Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert!

Fleiß * Sparsamkeit * Bescheidenheit * Ehrlichkeit * Altruismus * Höflichkeit

Die Moral gilt als hohes Gut, das die Menschen im Unterschied zum Tierreich als Krone der Schöpfung adelt. Merkwürdigerweise ist sie aber nie recht vorhanden, weil die Welt eigentlich nur von gierigen Managern, korrupten Politikern, egoistischen Singles und faulen Arbeitslosen bevölkert ist. Nicht zu vergessen die unhöflichen Kinder, die nie grüßen. Die Welt ist also voller Lumpen.

Eine Ausnahme kennt freilich jeder: sich. Das ist nur eine der vielen selbstgerechten Dummheiten des moralischen Bewusstseins, das für jeden Schaden, den das kapitalistische Gemeinwesen seinen Insassen auflädt, ein und dieselbe falsche Erklärung parat hält: Das schlechte Benehmen der Menschen ist schuld, die sich einfach nicht an Moral und Anstand halten. Wären alle so tugendhaft wie man selbst, wäre die Welt in Ordnung und jeder hätte sein Auskommen.

Das Anspruchsdenken, sonst heftig im Volk bekämpft, wird auf dem Feld der moralischen Tugenden von Politikern, Wirtschaftskapitänen und Pastoren kräftig angestachelt. Anstand kann ein Mensch gar nicht genug haben! Für das politische Gemeinwesen stiftet die Moral offenbar einen erheblichen Nutzen. Für die Millionen kleiner Leute, die unter seine Räder kommen, taugt sie nichts.

Der Vortrag will nicht nur den Begriff der Moral erläutern, sondern einmal die viel gepriesenen Tugenden höchstselbst auf den Prüfstand stellen. Was taugen eigentlich Fleiß, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Ehrlichkeit, Altruismus und Höflichkeit? Soviel sei vorweggenommen: Die Kritik an so großen Werten wie Ehrlichkeit oder Altruismus ist kein Plädoyer für die Umkehrung, also für Unehrlichkeit oder Egoismus, sondern ein Einwand gegen den marktwirtschaftlichen und demokratischen Sumpf, auf dem das falsche moralische Bewusstsein gedeiht.

Vortrag und Diskussion mit Dr. Rolf Röhrig (Redaktion GegenStandpunkt)

Dienstag, 26. Januar 2010, 19:00 Uhr
Universität Bielefeld, Hörsaal H16 (Stadtplan, Raumplan)

Eine Veranstaltung der AG Analyse & Kritik

AG AK Moral

22 Antworten auf “Die Moral und ihre großen Werte – nichts wert!”


  1. 1 Advocatus 12. Mai 2010 um 19:41 Uhr

    Der Titel stößt mir ziemlich sauer auf: wie kann man von einer amoralischen Position aus sagen, Moral sei nichts wert?
    Nietzsche sagt in der „Genealogie der Moral“ ungefähr dasselbe (es geht darum, den Wert der Moral als solche zu prüfen), gesteht aber offen ein, dass dies nur von einer selbst moralischen Position aus möglich ist (zumal „Wahrheit“ für Nietzsche selbst ein moralischer Wert ist).

    Wie seht ihr das?

  2. 2 Difficult is Easy 12. Mai 2010 um 21:53 Uhr

    wahrheit ist doch kein moralischer wert. den wahrheitsgehalt kann man doch gerade überprüfen, ohne sich auf höhere werte zurückziehen zu müssen. und so wird ja auch im vortrag verfahren, da werden argumente geliefert, es wird begründet und sich nicht einfach auf amoralische position berufen.
    den gleichen vortrag in münchen gehalten kann man sich übrigens hier herunterladen und anhören:
    http://doku.argudiss.de/?Kategorie=MuI#270

  3. 3 Advocatus 13. Mai 2010 um 3:37 Uhr

    Der Titel befindet sich halt mE zu der vertretenen Position im Widerspruch. Ein Widerspruch, der sich doch immer wieder bei GSP-nahen Leuten beobachten lässt: einerseits denunziert man die Moral, andererseits ist die Denunziation doch selbst ein moralisches, wertendes Verhalten. (Ich bilde mir etwas darauf ein, die Wahrheit zu vertreten, ich denke, dass ich dadurch BESSER bin als der andere …) Das zeigt für mich, dass diese Art der Moralkritik unaufrichtig und inkonsistent ist.

