Briefträger sind keine Bombenentschärfer

+++ Verbraucherportale müssen Kundenbewertungen nicht vorab prüfen, so ein Urteil des Bundesgerichtshofs. In dem Fall ging es um eine Hotelbewertungsseite, auf der sich der Kunde eines Hotels über Bettwanzen beklagte. Stellen sich solche Behauptungen als unwahr heraus, müssen sie zwar entfernt werden. Eine Vorabprüfung fordert das Gericht aber nicht. Ein wichtiges Urteil auch für Foren- und Blogbetreiber (Aktenzeichen I ZR 94/13). +++

+++ Noch ein Urteil zu Bewertungsportalen: Der Arztbewertungsseite Jameda wurde es gerichtlich untersagt, Pole-Positionen im Ärzteranking ohne ausreichende Kennnzeichung zu verkaufen. Teilweise waren die topplatzierten Ärzte diejenigen, die für ihre Platzierung bezahlt hatten. Dass es sich um gekauften Positionen handelte, erfuhren Ratsuchende laut dem Landgericht München I nur über ein unübersichtliches Sternchensystem. +++

+++ So lange ein Selbstmord nicht bewiesen ist, muss die gesetzliche Unfallversicherung zahlen. Diese hatte eine Zahlung verweigert, weil ein nüchterner, gesunder Autofahrer bei gutem Wetter frontal in einen Lkw gefahren war. Auch in solchen Fällen muss die Unfallversicherung die Selbstmordabsicht belegen, so dass Landessozialgericht Bayern. Bleibt die Todesursache letzlich offen, müssen die Hinterbliebenen entschädigt werden (Aktenzeichen L 3 U 365/14). +++

+++ Briefträger können keine höhere Unfallrente verlangen, wenn sie von einem Hund angefallen werden und danach berufsunfähig sind. Voraussetzung hierfür sei eine “besondere Lebensgefahr”, so das Verwaltungsgericht Aachen. Es sei zwar richtig, dass Hunde gelegentlich Briefträger anfallen. Allerdings sei die Todesrate durch solche Angriffe doch eher gering (Aktenzeichen 1 K 1700/12). +++

Angstmache mit der Schufa

Firmen und Inkassobüros drohen gern mit Schufa-Einträgen. Dem schiebt der Bundesgerichtshof nun einen Riegel vor. Erwähnen Mahnschreiben die Schufa, muss dem Kunden auch immer klipp und klar gesagt werden, dass er die Forderung lediglich bestreiten muss und dann keine Meldung an die Schufa ergehen darf.

Die Firma Vodafone hatte es sich nicht nehmen lassen, die Sache bis vor den Bundesgerichtshof zu bringen. Vodafone hatte seine Mahnschreiben mit folgender Formulierung aufgepeppt:

Die Vodafone D2 GmbH ist verpflichtet, die unbestrittene Forderung der Schufa mitzuteilen (…). Ein Schufa-Eintrag kann Sie bei Ihren finanziellen Angelegenheiten erheblich behindern.

Schon die Vorinstanzen hielten die Schreiben für rechtswidrig. Dem Kunde werde Angst gemacht, dass seine Daten im Fall der Nichtzahlung der Schufa gemeldet werden. Dabei untersagt das Bundesdatenschutzgesetz normalerweise eine Information der Schufa, sofern der Kunde der Forderung widersprochen hat.

Auch der Bundesgerichtshof sieht in dem Fall eine unzulässige Irreführung. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg (Aktenzeichen I ZR 157/13).

Hanseatische Expansion

Das Landgericht Hamburg ist eine begehrte Anlaufstelle. Für alle, die jemandem etwas juristisch untersagen lassen wollen. Leider – oder zum Glück – ist aber auch das Landgericht Hamburg nicht für ganz Deutschland zuständig. Aber was nicht passt, kann ja passend gemacht werden.

