aus Wildcat 98, Sommer 2015 mit einer aktuellen Vorbemerkung
Dass Syriza sechs Monate lang keine wichtigen Reformen angeschoben und sich ausschließlich auf die Verhandlungen mit der EU konzentriert hat, ohne dort einen Plan B zu haben, falls sich die andere Seite nicht bewegt, hat alle Beobachter fassungslos gemacht. Die 180°-Wende nach dem Ochi ist ein historischer Einschnitt. Kagarlitzky hält den »Zusammenbruch Syrizas und die Spaltung der Linken anhand der Haltung zur russisch-ukrainischen Krise« sogar für ähnlich bedeutend wie den »Zusammenbruch der Zweiten Internationale 1914«. Syriza hat den Weg, den andere sozialdemokratische Parteien in Jahrzehnten zurückgelegt haben, in zwei Jahren durchlaufen. Tsipras drückt nun Einschnitte durch, die keine Vorgängerregierung sich anzupacken traute. Es ist nicht das erste Mal, dass sozialdemokratische Regierungen soziale Grausamkeiten durchsetzen, die Konservative und Liberale nicht umsetzen könnten.
Der folgende Artikel zur Situation in Griechenland aus der aktuellen Wildcat ist schon über zwei Monate alt und von den sich überschlagenden Ereignisse etwas überholt. Er bietet aber einen guten Überblick über den Weg von Syriza an die Regierung und ihre ersten Monate. [weiter]
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Wisconsin, Occupy und Ferguson in den USA, Yo soy 132 und die Bewegung gegen die Studentenmorde in Mexiko - in Nordamerika ist in der letzten Zeit einiges passiert. Jetzt streiken auch die ÖlarbeiterInnen in den USA. Wir finden den Streik wichtig, weil er sich um zentrale Punkte dreht, zB. gegen die Spaltung der ArbeiterInnen. Deshalb veröffentlichen wir hier eine kleine Vorarbeit zur Wildcat 98, die im Mai erscheinen soll. [weiter]
gekürzt aus Wildcat 97, Winter 2014/2015
Bangladesch:
2012 starben innerhalb weniger Monate bei Unfällen in drei Textilfabriken über 1500 Menschen. Seitdem berichten auch die Medien in der BRD über die Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie, so z.B. während der Fußball-WM über die Produktionsbedingungen der Trikots. Dabei werden die Näherinnen oft als Opfer der skandalösen Ausbeutung präsentiert, als hilf- und machtlose Subjekte, die von einer starken Gewerkschaft organisiert werden müssten. Dabei haben gerade diese Textilarbeiterinnen in den letzten Jahren massenhaft gestreikt und höhere Löhne durchgesetzt... [weiter]
Wir haben einen weiteren interessanten Beitrag zur Diskussion um die Bewegung gegen Polizeimorde in den USA übersetzt. Er wurde von Peter Gelderloos auf Counterpunch veröffentlicht.
Ein junger Schwarzer wurde getötet; viele Menschen, die danach mutig genug waren, auf die Straße zu gehen, wurden verletzt und festgenommen; und die einzigen wirklichen Konsequenzen für die Polizei werden aus Veränderungen bestehen, die ihre Effektivität bei der Kontrolle von Nachrichten und Menschenmengen steigern sollen, wenn sie das nächste mal jemanden umbringt. Denn das ist, inmitten der ganzen albernen Kontroversen, eine Tatsache: Die Polizei wird töten, immer und immer wieder. Unverhältnismäßig viele ihrer Ziele werden junge Farbige sein und Transsexuelle, aber sie haben auch schon Ältere umgebracht, wie etwa John T. Williams, Bernard Monroe und John Adams, und auch Weiße. Die Rechte hat sich auf einige Fälle von weißen Jugendlichen gestürzt, die von Bullen getötet wurden, wie Dillon Taylor oder Joseph Jennings, um damit zu belegen, die Polizei sei nicht rassistisch, und die Frage auszublenden, wen es normalerweise trifft. [weiter...]