    Ich kann mich zu dieser „Wahrheit“ doch verhalten, wie ich will: ich kann sie abstrakt akzeptieren, ohne meine künftiges Handeln irgendwie danach auszurichten. Das ist eine echte moralische Entscheidungssituation. Und wenn sich dann der Vertreter der „Wahrheit“ darüber aufregt und mir vorwirft, ich müsse mich doch gemäß der Wahrheit verhalten: was ist seine Position anders als letztendlich moralisch?

    Ich will keineswegs Nietzsche gegen Peter Decker hochhalten. Aber ich finde Nietzsche in diesem Punkt konsequenter.

    Die meisten Leute reagieren auf GSP-like Argumente ja auch genau so: sie zucken die Achseln, obwohl sie keinen argumentativen Ausweg sehen, die GSP-Position also im Grunde als wahr akzeptiert haben. Für sie „Wahrheit“ entweder überhaupt kein Wert oder zumindest kein Wert für den es wert ist, sein Handeln oder auch nur generelles Denken zu ändern.

    (Ob die Moralkritik „wahr“ ist oder nicht, lasse ich mal offen. Ich denke: nein, was sich gerade an der Unfähigkeit zeigt, bestimmte Verhaltensweisen zu begreifen.)

  4. 4 löscher 13. Mai 2010 um 8:38 Uhr

    „Für sie „Wahrheit“ entweder überhaupt kein Wert oder zumindest kein Wert für den es wert ist, sein Handeln oder auch nur generelles Denken zu ändern.“

    Das stimmt wohl. Wahrheit ist tatsächlich ein Wert, der so abstrakt auch von allen möglichen Protagonisten der Gesellschaft eingefordert wird, aber nichts hergibt. Weil ein wahrheitsanspruch moralistisches Denken ist.

  5. 5 Difficult is Easy 13. Mai 2010 um 10:24 Uhr

    @löscher:
    sich auf einen wahrheitsanspruch zu berufen ist eben was anderes als den auch einzulösen indem man seine position korrekt begründet. klar ist es absurd sich einfach vor jemanden zu stellen und zu sagen, erhabe unrecht, weil man selber ja einen wahrheitsanspruch habe. dazu muss man schon agumente vorbringen.

    @advocatus:
    vorbemerkung:
    wie meinst du denn mich von deiner position überzeugen zu können? warum richtest du dich überhaupt an mich oder an die außenwelt, wenn es so beliebig ist mit dem überzeugen, wie du es meinst. alles ist moralisch und irgendwie schon zu rechtfertigen mit der passenden moral. da heisst es wohl nur noch irgendwas aus dem ganzen brei gut zu finden und was anderes nicht.
    interessanterweise argumentierst du in deinem kommentar dann doch, also nehme ich mal ganz frech an, dass du diesen unterschied, zwischen der berufung auf werte und einer argumentation, die man auf seinen wahrheitsgehalt prüfen kann, immerhin kennst.

    dein problem mit „der wahrheit“:
    1. viele sind nicht an „ihr“ interessiert, handeln nicht gemäß einer nachweislichen wahrheit, handeln falsch, zB entgegen ihren interessen, schaden sich etc.
    es ist halt so, dass man niemanden gegen seinen willen überzeugen kann. es steckt einfach kein automatismus in einem richtigen argument. es ist trotzdem in seinem wahrheitsgehalt überprüfbar und wem ein gegenargument einfällt kann es gerne tun. aber da wird sich eben nicht auf einen, von der auseinandersetzung getrennten, wert namens wahrheit berufen. die argumente haben immer etwas mit dem diskussionsgegenstand, mit der sache der auseinandersetzung zu tun und schweben nicht irgendwo darüber.

