Sie können es einfach nicht lassen, die Essgewohnheiten anderer Leute zu kommentieren. Intolerant sind sie auch noch. Dabei ist ihre Ernährung ungesund und sie sind ohnehin nur darauf aus sich moralisch über andere zu erheben. Unangenehme, selbstgerechte Zeitgenoss*innen, diese... Fleischesser*innen.
Ja, genau, Fleischesser*innen. In diesem Artikel soll es um sie gehen, genauer gesagt, Veganer-bashende Fleischesser*innen und ihr Arschlochverhalten. Mit Fleischesser*innen kenne ich mich übrigens bestens aus, denn ich bin selbst einer. Aber ich bin es satt, dass meine veganen Freund*innen ständig angefeindet, beleidigt oder gemobbt werden.
Es ist regelmäßig das selbe, egal ob wenn ich vegane Freund*innen in der WG zu Besuch habe, bei Familienfesten oder in Foren die ich frequentiere: Sobald es sich irgendwie bemerkbar macht, dass jemand Veganer*in ist, geht es los: Bestenfalls sind es neugierige Kommentare über gesundheitliche oder kulinarische Fragen, schlimmstenfalls (und erstaunlich oft) fangen die ätzenden Kommentare an: Unvermitteltes und ungefraftes Vortragen von abgedroschenen Standardargumenten, Mutmaßungen über den (angeblich mangelhaften) Gesundheitszustand der entsprechenden Person, genauso blöde wie alte Witze oder Beleidigungen. Ein Veganer oder eine Veganerin kann in jedem Fall nicht einfach hingenommen werden.
In Veganer*innen wird dabei in der Regel unglaublich viel hineinprojeziert. Projektion, das bedeutet, dass eigene Befindlichkeiten auf das Gegenüber übertragen werden. Konkret: Ganz egal, wie sich ein Veganer oder eine Veganerin verhält, schon allein dadurch, dass Veganismus eine ethisch höher zu bewertende Ernährungsform als etwa meine Omnivorie ist (und das lässt sich kaum bestreiten), empfinden Omnivore schon die pure Existenz von Veganer*innen oftmals als Angriff auf ihre ethische Integrität. Und zwar unabhängig davon, ob der Veganismus im konkreten Fall überhaupt ethisch intendiert ist oder die entsprechende Person etwas von ethischen Gründen sagt. In dem dieses Gefühl, der moralischen Unterlegenheit oder auch des schlechten Gewissens per Projektion auf die vegane Person übertragen wird, erscheint diese als eine Art Angreifer - völlig unabhängig von ihrem Verhalten.
Dies ist übrigens auch wissenschaftlich bestätigt. Die vegane Person muss daher angegriffen werden, ihr Ernährungsstil deligitimiert und das eigene Ego wieder aufgewertet werden. Genau das ist dieses Veganergebashe nämlich: Eine unreflektierte Ego-Reaktion, mit der Personen diszipliniert werden sollen, die in einer bestimmten Hinsicht aus der Norm ausschehren. Es sollte unter der Würde einer denkenden Person sein, ihren Projektionen so unreflektiert nachzugeben.
Dabei können die Veganer-Basher*innen, da es in Argumenten um Veganismus eben selten um Argumente, sondern um die Aufwertung des eigenen Egos zugunsten des Gegenübers geht, kaum verlieren. Alles was als Angriffspunkt dienen könnte, ist dann recht. Ist die vegane Person konsequent in ihrem Veganismus, kann man sie als rigorose*n Asket oder Eiferer abkanzeln. Ist sie es nicht, kann man sie als unglaubwürdig oder bigott kritisieren. Zieht das nicht, kann man immernoch Anekdoten über diesen schrecklich missionarischen und aufdringlichen Veganer erzählen, den man mal getroffen hat, ganz egal ob der jemals tatsächlich existiert hat.