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Zur Einstimmung der stark gekürzte Beitrag zu Ferguson aus dem Heft:
Als am 9. August 2014 ein weißer Polizist in Ferguson (Missouri) den 18-jährigen Afroamerikaner Michael Brown erschoss, gingen sofort Leute dagegen auf die Straße. Der Ausnahmezustand wurde verhängt und die Nationalgarde eingesetzt. Trotzdem haben die Leute seither nicht aufgehört, sich zu wehren und zu organisieren. Als am 24. November 2014 die Entscheidung der Geschworenenjury bekannt gegeben wurde, den verantwortlichen Bullen nicht anzuklagen, brachen in weit über 100 Städten der USA Unruhen aus. [weiter...]
Die Wildcat 97 erscheint in wenigen Tagen! Hier ist ein stark gekürzter Vorabdruck eines Artikels über die Bewegung der Forconi in Italien:
Was ist am 9. Dezember 2013 passiert? Landesweit sollten selbstständige LKW-Fahrer, Bauern und Nahrungsmittelproduzenten sowie Selbstständige aller Art auf die Straße gehen. Aber außerhalb von Turin ist die Mobilisierung im Grunde gescheitert; es gab nur ein paar Straßenblockaden von LKW-Fahrern und ein paar Demos, auf denen vor allem Rechte waren. In Turin hingegen gab es eine wirkliche Erhebung. Sie war mehrdeutig, konfus, vom politischen Charakter her stark rechts ausgerichtet – aber es war ein realer Ausbruch. Eine ganze Welt der »kleinen Leute« – SchülerInnen aus Schulen der Randbezirke, die Ultras, Arbeitslose, Gelegenheitsarbeiter... »die Leute aus der Bar«, hat sich im Fahrwasser des Kampfs der MarkthändlerInnen mobilisiert, um die Regierung zu stürzen und ihre eigene Wut rauszulassen. Beim Sturm von 30 000 Menschen auf das Gebäude der Regionalverwaltung waren Leute der Fankurven aus den Turiner Außenbezirken in der ersten Reihe, koordiniert von den Ultras beider Clubs ( Juve und FC Turin ). Sie haben den Platz effizient gehalten und die Kontroll- und Repressionskräfte in die Krise gebracht, die sich jedoch unwillig zeigten, repressiv gegen Leute vorzugehen, in denen sie sich selbst wiedererkennen, und zwar eher noch vom Äußeren her als politisch. Im Grunde kommen sie aus derselben sozialen Schicht. [weiter...]
aus: Wildcat 96, Frühling 2014
Die Transformation bedeutet für das Proletariat in Osteuropa Verarmung. Die Streiks und Proteste in Bulgarien und Rumänien und die vielen Kämpfe um nicht bezahlte Löhne in Kroatien und Serbien zeigen, dass die Leute das nicht mehr hinnehmen wollen. Mit dem Aufstand in Slowenien, dem »entwickelsten« ex-jugoslawischen Land und ehemaligen eu-Modellstaat, kam die Transformation an ihr Ende. Nun überwinden auch die Leute in Bosnien-Herzegowina ihr Nachkriegstrauma.
Hinter dem dreitägigen Aufstand im Februar steht eine Arbeiterklasse, die sich oft und auch im Krieg trotz der nationalistischen Propaganda internationalistisch und widerständig verhalten hat. Dass sich die Leute nicht mehr in Muslime (»Bosniaken«), Serben und Kroaten spalten lassen, ist für die eu, den iwf und die nationale Bourgeoisie eine ernsthafte Gefahr. [weiter...]
aus: Wildcat 96, Frühling 2014
Vor drei Jahren kam es zu einem kleinen Skandal, als die griechische Gruppe tptg mit einem offenen Brief bekannt machte, dass der Mitbegründer von Aufheben, John Drury, im Rahmen seiner akademischen Laufbahn in Crowd Control u.a. Workshops für Polizei und Militär leitet und bei ihnen als »Ideengeber« gilt. Er selber forscht über Massenpanik und Rettungsmaßnahmen. ... Der Verlauf der Debatte in der linkskommunistischen Szene Europas hat uns zunächst sprachlos gemacht. Die allermeisten winkten ab (»let‘s move on«) oder griffen diejenigen an, die die skandalösen Tatsachen öffentlich gemacht hatten.