    2. sie taugt anderen gegenüber nicht als berufungstitel, ist deswegen moral
    (das hab ich mit löscher schon abgehandelt, wahrheit als berufungstitel ist eben auch wertlos, das ändert nichts daran, dass es sie doch gibt und sie in jedem fall überprüfbar ist. siehe auch punkt)

    3. es gibt welche, die fühlen sich irgendwie besser, wenn sie etwas wahres von sich geben.
    das ist auch noch etwas ganz anderes getrennt vom wahrheitsgehalt des vorgebrachten arguments und findet in den vertretern der position statt. das streite ich ja auch überhaupt nicht ab, nur kann das argument nichts dafür, was der typ, der es in den mund nimmt, damit noch alles für sich herausschlägt.

  6. 6 Advocatus 17. Mai 2010 um 0:25 Uhr

    Ich argumentiere hier halt mit sachlichen, möglichst unmoralischen Argumenten, weil ich glaube, damit den größten Nutzen hier erzielen zu können, da „Wahrheit“ und „Sachlichkeit“ hier geschätzt werden (werden sie im Übrigen auch von mir – dafür kann man ja argumentieren, warum es besser ist, ein wahres Verständnis der Welt als ein unwahres zu haben).
    Wenn ich mit anderen diskutiere, sieht das anders aus. Da haben klassische moralische Werte den Wert guter Argumente.
    Z.B., wenn ich einem Durchschnittslinken sage: „Es ist schlecht xy zu tun, weil es rassistisch ist.“ oder den meisten Deutschen: „XY sollte seine Frau nicht schlagen, weil sich dies in einer Ehe nicht gehört.“ wird dies höchstwahrscheinlich nicht hinterfragt werden, da ein Konsens darüber herrscht.

  7. 7 löscher 17. Mai 2010 um 7:49 Uhr

    über rassismus wurde in der linken aber ein diskurs geführt und sachliche argumente dagegen angeführt. bei den meisten deutschen kamen wohl eher keine argumente, warum sich frauen schlagen in der ehe nicht gehört. was ja wohl in der sache „gehört sich (nicht)“ begründet liegt.

    antirassismus in der linken als moral-beispiel anzuführen ist deswegen nicht die „wahrheit“.

    ausserdem erzielt man den grössten nutzen nicht mit der wahrheit oder sachlichkeit. vielen verfechtern dieser beiden sachen geht es aber nicht um einen nutzen, sondern um wahrheit oder sachlichkeit AN SICH. sonst würden sie wohl kaum an diesem völlig untauglichen mitgtel festhalten. aber es scheint eben ein wert für sie zu sein. die wahrheit zu sprechen gilt halt in vielen kreisen einfach als richtig.

    merkt ihr was?

  8. 8 Difficult is Easy 17. Mai 2010 um 8:18 Uhr

    @advocatus
    ich hab das gefühl jetzt geraten zwei dinge durcheinander. auch ein moralisches argument ist ein argument, sachlich ist es auch. nur ist es falsch, was nicht heisst, dass es deswegen schlechter ankommt als ein wahres.
    da wird sich auf einen wert berufen, den das gegenüber auch teilen muss, damit es funktioniert. es wird aber nichts über die gründe für das verhalten des gegenübers geklärt. weder weshalb man etwas getan hat, noch warum man es lassen soll. um so argumentieren zu können, ja, da braucht man einen konsens über das, was als moralisch einwandfrei gilt. da kommt man dann auch auf die idee, leuten ihren rassismus ausreden zu wollen, indem man sie bei ihrem nationalismus packt (rassismus schadet deutschland, ausländer leisten auch was für unser land).
    über die gründe für den rassismus erfährt man nichts und an ihnen wird keine kritik geübt. argumentiert wird da schon. und funktionieren tuts auch. die ergebnisse kann man jeden tag, spätestens wenn man vor die eigene tür tritt, betrachten.
    mehr über die kritik am moralischen denken erfährst du im vortrag. es wäre hilfreich, wenn du den hören würdest, wenn dir das thema am herzen liegt. dann kannst du ja immer noch sagen, ob du es falsch findest und machst es nicht an dem wortwitz des titels fest, der moralisches denken persifliert.

    ps:
    wie stellst du denn fest, ob ein argument unmoralisch ist oder nicht? ich dachte es wäre alles irgendwie moralisch bei dir?

