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Männer und Frauen – theoretisch platonisch

Der Mann und die Frau sind dazu verdammt, sich zu lieben oder nicht. Irgendwie hat alles einen erotischen Hintergrund, gibt es stets Wertigkeiten, kann nichts einfach geschehen. Die platonische Beziehung zwischen Mann und Frau scheint es nicht zu geben. Konkurrenzdenken am Arbeitsplatz, beim Sport und in der sonstigen Freizeit gehört dazu, ebenso, wie Intrigen und Affären, hinterfragte Aussagen und das Lesen zwischen den Zeilen. Mann und Frau – das endet entweder im Zwist oder mit einem Paar Verlobungsringe, Hochzeit nicht ausgeschlossen, Scheidung aber auch nicht. Platonisch ist nicht einmal das Verhältnis zwischen Sekretärin und Chef, zwischen zwei Kollegen verschiedenen Geschlechts – und wenn doch, wird schnell etwas hinein interpretiert von Menschen, die mindestens so schlecht denken, wie sie in natura – natürlich heimlich mit dem Mantel der Moral – sind.

Niemals einig – oder doch?

Einmal ganz davon abgesehen, ob eine Beziehung zwischen Mann und Frau platonisch oder nicht-platonisch ist, kann eines statuiert werden: Männer und Frauen sind sich niemals einig. Nicht in den großen Belangen, aber auch nicht in den kleinen. Dies hat auch nichts mit dem Kampf der Geschlechter in seinen manchmal skurrilen Ausmaßen zu tun, denn Männlein und Weiblein ticken nun einmal völlig verschieden. Was der Frau logisch erscheint, ist dem Mann eine Nummer zu hoch – er ist Pragmatiker, denkt er zumindest. Aber auch umgekehrt versteht manche Frau nicht, was der Mann gerade vorhat, wenn er einen Plan ins Auge gefasst hat, der schier unmöglich in seiner Umsetzung erscheint. Absolut gefühlsfrei entscheidet er manche Dinge, die die Frau in weiser Voraussicht niemals so manifestieren würde. Die Frau will Sicherheit, Stabilität, Gefühle und somit einen bestimmten Weg im Leben gehen. Der Mann hingegen fährt auch ohne Reiseversicherung in den Urlaub, da er davon ausgeht, es passiert schon nichts, während die Frau kopfschüttelnd diesem Leichtsinn gegenübersteht. In einer bestehenden Beziehung – also abseits der platonischen Affinitäten – haben die beiden Geschlechter nur selten wirklich die gleichen Hobbys und Interessen, denn zu viel Gemeinsamkeit ist langweilig. Doch gerade diese Uneinigkeit führt andererseits wieder zu Entfremdung und Missverständnissen, zu Eifersucht und damit zu Querelen, nicht selten sogar zum Beziehungsaus. Man(n und Frau) kann es also niemals wirklich richtig machen.

Platonisch geht doch

Eine Frau, die sehr untypisch nicht mit den besten Freundinnen den Kaffeeklatsch abhält, die sich weniger für Schuhe sondern für Fußball interessiert und folglich auch als besten Freund einen Mann hat, bekommt viele Probleme. Sie muss darüberstehen, wenn der Lebenspartner auf den guten Freund eifersüchtig ist, wenn Nachbarinnen und die Mütter der Mitschüler eigener Kinder verständnislos reagieren, weil die Dame alles andere, als typisch weiblich ist. Ein Mann hingegen ist selten mit einer Frau platonisch befreundet, die nicht eher der Kumpel für ihn ist, als die typische Frau, die er – sofern nicht homosexuell – zur Lebenspartnerin wählt. Es sind also eher die „besonderen“ Frauen, die innige, platonische Freundschaften zu Männern aufrechthalten. Dann aber existieren diese Freundschaften über ein ganzes Leben, lassen sich auch durch nichts auseinanderbringen – es sei denn, es kommen „Gefühle“ ins Spiel.

