(6) Münz- und Hoffaktoren im Dienste Preußens

Bis zum 18. Jahrhundert gab es an den europäischen Höfen „Hofjuden“ oder auch „Münzjuden“, die zum einen Luxusgüter für den Hof und wichtige Waren für das Heer beschafften, zum anderen Silber für die Münze und wichtige ausländische Münzen besorgten (vgl. Battenberg 2001, S. 32; ebenso Scheiger 1990, S.  173). So konnte sich ein historisch bedingtes Spezialwissen ausprägen, das die Tür zu Berufen im Geldhandel sowie in der Kapital- und Kreditwirtschaft öffnen sollten und half, Schutz- und Handelsrechte zu erwerben (vgl. Scheiger 1990, S. 208). Jüdische Münz- und Hoffaktoren an den verschiedenen Hofstaaten hatten zudem die wichtige Funktion in Krisenzeiten für ausreichend Vermögen zu sorgen, in dem sie wertvolle Münzen beschafften oder auch Münzverschlechterungen durch Ausprägungen von Silber vornahmen (vgl. Jersch-Wenzel 1978, S. 183f.). Dabei hatten sie den Vorteil, dass sie für ihre Geld- und Warenbeschaffung auf ein europaweites Netz aus Händlern und Gemeinden zurückgreifen konnten, zu denen jedoch immer auch besondere Machtbeziehungen bestanden, da der „Hofjude“ über jüdische Neuansiedlungen und die Höhe der Abgaben der jüdischen Gemeinden meist mitbestimmen durfte (vgl. Battenberg 2001, S. 41f.). Continue reading

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(5) „Judenabgaben“ als staatliche Einnahmequelle

Schon im Edikt von 1671 wurden für Schutzbriefe und Handelskonzessionen besondere Abgaben eingefordert, die in den nachfolgenden Jahrzehnten kontinuierlich erweitert wurden. In den Generalprivilegien von 1730 und 1750 wurden die Zwangsbeiträge und Sonderverpflichtungen weiter verschärft und ausdifferenziert, die die jüdische Familien gezielt zum Handel bestimmter Mangelwaren und zu Exporten einheimischer Produkte zwingen sollten (vgl. Jersch-Wenzel/John 1990, S. 158). So mussten beispielsweise Hochzeits- und Kindergelder, Kalender- und Rekrutengelder, Stempelgebühren und Abgaben für Einzelkonzessionen, wie für Gemeindewahlen, Gemeindediener, Synagogenbau oder das Schlachtprivileg geleistet werden (vgl. Jersch-Wenzel/John 1990, S. 185f.; Jersch-Wenzel 1978, S. 95). Auf Angaben zur konkreten Abgabenhöhe soll verzichtet werden, da diese regional und durch Münzverschlechterungen sehr unterschiedlich sein konnten, aber auch Vergleichswerte fehlen, die diese in Relation setzen könnten. Continue reading

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Exkurs: Zu jüdischen Ansiedlungen im brandenburgischen Barnim

Mit der askanischen Eroberung und deutschen Besiedlung ehemals slawischer Gebiete seit dem 11. Jahrhundert siedelten sich auch jüdische Familien im Barnim an. Letztere waren jedoch immer der Gunst und dem Schutz des jeweiligen Herrschers ausgesetzt und konnten jederzeit vertrieben werden. Jüdische Familien waren aufgrund zahlreicher Berufsverbote auf den Handel beschränkt. Dazu gehörte auch der Geldhandel und die Kreditvergabe. So ist überliefert, dass der damalige Kurfürst anwies, dass Christen ihre Schulden an Christen zurückzahlen sollten und am 28.10.1461 den Rat von Bernau darum bat, ein Verzeichnis der Summen aufzustellen, die die Bürger der Stadt den Juden schuldeten. Continue reading

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(4) Einwanderungspolitik von 1713 bis 1786: Zwischen Inklusion und Exklusion