Die heutigen Bewegungen machen wieder einen öffentlichen Raum auf, um über »Allgemeininteressen« zu debattieren. Aber dass sie ihre eigene soziale Situation nicht kritisieren, sondern eher ideologisieren (»wir sind alle prekär«), macht sie zahnlos. Das hat damit zu tun, dass alle diese Bewegungen »zwei Seelen« haben: Ein Teil ist jung und verfügt über hohe formale Qualifikationen, der andere Teil ist formal wenig qualifiziert und tendenziell von der Entwicklung »abgehängt«. In der Krise sind bei der individuellen »Berufswahl« und bei dem, was ich auf Arbeit zu schlucken bereit bin, alle Dämme gebrochen: Aus der Entgarantierung der Arbeitsverhältnisse folgt das viel größere Interesse am Beruf(lichen Fortkommen). Oft klammern sich Leute dann an Jobs, obwohl sie ihnen zuwider sind. [weiter...]
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aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Seit dem Ende der Miltärdiktatur wurden faschistische Kräfte vom Staat benutzt, um gegen DemonstrantInnen und Proteste vorzugehen. Seit der Krise hatte sich dieser Zusammenarbeit verstärkt, dadurch ist die Goldene Morgenröte innerhalb fünf Jahren von einer militanten Nazibande zur parlamentarischen Kraft aufgestiegen. Nach dem Mord an dem HipHopper und linken Aktivisten Pavlos Fyssas wurde sie vom Staat wieder zurechtgestutzt. [weiter...]
Über die aktuellen Ereignisse in Bosnien haben wir den folgenden Artikel aus den Insurgent Notes übersetzt. Er wurde von einem kroatischen Genossen am 11. Februar geschrieben. In der Wildcat 96 werden wir das Thema vertiefen.
Seit Beginn der jüngsten Auseinandersetzungen in Bosnien wurde ich von vielen westlichen Genossen gefragt, was eigentlich gerade passiert und welchen Charakter die Bewegung hat. Anfangs wollte ich nichts zu Bosnien sagen, da ich nicht genug Informationen habe, um eine tiefergehenden Analyse zu leisten. Dieser Artikel ist deshalb eher eine kurze Einschätzung. Also, was ist los in Bosnien ? [weiter...]
aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Mit aktuellem Nachtrag vom 1. Februar 2014.
Zwei Jahre lang war der Tahrir-Platz Symbol des Aufbruchs aus Erstarrung und Krise. Der Militärputsch vom Sommer 2013 beendete diese Phase. Mit den hunderten von Toten sind viele Illusionen und Hoffnungen begraben worden. Wesentliche Teile des liberalen Milieus haben staatliche Massaker und Massenverhaftungen zur »Verteidigung der Demokratie« akzeptiert. Auch die Hoffnung auf eine staatliche Lösung der sozialen Misere ging verloren; die letzten Erben des Nasserismus und Hoffnungsträger der Gewerkschaftsbewegung sitzen nun am (Katzen-)Tisch der Militärs. Ihre vagen Reformversprechen werden von ihren Aufrufen zu Ruhe, Ordnung und Arbeitsbereitschaft übertönt.
In der zugespitzten gesellschaftlichen Situation gibt es zurzeit keinen Spielraum für Partizipation, also Teilhabe. Die Bewegung wird neue Fragen nach gesellschaftlicher Umwälzung und Organisation von Macht stellen und neue Antworten finden müssen. Dabei spielen die MigrantInnen eine zentrale Rolle. [weiter...]
aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Im letzten Autoartikel äußerten wir die vage Hoffnung, dass die Abwehrkämpfe im Westen mit den offensiven im Osten zusammenkommen könnten. Obwohl es in den letzten eineinhalb Jahren weltweit vermehrt zu Aktionen und Streiks in und um die Auto- und Zulieferfabriken kam, ist das bisher nicht eingetreten. Gekämpft wird vor dem Hintergrund der Polarisierung der Autokonzerne in »Gewinner« und »Verlierer«, sowie betriebsinterner Spaltungen. Eine Ausnahme blilden die Streiks in der südafrikanischen Autoindustrie und bei Dacia in Rumänien. Auch die serbischen Fiat-ArbeiterInnen konnten in der neuen Fabrik in Kragujevac sehr rasch Lohnerhöhungen durchsetzen. [weiter...]