Nicht selten hört man von Freundschaften zwischen Mann und Frau, in denen es nach vielen Jahren plötzlich zu einem Sinneswandel kommt. Plötzlich erkennt einer – oder sogar beide – dass es doch Liebe ist, die zueinander geführt hat, oder dass aus der Freundschaft von einer Sekunde zur nächsten viel mehr geworden ist. Dann jedoch laufen die beiden Freunde Gefahr, diese platonische Beziehung zu zerbrechen: Entweder die Freundschaft scheitert an den neu entdeckten Gefühlen des einen oder es wird eine Beziehung daraus. Da reicht es, in ganz banalen Situationen zu stecken – auf einmal sieht man den besten Freund oder die beste Freundin mit anderen Augen. Auf dem Weihnachtsmarkt, bei einem Konzert, beim Kauf beziehungsweise der Besichtigung vom Gebrauchtwagen: Auf einmal macht es – dem Lied von Klaus Lage zufolge – Zoom – und alles ist anders, als noch vor einigen Minuten. Tausendmal haben sich diese Freunde schon berührt, und nichts passierte. Diese Liebe existiert dann meist schon lange, wird aber ignoriert, verdrängt, man will sie nicht wahrhaben. Und schon ist es aus mit der platonischen Beziehung.

Wie andere Menschen die platonische Freundschaft sehen

Eine Frau und ein Mann, die einen Nachmittag gemeinsam im Jacuzzi verbringen, werden von der Außenwelt schon etwas komisch angesehen. So recht will niemand daran glauben, dass es wirklich Freundschaft ist, die die beiden so eng zusammen schweißt. Na, wer weiß, was da im Verborgenen so abläuft – so oder ähnlich wird heimlich oder auch ganz offensiv getuschelt. Dies liegt daran, dass es kaum einem Menschen, der keine geschlechterübergreifende Freundschaft führt, vorstellbar erscheint, dass hier ein gewisses Maß an Erotik, Verliebtheit oder Liebe wirklich fehlt. Irgendwie ist die Sache den Außenstehenden – ob nun Ehepartner, Clique oder sonstige Familie beziehungsweise Freunde – immer irgendwie suspekt. Mann und Frau verbringen Zeit miteinander, ohne eine Beziehung zu führen – das ist irreal, das kann nicht gut gehen.

Dabei sind diese Freundschaften nichts anderes, als die „beste Freundin“ der Frau, die sie schon seit der Schule kennt oder der „beste Kumpel“ des Mannes, aus den wilden Jahren in der Studenten-WG übrig geblieben. Manchmal ist aber genau diese Lebensphase der Zeitpunkt, zu dem sich die Menschen orientieren. Sie kommen einfach besser mit dem anderen Geschlecht zu Recht, haben sich mehr zu sagen, wenn es nicht um männer- oder frauenspezifische Themen dreht, sondern ein anderer, gemeinsamer Nenner gefunden werden kann.

Sei es wirklich die gemischte Studenten-WG oder ein anderer Ort, ein Zufall, ein Schicksal: Wo eine wirklich gute Freundschaft entsteht, ist egal – es spielt nur eine Rolle, wie die anderen Menschen diese Beziehung zueinander bewerten. Schnell wird vermutet, dass da mal etwas gelaufen ist, dass immer wieder einmal der Seelentrost über die Bettkante „hineinreicht“ und so weiter. Und es kann auch wirklich niemand bestreiten, dass das auch dann und wann vorkommt. Liebeskummer beim einen, Trost vom anderen, ein paar Gläser Wein und schon landen die besten Freunde zusammen im Wasserbett. Allerdings ist fraglich, ob und wie lange nach einem solchen Vorfall die Freundschaft noch weiter bestehen kann, denn so etwas verändert den Umgang miteinander in jedem Fall. Bei gleichgeschlechtlichen Freundschaften ist dies nur in sehr seltenen Fällen einmal ein Thema.

Wie Lebenspartner die platonische Freundschaft verkraften

Beste Freunde sind zunächst einmal niemals miteinander verheiratet. Schon eher führen beide Freunde aus dieser nicht-gleichgeschlechtlichen aber platonischen Freundschaft Beziehungen. Das bedeutet, es gibt zwei Menschen, die diese Freundschaft miterleben, sie tolerieren oder wenigstens dulden müssen. Das ist nicht immer so einfach, denn wenn die eigene Frau zwar mit dem Ehemann über den Kauf der neuen Dunstabzugshaube spricht, ihren Kummer und ihre Sorgen aber mit dem besten Freund, gibt das Anlass zu Zweifeln: Ist der andere vielleicht mehr wert? Kann ich ihr als Ehemann genügen? Diese Skepsis muss durch Vertrauen und Offenheit aus dem Weg geschafft werden, denn nur dann gibt es wirklich Hoffnung, dass die platonische Freundschaft der Ehefrau zu einem anderen Mann nicht laufend zwischen den Partnern steht, für Streit und Traurigkeit auf beiden Seiten sorgt.

