Widerständische Kieze am Beispiel von Exarchia in Athen

Samstag 6. Dezember 2008, 21.10 Uhr Ort: Zentrum von Athen, Exarchia. Der Bulle Korkoneas schießt auf eine Gruppe von Kindern. Durch die Kugeln stirbt der 15jährige Schüler Alexandros Grigoropoulos. Die darauf folgenden mehrwöchigen Unruhen machen den Stadtteil weltweit bekannt. Doch die Geschichte von Exarchia ist schon immer durch den Widerstand gegen den Staat geprägt.

Der älteste überlieferte Zusammenstoß von Studenten mit der Polizei in diesem Viertel fand am 11. Mai 1859 statt und wurde unter dem Namen „Skiadika“ bekannt. Die Auseinandersetzungen spielten sich in den gleichen Straßen wie der Dezemberaufstand 2008 ab und führten zur ersten Besetzung eines universitären Gebäudes. Continue reading Widerständische Kieze am Beispiel von Exarchia in Athen

London 2016: Das Terrain des Kampfes in unserer Stadt

Wenn wir etwas Leben und Anarchie auf die Straßen Londons tragen wollen, hilft es uns das Terrain zu verstehen, auf dem wir kämpfen. Dieser Artikel untersucht die Rolle Londons im globalen Kapitalismus; wie diese zu „sozialen Säuberungen“ und Kontrolle führt und ein paar Samen des Widerstands, die in den letzen Jahren aufkamen. Es ist eine gekürzte Version unseres Pamphlets „London 2016“, welches auf diese Punkte detaillierter eingeht. Continue reading London 2016: Das Terrain des Kampfes in unserer Stadt

Athen: Erklärung zur Teilnahme an den Angriffen gegen die MAT in der Patission – Soli Rigaer94

Dokumentation einer Erklärung die auf Linksunten versteckt wird:

Am 9. Juli, in den Morgenstunden zum 10. haben wir uns an den Angriffen gegen die bewaffneten Sicherheitsleute der herrschenden Klasse beteiligt. Wir bekunden hiermit unsere Absicht den Planeten in ein dauerhaftes Schlachtfeld zu verwandeln.

Wir entschieden uns dafür die Nacht in Flammen zu setzen, zusammen mit anderen Verrückten und Aufständischen, um es uns noch ein Mal in Erinnerung zu rufen, wie bei jeder Verurteilung eines*r anarchistischen Genoss*in, für jeden repressiven Angriff, für jeden staatlichen Mord wird es laute Antworten auf den Straßen der Metropole geben und nicht nur dort. Continue reading Athen: Erklärung zur Teilnahme an den Angriffen gegen die MAT in der Patission – Soli Rigaer94

Antiautoritäre zur Demonstration „Investor*innenträume Platzen lassen“ am 9. Juli

Der folgende Text wurde von Linksunten übernommen:

Nach einer monatelangen Hetzkampagne, in der die Rigaer 94 wahlweise als linksextremistisch, rechtsextremistisch, terroristisch oder kriminell mit irrationalen Motiven dargestellt wurde, waren am 9. Juli ca. 4000 bis 5000 Menschen bereit für das Hausprojekt und gegen die Mietenpolitik des Senats und seinen Ausnahmezustand Gesicht zu zeigen. Das sich diese Generationen und Spektren übergreifende Demonstration nicht vom Angstklima, dass Henkels Papageien in der Berliner Medienlandschaft täglich verbreiten, beeindrucken ließ, deutet zumindest Ansätze einer Verankerung autonomer Politik in den Kämpfen um Wohnraum in dieser Stadt an. Continue reading Antiautoritäre zur Demonstration „Investor*innenträume Platzen lassen“ am 9. Juli

Paris im Mai

Überall am Ausgangspunkt der Demo in Paris am Dienstag, 17. Mai, Bullen. CRS, Gendarmerie National, … Kontrolle absolut. Aber der Ordnungsdienst (service d’ordre, SO) der Gewerkschaften fährt mit Transportern voller Knüppel, Baseballschläger, Reizgasgeräten und Helmen vor….