  9. 9 Difficult is Easy 17. Mai 2010 um 8:38 Uhr

    @löscher:
    „die wahrheit zu sprechen gilt halt in vielen kreisen einfach als richtig.“
    ich habs doch schon gesagt. wenn man das so macht, dann ist das eine moralische position. tu ich nich und tat auch der referent nicht. ich beziehe mich nicht auf wahrheit als wert, sondern bestehe argumentierend auf der richtigkeit meiner position und der argumente die für sie sprechen und prüfe gegenargumente auf ihre richtigkeit, auf ihren wahrheitsgehalt. das tue ich nicht mit meinem wahrheitsmessgerät sondern indem ich den gedanken nachvollziehe und fehler aufspüre oder auch nicht, was bedeuten würde, dass ich wohl irgendwo was falsches gedacht habe. wahrheit taucht da getrennt von den dingen, die diese eigenschaft tragen, nicht auf.

    sag mir mal wer nicht meint das richtige zu tun und wem es egal ist (und nicht nur als dämlichste erwiderung auf eine kritik, sondern so ganz wirklich als standpunkt) ob etwas stimmt oder nicht, also jemand dem du sagen könntest wie „spring aus dem fenster, weil das brot schillert.“ und der es dann tun würde (oder vielleicht auch nicht, aber warum weiss er nicht).
    von der richtigkeit des eigenen tuns gehen doch auch die moralisten aus.

    „merkt ihr was?“
    nein, sag mal was du meinst.

  10. 10 Advocatus 20. Mai 2010 um 15:54 Uhr

    Aber dein Verhalten, wie Du es beschreibst, macht doch nur Sinn, wenn Du Wahrheit als persönlichen Wert setzt. (Und wahrscheinlich auch forderst, dass andere sich ebenso wie Du verhalten, ansonsten müsstest Du ja sagen, dass ganze Argumentieren wäre eine persönliche Marotte von Dir und hätte eigtl keinen Sinn.)
    Ich finde, Löscher beschreibt das sehr gut. Dass sich Aussagen wie „Heute ist das Wetter schön“ (faktisch) und „Heute soll das Wetter schön sein“ (moralisch und das Wetter seltsam personifizierend) erheblich voneinander unterscheiden, bestreite ich ja nicht. Aber man muss auch mal sehen, wie eng Moral und Faktizität teilweise beieinander liegen.

    Überhaupt: wenn für Dich das Wahrheitskriterium ist, ob eine Argumentation sich als fehlerfrei erweist, müsstest Du ja auch zugeben, das moralische Argumentationen, die in sich fehlerfrei sind und als solche anerkannt werden (was letzten Endes eins ist, würde ich mal behaupten), wahr sein können.

    Naja, gerade Moralisten sagen ja oft, dass sie sich nicht richtig (gemessen an ihren moralischen Werten) verhalten. So pauschal würde ich das nicht sagen …

    Hab leider im Augenblick keine Zeit, den Vortrag anzuhören.

  11. 11 Difficult is Easy 20. Mai 2010 um 19:51 Uhr

    @advocatus:
    aber moralisches argumentieren ist eben nicht fehlerfrei. ich hab dir auch ansatzweise erklärt wieso. es hat eben nichts mehr mit dem gegenstand zu tun, sondern da wird ein externer maßstab herangezogen um den zu bewerten (moralisch ja/nein).
    und ja, es gibt auch die ganz bemühten moralisten, die sich selbst einer moralischen kritik unterziehen und bemerken, dass es bei ihnen nicht so hinhaut und sogar die, die die moral ganz verklären und nur noch feststellen, dass man nach ihr streben, sie aber nie erreichen kann. trotzdem kranken die alle an dem gleichen fehler.
    und den weist man halt argumentativ nach. dazu braucht man keine, ich wiederhole mich, wahrheitsmeßlatte. wie auch, wahrheit sieht jedes mal anders aus, hat einen konkreten inhalt, ist als „wert“ eben auch wieder komplett wertLOS;)

  12. 12 löscher 20. Mai 2010 um 20:26 Uhr

    „trotzdem kranken die alle an dem gleichen fehler.
    und den weist man halt argumentativ nach.“

    und wozu? sollte man nicht eher etwas zweckmässiges, zielführendes tun?