Das hat sich möglicherweise eine Antragstellerin gedacht, die mit ihrem juristisch wackeligen Begehr wohl unbedingt zum Landgericht Hamburg wollte. Deshalb gab sie die Wohnanschrift meines Mandanten, die ja für den Gerichtsstand wesentlich ist, auch mit “21217 Hamburg” an. Das Landgericht Hamburg hat eine einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Gegen meinen Mandanten, der laut dem Rubrum des Beschlusses in “21217 Hamburg” wohnt.

Zugegeben, die Postleitzahl klingt durchaus hanseatisch. Allerdings gehört sie zu Seevetal. Das ist auch im Norden, aber nicht so weit. Laut aktuellem geopolitischem Stand (basierend auf Wikipedia und der glaubhaften Versicherung meines Mandanten) gehört Seevetal zu Niedersachsen. Ein “fliegender Gerichtsstand” drängt sich in dem Fall nun gar nicht auf. Also hätte normalerweise das für Seevetal zuständige Landgericht Lüneburg entscheiden müssen.

Das wird noch interessant.

Anwaltswerbung bleibt langweilig

Ich kann mich als damaliger Berufsanfänger noch erinnern, wie Mitte der Neunziger die Welt unterging. Als Anwälte plötzlich fast genau so ungeniert werben durften wie Firmen und Handwerker. Wobei die Betonung auf fast liegt. Denn jedenfalls die sogenannte “Schockwerbung”, wie sie die Modefirma Benetton salonfähig gemacht hat, bleibt nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgericht Anwälten untersagt…

… und damit ihren Kunden erspart. Ein Anwalt wollte seine Werbetassen mal nicht mit dem Kanzleilogo oder einem mehr oder weniger flotten Spruch (“Bei Rechtsfragen sind wir die Richtigen”) bedrucken. Sondern mit durchaus krassen Motiven. Etwa einer Frau, die sich eine Pistole an den Kopf hält. Daneben sollte stehen: “Nicht verzagen Rechtsanwalt R. fragen.”

Eine andere Werbeidee für eine Kaffeetasse war das Bild einer Frau, die von einem Mann geschlagen wird. “Wurden Sie Opfer einer Straftat?”, sollte auf der Tasse stehen.

Geht alles nicht, so das Bundesverfassungsgericht. Das ergebe sich aus dem Sachlichkeitsgebot in der Berufsordnung, das ausdrücklich auch für die Reklame von Anwälten gilt. Das Gericht hat keine Bedenken, dass im Interesse der Menschen, die einen Anwalt suchen, besondere Vorschriften gelten. Die Rolle des Anwalts als “Organ der Rechtspflege” erfordert wohl entsprechende Zurückhaltung.

Das abschließende Wort über Schockwerbung durch Anwälte ist allerdings womöglich noch nicht gesprochen. Die Verfassungsbeschwerde scheiterte nämlich auch daran, dass dem Gericht die Antragsbegründung zu dürftig war (Aktenzeichen 1 BvR 3362/14).

Entgegenkommend

Bei Gericht hatte ich in einer Sache Fristverlängerung für eine Stellungnahme beantragt. Bis zum 14. April 2015. Heute bekam ich folgendes Schreiben des Gerichts:

Die Schriftsatzfrist wird von Amts wegen bis zum 3. Mai 2015 verlängert. Ab dem 15. April befindet sich die unterzeichnende Abteilungsrichterin ohnehin ihm wohlverdienten Urlaub.

Dann bedanke ich mich und wünsche schon mal gute Erholung.

Ende der Hybris

Das einzige Gerichtsverfahren, an dem ich als Privatperson beteiligt bin, neigt sich dem Ende zu. Sogar einem glücklichen.

Ich hatte mich geweigert, das Land Rheinland-Pfalz mit einer als Bußgeld getarnten Subvention in Höhe von 20 Euro zu unterstützen. Mir wurde der Vorwurf gemacht, die Anordnungen eines Polizeibeamten missachtet zu haben. Einzelheiten sind hier nachzulesen.

Das Amtsgericht Koblenz legt nach den schriftlichen Ausführungen meiner Anwältin Kerstin Rueber allerdings keinen Wert auf eine Hauptverhandlung und schlägt vor, das Verfahren ohne weitere Folgen einzustellen. Damit bin ich selbstverständlich einverstanden und werde mir privat selbstverständlich künftig gesteigerte Genügsamkeit gegenüber Polizisten auferlegen.

