Einführung in den modernen anarchistischen Kommunismus


Seit dem Streit zwischen zwei zentralen Vertretern des Kommunismus und des Anarchismus, Marx und Bakunin, der im Jahre 1876 zur Auflösung der Internationalen Arbeiterassoziation beitrug, gelten Anarchismus und Kommunismus als feindliche Geschwister. Die negativen Erfahrungen mit dem Realsozialismus bei gleichzeitiger Deutlichkeit der Auswirkungen des Kapitalismus jedoch fordern immer wieder nach einer Verschmelzung von Anarchismus und Kommunismus.

Im Jahre 2010 schrieb die britische Anarchist Federation eine „Introduction to Anarchist Communism“, die ihren Namen verdient und eine moderne Version des Konzeptes darstellt. Ihr anarchistischer Kommunismus verbindet die Bedeutung des Kapitalismus mit aktuellen Analysen und dem anarchistische Anspruch jeglicher autoritärer Form im Ansatz entgegenzuwirken mit dem Bewusstsein als politische Minderheit zu agieren.

Zentral dabei ist, dass anarchistischer Kommunismus nicht als Zustand gesehen wird, sondern als eine lebendige, seit Jahrhunderten kämpfende Bewegung, die sich heute in den verschiedensten Feldern und sozialen Bewegungen engagiert um auf eine soziale Revolution hinzuarbeiten. Dabei wird nicht nur Staat und Kapital der Kampf angesagt, sondern auch Patriachat, Rassismus, (Hetero-)Sexismus, Umweltzerstörung, Atom- & Kohlekraft, Gentechnik, Grenz- & Krisenregime, usw.

Der Vortrag wird versuchen die Einführung in den anarchistischen Kommunismus darzulegen. Dieser kämpferische Ansatz gibt Antworten und Anregungen auf viele spannende Fragen wie: Wie könnte eine besser Welt aussehen? Wie können wir als politische Minderheit einen radikalen Wandel bewirken? Wie können alle soziale- und ökologische Bewegungen zusammengeführt werden? Was ist unter Klassenkampf zu verstehen? Und vor allem: Was können wir jetzt tun?

Der Vortrag ist auf Deutsch und ohne Vorkenntnisse oder Kenntnis der Uni-/Szene Sprache verständlich.

Links:
Zur genannten Broschüre in unserer [Download-Sektion]
Anarchist Federation: afed.org.uk
Referent*in: Knoti gegenmacht.blogsport.de

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[Plakate] und
[Flyer] zum Download als pdf

Solihausbar für die Proteste der Geflüchteten in Stuttgart

Wie einige vielleicht schon gehört haben, campieren zur Zeit mehrere Geflüchtete vor dem Integrationsministerium in Stuttgart.
Um sie besser unterstützen zu können, wird das Anarchistische Netzwerk Tübingen morgen am 24. Juli ab 21:00 Uhr die Schelling-Hausbar schmeißen.
Es wird Livemusik von einer neuen Tübinger Klezmerband, Tequila-Shots und Longdrinks geben. Also kommt zahlreich, bringt Durst und gute Laune mit. Falls ihr den Protest noch mit Geld, englisch- oder farsi-sprachigen Büchern, oder was euch sonst so einfällt, unterstützen wollt, immer her damit.
Im Laufe der nächsten Tage wird alles nach Stuttgart gebracht.

Freiheit und Gerechtigkeit – Geschichte der Ukraine aus libertärer Sicht


Lange Zeit war die Ukraine von Mitteleuropa aus gesehen ein Land am äußersten östlichen Rand des Kontinents und zudem im 20. Jahrhundert für über 70 Jahre hinter einem Eisernen Vorhang verborgen. Erst die sogenannte Orangene Revolution im Winter 2004 sorgte dafür, dass die politischen Verhältnisse in der Ukraine in Deutschland in den Massenmedien größeren Raum einnahmen und so in der deutschen Öffentlichkeit bekannter wurden.
Dabei blickt dieses osteuropäische Land auf eine bewegte und äußerst interessante Vergangenheit zurück. Gerade aus emanzipatorischer Sicht spielten sich in der Ukraine überaus wichtige und spannende Ereignisse ab. So organisierten sich die ukrainischen Kosaken an dem großen Fluss Dnjepr zu Beginn der Neuzeit bereits in einer egalitär-freiheitlichen Gemeinschaft, als die meisten europäischen Gesellschaften noch in einem absolutistischen Feudalsystem verharrten.