  13. 13 Difficult is Easy 20. Mai 2010 um 21:45 Uhr

    ich treff mich manchmal mit meinen dorfkumpels und wir fahren mit unserm pick-up rum und jagen und killen reiche stadtbewohner. meinst du sowas?

    mal im ernst: was meinst du denn was zielführender sei, als die leute auf ihre denkfehler hinzuweisen? darauf, dass denen ihre schöne moral nichts bringt, außer einem guten gewissen und allerlei gründen fürs schlechte abschneiden, die nichts mit der realität zu tun haben.

  14. 14 lex 20. Mai 2010 um 22:04 Uhr

    Einen Fehler nachzuweisen, zu kennen, zu kritisieren, kann sehr zweckmäßig sein, z.B. immer dann, wenn man Opfer der verkehrten Schlüsse anderer Leute ist und es nicht sein will – also recht oft. Man kann sich aber auch einfach an falschen Gedanken stören, weil sie blöd sind. Oder aber man möchte andere nicht dumm sterben lassen. Menschen auf ihre Blödheiten aufmerksam zu machen, ist jedenfalls keine Maxime o.Ä., sondern eine Notwendigkeit.

  15. 15 löscher 20. Mai 2010 um 22:32 Uhr

    „was meinst du denn was zielführender sei, als die leute auf ihre denkfehler hinzuweisen?“

    wenn dein ziel ein schönes leben ist, so gut wie alles. denn einen fehler richtig kritisiert zu haben heisst in dieser welt mitnichten daß der mensch, der ihn gemacht hat, ihn in zukunft bleiben lässt.

    populismus ist hundert mal zweckmässiger als mühsame, richtige kritik. schon allein weil die keiner hören will. am mittel dieser kritik festzuhalten, wenn sie nicht zweckmässig ist, kann aber nur bedeuten, daß man die wahrheit AN SICH als wert vertritt.

  16. 16 Difficult is Easy 20. Mai 2010 um 22:45 Uhr

    erklär mal wie das geht, die leute vom richtigen zu überzeugen mit den falschen argumenten?

    hab ich nicht schon mal etwas dazu gesagt, dass in einem richtigen argument kein automatismus steckt. ist eben so. tja.

    ps:
    populismus ist ein vorwurf, den leute erheben, die meinen sie würden den eigentlichen volkswillen vertreten, während populisten es verführen mit falschen versprechungen und lügen.

  17. 17 löscher 21. Mai 2010 um 11:17 Uhr

    „erklär mal wie das geht, die leute vom richtigen zu überzeugen mit den falschen argumenten?“

    was denn für „richtiges“ nun schon wieder? mein schönes leben ist doch nicht „richtig“. (eher wichtig ;)) dein „richtig“ ist genau der moralische maßstab, den ich hier kritisierte. diesen trägst du von aussen an den gegenstand (ein schönes leben) heran. der wohnt dem doch nicht inne!

    ergo machst du genau den fehler, den – ich glaube wentzke war es – in dem moral-vortrag kritisierte. (den es als mitschnitt gibt)

  18. 18 löscher 21. Mai 2010 um 16:06 Uhr

    „hab ich nicht schon mal etwas dazu gesagt, dass in einem richtigen argument kein automatismus steckt. ist eben so. tja.“

    genau deswegen ist das „richtige argument“ ja auch nicht zweckmässig, es sei denn der zweck ist die wahrheit selbst.

    zum populismus noch – wozu andere leute den begriff benutzen ist mir egal. ich sorge mich nicht um den eigentlichen volkswillen, sondern nur um meinen wirklichen. mit der wahrheit ist es aber ähnlich – da sorgen sich leute wie du, dass jemand etwas „falsches“ sagt und müssen das dann unbedingt „richtig kritisieren“. als würde das volk „eigentlich“ etwas „richtiges“ wollen.

    ich wiederhole mich: ein fremder maßstab, der an den gegenstand des schönen lebens* herangetragen wird. eben wahrheitsmoralistisch.

    *sollten wir uns da missverstanden haben und es geht dir um etwas anderes, sag worum.