[english version] [Dossier: Auto]
aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Aus Anlass der Abschiebung von über hunderttausend ÄthiopierInnen aus Saudi Arabien in weniger als einem Monat veröffentlichen wir den zweiten Teil des Ägyptenartikels aus der aktuellen Wildcat.
Die Gesellschaften im arabischen Raum und dem Mittleren Osten sind seit 60 Jahren untrennbar über die Arbeitsmigration mit den wohlhabenden Ölförderstaaten (Persischer Golf und Libyen) und den Handelsmetropolen in der Levante verbunden. Jede Krise und jeder Krieg in dieser Region führte zu gewaltigen Wanderungsbewegungen. Nicht als »Kollateralschaden« außenpolitischer Auseinandersetzungen, sondern als Kern des Krieges der herrschenden Klasse(n) gegen die migrantischen ArbeiterInnen. Der Fortbestand dieser Ordnung hängt an einer feudalistisch anmutenden Spaltung zwischen einer einheimischen Ober- und einer ausländischen Unterschicht. [weiter...]
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aus: Wildcat 95, Winter 2013/2014
Die Forderung von Linken nach einem garantierten Mindesteinkommen scheint mit guten Argumenten nicht tot zu kriegen sein. Ein informativer Artikel dazu erschien aktuell in der jungen Welt. Wir argumentieren in der Wildcat seit über drei Jahrzehnten gegen das Mindesteinkommen und haben im aktuellen Heft unsere Überlegungen dazu nochmal knapp zusammengefasst. [weiter...]
aus: Wildcat 94, Frühling 2013
Seit Ausbruch der globalen Krise hat sich die soziale Situation in Osteuropa verschärft. In vielen Ländern protestieren die Menschen gegen die Sparpolitik und gegen die Eliten. Die Arbeiterklasse hat das Warten auf ein versprochenes Paradies durch »Transformation« satt, die seit zwei Jahrzehnten als Dauerbegründung für immer neue Wellen der Verarmung dient.1 Kürzlich stürzte die Regierung in Bulgarien. Schon 2011 fragte ein Paper: »Ist der Balkan ein neues Maghreb?«2 Als stille Ausnahme erschien bis zuletzt Slowenien, das mit seinen zwei Millionen EinwohnerInnen bisher nicht mit wütenden Arbeiter- und Straßenprotesten aufgefallen war. Nun aber sind diese auch im ehemaligen EU-Modellstaat angekommen. Wie in Ägypten und Tunesien bereitete eine Welle von Arbeiterkämpfen die Revolte auf der Straße vor. Sie markiert das endgültige Scheitern der »Transformation«.[...]
Unsere Thesen aus dem 30-seitigen Schwerpunkt zu Kapitalismus und Verkehr in Wildcat 94
Wir haben eine jahrzehntelange Zunahme des Verkehrs gehabt. Und wir erleben seit mindestens zwanzig Jahren, dass diese Zunahme unsere Arbeitsbedingungen verschlechtert – und so etwas wie »Arbeiterklasse« immer unsichtbarer macht.
Nun aber legen Security-Leute Flughäfen lahm, in den USA streiken die Walmart-Arbeiterinnen und die HafenarbeiterInnen blockieren die Häfen an der Westküste, sogar der Unfall der Costa Concordia vor einem Jahr machte die »Massenarbeit« im Bauch der Luxusschiffe deutlich – was ist los? Revival der Arbeiterklasse? Überall kämpfendes Proletariat? Historische Trendwende? [...]
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Die Morde des NSU waren nur möglich, weil Teile des Staatsapparats ihnen geholfen haben. Aber wie hängen diese »Teile« zusammen? Wie hoch reicht die Befehlskette beim Vertuschen?
Das folgende baut auf den beiden Artikeln in Wildcat 92 und 93 auf und versucht, diese Fragen zu beantworten. Dazu schlagen wir den Bogen von den in der »Asyldebatte« sozialisierten Faschos, über die Verbindungen ins Söldnerwesen und die Privatisierung der Kriegführung bis zum Tiefen Staat und den Stay behind-Strukturen der NATO. [weiter...]