Es dauert eine Weile bis der Block sich gefunden hat, denn es ist schwierig, sich unter diesen Bedingungen zu organisieren und ganz vorne, an der Spitze der Demo laufen nicht nur die Bullen, sondern auch die behelmten und bewaffneten Schläger der CGT und FO. Continue reading Paris im Mai

Gegen die Grenze am Brenner

Es sollte kein symbolischer Tag werden, der 7. Mai, und es wurde auch keiner. Es gibt Frauen und Männer, die nicht gewillt sind, all die Grenzen, Stacheldrahte, administrative Inhaftierung, Massen an Migranten, die an den Grenzen und in den Seen sterben, Konzentrationslager zu akzeptieren. Es war ein Tag des internationalen Kampfes mit Demonstrationen in verschiedenen Ländern und verschiedenen Aktionen in Italien, an der Grenze beim Brenner haben hunderte Gefährt_innen gekämpft.

Es ist schwierig, sich eine ungünstigere Situation als dieses kleine Grenzdorf mit nur einem Zugangsweg vorzustellen. Diejenigen, die gekommen sind, kamen mit ihrem Herz, mit dem Bewusstsein, dass der Kampf gegen das Europa der Lager, das die Staaten am aufbauen sind, seinen Preis hat. Die österreichisch-italienische Grenze ist nur ein kleiner Teil dieser Mauer und die uns nächstliegendste.

Während all der Veranstaltungen zum 07. Mai, und es gab eine Menge davon, waren wir stets klar: Wenn da Grenzen sein werden, werden wir versuchen, diese anzugreifen, andernfalls würden wir die Kommunikationswege blockieren, um zu zeigen, dass es für die verantwortlichen Herren nicht nur darum geht, Mauern zu bauen, sondern auch darum, diese zu verwalten, zu entscheiden, wer und was passieren kann und wer und was nicht. Continue reading Gegen die Grenze am Brenner

Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz

Erst hatte die französische Regierung hartnäckig demententiert, dass sie auf den Verfassungsartikel 49-3 zurückzugreifen gedenke, der es ihr ermöglichen würde, das umstrittene Gesetz zur “Reform” des Arbeitsmarktes ohne parlamentarische Mehrheit in Kraft zu setzen. Am 10. Mai aber war es dann doch soweit. Nach Beratung mit Hollande stimmte das Kabinett den Änderungen per Dekret zu, kommt es im Parlament nun nicht zu einem erfolgreichen Misstrauensvotum, treten die Änderungen endgültig in Kraft. Continue reading Demokratisches Spektakel zum Arbeitsgesetz

Widerstand gegen Präsidentin Bachellet eskaliert in Valparaiso

Die Rede von Michelle Bachellet am 21. Mai zur Lage der Nation vor der Nationalversammlung wurden von harten Zusammenstößen auf den Straßen von Valparaiso begleitet. Der sogenannte Kongress tagt in der kleinen Weltkulturerbe Stadt weil der Staat in Santiago den Druck der Straße fürchtet. Diese jährliche Demonstration endet fast immer mit Krawallen.
Die Demonstration wurde von Schüler*innen und Studierenden genutzt, um nach der gewaltsamen Auflösung der Bildungsproteste vor einem Monat ( Video) ihre Wut zu zeigen. Continue reading Widerstand gegen Präsidentin Bachellet eskaliert in Valparaiso

Disturbios in Barcelona nach Räumung

Die „Enteignete Bank“, besetztes soziales Zentrum im Viertel Gracia von Barcelona, wurde am 23. Mai von den Bullen geräumt. Acht Stunden benötigten die Bullen um mit Trennschleifern und anderem Gerät, die letzten Leute aus dem verbarrikadierten Gebäude zu holen.