Unter Friedrich Wilhelm I. setzte sich zunehmend eine restriktive und allgemein gültige Judenpolitik durch, die durch Friedrich II. weitergeführt und verschärft wird. In den 1710er und 1720er Jahren gab es immer wieder verschärfte Verordnungen und neue Reglements, die sich aber regional sehr unterschieden, da es noch keine einheitliche Verwaltung mit einheitlichem Steuersystem gab (vgl. Stern 1962a, S. 39). Zur Erlangung von Privilegien mussten jüdische Familien immer wieder die eigene Nützlichkeit für den brandenburgisch-preußischen Staat unter Beweis stellen, die jüdischen Familien in einen permanenten Konkurrenzkampf untereinander führte. Friedrich Wilhelm I. kündigte immer wieder an, alle Juden ohne Schutzbrief, die bisher wegen ihrer Akzise sehr willkommen waren, ausweisen zu lassen und ab 1728 grundsätzlich keinen Schutzbrief mehr für die Mark Brandenburg auszustellen (vgl. Schenk 2010, S. 73). Sehr liberal blieb es hingegen noch in Preußen, das als ein wichtiges Transitland für jüdische Händler zwischen Russland, Litauen, Polen, England und Holland geschützt werden musste (vgl. Stern 1962a, S. 66f.). In Berlin wurde die Judenpolitik durch die Edikte von 1700 und 1714 geordnet, das viele Freiheiten gewährte, die allerdings 1730 wieder unterdrückt wurden. Weitere Abschiebungsversuche gab es nach 1735, als der jüdische Handel nach Missernten und einem allgemeinen Konjunktureinbruch durch geringe Nachfrage und steigende Preise teilweise zum Erliegen kam (vgl. Mittenzwei/Herzfeld 1988, S. 262, 256). Continue reading

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(3) Einwanderungspolitik von 1671 bis 1713: Wandel durch Handel

Um die Bedeutung der jüdischen Einwanderung für Preußen unter Friedrich II. zu verstehen, ist der Blick zurück notwendig, der die preußische Einwanderungspolitik seit dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (Regierungszeit: 1640-1688) und seinem Nachfolger Friedrich I., seit 1701 König in Preußen (Regierungszeit: 1688 -1713), betrachtet. In dieser Zeit wurden die Grundlagen für den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Brandenburg-Preußens gelegt.

Zur Erinnerung: In Gebieten östlich der Elbe, in denen jüdische Familien erstmalig seit der askanischen Besiedlung im 13./14. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurden, gab es immer wieder Anwerbungsversuche. Für die jüdischen Familien galten bestimmte Judenordnungen, die aber immer abhängig vom Landesherrn waren und regional sehr unterschiedlich sein konnten. Es kam jedoch immer wieder auch zu Ausweisungen jüdischer Familien, zuletzt in der Mark Brandenburg 1571 nach dem Tod Joachim II., Kurfürst von Brandenburg. Für den Tod wurde Leopold, der Münzmeister und Hofjude Joachim II., des Mordes beschuldigt, den er 1573 unter Folter auch gestand und somit schließlich auch hingerichtet wurde. Dies wurde zum Anlass genommen, die vollständige Ausweisung der jüdischen Bevölkerung zu veranlassen (vgl. Bruer 1991, S. 16). Allerdings hat es auch weiterhin jüdische Händler in Brandenburg gegeben, wie beispielsweise für Frankfurt/Oder um 1620 nachgewiesen werden kann (vgl. Herzfeld 2001, S. 18). Es kann auch davon ausgegangen werden, dass jüdische Familien aus Schutz vor den polnischen Pogromen 1648/49 Zuflucht bei ihrem westlichen Nachbarn gesucht haben.

Erste Edikte und Aufforderungen zur Einwanderung für Juden, gab es schon seit 1646 und verstärkt in den 1660er Jahren (vgl. Jersch-Wenzel/John 1990, S. 39; vgl. auch Mittenzwei/Herzfeld 1988, S. 87). Vereinzelt sind auch schon Schutzbriefe nachweisbar, beispielsweise für Bendix Levi 1662 für Oderberg oder für den Hofjuden Israel Aron 1663 für Berlin (vgl. Heidenhain 2010, S.11). Den wichtigsten Grundstein bildete dann etwas später das am 21. Mai 1671 erlassene Edikt zur Förderung von Handel und Wandel:  Continue reading

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