In den letzten Monaten haben migrantische TransportarbeiterInnen in Norditalien in harten Streiks eine deutliche Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen erkämpft. Sie sind gewöhnlich nicht direkt beim Unternehmen beschäftigt, sondern arbeiten dort über Subunternehmer, die als »Kooperativen« angemeldet sind. Diese Organisationsform öffnet der Ausbeutung Tür und Tor, für die Arbeiter gibt es keinerlei soziale Sicherheit, wenig Lohn und keine festen Arbeitszeiten. Wenn es Probleme gibt, wechselt die Firmierung, und die Arbeiter bleiben auf ihren Forderungen sitzen. Bekannt geworden ist seit Oktober 2012 vor allem der Streik im größten europäischen Lager von IKEA in der Nähe von Piacenza, u.a. deshalb, weil viele Linke und Leute aus sozialen Zentren die ArbeiterInnen bei der Blockade unterstützt haben. Diese UnterstützerInnen und die GenossInnen, die das folgende Interview gemacht haben, sind der Ansicht, dass dieser Kampf »Teil eines regelrechten Kampfzyklus von Logistik-ArbeiterInnen ist«.
Wir haben den Artikel von Anna Curcio und Gigi Roggero, der am 11. Januar in il manifesto erschien, übersetzt. Das Original und weitere Informationen findet Ihr bei uninomade.
Mohamed Arafat, ein seit zehn Jahren in Italien lebender Immigrant aus Ägypten, hat den Kampf der ausländischen und italienischen ArbeiterInnen gegen die Ausbeutung im Warenverteilzentrum Piacenza organisiert. Und er hat gewonnen. »200 Euro im Monat für acht Stunden Arbeit am Tag. Solche Sklavenzustände hatten wir vor sechs Jahren. Dann haben wir angefangen zu kämpfen. Daran haben sich in den letzten Monaten auch die entlassenen und dann wieder eingestellten IKEA-ArbeiterInnen beteiligt.«
Man könnte Mohamed Arafat, der seit sechs Jahren bei TNT arbeitet und eine wichtige Bezugsperson im Warenverteilzentrum Piacenza ist, als Kampfavantgarde bezeichnen. Ein Jahr zuvor war er nach seinem Studienabschluss in Sozialarbeit aus Ägypten nach Italien gekommen, hatte in einer Orangenfabrik in Sizilien gearbeitet und war von dort nach Piacenza gekommen. Er ist nicht ausgewandert, um dem Elend zu entfliehen: «Mein Vater ist Ingenieur und meine Mutter Lehrerin. Als ich mit der Uni fertig war, wollte ich mein eigenes Leben beginnen und andere Menschen und andere Sprachen kennenlernen: Ich dachte, hier wäre das Paradies. Aber nach ein paar Monaten war ich kurz davor, nach Ägypten zurückzugehen. In Süditalien habe ich brutale Ausbeutung und Hunger kennengelernt, da macht der Chef, was er will. Und im Norden ist es nicht anders – siehe TNT: Du kommst, um acht Stunden zu arbeiten, und nach zwei Stunden schicken sie dich nach Hause; am Ende hast du einen Lohn von 200 bis 300 Euro. Das ist nicht das Europa, das wir erwartet hatten, als wir auf eigenes Risiko unser Land verließen.« [weiter...]
Kurzfassung eines Artikels aus Wildcat 93
Der Absatz in Europa sinkt massiv. Die Wachstumsraten in China gehen zurück. Die Krise auch der deutschen »Oberklasse-Hersteller« wird immer deutlicher. VW hält die Passat-Produktion an, Audi entlässt LeiharbeiterInnen, Daimler streicht Schichten, und erste Insolvenzmeldungen machen die Runde (ITC in Siegen).
Derweil zeichnet sich eine weltweite Kampfwelle ab, in der auch AutoarbeiterInnen mitmischen, China, Indien, Südafrika... selbst in Russland gab es im Frühjahr erste Arbeiterunruhen in Zulieferbetrieben von Faurecia und Benteler (VW-Zulieferer).