Als Anwalt möchte ich es aber nicht garantieren.

Danke, Verfassungsschutz

+++ Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann findet es voll korrekt, dass er in jüngeren Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. “Bei Lektüre meiner Akte sind mir viele schöne Erinnerungen gekommen. Die wären ohne die Spitzel vom Amt unrettbar verloren gewesen. Insgesamt also eine super Sache”, sagte Kretschmann im Gespräch mit Jan Böhmermann. +++

+++ „Es geht schließlich um Mord, da dürfen wir alles!“ Mit dieser Begründung soll ein Polizist einen Zeugen seine Dienstwaffe an den Kopf gehalten haben. Das Landgericht Landshut verhandelt jetzt erneut gegen den Zeugen, dem eine Falschaussage vorgeworfen wird. +++

+++ „Kiffer sind einfach blöder“ – so was gilt dann bei uns als erfolgreiche Drogenprävention. +++

+++ Ein frecher Facebook-Post kann den Arbeitsplatz kosten. Die Zeitschrift test fasst zusammen, was man über das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Arbeitsplatz wissen muss. +++

Neue Regeln für Renovierung

Mehr Rechte für Mieter – zumindest wenn es um Renovierung geht. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Grundsatzentscheidungen seine bisherige Rechtsprechung geändert. Wie kaum anders zu erwarten, zu Gunsten der Mieter.

So sind Renovierungsklauseln untersagt, wenn der Mieter bei Einzug eine unrenovierte Wohnung vorfand. Eine vertragliche Verpflichtung für Schönheitsreparaturen kann also überhaupt nur dann entstehen, wenn die Wohnung bei Einzug renoviert war.

Laut dem Urteil ist eine Wohnung nur dann renoviert, wenn sie für den Mieter bei Einzug so aussieht. Es dürfen höchstens geringe Gebrauchsspuren erkennbar sein. Die Beweislast für den Zustand der Wohnung bürdet das Gericht allerdings dem Mieter auf.

Außerdem erklärt der Bundesgerichtshof alle Klauseln für unwirksam, nach denen der Mieter bei vorzeitigem Auszug eine Quote für Schönheitsreparaturen zahlen muss. Das bedeutet also, dass Mieter keine Kosten auferlegt werden können, wenn sie ausziehen, bevor Renovierungsfristen abgelaufen sind.

Die Entscheidungen gelten für vom Vermieter vorformulierte Mietverträge. Das ist in der Praxis fast immer der Fall, selbst wenn der Vermieter sich vom Mieter bestätigen lässt, der Vertrag sei “frei ausgehandelt”. Das glauben die Gerichte in der Regel nicht (Aktenzeichen unter anderen VIII ZR 185/14, VIII ZR 242/13).

Keine Gnade mit Middelhoff

+++ Dem Kettenraucher Friedhelm Adolfs aus Düsseldorf bleibt eine Zwangsräumung vorerst erspart. Seine Vermieterin wollte Adolfs mit Hilfe des Gerichtsvollziehers auf die Straße setzen. Das entsprechende Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, und zuletzt hatte Adolfs sogar Rückendeckung vom Bundesgerichtshof erhalten. Das Landgericht Düsseldorf gewährte dem Rentner nun vorerst Räumungsschutz. Darauf eine Zigarette. +++

+++ Scheinväter können sich nicht auf Treu und Glauben berufen, wenn sie von der Kindesmutter wissen wollen, wer tatsächlich Vater des Kindes ist. Das Bundesverfassungsgericht hält die Generalklausel von Treu und Glauben nicht für eine ausreichende Norm, um so weitgehend in die Intimsphäre der Mutter einzudringen und ihr Persönlichkeitsrecht zu verletzen. Der Gesetzgeber muss jetzt gegebenenfalls einen extra Paragrafen einführen (Aktenzeichen 1 BvR 472/14). +++

+++ Der ehemalige Chef des Arcandor-Konzerns (Karstadt) Thomas Middelhoff kommt nicht frei. Das Oberlandesgericht Hamm verwarf eine Haftbeschwerde des Managers, obwohl dieser “nur” zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist und Middelhoff bereits vier Monate Untersuchungshaft hinter sich hat. Middelhoff habe große Anreize sich abzusetzen und dabei seine Kontakte zu nutzen.