Gleichfalls ist die Ehefrau, deren Mann eine platonische Freundschaft zu einer fremden Frau unterhält, stets auf der Hut. Was, wenn das Verbringen gemeinsamer Zeit nicht nur Gesprächen und Hobbys dient, sondern wenn da eigentlich viel mehr abläuft, verdeckt nur unter der schützenden Hülle der Freundschaft? Es ist schwer, diesen immer weiter bohrenden Stachel aus dem Herzen zu bekommen, vor allem, wenn die Freundschaft schon lange vor der Ehe zustande kam und die beiden Freunde entsprechend vertraut miteinander umgehen, jedes Geheimnis teilen und sogar die Probleme in der Partnerschaft mit diesem „Dritten im Bunde“ besprechen? Ist das vielleicht ein Grund, einen Detektiv zu beauftragen, um die Treue des Liebsten zu testen? Oder muss man dies hinnehmen, auch wenn die Eifersucht einem die Luft abschnürt? Auch hier sei gesagt, dass Toleranz gegenüber der Freundschaft ein Muss ist, aber die eigenen Gefühle auch offen dargelegt werden müssen. Vielleicht ahnt der Mann gar nicht, wie sehr die Freundschaft zu einer anderen Frau seine eigene Liebe belastet.

Interessenkonflikte lösen – wie das gelingen kann

Solange beste Freunde keine eigenen Beziehungen haben, wird es kaum eine Rolle spielen, ob diese Freundschaft gleichgeschlechtlich, als regelkonform ist, oder nicht. Doch jeder sieht es ein, dass es Belastungen mit sich bringt, wenn der Partner auf Abwegen ist – scheinbar. Es ist eben ein besseres Gefühl, wenn der Mann mit einem Kumpel und die Frau mit der Freundin zum Parkfest am Gasgrill geht und man selbst nicht mit von der Partie sein kann oder darf. Den Interessenkonflikt zu lösen, indem man die Partner mit einbezieht, ist nur möglich, wenn zumindest eine Wellenlänge zwischen Partner und bestem Freund zu erkennen ist – man sich achten und tolerieren kann.

Besteht von Anfang an eine Antipathie zwischen den beiden liebsten Menschen auf der Welt, wird die Situation verfahren. Der Freund oder die Freundin ist eifersüchtig auf den Partner, der den Freund wegnehmen möchte – und umgekehrt noch viel mehr. Selbst wenn hunderte Kilometer zwischen den beiden Freunden liegen: Die Eifersucht weitet sich auf den Computer, die Gespräche per Email oder Messenger, jede Aktivität aus, die mit dem Freund zu tun haben könnte.

Die betroffenen Menschen sind in einer Zwickmühle – sie können es keinem der beiden rechtmachen, verletzten den Partner, wenn sie mit dem Freund unterwegs sind oder anders herum. Aber auch Freund beziehungsweise Partner haben es nicht leicht. Sie sehen, dass der Lebensgefährte leidet, können sich aber selbst nicht kontrollieren. Sie fragen nach, interpretieren und schaffen somit immer weitere Konflikte. Das Dirndl mit dem tiefen Ausschnitt ist ein Dorn im Auge, weil die Ehefrau es zwar beim Festbesuch mit dem besten Freund getragen hat, zusammen mit dem Mann aber nie – solche Situationen, eigentlich kindisch und überflüssig, entstehen aber leider. Bei gleichgeschlechtlichen Freundschaften stellen sich solche Fragen wiederum nicht. Die platonische Freundschaft zwischen Mann und Frau ist ein heikles Thema, nicht ohne Belastung für den Alltag, aber durchaus möglich – wenn das Umfeld Akzeptanz an den Tag legt und man den Partnern gegenüber ehrlich ist, war und bleibt.