Von der antifeudalen Bewegung der Hajdamaken im 18. Jahrhundert führt die freiheitlich-progressive Spur in der ukrainischen Gesellschaft über die sozialrevolutionären Gruppen der Narodniki des Zarenreichs schließlich zur Entstehung aller modernen sozialistischen Strömungen innerhalb der Ukraine: Sozialdemokratie, Kommunismus, Anarchismus.
Während der Oktoberrevolution 1917/18 fiel daher nicht von ungefähr der neokosakische bäuerliche Anarchismus in der Ukraine auf so fruchtbaren Boden und ermöglichte in den Jahren 1917-21 in Teilen der Ost- und Südukraine ein freiheitliches gesellschaftliches Experiment, welches mit dem Namen Machnowschtschina bezeichnet wurde.
Der unbändige Freiheitswille der ukrainischen Massen und deren Kampf um ihre kulturelle bzw. sprachliche Eigenständigkeit, führte auch in der Sowjetphase dazu, dass die Ukraine sieben Jahrzehnte hindurch von der sowjetischen Zentrale in Moskau als eine unruhige und widerspenstige Teilrepublik angesehen und dementsprechend behandelt wurde. Seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1991 gestaltet sich der Alltag großer Teile der ukrainischen Bevölkerung äußerst mühevoll. Eingezwängt zwischen einer allgegenwärtigen Korruption, der Herrschaft gieriger Oligarchenclans und mafiöser Strukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, explodierte der Unmut der geknechteten Massen nach massiven Wahlfälschungen bei den Präsidentschaftswahlen 2004.
Dieses politische Lesebuch zur Geschichte der Ukraine schlägt noch mal die hoffnungsvollen und ermutigenden Kapitel in der Vergangenheit und Gegenwart dieses osteuropäischen Landes auf, verschweigt dabei auch die dunklen Seiten in der ukrainischen Historie nicht. Auf dem Weg zur Emanzipation der Menschheit lohnt es sich jedenfalls, einen Blick auf die bewegende Geschichte der Ukraine zu richten, um aus den faszinierenden Ereignissen und dem lang anhaltenden Kampf um egalitäre Verhältnisse – aber auch den bitteren Niederlagen – zu lernen.

Buchvorstellung und Diskussion mit Roman Danyluk
Freitag, 8.3.2013, 19:00 Uhr, Hausbar der Schellingstrasse

Aufruf zu den Protesten gegen die Nazi-Fackelmahnwache am 23. Februar

Unsere Genoss*innen von Alerta Pforzheim rufen dazu auf, sich den Faschos und Deutschtümler*innen am 23. Februar in den Weg zu stellen. Wir vom ANT finden das richtig und gut. Seht euch auch die regionalen Aufrufe der Genoss*innen der Antifa Reutlingen/Tübingen und von LevelUP an.

Wenn euch keine andere Anfahrtsmöglichkeit als die Bahn offen steht,
sind hier die Zugtreffpunkte: 13:15 Tübingen & 13:30 Reutlingen

Wir sehen uns am 23. in Pforzheim.

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Seit 1994 findet jährlich am 23. Februar eine Fackelmahnwache auf dem Pforzheimer Wartberg statt. Unter Organisation des Neonazi-Vereins „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ wird hierbei der „deutschen Opfer“ des Zweiten Weltkriegs gedacht, die bei dem Luftangriff der Alliierten am 23. Februar 1945 ums Leben kamen. Damit findet mit 100-200 Teilnehmer*innen die größte regelmäßige faschistische Veranstaltung Baden-Württembergs statt.