Selbst eine Kaution von 900.000 Euro, die Middelhoffs Familie und Freunde stellen wollen, ändere nichts an der Fluchtgefahr. Diese Härte ist schon bemerkenswert, denn bei so einer relativ geringen Strafe gibt es ja an sich auch die realistische Chance auf offenen Vollzug (Aktenzeichen 5 Ws 81/15). +++

+++ Für den Fahrdienst Uber wird die Luft immer enger. Das Landgericht Frankfurt verbot Uber heute bundesweit jede Geschäftstätigkeit. Uber sei keine Mitfahrzentrale, sondern biete Taxidienste. Deshalb müsse sich das Unternehmen ans Personenbeförderungsgesetz halten. +++

+++ Wer suchtkrank ist, verliert durch einen Rückfall nicht seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Eine Baufirma hatte sich geweigert, ihren krankgeschriebenen Mitarbeiter weiter zu bezahlen. Der Mann war nach mehreren Entzügen rückfällig geworden.

Trotzdem liege im konkreten Fall kein zurechenbares Selbstverschulden vor, so das Bundesarbeitsgericht. Sucht sei eine Krankheit, so dass auch hier Lohnfortzahlung geleistet werden muss. Der Arbeitgeber müsse im Zweifel beweisen, dass der Arbeitnehmer den Rückfall selbst verschuldet hat (Aktenzeichen 10 AZR 99/14). +++

+++ Der Mordprozess gegen Debra Milke im US-Bundestaat Arizona kann nicht neu aufgerollt werden. Das Oberste Gericht des Bundesstaates lehnte eine erneute Anklage gegen Milke ab. Milke soll zwei Männer für den Mord an ihrem vierjährigen Sohn bezahlt haben. Sie saß 23 Jahre in der Todeszelle. +++

Flugrechte: Kein Geld für Nichtzahler

Kann man umsonst reisen und am Ende sogar noch Geld herauskriegen? Diese interessante Frage musste der Bundesgerichtshof jetzt beantworten.

Die Eltern eines zweijährigen Kindes verlangten für die Kleine 250 Euro Entschädigung, weil der Flug sechs Stunden und 20 Minuten verspätet war. Allerdings hatten die Eltern für ihre Tochter gar nichts gezahlt, weil die Fluggesellschaft eine Kinderermäßigung von 100 % einräumte.

Wie schon die Vorinstanzen kommt der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass dem Kind keine Entschädigung zusteht. Das ergibt sich eigentlich schon aus der Fluggastrechteverordnung. Nach § 3 gilt die Verordnung nicht “für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist.”

Aus der Einschränkung im letzten Satzteil wollten die Eltern des Kindes herleiten, dass die Ausnahme nur für einen Sonderfall gilt, der hier nicht vorliegt. Das ist zwar originell, blieb aber ohne Erfolg (Aktenzeichen X ZR 35/14).

Schöne Regeln, die nichts bringen

Bei Radarfotos schnibbeln Bußgeldstellen normalerweise den Beifahrer weg, wenn dieser auf dem Messfoto zu sehen ist. Mitunter ist es aber auch anders. Das kann dann nicht nur zu Ärger führen, wenn der Anhörungsbogen ins Haus flattert – und die Person auf dem Beifahrersitz nicht die “Richtige” ist.

Das Oberlandesgericht Oldenburg musste jetzt die Frage klären, ob ein Bußgeldrichter von der Person des Beifahrers Rückschlüsse auf den Fahrer ziehen darf. Konkret hatte das Amtsgericht sein Urteil damit begründet, die Beifahrerin sei “mit großer Wahrscheinlichkeit” die Tochter des angeblichen Verkehrssünders und dieser somit der Fahrer.

