Betongold

Vor sechs Jahren wurde die globale Finanzkrise durch amerikanische Immobilienkredite ausgelöst. Jetzt droht die nächste Immobilienblase: In Europa investieren Anleger nicht mehr in Aktienfonds, sondern in sogenanntes Beton-Gold. Vor allem in den Großstädten ist die Nachfrage riesig, die Quadratmeterpreise für Wohnraum explodieren. Wenn ein Haus in die Hände eines Investors fällt, heißt das für die Mieter Angst und Unsicherheit. Im Briefkasten landen Abmahnungen, Kündigungen, Räumungsklagen. Nur ohne die Altmieter lassen sich aus den Wohnungen lukrative Anlageobjekte machen. Zwar schützt das deutsche Recht die Mieter, aber das wird in der Realität immer weiter ausgehöhlt.

Auch das Haus in Berlin-Mitte, in dem die Regisseurin Katrin Rothe lebt, bekommt eines Tages einen neuen Besitzer. Es ist ein Investor, spezialisiert auf “einzigartige Wohnungsbauten in Toplagen” und “Wohnhäuser mit Entwicklungspotenzial”. Bei ihren Recherchen stößt die Regisseurin auf ein dubioses Firmengeflecht, auf ein Netzwerk aus Notaren, Maklern, Anwälten. Es ist eine neue Welt, mit der sie konfrontiert wird. Eine Welt voll von Lügen und Briefterror. Versuche der Nötigung und Bestechung sind strafrechtlich nicht nachweisbar. Der Investor erscheint zunehmend als übermächtiger Feind, dem die einzelnen Mieter hilflos gegenüber stehen – trotz gültiger Mietverträge.

Der Dokumentarfilm erzählt emotional und berührend die Geschichte einer Hausgemeinschaft, die plötzlich in den Strudel des Immobilienhypes gerät. Mit ihrer Kamera hält die Ich-Erzählerin den monatelangen Kampf der Mieter gegen Einschüchterungen und Schikanen fest. Was sie nicht filmen darf, zeichnet sie. Bei den Besichtigungsterminen unterscheiden sich die Kaufinteressenten kaum von den bisherigen Mietern. Auch sie gehören zur Mittelschicht, auch sie sind Getriebene der Finanzkrise, auch sie versuchen nur, ihr Geld existenzsichernd anzulegen. Für Solidarität mit den Mietern bleibt da kein Platz.

Die Filmemacherin thematisiert den schleichenden städtischen Umbau der Eigentumsverhältnisse und zeigt dabei auch die innere Zerrissenheit der Betroffenen, denen – wenn sie nur schnellstmöglich ausziehen – immer höhere Abfindungen angeboten werden. Doch was tun mit all dem Geld? Eine Wohnung anzahlen, Schulden machen? Selbst in Beton-Gold investieren?

(Deutschland, 2013, 52mn)
RBB

Etwa 70 bis 90 Menschen beteiligten sich am 28. April 2013 an der Kundgebung vor der Weisestrasse 47, die immer noch leer steht. Es gab Redebeiträge zum Haus, der Besetzung im letzten Jahr und zu den Gerichtsverfahren wegen der Hausbesetzung. Ein Prozess wegen Verstoss gegen das Versammlunggesetz wegen einer Kundgebung während der Besetzung im April 2012 endete nach zwei Instanzen mit einem Freispruch. Weiterhin wurde über die erstmal verhinderte Zwangsräumung durch Stadt und Land in der Hermannstrasse 208 berichtet. Zum Abschluss gab es noch eine kleine Demorunde durch den Schillerkiez. Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47Demo Weisestr. 47 Demo Weisestr. 47

Mieterhöhung, Luxusmodernisierung, energetische Sanierung, Wegzüge langjähriger Nachbarinnen und Nachbarn – Aufwertung und Verdrängung waren lange eine Bedrohung, die sich aus angrenzenden Vierteln anschlich, aber Rixdorf noch nicht unmittelbar zu betreffen schien. Die Realität ist eine andere. Die hässliche Seite des Wohnungsmarktes ist auch in zwischen Sonnenallee, Karl-Marx-Straße und S-Bahn-Ring allgegenwärtig.

Das Rixdorfer Kiezforum lädt ein zu einem Spaziergang zu Orten, an denen Aufwertung und Verdrängung im Viertel passiert. Und an denen sichtbar wird, dass es hier nicht um unausweichliche Entwicklungen geht, sondern dass Gentrifizierung von Bezirk und Senat politisch gewollt und gezielt herbeigeführt wird.

Los gehts am Samstag, den 27. April 2013, 15 Uhr am Karl-Marx-Platz, Neukölln. Bringt Eure Nachbarinnen und Nachbarn mit.

http://rixdorf.org

kiezspaziergang-2013-web

Nach einem Jahr sind fast alle Wohnungen in Besitz von neuen Eigentümern:
Von 30 Wohneinheiten sind mittlerweile 26 sicher verkauft. Davon standen zuvor 4 Wohnungen leer.
Von 26 ursprünglichen Mietparteien, mussten 7 wegen Eigenbedarfsanmeldung bereits gehen.
Weitere 2 Auszüge stehen in Kürze an.

