Wer sind die Geisterfahrer?

Überraschende Vorschläge der Griechen

Der neue griechische Finanzminister Varoufakis hat einen Vorschlag gemacht, der Deutschland noch übel aufstoßen wird. Er möchte einen Keynesianischen Mechanismus wiederbeleben, der die Länder mit zu hohen Exportüberschüsse zwingt, einen Teil im Inland zu revitalisieren oder die Währung aufzuwerten.

Im Jahr 2014 hatte Deutschland einen unanständig hohen Exportüberschuss von 285 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Die neue Handelsgroßmacht China folgt abgeschlagen auf Platz zwei mit lediglich 150 Milliarden, dahinter liegt der größte Ölexporteur Saudi-Arabien mit 100 Milliarden Dollar.

Daraus ergibt sich ein Leistungsbilanzüberschuss von 7,5% der Wirtschaftsleistung und das liegt deutlich über dem Wert von 6%, den die EU als Obergrenze erlaubt. Deutschland ist dafür schon von der EU-Kommission abgemahnt worden, hat aber darauf letztlich mit einer weiteren Erhöhung geantwortet. Experten rechnen für 2015 mit einer Steigerung auf 8%.

Die Exportüberschüsse eines Landes sind aber zugleich auch immer die Schulden anderer, die eine negative Leistungsbilanz haben. So gerieten Griechenland und andere Südländer in einen Abwärtsstrudel.

In seinem kürzlich veröffentlichten Buch “Der Globale Minotaurus” erläutert der Ökonomieprofessor, Finanzminister Varoufakis, den Überschuss-Umwälz-Mechanismus an Hand von historischen und ökonomischen Fakten und Entwicklungen. Er beruft sich dabei auf den umstrittenen Ökonomen J.M. Keynes und seiner Theorie. Den möchten die Neoliberalen am liebsten exkommunizieren.

Keynes Vorschlag war es, globale Regeln zu schaffen, die gleichermaßen Druck auf Gläubiger- und Schuldnerländer ausüben würden, ihre jeweiligen Handelsungleichgewichte auszugleichen, wodurch die von den Schuldnerländern getragene Bürde leichter würde.

Er schlug vor, dass jedes Land, das versäumte seinen Handelsüberschuss unterhalb eines bestimmten Prozentsatzes seines Handelsvolumens zu halten, Zinsen zahlen und so seine Währung aufwerten müsste. Diese Zinszahlungen sollten bei der Finanzierung des zweiten Zweigs von Keynes Vorschlag helfen: der Schaffung einer International Clearing Union (Verrechnungsstelle). Die ICU würde als eine Art “globaler Überschuss-Umwälz-Mechanismus” funktionieren.

Laut Varoufakis machen das einzelne Länder schon intern. Sie verteilen ihren Überfluss entweder durch direkte Transfers (Zahlung von Arbeitslosenunterstützung in Glasgow oder Idaho durch in London oder New York erhobene Steuern) oder durch direkte Investitionen – gezielter Bau von mehr Fabriken und besserer Infrastruktur in geschwächten Gebieten.

Am besten wäre es, die Löhne in Deutschland zu erhöhen. Das geschieht jetzt auf Druck der Gewerkschaften sukzessive.

Viel wichtiger wäre es aber, den prekären Arbeitsmarkt einzudämmen, in dem sich Millionen Menschen wie in einem Hamsterrad befinden. Ihre Kaufkraft und damit die Binnennachfrage zu erhöhen wäre essentiell.

Immerhin, der Mann hat seine ökonomischen Klassiker gelesen und Parallelen zur heutigen Situation festgestellt. Es ist bemerkenswert, dass die führenden Ökonomen der Gegenwart: Paul Davidson und Joseph Stiglitz ähnliche Ansätze verfolgen.

Das Problem ist, dass eben diese Überschussländer aus kurzfristiger Interessenlage nicht bereit sind, befristete wirtschaftliche Überlegenheit für langfristige Nachhaltigkeit aufzugeben. Politiker wollen wiedergewählt werden und Stammtischparolen sind oft griffiger, besonders, wenn man sich die Medienlandschaft ansieht.

Vielleicht ist es an der Zeit, diese verloren gegangene Idee wiederzubeleben. Doch womöglich ist das zu kurze Gedächtnis in Überschussländern da ein Hindernis. Heiner Flassbeck, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg, ist einer der wenigen deutschen Ökonomen, die auf diesen Punkt aufmerksam machen. Er weist darauf hin, dass ”wir von den Schuldnerländern verlangen, ihre Schulden zurückzuzahlen, sie aber gleichzeitig daran hindern, das zu tun.”

Leider werden in Deutschland die Erfahrungen der Geschichte nicht einmal ansatzweise diskutiert. Niemand weiß mehr, was tatsächlich mit Deutschland 1953 passiert ist, dass nämlich die Reparationszahlungen im Westen durch den Londoner Schuldenerlass weitgehend gestrichen wurden und mit dem Marshallplan die Wirtschaft in Schwung gebracht werden konnte. Ostdeutschland hingegen musste bitter bezahlen.

Wie gut, dass Varoufakis jetzt in der Position ist, daran zu erinnern.

P.S.: Einseitig ausgerichtete Medien jammern darüber, dass Griechenland sein Volkseigentum nicht komplett verscherbelt. Als Beispiel dient ihnen der Hafen von Piräus. Dort besitzt China schon jetzt große Anteile und zwei Terminals. Warum jetzt nicht alles komplett verkaufen? Vielleicht weil die Chinesen als Erstes die griechischen Hafenarbeiter entlassen haben, um sich billigerer Arbeitskräfte zu bedienen?

Quelle: http://www.heise.de/tp/news/Deutschland-destabilisiert-Finanzsystem-mit-Exportueberschuss-immer-staerker-2540244.html

Dr. phil, Dipl. oec. Hartmut Dold

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