Die Deutung der Nazis fällt in der Pforzheimer Öffentlichkeit auf fruchtbaren Boden. Über Jahrzehnte wurde der Angriff auf Pforzheim als „unnötiges Kriegsverbrechen“ charakterisiert. Dabei wurden maßgebliche historische Fakten, wie die NSDAP-Wähler*innen, die 1933 über 50% der Pforzheimer Stimmen ausmachten oder die Beteiligung an der deutschen Rüstungs-produktion für einen von Deutschland aus-gehenden Vernichtungskrieg außer Acht gelassen. Somit handelt es sich um bewusst eingesetzte Geschichtsverfälschung, die ebenso die Grundlage der „Trauerveranstaltung“ der Neo-nazis ist.
Zwar findet öffentlich ein Umdenken statt – aber eine Erklärung für den von Deutschland aus-gehenden Vernichtungskrieg soll auch hier nicht geliefert werden. Vielmehr wird betont, dass es bei allen Kriegsparteien Leid gegeben hätte. Weiter geht die Betrachtung nicht – und das ist auch folgerichtig. Denn der Zweck der staatstragenden Geschichtsschreibung ist in aller erster Linie die ideologische Legitimation des heutigen Deutschlands als „geläuterte Nation“, die auch wieder selbstbewusst in der Welt auftreten soll.
Bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Pforzheim finden wir eine so große Plattform für unsere Kritik, wie sonst nie im Jahr. Als Teil einer breiten Protestbewegung haben wir die Chance mit unserer Kritik sowohl innerhalb des bürgerlichen Lagers, als auch in Teilen der Bevölkerung eine Debatte über den bürgerlich-kapitalistischen Staat als Grundlage des Faschis-mus anzustoßen.
Dieser Aufruf ist als Teil dessen zu verstehen – deshalb möchten wir im Folgenden unsere Kritik an Nationalismus und Rassismus grob umreißen.

Nationalismus

Kapitalistische Staaten stehen auf dem Weltmarkt zueinander in Konkurrenz. Der Erfolg des einen Staats oder Staatenverbunds bedeutet notwendig die Niederlage eines anderen. Dabei wissen alle Gesellschaftsmitglieder, dass ihre gesamte Lebensgrundlage vom Staatserfolg abhängt. Fast alle Menschen leben hier direkt oder indirekt davon, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Kapitalist*innen müssen sich in großem Umfang ausrechnen, dass mit der Arbeit der Leute hier genug Geld zu verdienen ist.
Oberstes Staatsziel ist es dabei, möglichst gute Bedingungen im Vergleich zu anderen Standorten auf dem Weltmarkt zu schaffen.
Um das zu gewährleisten, verpflichtet der Staat seine gesamte Gesellschaft mit seinen Gesetzen auf die kapitalistische Produktionsweise. Mit seinem Gewaltmonopol setzt er durch, dass das gesamte Leben vom Erfolg in der Konkurrenz abhängt.
Konkret bedeutet das unter anderem, dass selbst die grundlegendsten Bedürfnisse nur dann befriedigt werden, wenn man auch dafür bezahlen kann und dass die Interessen der Arbeitenden prinzipiell unter die unternehmerische Gewinn-rechnung untergeordnet sind.
Wer akzeptiert, dass die Welt so eingerichtet ist, und sich positiv zum Staatsziel stellt, steht schon auf dem Standpunkt des Nationalismus.

Weil Nationalist*innen also akzeptieren, dass sich alle ihre anderen Interessen nur dann erfüllen lassen, wenn der Erfolg in der Staatenkonkurrenz gegeben ist, machen sie sich den Staatserfolg als ihr oberstes Interesse zu eigen – sogar wenn das für den Einzelnen bedeutet, „den Gürtel enger zu schnallen“.
In dem Standpunkt „Deutschland zuerst“ unterscheiden sich Nazis nicht von den meisten Demokrat*innen. Sie unterscheiden sich nicht in ihrem Interesse, sondern darin, welche Mittel sie für den Erfolg der Nation für notwendig halten.

Das soll keineswegs heißen, dass es keine Unter-schiede zwischen Demokratie und Faschismus gäbe – wer aber die Grundlagen des Faschismus an der Wurzel packen will, muss sich auf einen antinationalen Standpunkt stellen.

Rassismus

Jeder Staat basiert zu allererst auf Ausgrenzung. Er braucht elementar Staatsgrenzen und Staats-bürger*innen, über die er die ausschließliche Macht ausübt. Das funktioniert in der Logik von Staaten nur in Abgrenzung zu anderen Staatsgebieten und Menschen mit einem anderen Pass. Diese Aufteilung der Welt setzen Staaten auch vehement durch. Das geschieht beispiels-weise mit der Regelung der Staatsangehörigkeit (wer ist Deutscher, und vor allem: wer nicht?), wer darf einreisen, und wie werden Menschen davon abgehalten, die das nicht dürfen (Grenzschutz), oder wie wird ein Staat „Illegale“ wieder los (Abschiebungen).

