeit sparen können. Nur ein Blick in ein Asterix-Heft hätte genügt, da wird das mit dem Imperialismus doch hinreichend erklärt! „Aber Hauptsache sich schlau vorkommen, weil man einmal Latein in der Schule hatte“!

Da verwundert es auch nicht, dass der Gegenstandpunkt-Text sich „bezeichnenderweise“ über den „Coltan-Abbau für die Handyindustrie, im Kongo; Maisanbau in Lateinamerika, für Biodieselproduktion;…“ ausschweigt. Wer von den Coltan-Kindern im Kongo nicht reden will, soll doch bitte vom Imperialismus schweigen! Es ist zum Haareraufen, da seziert der Kritiker jedes Argument und der Gegenstandpunkt „schwafelt“ unverblümt weiter, „schafft es dabei aber nicht, die elementarsten Strukturen verständlich zu machen.“ Wie leicht das ist, exerziert der Autor gerne vor und erklärt: „Imperialismus ist eine besonders ekelhafte Verbindung von Kapitalismus und kulturalistischem Rassismus, in dem die, ökonomische und kulturelle, Vorherrschaft, einer oder mehrerer Hegemonialmächte, über Regionen auf der ganzen Welt angestrebt wird.“ Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Man möchte fast vermuten, der „GSP glaubt wirklich, dass der kapitalistische Staat per Definition imperialistisch ist“. Das ist selbstredend „schwachsinnig“, aber „immerhin irgendeinen Ansatz haben die Jungens“. Das Lob kann man beim besten Willen nicht zurückgeben.

Wenn der Gegenstandpunkt das Völkerrecht als ein „moralisches Geschütz“ mit „matter Bedeutung“ bezeichnet fühlt sich der „Vun Höpsken op Stöckzken“-Autor genötigt, ein paar grundlegende Zusammenhänge, die man „sogar in der Schule“ lernt, darzulegen: Habt ihr denn damals nicht gelernt, dass „normative Texte“ (Gesetze,…)“ einen „relativ geringen Quellenwert“ besitzen? Und warum redet der Gegenstandpunkt schon wieder um den heissen Brei herum und gibt nicht einfach zu, dass er vom „Wunsch, ein Völkerrecht zu schaffen, das von allen eingehalten wird“ beseelt ist? „Wäre es nicht sinnvoller, die Inhalte des Völkerrechts zu kritisieren?“ Doch solche Gedanken sind den selbsternannten Imperialismus-Kritikern aus München völlig fremd, wollen sie doch insgeheim einen „starken, nationalen Kapitalismus, mit einer riesen Grenzmauer, gegen die böse Globalisierung“. Voll auf die Zwölf!

Manchmal muss der Kritiker sich ein wenig behelfen, um der Imperialismus-Analyse des GSP einen Sinn zu entlocken. Ersetzt man z.B. „den imperialistischen Staat“ mit „Industrienationen“ ergibt der Text angeblich viel mehr Sinn. Gleiches womöglich, wenn man „Analyse“ durch „Anarchospinner“ ersetzt. Doch was soll man von einem Verlag erwarten, dessen Veröffentlichungen ja doch nur darauf abzielen unter dem Deckmantel der Kapitalismuskritik „einen Absatzmarkt für seine Zeitung“ zu erschliessen?

So aber muss wohl oder üblich ein Widerspruch nach dem anderen in seine Einzelteile zerlegt werden: „[Das Schließen von Bündnissen] ist ein Phänomen vom Imperialismus? Im Endeffekt versucht nahezu jeder Staat, Bündnisse zu bilden.“ Nahezu jeder Staat, nicht nur die imperialistischen! Wo kämen wir nur hin, wenn wir all die antiimperialistischen Staaten als Imperialisten brandmarken würden? Sollen am Ende selbst „Chavez, Ahmadineschad, etc.“ Imperialisten sein? Welch abstruse Vorstellung! Chávez mit Lorbeerkranz!

Das, was in der Broschüre fälschlicherweise als Imperialismus bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit ein „Kampf der Kulturen“. Früher ein Kampf  der „Kapitalismus“-Kultur gegen die „Realsozialismus“-Kultur, haben sich die Fronten verschoben und man führt heute einen „Kampf gegen den „Islam““. Den Unterschied mag man beim Gegenstandpunkt nicht erkennen, auch wenn es in der heutigen Welt offensichtlich nicht darum geht, „dass ein souveräner Staat unter fremde Hegemonie gestellt wird, sondern darum, dass ein anderer souveräner Staat entsteht, der nach den Werten der westl. Industrienationen funktioniert“. Wem es nicht spätestens jetzt wie Schuppen von den Augen fällt, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Begriffe wie „innen“ und „außen“ haben nunmal keinerlei Wert, wenn man über Imperialismus und Krieg spricht, denn schließlich „richtet sich die militärische Aktion erst nach „Außen“, damit es zum „Innen“, also annektiert, wird. Für den Imperialismus ist die ganze Welt Innenpolitik.“ Für mich ist das alles völlig nachvollziehbar.

Anstatt eine Analyse vom Weltgeschehen vorzulegen, verfängt sich der Gegenstandpunkt ein ums andere Mal in seiner eigenen Parteilichkeit. Nach dem Motto „Die Sowjetunion war gut – die Amis waren böse“ werden „spionierende Amis“ zwar gerüffelt, „spionierende Deutsche oder spionierende Iraner“ hingegen haben alle Sympathien der Gegenstandpunkt-Autoren, ganz zu schweigen von den Geheimdienst-Mitarbeitern der „vom GSP so heißgeliebten Sowjetunion“.

Der Kritiker ist nur noch „abgefucket, dass er so einen schlechten Text gelesen hat“ und beendet seine Arbeit, ohne die Broschüre – wie geplant – vollständig widerlegt zu haben. Das macht jedoch wenig, ist der Text wohl eh nur für Kader geschrieben, die hoffen, „in einer anti-imperialistischen Sekte einen Posten zu bekommen“. Doch auch derer erbarmt sich der unbarmherzige Kritiker und gibt ihnen ein paar Tipps mit auf den Weg, was sie zu tun haben, um ihm auf dem Pfad der Erleuchtung zur wahren Imperialismuskritik zu folgen: „Zunächsteinmal würde ich mehrere Bücher lesen, die den historischen Imperialismus beschreiben.“ Ich hätte ja das Schreiben einer Kritik mit dümmlichem Titel auf Platz Eins vermutet.

Es ist und bleibt das Leid eines Theoretikers: Ob man will oder nicht, man muss „das Arschloch spielen, das, wie ein (scheiß) Lehrer, immer alles besser weiß und korrigieren muss“. Doch das ist es wert.

Mitbewohnerlesbe gesucht.

(Mit Dank an E.)