Auch hier bei uns gibt es erste Anfänge von Widerstand. Beim von Schließung betroffenen Iveco-Werk in Weisweil bei Freiburg haben ArbeiterInnen die Tore blockiert und verhindert, dass Maschinen abtransportiert werden.
Was, wenn wir wieder lernen, unsere Ausbeuter zu hassen? [weiter ...]
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Das vorliegende Buch eines anarchistischen Ethnologen wurde von der Frankfurter Allgemeine Zeitung begeistert besprochen, von der amerikanischen Financial-Times-Redakteurin (und studierten Ethnologin) Gillian Tett mehrfach abgefeiert und erntete ganz allgemein zustimmendes Nicken im Kulturteil der seriösen bürgerlichen Presse. Es fragt sich, warum das eigentlich so ist, denn Graeber vermeidet ganz bewusst die üblichen Abkürzungen, mit denen linke Polemik für Liberale verdaulich gemacht wird: Das Buch ist weder eine von schwacher Analyse begleitete Auflistung von moralischen Aufregern noch eine akademische Abhandlung, die einen taktvollen Bogen um die sozialen Widersprüche der Gegenwart machen würde. Graebers beeindruckender Kenntnisreichtum hat nichts von der positivistischen Art der peer-reviewten Geisteswissenschaften und aus jeder Zeile spricht seine Feindschaft gegen den Kapitalismus oder wenigsten gegen die ihn nach seiner Wahrnehmung umgebende Gesellschaftsordnung, was vielleicht nicht ganz dasselbe ist. [weiter...]
Die Geschäftsleitung des Stahlwerks hat sich angesichts einer langen Zeit des Nichtstuns zum Gegenangriff entschlossen.
Viele Arbeiter hatten sich, hauptsächlich auf facebook-Seiten, schon gefragt, ob es überhaupt noch Sinn ergäbe, einen bereits seit sechs Monaten laufenden Streik weiterzuführen, da der Boss sich anscheinend nicht auf Verhandlungen einlassen wollte und jegliche Zusammenkunft auf die Zeit nach den Wahlen vom 6. Mai verschoben hatte. In der Woche vor den Wahlen hatte eine Gruppe Streikbrecher eine gerichtliche Verfügung beantragt, sie wollten Maßnahmen zum Schutz vor dem Gewerkschaftskomitee, da dieses sie an ihrem 'freien Zutritt zur Arbeitsstelle' hindere. [weiter...]
Kurzfassung eines Artikels aus Wildcat 92
Als im November 2011 die Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« an die Öffentlichkeit kam, sahen bürgerliche Kommentare darin »die größte Schande der Republik seit ihrem Bestehen« (Minkmar, s.u.); einige linke Zeitschriften wie ak und AIB sahen ein »Versagen« der Geheimdienste. Die bürgerliche Interpretation ist radikaler (sie sieht das Übel bei Regierung und Staat). Wie wäre die hilflose linke Kritik zu überwinden, die den Geheimdienst »demokratisieren« – oder sogar abschaffen – will und auf staatliches Durchgreifen gegen Nazis setzt? [weiter...]
Kurzfassung eines Artikels aus Wildcat 92
Die soziale und ökonomische Situation in Europa hat sich in den letzten zwei Jahren stark auseinander entwickelt. Während in der Peripherie die Krise(npolitik) massiv wütet, strotzen Bundesregierung und ihre Medien von Selbstbewusstsein: Deutschland sei stärker aus der Krise rausgekommen als reingegangen; »Europa spricht jetzt Deutsch« sagte CDU-Generalsekretär Kauder. Mit diesem imperialistischen Gepolter wollen sie uns einreden, dass »Deutschland« davon kommt. In Wirklichkeit ist es eine Klassenfrage: für die Reichen, die Unternehmer und die Banken war der Krisenverlauf bisher tatsächlich V-förmig, für den Rest – auch in der BRD! – ist die Krise L-förmig: Grundnahrungsmittel und Energie sind stark
im Preis gestiegen, kommunale Dienstleistungen werden gestrichen, immer mehr Leiharbeit, Tarifabschlüsse unter der offiziellen Inflationsrate, usw. [weiter...]