Montag, 21
.01.13 23:45 Uhr im Ersten
http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/swr/geschichte-im-ersten-de-gaulle-und-adenauer-100
.html
Sie waren beide sehr gespannt auf den anderen, als sie sich am 14. September
1958 zum ersten Mal trafen:
Konrad Adenauer fürchtete, in
De Gaulle einen kriegerischen
General zu treffen, der die Deutschen, die er sein
Leben lang bekämpft hatte, immer noch hasst -- 13 Jahre nach
Ende des letzten Krieges. De Gaulle, seit wenigen Wochen französischer Ministerpräsident, hatte deshalb eine demonstrative
Geste gemacht und den deutschen Bundeskanzler in sein privates
Landhaus nach Colombey-les-deux-Églises eingeladen, etwas, das er nie zuvor mit einem Politiker getan hatte und auch niemals danach tat.
Als
Adenauer sich am nächsten Mittag verabschiedete, war so etwas wie ein Wunder geschehen: Die beiden Politiker hatten spontan eine herzliche Beziehung zueinander gefunden und waren jetzt fest entschlossen, die alte Feindschaft zwischen
Deutschland und
Frankreich endgültig zu beenden, ihre Völker auszusöhnen und eine enge politische Zusammenarbeit zu beginnen.
Beide
Männer empfanden die ungeheure
Last der deutsch-französischen Geschichte, Kriege, Konflikte und wechselseitige Demütigungen, wie sie auch in ihrem persönlichen Leben von Anfang an spürbar war. Als Konrad Adenauer 1876 in
Köln auf die
Welt kam, lag die Reichsgründung gerade fünf Jahre zurück und die Deutschen waren überschwänglich begeistert von
Bismarck, dem gewonnenen
Krieg 1870/71 und der Proklamation des preußischen Königs zum deutschen
Kaiser. Dass diese deutsche Reichsgründung ausgerechnet im Schloss von
Versailles stattfand, im mythischen Herzen Frankreichs, und inmitten eines schrecklichen Krieges, war umgekehrt für die Franzosen eine ungeheure Demütigung.
Foto des jungen de Gaulle.
Charles de Gaulle, 1890 in
Lille geboren, wuchs auf in einer Stimmung von Rache und
Revanche. Schon als Jugendlicher beschloss er,
Soldat zu werden, um die Deutschen im nächsten Krieg siegreich schlagen zu können. Im Ersten Weltkrieg wurde der junge
Hauptmann de Gaulle in der
Schlacht um
Verdun schwer verwundet und geriet in deutsche Gefangenschaft. Konrad Adenauer wurde
1917, gegen Ende des Krieges, Oberbürgermeister von Köln. Den Friedensvertrag von Versailles,
1919, hat er genauso als einseitig und ungerecht empfunden wie Millionen andere Deutsche, aber zugleich war er einer der wenigen, die hinter der Härte des Vertrags die ungeheure
Angst der Franzosen vor einem neuen deutschen Angriff spürten. Seit 1919 überlegte Adenauer deshalb immer wieder, wie man zu einem dauerhaften
Frieden mit Frankreich und damit für
Europa kommen könnte.
1933 kam
Hitler an die Macht mit seiner sehr populären Erklärung, er werde den Versailler Vertrag revidieren,
Punkt für Punkt und notfalls durch Krieg. Zugleich wurde der Kölner Oberbürgermeister Adenauer von der SA aus Köln und aus seinem Amt gejagt. Als Hitler im Mai
1940 seine Versprechen wahr machte, Frankreich angriff und binnen weniger Wochen besiegte, war es
General de Gaulle, der nach
London flog und das schier Aussichtslose erklärte: dass der Kampf weitergehen und dass man die Deutschen aus Frankreich vertreiben werde.
Vier Jahre später, im
August 1944, war
Paris tatsächlich eine befreite
Stadt und de Gaulle, der über die
Champs Èlysées einzog, der
Held der Stunde. Das waren genau die Tage, in denen Adenauer in
Rhöndorf bei Bonn plötzlich von der
Gestapo verhaftet und mit dem Tod bedroht wurde. Am Ende des Krieges,
1945, war es unvorstellbar, dass diese beiden Völker sich jemals aussöhnen könnten.
Gedenkschrift vor der Kathedrale in
Reims.
Vier Jahre nach ihrem ersten Treffen von Colombey-les-deux-Èglises, 1962, machten beide Politiker Staatsbesuche in das jeweilige Nachbarland, die bei beiden Bevölkerungen so viel Begeisterung auslösten, dass Adenauer und de Gaulle beschlossen, diese neue Freundschaft mit einem Vertrag zu krönen und zu festigen. Am 22.
Januar 1963 -- vor einem halben Jahrhundert -- unterschreiben beide im Èlysée-Palast in Paris die Verträge, umarmen sich und geben sich, wenn auch ein bisschen linkisch und scheu, den "Bruderkuss" -- eine Geste, in der die Zeitgenossen ihre
Sehnsucht nach einer dauerhaften Aussöhnung von Deutschen und Franzosen ausgedrückt fanden.
Interview mit
Helmut Schmidt (li.) und
Giscard d'Estaing (re
.).
Es bedurfte allerdings der nachfolgenden Politiker-Generation, diesen Vertrag wirklich mit Leben zu erfüllen; die ersten waren Helmut Schmidt und
Valery Giscard d'Estaing, die im
Film eindrucksvoll davon erzählen.
Auch die meisten der nachfolgenden deutsch-französischen Politiker-Paare (Kohl/
Mitterrand, Schröder/
Chirac,
Merkel/
Sarkozy bzw.
Hollande) stellten sich in die
Tradition, die Adenauer und De Gaulle begründet hatten: die Idee der deutsch-französischen Freundschaft als Grundlage des
Friedens in Europa.
Film von
Werner Biermann
- published: 25 Jan 2013
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