  19. 19 lex 21. Mai 2010 um 18:30 Uhr

    Was ist von einem „schönen Leben“ zu halten, das jemand für einen Maßstab hält, der es mit der Wahrheit programmatisch nicht so genau nimmt? Wahrheit gibt es zwar auch als moralischen Maßstab, aber vorher bezeichnet der Begriff zutreffende Aussagen über die Wirklichkeit. Der erste Widerspruch des Beliebigkeitsansatzes ist also bereits, dass jemand, der richtig und falsch nicht unterscheiden möchte, das für richtig hält, sich sogar ein paar Argumente dafür ausdenkt, andere von der Richtigkeit seiner selbstgebastelten Realtivitätstheorie überzeugen will usw. – es ist halt schwierig, gegen das Argumentieren zu argumentieren, aber lustiger Versuch :d

  20. 20 Advocatus 26. Mai 2010 um 15:36 Uhr

    Ne, ich sag ja nicht, dass es keine Wahrheit gibt, sondern nur, dass es keinen Automatismus gibt zwischen der Anerkennung eines guten Arguments und der Verinnerlichung der Konklusion als subjektive Wahrheit/Wissen mit handlungsleitenden Konsequenzen. Aber genau auf diese Verinnerlichung zielt der Vortrag ja ab. Damit sie stattfinden kann, bedarf es aber mehr als nicht-moralischer Argumente. DARAUF will ich eigtl hinaus.
    Oder anders: dass die Leute die guten Argumente nicht annehmen hat in den meisten Fällen andere Gründe, als dass sie sie nicht verstehen. (ich behaupte ja nicht, dass „die Leute“ einfach ignorant oder denkfaul sind – wenn, dann aus synthetisierbaren Gründen)

    Und was ist denn das überhaupt für ein Vorwurf, meine Argumente seien „selbst gebastelt“. Das ist doch auch wieder son verstecktes moralisches Argument.

  21. 21 Difficult is Easy 26. Mai 2010 um 21:34 Uhr

    @Advocatus:
    Was soll denn das „mehr“ sein? Ich sag dir, dass es ganz einfach jemand ist, der dir in deinen Ausführungen auch folgen will und es dann auch tut. Das ist schon alles. Dabei kann natürlich einiges schief gehen.
    Das ändert nichts daran, dass man den Leuten ihre Fehler nicht mit einer „besseren“ Moral austreibt, sondern mit wissenschaftlichen Erklärungen über die realen Zusammenhänge dieser Gesellschaft. Eine Moral erklärt nichts, die stellt nur einen neuen Maßstab her, an dem man sein Handeln überprüft, der aber nichts mit den eigenen Interessen zu tun hat, etwas äußerliches ist.

    Der ‚Vorwurf‘ ist übrigens nicht, dass deine Arguemnte asgedacht/selbstgebastelt sind, sondern dass du mit eigenen Argumenten dafür argumentierst, dass das Argumentieren nicht funktioniert.

  22. 22 lex 27. Mai 2010 um 22:31 Uhr

    „Automatismen“

    gibt es nicht beim Überzeugen, das stimmt. Ein Argument kann noch so treffend sein, wenn sich niemand findet, der es hören will, verfängt es auch nicht. Es gibt also offensichtlich Interessen, die eine korrekte Beschreibung und Analyse der Wirklichkeit für unwichtig bis störend halten.

    Klar, wer seine Rolle als nützlicher Idiot schätzt, ist beispielsweise schwer vom Nationalismus abzubringen. Aber sogar die blödesten Fußballfans benutzen Argumente, Begründungen, Schlussfolgerungen, um sich ihres Weltbilds zu versichern. Dass die von ihren Fehlern nichts wissen wollen, mag sein, aber auch das kann man kritisieren.

    Und umgekehrt: Wenn ein Fehler nicht eingesehen ist, bleibt es dem Zufall überlassen, ob ihn jemand wiederholt. Man mag jemanden mit Rollenspielen oder Schokolade für Klassenkampf erwärmen, aber wenn der nicht einmal weiß, wovon er überzeugt sein soll, ist der Agitationserfolg einigermaßen zweifelhaft.

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