Das war zulässig, befindet das Oberlandesgericht. Zwar verstoße es möglicherweise gegen Persönlichkeitsrechte, wenn die Fotos Unbeteiligter zur Bußgeldakte genommen werden. Dies sei allerdings nur ein sehr geringer Eingriff, der ein Verwertungsverbot nicht rechtfertigt.

Mal wieder ein Beispiel dafür, dass es gerade im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechte bei uns tolle Regeln gibt, gegen die allerdings ohne spürbare Konsequenzen verstoßen werden kann. Ähnlich sieht es ja gerade bei Hausdurchsuchungen aus. Da wird oft munter gegen die Strafrprozessordnung verstoßen, aber Konsequenzen hat es meist nicht. Fast immer erhält das “Strafverfolgungsinteresse” des Staates Vorrang.

Der Autofahrer hatte in dem Fall aber trotzdem Glück. Das Urteil wurde aus formalen Gründen aufgehoben (Aktenzeichen 2 Ss (OWi) 20/15).

1 Schinken

+++ Ein Gymnasiast, der zufällig das Passwort eines Klassenkameraden im Computerraum fand, ist zu Recht für vier Tage von der Schule verwiesen worden. Der Schüler hatte das Passwort an andere Schüler weitergegeben, die dann über den Zugang unter anderem Pornos schauten. Das war dem Gymnasiasten bekannt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sieht darin eine schwere Verfehlung des Schülers, die ein viertägiges Schulverbot rechtfertigt (Aktenzeichen 12 K 1320/15). +++

+++ Wie viel Schinken ist “1 Schinken”? Das möchte ein Tomobolagewinner vom Amtsgericht Gifhorn wissen. Der Mann hatte bei einer Verlosung der Landjugend auf einem Erntedankfest in Isenbüttel “1 Schinken” gewonnen. Er kriegte statt einer ganzen Keule aber nur “einige hundert Gramm” und zog deshalb vor Gericht. Das Amtsgericht wird sich womöglich gar nicht mit der Fleischmenge beschäftigen. Es könne sein, dass Tombolagewinne in nicht-staatlichen Lotterien nicht einklagbar sind, heißt es in einem Hinweis des Gerichts. +++

+++ Oft schließen Arbeitnehmer übereilt einen Aufhebungsvertrag, wenn der Arbeitgeber mit fristloser Kündigung droht. Praktischerweise ist in dem meist vorformulierten Aufhebungsvertrag dann ein Klageverzicht enthalten. Dieser Verzicht ist aber nur wirksam, wenn die Kündigungsdrohung selbst wirksam war, weil an den Vorwürfen was dran ist. Ist das nicht der Fall, so das Bundesarbeitsgericht, kann der Arbeitnehmer trotz der Klausel den Aufhebungsvertrag anfechten (Aktenzeichen 6 AZR 82/14). +++

+++ Wenn im neuen Auto ein mitbestellter Aschenbecher fehlt, kann der Kaufvertrag rückgängig gemacht werden. So hat es das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden. Es ging um einen Lexus für 135.000 Euro. +++

Zwei Jahre: nichts

Die Polizei nimmt heute bei fast jeder Hausdurchsuchung Computer, Datenträger und Handys mit. So schnell die Sachen eingepackt werden, so lange dauert mitunter die Auswertung. Die personelle Austattung der Fachdienststellen hinkt jedenfalls weit hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. So muss man dann mitunter schon mal ein, zwei Jahre warten, bis die Datenträger ausgewertet sind.

Aber gut, als Beschuldigter sollte man normalerweise gar keine Eile haben. Was auch immer am Ende rauskommt, die Zeit ist im Strafverfahren ein wichtiger Faktor. Zu Gunsten des Betroffenen. In Ausnahmefällen kann es aber schon mal sinnvoll sein auf den Tisch zu hauen. Das habe ich neulich für einen Mandanten gemacht, dessen Computer vor zwei Jahren beschlagnahmt wurden.

Seit der Hausdurchsuchung hat sich kaum was getan. Die Hardware ging an ein großes Sachverständigenbüro in München. Von dort kamen dann nur noch Hochwassermeldungen. Man sei überlastet, neues Personal komme bald, es dauere wegen super eilbedürftiger Aufträge in Haftsachen noch. Und so weiter. Und so fort.

