Skandal um das „Magnus-Haus“?

Vom Umgang der Politik mit der Denkmalpflege

Gegenüber der Museumsinsel am Kupfergraben 7 liegt eines der letzten Stadtpalais Berlins. Es steht unter Denkmalschutz. 2001 erfolgte der Verkauf des Anwesens an die Siemens AG. Die will im Garten ihre neue Repräsentanz mit Tiefgarage errichten. Die Einsprüche der Denkmalpfleger wurden vom Senat vom Tisch gewischt. Die LINKE spricht von Skandal. …

Liest man sich die Antwort der Senatsbaudirektorin auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Lompscher und Lederer durch offenbart sich Unglaubliches. Baugesetze und Einsprüche der Unteren Denkmalschutzbehörde Mitte, dem zuständigen Stadtplanungsamt, dem Landesdenkmalamt Berlin und dem Landesdenkmalrat werden durch politische Einflussnahme vom Tisch gewischt.

Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der bis Anfang Dezember 2014 im Amt war, sprach sich gegenüber seinem Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) für das Siemens-Projekt aus. Wowereit bat in einem Schreiben an Müller darum, „das Vorhaben unterstützend zu begleiten und anstehende Fragen in engem Kontakt mit dem Bezirk einer einvernehmlichen Klärung zuzuführen“.

Nachdem zum Schluss das Landesdenkmalamt seine Einsprüche formuliert hatte, schaltete sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ein. Sie machte „auf der Grundlage des Schreibens des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit an den Stadtentwicklungssenator von ihrem Weisungsrecht Gebrauch“, heißt es in der Senatsantwort an die Abgeordneten.

Damit gab sie grünes Licht für Siemens. Das Vorhaben sei „für Berlin von herausragender wirtschaftspolitischer Bedeutung“, erklärte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre Entscheidung.

Geschichte

Das Magnus Haus am Kupfergraben 7 steht nicht umsonst  auf der Landesdenkmalliste. Es eines der letzten Stadtpalais aus dem 18.Jahrhundert. Das jetzige Aussehen verdankt es Johann Boumann, der um 1753 Pläne von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff umsetzte, die dieser im Jahr 1750 als Aquarellzeichnungen angefertigt hatte.

Erster Bewohner war die Familie des königlichen Beamten Westphal, als Nächstes zog der Mathematiker Joseph-Louis Lagrange hier ein, der von 1766 bis 1787 Direktor der Berliner Preußischen Akademie der Wissenschaften war.

Im Jahr 1822 wurde das Anwesen von dem Architekten August Adolf Günther erworben, der es 1840 an den Physiker Gustav Heinrich Magnus verkaufte. Die zahlreichen Räume wurden nun nach Vorstellungen von Magnus so umgestaltet, dass er 1842 ein physikalisches Kabinett einrichten konnte, um seine Forschungen durchzuführen.

Er lud Studenten ein, und es gab Diskussionsrunden und Lehrveranstaltungen im Haus („Physikalische Kolloquia“). Durch diese intensive wissenschaftliche Tätigkeit kam es 1845 (in einem Lokal in der Französischen Straße) zur Gründung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), die ihre Arbeit vom Palais am Kupfergraben aus lenkte und ihre Sitzungen hier abhielt. (Quelle: Wikipedia)

Das Gebäude wurde 1911 an den Preußischen Staat verkauft. Nächster Nutzer, des nun nach seinem ersten bedeutenden Bewohner „Magnus-Haus“ genannten Palais, wurde ab 1911 der bekannte Regisseur Max Reinhardt, der zehn Jahre lang bis 1921 die Räume des Obergeschosses bewohnte.

1930 ließ die DPG 1930 eine Gedenktafel am Haus anbringen, die an das Wirken von Magnus sowie seine Mitarbeiter und Schüler erinnert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich im Magnus-Haus bis mindestens Dezember 1946 das Untersuchungsgefängnis der Operativgruppe 1 der sowjetischen Geheimpolizei NKWD/MWD in Berlin. Sie war für den Bezirk Mitte zuständig. Das Gefängnis befand sich im Keller, hatte keine sanitären Einrichtungen und war nicht beheizbar. Im September 1949 übergab die Besatzungsmacht das Gebäude der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, die es bis 1952 nutzte.

1952 wurde wieder eine Gesellschaft gegründet, die sich verstärkt der Entwicklung der Physik widmete. Sie gab sich den Namen Physikalische Gesellschaft der DDR.
Aus Anlass des 100.Geburtstages von Max Planck, der auch lange Jahre Vorsitzender der DPG war, wurde das Magnus-Haus 1958 (wieder) der Sitz dieser Gesellschaft.

Die Bibliothek erhielt den Ehrennamen Max-Planck-Bibliothek, auch das Haus wurde zeitweilig so genannt. Die gesammelten Werke des Gelehrten wurden anlässlich der Namensgebung durch den sowjetischen Gelehrten Abraham Joffé an die Physikalische Gesellschaft zurückgegeben, nachdem die Materialien am Kriegsende von sowjetischen Soldaten sichergestellt worden waren. Sie umfassen rund 1000 Bücher, darunter Lexika, Wörterbücher, Manuskripte, physikalische Standardwerke des 19.Jahrhunderts, Kompendien, Ausgaben von Plancks Werken sowie Festschriften, die zu seinen Ehren herausgegeben wurden.

Seit dem Zusammenschluss der beiden deutschen Physikalischen Gesellschaften wird das Magnus-Haus, das jetzt im Besitz des Landes Berlin war, weiterhin durch die (neue) Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) genutzt. Mit hohem finanziellem Aufwand und einer Spende der Siemens AG wurde es 1993/1994 saniert.
Eine zweite Gedenktafel, unmittelbar unter derjenigen von 1930 angebracht, erinnert seit 1994 an Max Reinhardt und die letzte Restaurierung des Hauses.

persönliche Anmerkung

Als ehemaligem ökonomischen Direktor und Oberkonservator im Institut für Denkmalpflege der DDR kommt mir die politische Einflussnahme irgendwie bekannt vor. Der Unterschied ist vielleicht, dass vorgebliche Staatsinteressen durch Privatinteressen ersetzt wurden. Wenigstens gibt es jetzt Opposition und Pressefreiheit. Die Bürger müssen aber wach sein bleiben.

Nun ist es ja auch nicht so, dass der Senat Siemens in den Arsch kriechen muss. Tausende von Stellen wurden in Berlin schon abgebaut und wenn es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, ergeht es Berlin wie Bochum mit Nokia oder Rüsselsheim mit Opel.

Schriftliche Anfrage Magnus-Haus: http://www.gleimviertel.de/wp-content/uploads/2015/06/S17-16309.pdf

Hartmut Dold

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