Da verwundert es auch nicht, wenn Menschen aus einem anderen Land prinzipiell Misstrauen entgegengebracht wird. Sie sind ja Bürger einer konkurrierenden Staatsmacht – und dement-sprechend gibt es in der nationalistischen Logik immer die Befürchtung, dass sie im Zweifelsfall fremden Interessen dienen.

Daraus folgt, dass an Migrant*innen stets andere und höhere Maßstäbe angelegt werden. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass es keine Debatte über die stammtischdeutsche Parallelgesellschaft oder Schwaben, die sich weigern Hochdeutsch zu lernen, gibt.

Auch in diesem Punkt unterscheiden sich Nazis von den meisten Demokrat*innen nicht in ihrer Sortierung in verschiedene Völker – sondern in ihren Konsequenzen aus der Sortierung. Während der demokratische Staat ihm nützende Ausländer*innen gerne aufnimmt (während er andere zu Tausenden im Mittelmeer ersaufen lässt), sind Nazis hier nicht kompromissbereit: Für sie hat hier kein*e Ausländer*in was zu suchen.

Auch hier gibt es für die Betroffenen von Rassismus wieder gravierende reale Unterschiede – wer es aber ernst meint damit, dass Menschen nicht auf Grund ihrer Herkunft diskriminiert werden sollen, sollte auch hier wieder einen antinationalen Standpunkt einnehmen.

Ziviler Ungehorsam

Aus unserer Erfahrung heraus wissen wir, dass die Verbreitung und Vermittlung von Kritik nicht nur auf Grund von sachlichen Argumenten geschieht. Meist ist es eine Kombination aus sozialer Interaktion, gemeinsamen Erlebnissen, kollektivem Reflektieren und sachlicher Kritik. Wir glauben also, dass als Teil einer realen Bewegung auch inhaltliche Diskussionen eher geführt werden – und gegen Nazis auf die Straße zu gehen, halten wir auch deshalb schon für sinnvoll, weil sie eine reale Bedrohung für politische Gegner*innen und Migrant*innen sind.

Aktionen des zivilen Ungehorsams halten wir in diesem Fall für ein geeignetes Mittel. Zum einen haben wir damit die Chance, real den Aufmarsch der Nazis zu verhindern, die eigene Ohnmacht kurzzeitig zu durchbrechen und real etwas, wenn auch im Kleinen, zu verändern – und das gibt Kraft für neue Kämpfe.
Zum anderen ist im kollektiven Regelübertritt eine radikale Kritik angelegt. Wer dazu bereit ist, eine Polizeikette nicht mehr als unüberwindbares Hindernis zu betrachten, wer also sein Interesse, den Nazis im Weg zu stehen, im Zweifelsfall auch gegen die Polizei durchzusetzen versucht , stellt den Rechtsstaat praktisch ein Stück weit in Frage. Einigen ist das schon im Vorfeld klar, für andere ist das eine neue Erfahrung.
Ob diese Erfahrung dann auch in ihrer Tragweite so erfasst wird, ist dabei zwar offen – wir sind aber optimistisch, dass sich viele der Protestierenden danach zumindest die richtigen Fragen stellen – und das ist der Ausgangspunkt für eine radikale Gesellschaftskritik.

Den Naziaufmarsch in Pforzheim zur Geschichte machen!
Rassismus und Nationalismus auf allen Ebenen bekämpfen!

Demo der Inititative gegen Rechts | Pforzheim Hauptbahnhof | 23.02.2013 | 15.30 Uhr

Herrschaftszeiten! Eliten und Elitenbildung in Burschenschaften und Studentenverbindungen.

Vom 23.-25.11.2012 findet in der Sängerhalle Untertürkheim ein außerordentliches Treffen des ultrarechten Vachverband „Deutschen Burschenschaft“ statt. Ziel ist es in Ruhe die internen Querelen zu lösen. Denn seit mehreren an die Öffentlichkeit gelangten Skandalen, wie etwa dem Versuch eine Art „Ariernachweis“ im Verband einzuführen, steht die „Deutsche Burschenschaft“ in der öffentlichen Kritik.

Nachdem es in unserem ersten Text „Braune Burschenschafter – die „Deutsche Burschenschaft“ und die extreme Rechte“ um rechte Tendenzen in der „Deutsche Burschenschaft“ ging, befassen wir uns im Folgenden näher mit Eliten und Elitenbildung in Burschenschaften und Studentenverbindungen.