Ich habe pünktlich zum Zweijährigen jetzt doch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Und zwar unter anderem mit dem Argument, dass die Auswertung von Beweismitteln ja eigentlich erst mal eine eigene Aufgabe der Polizei ist. Zwar dürfen Sachverständige beauftragt werden, aber dann sollte es hierfür einen guten Grund geben. Der Fall bot technisch absolut keine Besonderheiten, so dass an sich auch die Polizei die Aufgabe bewältigen konnte.

Für einen externen Sachverständigen sprach dann eigentlich nur der schon erwähnte Umstand, dass die Polizei überlastet ist. Hier war es aber nun merkwürdigerweise so, dass die Polizei in der betreffenden Region mittlerweile wesentlich schneller arbeitet als die auswärtigen Sachverständigen. Das weiß ich aus anderen Fällen.

Ich hätte das Ganze gerne mal gerichtlich geklärt. Insbesondere auch die Frage, wieso dieses Münchner Büro immer so prächtig beschäftigt zu sein scheint, während andere Sachverständige nur ab und an mal einen Auftrag erhalten. Dazu wird es nun aber nicht kommen. Der Vorwurf gegen meinen Mandanten wurde nach Eingang meines Antrags kurzerhand zu einer Bagatelle runterdefiniert. Seine Hardware kriegt er unausgewertet zurück. Das Verfahren wurde eingestellt.

Das ist natürlich auch ein Ergebnis…

Es geht auch kostenfrei

Vor einigen Tagen hatte ich den Mitarbeiter eines Gerichts am Telefon. Er teilte mir unwirsch mit, mit einem von mir gestellten Antrag könne er nichts anfangen. Wenn ich Akteneinsicht wolle, solle ich es doch einfach schreiben. Dann werde er mir als Verteidiger die Gerichtsakte zuschicken, natürlich gegen die übliche Auslagenpauschale von 12 Euro.

Ich sagte ihm, mein Antrag ist genau so gemeint, wie er formuliert ist. Dass ich nämlich lediglich um Übersendung einer Kopie des Hauptverhandlungsprotokolls eines soeben beendeten Strafprozesses bitte. Und nicht um komplette Akteneinsicht.

Das kann man problemlos machen, und dann ist die Übersendung auch kostenlos. So steht es nämlich in Ziff. 9000 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz. Danach hat jeder Beteiligte eines Verfahrens kostenlosen Anspruch auf diverse Unterlagen. Das Urteil zum Beispiel. Oder eben auch auf eine kostenlose Kopie “jeder Niederschrift über eine Sitzung”.

Der Herr vom Gericht klang reichlich skeptisch. Aber dann hat er wohl doch jemanden gefragt, der sich damit auskennt. Oder einfach mal ins Gesetz geguckt. Das Protokoll kam heute in einem Briefumschlag. Das ist weiß Gott angenehmer, als wenn wieder die gesamte Akte, die immerhin fünf Aktenordner umfasst, von uns aus als Paket auf die Rückreise gehen muss.

Gastro-Ampel in Gefahr

In Nordrhein-Westfalen wird es vorerst keine “Gastro-Ampel” geben. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stoppte die Pläne der Landesregierung, Daten von Lebensmittelkontrollen online zu stellen – und zwar in Form von pauschalen Bewertungen nach dem Ampelsystem.

Gegen das Projekt hatten vier Duisburger Gastronomen geklagt. Sie empfinden die geplante Ampel als eine Art Pranger. Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband hatte davor gewarnt, dass die Daten von Restaurantkontrollen relativ alt und Mängel bereits abgestellt sein können.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sieht keine Rechtsgrundlage für die Gastro-Ampel in der geplanten Form. Die Vorschriften sähen nur konkrete Warnungen vor. Bei der Ampel wüssten die Gäste aber gar nicht, warum das betreffende Lokal eine mittelmäßige oder gar schlechte Bewertung erhalten hat (Aktenzeichen 26 K 4876/13, 26 K 5494/13, 26 K 5722/13, 26 K 8686/13).