Am Abend formierte sich eine Demonstration mit 2000 Menschen gegen diesen Angriff und zerstörte auf ihrem Weg einige Scheiben von Banken. Continue reading Disturbios in Barcelona nach Räumung

17 Fragen an Johhny

Um die gegenwärtigen Proteste in Frankreich zu verstehen und dabei auch noch den einen oder anderen Hinweis zur Lösung eigener Probleme (Bewegungslosigkeit, keine Massenmilitanz, Unfähigkeit gegenüber Nazi Aufmärschen) zu erlangen, sind wir nicht auf die Massenmedien angewiesen (die den Konflikt kleinreden) weil es eine Quelle vor Ort gibt.
Deshalb also 17 Fragen an Johhny zur Entwicklung einer Revolte. Vielleicht könnte bereits einiges aus Nebensätzen und Verweisen auf französische Artikel herausgelesen werden, bleibt manches noch unklar.

Antworten sind selbstverständlich nur soweit erwünscht, wie sie keine vor den Behörden geheimhaltungsbedürftigen Infos weiter geben.

In Anbetracht der oft kaum einschätzbaren Mobilisierungsbereitschaft bestimmter Interessengruppen oder Spektren von Aktivist*innen, wie ist es den Leuten, die Anfang März zu den ersten Schüler*innen Demos und Besetzungen aufgerufen haben, gelungen den Zeitpunkt und die Bereitschaft richtig einzuschätzen?
Waren das Pläne, die schon länger vorbereitet wurden, sind diese Strukturen einfach richtig präsent an den Schulen und Unis oder war der Aufbruch total spontan? Gab es im Vorfeld Anzeichen für das Entstehen dieser Dynamiken oder sind alle davon völlig überrascht worden?

Aus welchen Quellen informieren sich die Leute hauptsächlich über Treffpunkte und Aktionen, eher über Twitter, Facebook oder Mund-zu-Mund Propaganda, oder Blogs?

Wer trifft die Entscheidungen zu Aktionstagen oder Beteiligung an Gewerkschaftsdemos und wie werden solche Entscheidungen getroffen?
In Anbetracht der bekannten Problematik schnelle Entscheidungen zu treffen, müssten ja einige Menschen ohne Pause in Plenas sitzen. Gibt es Delegierten Treffen verschiedener Gruppen oder geht alles von einem kleinen Kern aus?
Oder werden einfach Termine verkündet weil eine hohe Beteiligung sicher erscheint?
Jedenfalls scheint den Strukturen, die dort aktiv werden eine Legitimation zugesprochen zu werden, die in Deutschland nicht besetzt ist, wenn wir die Beteiligung an Schulstreiks oder Aktivitäten gegen Nazi Demonstrationen sehen.

Wodurch können sich spontan wilde Demos, auch in kleineren Städten, entwickeln? Durch eine weniger ausgeprägte Vereinzelung als in Deutschland?
Wodurch wird eine Rekuperation dieser Jugendbewegung durch Bewegungsmanager oder IL – ähnliche Gruppen verhindert?

Im Vergleich zur Revolte in den Banlieues 2005, warum bekommen die Bullen das jetzt nicht in den Griff?
Damals haben Leute mit einer gewissen Erfahrung in ihren eigenen Vierteln die Bullen angegriffen und konnten sich aber nach der Verhängung des Ausnahmezustands nicht mehr lange halten, warum wirken die Bullen jetzt so unbeholfen?

Haben die Auseinandersetzungen um ZAD oder Calais in den letzten Jahren die praktischen Fähigkeiten von radikalen Individuen oder Gruppen so voran gebracht, dass diese nun eine wichtige Funktionen bei den Zusammenstössen mit den Bullen einnehmen?
Oder spielen autonome/ anarchistische Strukturen dabei keine große Rolle weil alle Beteiligten sich sofort die nötigen Widerstandstechniken aneignen?

Wird ein Diskurs geführt (und wenn ja wie?) über die Akzeptanz von Gewalt, den Umgang mit Ordnern der Gewerkschaft?
Oder ist Gewalt gegen Bullen, Sachen oder Ordner so weit legitimiert, dass sie nicht besonders gerechtfertigt werden muss? Im Vergleich auch wieder zu „Aktionskonsensen“ in Deutschland.