Kommt alle am 24.11.2012 um 12 Uhr auf den Carl-Benz-Platz in Untertürkheim

10:20 Uhr Hbf Tübingen
Zugtreffpukt zur gemeinsamen Fahrt nach Stuttgart für alle aus Tübingen

10:30 Uhr Hbf Reutlingen
Zugtreffpukt zur gemeinsamen Fahrt nach Stuttgart für alle aus Reutlingen

Herrschaftszeiten!

Eliten und Elitenbildung in Burschenschaften und Studentenverbindungen.

„Je wichtiger die gesellschaftliche Position, desto eher ist diese mit einem Mann aus dem Milieu des gehobenen und (konservativ eingestellten) Bürgertums besetzt.“

Die These des Politikwissenschaftlers Stephan Peters soll als Einstieg in die nähere Betrachtung von korporierten Netzwerken, Seilschaften und Beziehungen dienen. Denn obwohl die Zahl der Verbindungsstudenten in Relation zur Gesamtzahl der Studierenden lächerlich gering ist (weniger als 2% gehören einer Verbindung an), rekrutieren sich etwa 20% aller Vorstandsvorsitzenden in Deutschland aus studentischen Verbindungen.

Ein Blick auf die Liste der alten Herren aus Tübinger Verbindungen zeigt, dass auch heute noch überdurchschnittlich oft gesellschaftliche „Eliten“ aus den Kreisen der Verbindungen entstehen. Günther Oettinger (Landsmannschaft Ulmia), Kurt-Georg Kiesinger, Heiner Geißler (beide K.St.V. Alamannia), Wolfgang Schuster, Klaus Kinkel (beide A.V. Guestfalia) und Helmut Lemke (A.V. Stuttgardia) sind nur einige Spitzenpolitikern konservativ-bürgerlicher Parteien der jüngeren Geschichte die sich aus dem Kreis der Tübinger Korporationen rekrutieren.

Dass Mitglieder von studentischen Verbindungen auffällig oft in einflussreiche Positionen aufsteigen ist kein Zufall, sondern seit ihrer Gründung erklärtes Ziel vieler Korporationen. „Wir wollen auch weiterhin national gesinnte Menschen in alle führenden Berufe unserer Gesellschaft entsenden.“ bekannte Manfred Kanther 1990 öffentlich bei einer Rede für sein Corps Guestphalia et Suevoborussia in Marburg. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass das Wörtchen „weiterhin“ eine nicht unerhebliche Rolle spielt.

Die Geschichte der Korporationen als eine Geschichte autoritärer Strukturen

Korporationen waren stets beides, standesbewusst und herrschaftshörig. Schon die Anfänge der Studentenverbindungen zeigten ihr Elitendenken und ihr Bewusstsein dafür, wer zum erlesenen Kreis der Herrschenden gehören durfte und wer nicht: Die ersten Vorläufer der Korporationen gründeten sich im 18./19. Jahrhundert und wandten sich gegen Studenten aus dem Kleinbürgertum. Diese hatten sich damals gerade erst den Zutritt zur Universität erkämpft. Nicht nur, dass hier die Motivation der Korporierten ganz unverhohlener Standesdünkel war, schon bei den ersten Zusammenschlüssen herrschten anti-emanzipatorische Grundgedanken vor. Viele der damaligen Korporationen, insbesondere die sogenannten Corps, richteten sich explizit gegen die Prinzipien der französischen Revolution Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Es ist allerdings bei diesen frühen Studentenverbindungen noch zu einfach, von einer homogenen Masse zu sprechen: Die politische Stoßrichtung war anfänglich noch keineswegs unter allen Korporierten einheitlich. Das änderte sich jedoch schnell. Während Anfang des 19. Jahrhunderts einige Studentenverbindungen (vor allem die „repubikanischen“ Burschenschaften bis zum Jahre 1848) durchaus gegen die Monarchie und für mehr Demokratie kämpften, gewannen wenige Jahre später die völkisch-obrigkeitshörigen unter den Verbindungen die Oberhand und diese kämpften seitdem für das jeweils herrschende System. Ab 1849 schließlich sahen sich alle Burschenschafter als die gesellschaftliche Elite.

Nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 entwickelten sich die Korporationen rasch zu überregionalen und generationsübergreifenden Verbänden (Lebensbundprinzip) mit organisierten Altherrenschaften. Eine Durchhierarchisierung der Verbindungen nach einem System aus Befehl und Gehorsam (Fux, Bursche, Alter Herr), die Erziehung zum Mann als Zweck des Männerbundes und Zielsetzung im elitären Streben waren die Folge. Mit Erfolg: 1893 saßen 45 Corpsstudenten (11 % der Abgeordneten) im Reichstag, vorwiegend in den konservativen Parteien. Die Chefs der Reichskanzlei waren seit 1871 fast ausnahmslos Corpsstudenten. Hinzu kommen zahlreiche Korporierte in den führenden Positionen der Ministerien, Präsidenten des Reichs- und der Landtage. Namen wie Otto Fürst von Bismarck, Wilhelm II., Adolf Stoecker, Paul von Hindenburg, Friedrich Bayer, Fritz Henkel und Gottlieb Daimler, Emil von Behring, Justus Freiherr von Liebig sowie Aloys Alzheimer bezeugen das Gelingen des verbindungsstudentischen elitären Strebens.

Ende des 19. Jahrhunderts waren nahezu alle wichtigen Posten in Politik, Kultur und Wirtschaft mit Korporierten besetzt.

Auch in der politischen Praxis drückten sich das Elitendenken und die herrschaftshörige, antiemanzipatorische Grundtendenz der Studentenverbindungen aus. Nach dem ersten Weltkrieg waren Korporierte begeistert an nahezu jeder Niederschlagung von Aufständen beteiligt: Niederschlagung der Novemberrevolution, Niederschlagung der Münchner Räterepublik, Niederschlagung des Rhein-Rhur-Aufstand, Verfolgung von Linken durch die so genannten Freikorps, Durchführung des Kapp-Putsch, Niederschlagung der „Mitteldeutschen Aufstände“, usw. Im begeisterten Eintreten für die Sache des Nationalsozialismus mündete schließlich der Weg der deutschen und österreichischen Studentenverbindungen.

Sowohl an den verbindungsstudentischen Zweck- und Zielsetzungen und den Regeln innerhalb der Korporationen, als auch an dem Erfolg hat sich bis heute – wenn auch mit Verschiebungen im gesellschaftlichen Feld – wenig geändert. Treffend heißt es in der Zeitschrift Capital: ”Wer in einer Studentenverbindung ist, hat für die Zukunft ausgesorgt [und] fährt wie von einem Turbo-Lader beschleunigt der Karriere entgegen.“ (Capital 5/1989, S. 287)

Interne Hierarchien schmieden Herrscher und Untertan zugleich

Das Leben in Verbindungen ist auch heute noch durch Hierarchien geprägt. Die jungen Studenten sollen lernen zu gehorchen und zu herrschen. Nicht auf der Gleichberechtigung des Einzelnen beruht dabei das Zusammenleben, sondern auf Disziplin und Anpassung.

Beispielhaft wollen wir im Folgenden die Mechanismen, die ein solch hierarchisches Zusammenleben formen an den Burschenschaften aufzeigen. Auch wenn die meisten Studentenverbindungen viele dieser Elemente teilen, finden sich nur bei den Burschenschaften alle genannten Elemente wieder:

Das umfassende Regelwerk („Comment“ & „Paukcomment“) der Burschenschaft soll die Formung jedes einzelnen Burschenschafters durch Unterwerfung sicherstellen.

Dies geschieht vor allem durch drei Erziehungs- und Formungsmittel:

Der „Convent“ ist die Versammlung der Burschenschaft. In ihr wird die formale Hierarchie zelebriert (nicht jeder hat das gleiche Stimmrecht). Es geht auch nicht darum, zu erlernen auf einer demokratischen Versammlung als gleichberechtigtes Mitglied für die eigene Sache einzustehen und dadurch Beschlüsse zu finden, die dem Gruppenkonsens entsprechen. Laut eigener Aussage ist das junge Mitglied dazu angehalten “jene Meinung zu erforschen, welche den geringsten Widerstand findet.” (CV-Handbuch, 1990, S. 218).

