Anmoderation seiner Interpretationen am Klavier von 3 Tzvi Avni Werken im Rahmen des Europakonzerts im Vereinshaus Fraulautern (Saarlouis) am 26. April 2009. Night Song for a flying octopus (Juan Miró) Sin Lieth at the door (Kain) Amen (Martin Buber) "Mein persönlicher Kontakt zu Tzvi Avni hat sich vor gut 10 Jahren ergeben, als ich mit meinem Schulchor am Weltchortreffen in Jerusalem teilgenommen habe, wo ein Lokalwerk von Tzvi Avni aufgeführt wurde. Ein paar Wochen später, im Herbst, war ich sehr erstaunt zu hören, dass dieser Tzvi Avni in Saarbrücken den Kunstpreis des Saarlandes bekommen sollte. Ich erfuhr erst da, dass er als Hermann Steinke 1927 im Saarbrücker Stadtteil St. Johann geboren wurde. Die Familie ist dann 1935 nach dem Anschluss des Saargebiets an das deutsche Reich nach Haifa ins damalige Palästina ausgewandert. Dann werden Sie, selbst wenn Sie bis dahin noch nichts von Tzvi Avni gehört haben, wissen, dass es sich um eine jüdische Familie gehandelt hat. Der frühe Tod des Vaters erlaubte ihm vorerst nur eine autodidaktische Befriedigung seines großen musikalischen Interesses. Und dann kam ein Studium in Jerusalem und den USA dazu. Heute gehört Avni zu den bedeutendsten Komponisten Israels und die Bindung zu seiner früheren Heimat -- Geburtsstadt mindestens -- ist unter anderem durch einige Auftragswerke neu geknüpft worden. Mit meinem Chor habe ich damals Psalmvertonungen von ihm gesungen und inzwischen gemerkt, dass auch sein Instrumentalwerk sehr religiös geprägt ist. Das zeigt sich mindestens in zweien der Stücke, die Sie jetzt hören werden aus seinem Tagebuch aus dem Jahre 2000. Im mittleren dieser Stücke steht die Figur des Kain im Mittelpunkt. Das Motto ist „sin lieth at the door", d.h. die Sünde lauert an der Tür. Die Tragik Kains liegt für Avni in der Prüfung, die Gott ihm auferlegt, dadurch dass er das Brandopfer im Gegensatz zu dem seines Bruders Ave nicht annimmt und ihm aber doch die Möglichkeit vor Augen führt, den dadurch entstandenen Hass auf den Bruder zu überwinden. Das schafft Kain nicht. Er wird zum Brudermörder und zur Sklavenarbeit verdammt und das wird in diesem mittleren Stück des Zyklus, den ich gleich spielen werde, durch sehr harte Akkorde und einen starren Rhythmus ausgedrückt. Im letzten Stück, Amen, ist eine Anspielung auf das Denken des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber gemeint, der schon sehr sehr früh offen war für die Problematik des Zusammenlebens von Juden und Arabern in Israel und der sein ganzes Leben für einen echten Dialog zwischen beiden Parteien gekämpft hat. Im Vordergrund steht in diesem Stück eine melodische Linie mit etwas orientalischem Einschlag, wie sie von einem Cantor in einem jüdischen Gottesdienst gesungen werden könnte. Diese Melodie wird aber untergründig leise von Akkorden gestört, behauptet sich aber zum Schluss und führt sogar zu einer Verschmelzung von Melodie und Akkordtönen. Im ersten Stück ist die Inspirationsquelle wie oft bei Tzvi Avni Malerei. Es ist der spanische Maler Juan Miró mit Nightsong for flying Octupus, also Nachtgesang für einen fliegenden Kraken. Da handelt es sich nicht um eines der Bilder, sondern um einen von Avni gewählten Sammeltitel für die gesamte Malerei dieses surrealistischen Vertreters und diese musikalische Entsprechung für diesen Surrealismus, die scheint mir darin zu bestehen, dass der zeitliche Ablauf des Stückes nicht in traditioneller Weise festgelegt ist, sondern: Der Notentext hat zum Beispiel keine Taktstriche. Die Dauer der Töne ist dem Ermessen oft des Spielers anheim gegeben und die Melodien setzen immer wieder mit Tonwiederholungen, also quasi deklamierend, an, was dem Ganzen einen stark schwebenden Charakter erteilt."

• published: 04 Mar 2014
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