Dabei ist es keine Frage, dass es tatsächlich penetrante oder missionarische Veganer*innen gibt. Denn Veganer*in zu sein, bedeutet weder eine angenehme Person zu sein, noch ein reflektiertes Diskussionverhalten zu haben, ganz genau so wie es bei Fleischesser*innen der Fall ist. Warum sollten Veganer*innen nicht den selben Drang haben, ihre moralische Integrität zu beweisen, wie gefühlt 90 Prozent der Fleischesser*innen angesichts einer veganen Person? Veganismus ist nicht über die Persönlichkeiten der Veganer*innen zu bewerten. Dies doch zu tun ist eine Dreistigkeit, mit der davon abgelenkt wird, dass es praktisch keine moralischen Argumente gibt, mit denen wir Omnivore unseren Ernährungsstil rechtfertigen können. Und Veganer*innen haben genauso viel und genauso wenig ein Recht, sich wie Arschlöcher zu verhalten, wie alle anderen Menschen.
Der Unterschied ist, dass Fleischesser*innen in unserer Gesellschaft nicht stereotypisiert werden: Fleischesser*innen bestimmte Charaktermerkmale zuzuschreiben, wie es bei Veganer*innen geschieht, die dann erstmal beweisen müssen, dass sie nicht dem Negativbild entsprechen, ist unmöglich. Ich habe noch nie einen Fleischesser*innen-Witz gehört. Nicht, dass wir es nicht verdient hätten, dass man über uns Witze macht, verkraften könnten wir es in jedem Fall. Denn wir haben gegenüber Veganer*innen eine ganze Reihe von sozialen Privilegien. Einige Beispiele:
• Unsere Essgewohnheiten werden als Standard vorausgesetzt. Das heißt: Wir bekommen praktisch überall Essen, dass unseren Ansprüchen genügt und das sogar ohne überteuerte Preise in Kauf nehmen zu müssen. Wir müssen uns nicht umständlich informieren oder hungrig bleiben, wenn es keine Lebensmittel ohne tierische Produkte gibt.
• Wir können damit rechnen, dafür nicht schräg angeschaut zu werden, Fleisch zu essen. Und wenn wir uns mal nicht in einem der wenigen veganen Räume aufhalten, werden wir uns kaum jemals dafür rechtfertigen müssen.
• Sollten wir uns doch mal in einem veganen Raum aufhalten, und sollte uns das nicht gefallen, stehen uns abertausende andere Räume offen, in denen wir in unserer Eigenschaft als nicht-Veganer*in voll akzeptiert werden.
• Wir werden nicht auf Grund unserer Ernährungsgewohnheiten angefeindet, weil Andere uns als Gefahr für ihr Ego betrachten. Es gibt keine Witze in denen wir als Fleischesser*innen stereotypisiert werden.
• Wir werden nicht ständig nach den Gesundheitsrisiken unseres Ernährungsstils gefragt, selbst wenn wir uns praktisch nur von Fritten und Schnitzel ernähren.
• Wir müssen kein schlechtes Gewissen haben, dass Freund*innen einen extra-Aufwand auf sich nehmen müssen, um auch uns satt zu kriegen.
Und jetzt zum Schluss nochmal ein paar Vorschläge an meine lieben mit-Fleischesser*innen, die gerne mal Witzchen über Veganer*innen machen, insbesondere wenn dies in Gegenwart von veganen Personen geschieht.
1. Mit ziemlicher Sicherheit, hat die vegane Person deinen Spruch schon gehört, und zwar nicht nur einmal, sondern hundert mal. Du bist höchstwahrscheinlich weder so witzig noch so originell, wie du denkst.
2. Überleg dir, wie angenehm du es fändest, wenn dir aufgrund deines Ernährungsstils häufig negative Eigenschaften zugeschrieben würden und sich ständig jemand bemüßigt fühlen würde, diesen zu kommentieren.
3. Versuche deine Projektionen und Machtreflexe in den Griff zu kriegen.
4. Sei dir deiner Privilegien bewusst.
5. Sei kein Arschloch.
PS: Dieser Artikel gilt natürlich auch, wenn auch etwas eingeschränkter, für Vegetarier*innen.
PS2: Ich werde kein Veganer*innen-Gebashe oder sonstige unproduktive Ressentiments unter diesem Beitrag dulden.