Wenn wir die Symbolik bei den aktuellen Protesten betrachten, z.B. Sprühereien, Texte, Transpis… ist eine anarchistische Perspektive bei einigen Teilnehmer*innen vorhanden, im Gegensatz zur Revolte von 2005, aber welche Rolle spielt das?
Sind viele nur aus Frust dabei, um ihre eigene Situation zu verbessern und wie wird das in den Aufstands orientierten Zirkeln reflektiert, (über die kurzen Bekenner*innen Schreiben hinaus)?

Und Antworten:

Die Sache ist die, dass ich diese Fragen nicht beantworten kann, da meine Perspektive auch eine von aussen ist, ich nicht Teil dieser Bewegung bin, ich mir auch nicht anmaßen möchte, für diese Bewegung zu sprechen. Ich übrigen finde ich die Art der Fragen auch eher “technischer” Natur.

Die Erfahrung zeigt doch immer wieder, dass Bewegungen nicht voraussehbar, geschweige denn planbar wären. Was auf jeden Fall zu beobachten ist, ist, dass viele der Akteure sehr jung sind, nicht umsonst hat sich der “antagonistische Block” im Laufe der letzten Monaten zumindestens in Paris aus den Schülerdemos heraus entwickelt. Und ich persönlich finde das auch gut so, weil jede neue Generation von Revoltierenden auch ein Stück weit mit dem “Erbe” der politischen Generation vor ihr brechen muss, “ihr eigenes Ding” machen muss, um nicht zu einem ideologischen Wurmfortsatz zu werden.

Dass bestimmte Taktiken und Mittel übernommen werden ist ja nicht ungewöhnlich, kürzlich hatte sich ja sogar in Ägypten ein “black bloc” gebildet und sich dann nach kurzer Zeit selbst wieder abgeschafft. Und dass wunderschöne an solchen Zeiten wie jetzt in Frankreich ist ja auch die Vielfältigkeit, dass Bunte, nicht Einheitliche. Und die Klammer ist (jedenfalls aus meiner Sicht) eben nicht eine hermeneutische Weltsicht oder die Zugehörigkeit zu irgendeiner Szene oder einem Milieu, sondern der Wille konkret zusammen zu kommen. Und da ist es dann kein Problem, mal eben einige hundert oder auch weniger Leute zu finden und mit denen mal loszuziehen.

Und eben auch die Begeisterung, das Feuer, die Bereitschaft auch Risiko, aufs Ganze zu gehen. Ich finde es nämlich bezeichnend, dass in der BRD ständig über “die Repression” lamentiert wird und sich Leute sogar darüber aufregen, dass Turnschuhe nicht verpixelt werden, real aber in den letzten Jahren kaum ein/e “weiße/r” Linke/r letztendlich im Knast gelandet ist. Das ist nämlich für mich auch einer der grossen Unterschiede: In der BRD wollen alle beim Event dabei sein, aber eben als Erlebnispublikum und wenn es dann ernst wird, sind es immer nur wenige der aberhunderten black- bloc-Gestylten, die wirklich was machen, riskieren. In Frankreich ziehen die Schüler mal einfach los, wenn es gut läuft, kassiert ein Bullenrevier Steine, wenn es schlecht läuft, bekommen sie selber auf die Fresse.

Und jenseits dieser ganzen “inneren Logik” handelt es sich natürlich auch um eine soziale Bewegung, die weit über das antagonistische Spektrum hinaus reicht. In der BRD soll es ja so etwas ja auch mal gegeben haben mit Hausbesetzer- und Anti-AKW- Bewegung, hört mensch so…. Und die Sache mit den Plenas….Kann mich erinnern, dass das Unsichtbare Komitee sich damit auch beschäftigt hat und konsterniert hat, dass in aufständischen Zeiten Plenas eher daran hindern zur Sache zu kommen… Sollte mensch mal darüber nachdenken, die berühmtem Barriikadentage der Hafenstrasse sollen ja auch just in dem Moment angefangen haben, als im Zelt gerade das Plena tagte. Nur so….