Geheimakte
Gauck - COMPACT
Talk mit
Klaus Blessing
Die
Sonne strahlte, die Medien balzten, die Kanzlerin lächelte und küsste.
Eine gute Woche, nachdem
Edward Snowden ausgepackt hatte, kam US-Präsident
Barack Obama am 19.
Juni zum Staatsbesuch nach
Berlin. Wer wird denn wegen des millionenfachen Bruchs des deutschen Fernmeldegeheimnisses durch
Uncle Sam böse sein?
Am meisten übermannte die Liebe zum Großen Bruder den Bundespräsidenten. Als
The Star Sprangled
Banner ertönte, war es um ihn geschehen: «Und genau in diesem
Moment sah man, dass Barack Obama und
Joachim Gauck so vieles verbindet.
Obama schloss bei der US-Hymne die Augen, legte die
Hand aufs Herz, genoss den Moment. Und auch Gauck war sichtlich berührt, ein paar Tränen schossen ihm in die Augen, er musste sie runterschlucken, senkte den Kopf. Von Anfang an war klar:
Die "Chemie" zwischen den beiden stimmt. Er, der US-Präsident, der immer wieder die
Freiheit der Menschen ins
Ziel nimmt. Er, der
Bundespräsident, aufgewachsen und gefangen in der
DDR», berichtete die Bild-Zeitung gefühlig.
Ende Juni gab der Bundespräsident dann dem
ZDF ein längeres
Interview, unter anderem zur NSA-Affäre. Gewohnt pastoral drückte sich Gauck um eine definitive Aussage herum. Auf
Snowden angesprochen, bat er -- nach zwei Wochen ausufernder Berichterstattung! -- um «noch mehr Informationen» und psalmodierte «Sympathie (
...), wenn eine Regierung dabei ist, das Recht zu beugen» und es einen gebe, «der sich aufgerufen fühlt, diese Rechtsbeugung öffentlich zu machen». «Für puren Verrat» indes, so die Keule im Anschluss, «habe ich kein Verständnis». «Verrat» -- wenn es um die Aufdeckung von Geheimdienstbespitzelung geht? Kann so einer formulieren, der selbst «gefangen in der DDR» (Bild) gewesen war und damals als «Bürgerrechtler» gegen die Schlapphüte gekämpft hat?
Aber vielleicht war es mit Gaucks Anti-Stasi-Engagement doch nicht so weit her.
Dies legen Dokumente nahe, die Klaus
Blessing und Manfred Manteuffel in dem gerade erschienenen
Buch Joachim Gauck -- Der richtige
Mann? vorgelegt haben. Blessing war Staatssekretär im DDR-Wirtschaftsministerium, da könnten Kritiker unken, es gehe um eine politische Abrechnung mit SED-Gegnern. Doch die Autoren haben solide gearbeitet und ihre Aussagen profund mit Quellen belegt. Vor allem aber: Manteuffel war von
1984 bis
1990 Referent für Kirchenfragen beim Rat der
Stadt Rostock -- und damit in ständiger Tuchfühlung mit Gauck, der zur selben
Zeit in der
Hansestadt Pfarrer war.
Das Autorenduo erinnert daran, dass auch die bundesdeutschen Eliten kurz nach der Wiedervereinigung nicht so ungeteilt auf die Integrität des ostdeutschen Gottesmannes vertrauten, wie es heute der
Fall scheint. Spektakulär war etwa eine kritische Dokumentation über das Wirken von Gauck als Beauftragter für die Stasi-Unterlagen, die das
ZDF unter der Moderation von Bodo H. Hauser am 17.
April 1991 sendete.
Der Spiegel und Kennzeichen D warfen nach der Sendung die Frage auf, ob Gauck als Leiter der Behörde nach diesen Enthüllungen noch tragbar sei.
Kein Wunder: Gauck hatte bei der Aufnahme des
Interviews Wirkung gezeigt. Es musste zweimal abgedreht werden, da die erste Fassung nicht sendefähig war und gelöscht werden musste. Der
Grund: Gauck war ausgerastet und hatte dem Interviewer angedroht: «Für Ihre Fragestellungen möchte ich Ihnen am liebsten eine knallen.»
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- published: 06 Sep 2013
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