Die „Mensur“ (das Fechten mit scharfen Waffen) ist das zweite Formungsinstrument. Die Mensur kann als Disziplinierungsmaßnahme angeordnet werden. Dann muss sich der Korporierte dem gefährlichen und verletzungsintensiven Duell unterziehen. Gleichzeitig ist es oft auch ein Unterwerfungsritual, mit dem das Mitglied seine Opferbereitschaft und Ergebenheit sowohl gegenüber den älteren Mitgliedern als auch der Organisation an sich demonstriert. (eine Mensur ist bei vielen Studentenverbindungen Pflicht! Dabei variiert die Anzahl der Pflichtmensuren beispielsweise in Tübingen zwischen 1x (Burschenschaft Germania) und 5x (Corps Franconia), bevor man vom „Fux“ zum „Burschen“ aufsteigt)

Das letzte disziplinarische Mittel ist die „Kneipe“ – das ritualisierte Besäufnis. Selbst bei dieser Gelegenheit, die für andere Menschen eher der Entspannung oder der Ekstase dient, wird die interne Gruppenhierarchie zelebriert und gefestigt. Jedem neuen Mitglied kann im Rahmen eines feststehenden Regelwerks vom Leiter der Versammlung das „Spinnen“ (Straftrinken) bis zum Erbrechen auferlegt werden. Oder ein Burschenanwärter (Fuchs) muss an Stelle seines Vorgesetzten (Fuchsmajor) an Trinkwettbewerben teilnehmen.

Alle drei Rituale (Convent, Mensur, Kneipe) dienen dem Zusammenschweißen und der Abgrenzung nach Außen. Der Gehorsam wird belohnt, obrigkeitsstaatliches Denken, Hierarchie, Befehl und Gehorsam, Unterordnung und Pflichterfüllung geformt. Damit wird “die Intensität der sozialen Kontrolle in schlagenden Verbindungen (…) vergleichbar der in asketischen Sekten.” (Paschke, 1999, S. 179)

Gleiches gilt für den hierarchischen Werdegang innerhalb eines Burschenlebens: Ganz unten steht der Neue, der Spefuchs, dann kommt der Fuchs, dieser steht unter dem aktiven Burschen („Aktivitas“), dem wiederum die ehemaligen Studenten, die Alten Herren vorstehen. Alles nach dem Motto: “Freiheit heißt nicht, tun und lassen können, was man will, sondern was man soll.” (CVHandbuch, 1990, S. 360)

Selbstbild als Elite

Dieses innere Gehorsamsdenken wird ausgeglichen durch ein Elitendenken nach Außen. Das Farbentragen ist nur ein Element der Abgrenzung zu anderen und des Hervorhebens des eigenen Elitestatus.

Korporationen wie die Deutsche Burschenschaft propagierten dementsprechend in den 90er Jahren auf ihren Plakaten offen „Die Masse links liegen lassen“.

„Die Masse ist nicht besonders klug. Die Masse ist noch weniger fleißig, und am allerwenigsten ist sie ausdauernd. Die Schwachen suchen das Kollektiv, um in der Addition der Masse sich stark zu fühlen […] Dieser Masse gegenüber steht jene ‚Elite‘, die – ich wiederhole es – in jeder Gesellschaft vorhanden sein muß, um eine Ordnung in Freiheit und Recht zu gewährleisten […] Es gibt eine nobilitas naturalis, eine natürliche Nobelheit, eine natürliche Berufung und Eignung zur Führung.“, schrieb 1966 in der Academia der CVer Prof. Hettlage, damals Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. (zit. n. Linke Liste Aachen (Hg.), Die Elite der Nation bekennt Farbe, Aachen 1986.)

Die Verbindung dient dazu die eigenen Mitglieder zu späteren Eliten heranzu(er)ziehen:

„wir […] sehen es als selbstverständlich an, daß Corpsstudenten im Leben hervorragende Stellungen einnehmen.“ (Michael Schur, Tagungsbericht: Junge Führungskräfte für die Marktwirtschaft, Der Corpsstudent 4/94, S. 216ff.)

Das Lebensbundprinzip als institutionalisierte „Vetterleswirtschaft“

„Schon vor mehr als 100 Jahren, also lange bevor an Business-Schulen überhaupt zu denken war, gab es in Deutschland hervorragend funktionierende Alumni-Netzwerke: die so genannten „alten Herren“ der Studentenverbindungen. Sie unterstützten mit großzügigen Spenden den Lebensunterhalt der zu ihrer Vereinigung gehörenden Eleven, erleichterten den Absolventen den Berufseinstieg und schanzten sich später gegenseitig Posten und Aufträge zu. Daran hat sich nichts geändert. Die Netzwerke der ehemaligen Corpsstudenten funktionieren heute so gut wie damals.“
(Financial Times Deutschland 3.6.2005)

In einer Korporation ist man in der Regel sein Leben lang Mitglied und dadurch ihr und ihren Mitgliedern verpflichtet. Ziel ist dabei explizit ein Nepotismus (= Vetternwirtschaft).