Während die Kritik an der Neuköllner Immobilienfirma nicht abreißt, betont das Unternehmen seine soziale Ader

„Liebe potenzielle Käufer, wenn ihr schon die Möglichkeit habt, euch eine Eigentumswohnung zu leisten, seid doch so fair und anständig, eine leere zu kaufen. Hier wohnen bereits Menschen. Bitte nehmt ihnen nicht ihr Zuhause.“ Diese Zeilen waren mehrere Tage im Eingangsbereich der Allerstraße 37 in Neukölln zu lesen. Adressiert waren sie an die zahlreichen Interessenten von Eigentumswohnungen, die in letzter Zeit häufig im Gebäude anzutreffen sind.

„Der Ausverkauf hat begonnen“, kommentiert die Mieterin Katharina Achenbach* die Situation im Haus. Sie hat sich mit anderen Mieter/innen zusammengeschlossen, um mit Unterstützung durch eine Stadtteilinitiative an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch einen Blog haben die Mieter/innen eingerichtet, der über das im Nord-Neuköllner Schillerkiez gelegene Miethaus informiert. Nach dem Tod des früheren Eigentümers kaufte die Immobilienfirma Tarsap GmbH im letzten Jahr das Haus und machte Termine mit den Mieter/innen. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass es bereits bei diesen sogenannten „Kennenlerngesprächen“ um die Vorbereitung von Wohnungsverkäufen gegangen sei, so die Mieterin gegenüber dem MieterEcho. Einige der Wohnungsbesuche seien erfolgt, bevor der neue Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Die Mieter/innen stellten bei einem Besuch beim Grundbuchamt fest, dass die Wohnungen bereits 1998 in Wohneigentum umgewandelt worden waren. Für Altmieter/innen ist eine Wohnungsumwandlung mit drei Jahren Kündigungsschutz ab dem ersten Verkauf verbunden. Allerdings sind die meisten Mieter/innen erst nach der Umwandlung eingezogen und können aufgrund von Eigenbedarf mit der vertraglich vereinbarten, meist dreimonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Auch die Ergotherapiepraxis im Erdgeschoss musste nach 15 Jahren Mietdauer ihre Räume aufgeben.

Streit um Videokamera

Ein Konflikt zwischen Eigentümer und Mieter/innen entwickelte sich um die anfangs zitierte Ansprache an potenzielle Wohnungskäufer im Eingangsbereich des Hauses. Für den Vertretungsbevollmächtigten der Tarsap, Uwe Andreas Piehler, handelt es sich dabei um einen klaren Fall von Sachbeschädigung. Gegen eine Mieterin sei Anzeige erstattet worden. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Im Mieterblog heißt es dagegen, die Bewohnerin werde beschuldigt, die Urheberin des Graffitos zu sein, weil ein Plakat mit einem ähnlichen Text in ihrer Wohnung hänge. Zudem sei ihr fristlos gekündigt worden und sie habe eine Rechnung von 425 Euro für die Entfernung des Textes bekommen. Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Mieter/innen und der Tarsap war die Installation einer Videokamera im Hauseingang. Sie sei ohne Vorankündigung und ohne die Erlaubnis aller betroffenen Mieter/innen angebracht worden, so die Bewohner/innen. Dagegen behauptet eine Mitarbeiterin der Tarsap, es habe sich um eine Kameraattrappe gehandelt, die nach dem Anbringen der Parolen zur Abschreckung montiert und mit einem Aushang angekündigt worden sei. Piehler betont, dass sein Unternehmen eine soziale  Ader habe und verweist auf die Unterstützung von Sportvereinen in Neukölln. Doch nicht alle Bewohner/innen im Kiez sehen die Tarsap in einem solch positiven Licht (siehe auch MieterEcho Nr. 344 / Dezember 2010). In letzter Zeit tauchten in der Nähe des Tarsap-Büros in Neukölln Parolen gegen die Vertreibung von Mieter/innen auf. „Wir müssen damit leben, als die bösen Spekulanten hingestellt zu werden, die wir definitiv nicht sind“, kommentierte Piehler gegenüber MieterEcho solche Aktionen. Er verweist auf Verträge, die denjenigen Mieter/innen, die seit Jahrzehnten in der Allerstraße 37 wohnen und teilweise dort geboren sind, garantieren sollen, dass sie bleiben können. Was Piehler allerdings dabei nicht erwähnt, ist der gesetzlich geregelte Mieterschutz für diese Minderheit der Bewohner/innen, die bereits vor der Umwandlung der Wohnungen im Haus lebten. Auch für die anderen fühle sich seine Firma verantwortlich, meint Piehler. So habe man einem Mieter bei der Wohnungssuche geholfen, ihn zu Ämtern begleitet und sogar bei der Begleichung der Kaution für die neue Wohnung geholfen.

Peter Nowak,  Erschienen im aktuellen MieterEcho

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