Im Gespräch mit Marco Meriggi und Elena Mazzini
Stichwort Jugend: Von ihr ist oftmals die Rede, nicht zuletzt im universitären und akademischen Bereich. Was versteht man unter den „Jugendlichen“ mit Blick auf Forscherinnen und Forscher in der Geschichtswissenschaft?
Marco Meriggi: In Italien erlangt man den Mastergrad in den historischen Disziplinen ab dem vollendeten 23. Lebensjahr. Theoretisch beginnt die „Jugend“ für diejenigen, die sich der historischen Forschung widmen wollen, also zu diesem Zeitpunkt; ab hier verläuft der Weg von einem dreijährigen Doktorat über (immer seltener werdende) Postdoc- Stipendien, Forschungsstipendien und Projektfinanzierungen aus fast ausschließlich öffentlichen Mitteln (Futuro in ricerca, jetzt SIR – Scientific Independence of Young Researchers). Zwischen den einzelnen Förderungsphasen liegen oftmals lange Leerzeiten, so dass es zu erheblichen Kontinuitätsbrüchen kommt. Dementsprechend verlängert sich die „Jugend“ tendenziell auf unbestimmte Zeit. Angesichts der extremen Schwierigkeiten, im universitären Bereich auf eine Planstelle zu gelangen, ist man im Alter von vierzig Jahren noch „jung“.
Elena Mazzini: Die Kategorie der „Jugendlichen“ umfasst eine große Personengruppe im Alter von 27 bis 30 Jahren mit unterschiedlichen Arbeitserfahrungen, schließt aber auch die Personen über vierzig nicht aus. In der Häufigkeit, mit der Politikerinnen und Politiker und Intellektuelle sie im Munde führen, scheint eine Mentalität durch, die ich paternalistisch nennen möchte. Sie schmälert den objektiven Erfahrungshintergrund und die Reife von Personen, die in ihrem individuellen Werdegang nicht weniger, vielleicht sogar mehr Kompetenzen erworben haben. Dieser Sprachgebrauch zielt darauf, das gewiss nicht „jugendliche“ Berufsprofil einer ganzen Generation in seiner Bedeutung herunterzuspielen. Man sieht in Jugendlichen „unreife“ Personen, Menschen also, die sich noch in einem Bildungsprozess befinden, sozusagen noch die Schulbank drücken. Und dort
sollen sie gefälligst bleiben – das ist die relativ deutliche Botschaft, auf der diese Terminologie beruht. Continue reading →