Zum Beispiel werden eigene Verbindungsmitglieder in Vorstellungsgesprächen bewusst bevorzugt und Stellen in Führungspositionen an die eigenen Verbandsbrüder herangetragen. Zusätzlich finden verbindungsinterne Tagungen statt, die diese Seilschaften noch fördern sollen, wie beispielsweise der Hamburger „Interkorporations- Workshop für Führungskräfte und Führungsnachwuchskräfte“.

Bei der Rekrutierung ihres Nachwuchses werben Studentenverbindungen auch mit diesen beruflichen Vorteilen. Häufig werden neben der Vergabe von Stipendien berufliche Einstiegsmöglichkeiten geboten. Förderer und Finanziers des Nachwuchses sind ehemalige Aktive zu denen wie dargestellt zahlreiche Politiker und führende Wirtschaftsgrößen zählen.

In dem korporationsstudentischen System geht es um die Konstruktion einer „guten Gesellschaft“, um das Herstellen einer Gruppe von „Gleichen unter Gleichen“, die sich – ausgestattet mit dem für sie allzeit erkennbaren besonderen korporierten Habitus – gegenseitig helfen und protegieren, wobei sie von dem korporierten Gegenüber nicht einmal unbedingt wissen müssen, dass derjenige Korporierter ist. Man spricht die gleiche Sprache und vertraut sich untereinander aufgrund des gleichen Habitus. Michael Hartmann beschreibt das für den Habitus des gehobenen Bürgertums so:

„Das Gefühl, auf einer „gemeinsamen Wellenlänge“ zu kommunizieren, ist (…) außerordentlich wichtig. Es schafft die Basis für das gegenseitige Vertrauen auch in geschäftlichen Dingen.“

Somit wird auch deutlich, warum es bei der Besetzung höherer und höchster Positionen nicht nur um das Einstellungskriterium der „Leistung“, der beruflichen Qualifikation der Kandidaten geht, sondern um das habituelle „Plus“, das einschließt, ob der Kandidat ein unter Männern „gegebenes Wort“ auch unter allen Umständen zu halten in der Lage ist (wie man es mittels der „Ehre“ in der Korporation einpaukt).

Verbindungsmitglieder haben dadurch einen leichteren Aufstieg in Führungspositionen. Durch diesen entsteht seit Jahrzehnten eine Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik, die den Einfluss der Verbindungen sicherstellen:

1981 waren 21,5% von 1744 befragten akademischen Führungskräften korporiert (Ursula Hoffmann-Lange: Eliten, Macht und Konflikt in der Bundesrepublik, Opladen 1992.)
1988 war jeder vierte Korporierte in einer Führungsposition (Dr. Baulder (Germaniae Hohenheim)/H. Stöckl (Bavariae München)/G. Junkers (Frankoniae Darmstadt), Interkorporations- Workshop von Waffenstudenten aus der Industrie in Frankfurt, BBl. 2/1989, S. 17 S. 216ff.)
1987-1991 stellte der CV (Der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen) mit über 30 Abgeordneten die zahlenmäßig größte Abgeordnetengruppe.

Studentenverbindungen aller Art dienen also dazu, als Kollektiv im kapitalistischen Konkurrenzprinzip bestmöglich zu bestehen. Der undemokratische Elitenbegriff ist dabei stets gepaart mit einem antiemanzipatorischen Politikverständnis und rechten bis extrem rechten Einstellungen. Die Verbindungen von Politik und Wirtschaft in den Seilschaften der Alten Herren schafft so eine Machtelite, die es zu bekämpfen gilt.

Für die Auflösung aller Studentenverbindungen.

Kommt alle zum Protest gegen den Burschentag in Untertürkheim (Stuttgart)
Samstag 24.12.2012 – 12 Uhr – Carl-Benz-Platz – Untertürkheim
(Anfahrt mit S-Bahn über die Haltestelle Untertürkheim, ABER VORSICHT: massive Kamera-Überwachung des S-Bahnhofs!)

Tübinger Bündnis gegen den Burschentag in Stuttgart

keineburschentage.tk



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