Daniel Defoe:
Robinson Crusoe
Aus dem Englischen von
Karl Altmüller
Kapitel 3
Ich werde jetzt den Faden meiner Geschichte wieder im Zusammenhang verfolgen. Wie man denken kann, hatte ich nach vierjährigem Aufenthalt in Brasilien und nachdem meine Pflanzung in guten Zug gekommen war, nicht nur die Landessprache gelernt, sondern auch Bekannte und
Freunde unter meinen Pflanzerkollegen und den Kaufleuten zu St.
Salvador gewonnen. Bei meinen Gesprächen mit ihnen war auch oft von meinen beiden Reisen an die Küste von
Guinea, von der
Art und
Weise des
Handels mit den Negern und auch davon die Rede gewesen, wie leicht es sei, dort für Kleinigkeiten, wie Spielwaaren, Glasperlen, Messer,
Scheeren, Beile und dergleichen, nicht nur Goldstaub, Guineakorn, Elephantenzähne &c.;, sondern auch
Neger zur Sklavenarbeit in Brasilien zu erhandeln.
Man lauschte auf diese Mittheilungen mit gespannter Aufmerksamkeit, vorzüglich aber auf das, was den Ankauf von Negern anging. Damals wurde der
Handel mit diesen noch nicht stark betrieben. Er stand unter der Oberaufsicht der Könige von Spanien und
Portugal, und die Einkünfte flossen in die königlichen Kassen, daher wurden nur wenig Neger nach Brasilien gebracht und diese kosteten schweres Geld.
Einmal, nachdem ich mit einigen Pflanzern und Kaufleuten über diese
Dinge mich angelegentlich unterhalten hatte, kamen am nächsten
Morgen drei von ihnen zu mir und sagten, sie hätten sich jene Angelegenheit reiflich überlegt und wollten mir einen Vorschlag machen. Ich mußte Verschwiegenheit geloben und hierauf theilten sie mir mit, daß sie
Lust hätten ein Schiff nach Guinea zu schicken, da es ihnen auf ihren Pflanzungen an
Nichts so sehr fehle als an Arbeitern.
Weil sie jedoch keinen öffentlichen Handel mit Sklaven treiben dürften, so beabsichtigten sie nur eine einzige Reise zu machen, die erkauften Neger heimlich ans
Land zu bringen und dann unter sich zu theilen. Es frage sich nun, ob ich als ihr Supercargo die
Expedition zu Schiffe leiten wolle. Als Vergütung sollte ich einen gleichen
Antheil wie sie von den Negern bekommen, ohne zu dem Ankaufskapital beizusteuern.
Dies wäre ein lockendes Anerbieten für Einen gewesen, der nicht eine eigne Pflanzung, die auf dem besten
Wege sich zu vergrößern war, zu überwachen gehabt hätte. Für mich aber, der ich einen guten Anfang gemacht hatte und nur so fort zu fahren brauchte, um mit Hülfe meiner andern hundert Pfund aus
England binnen drei oder vier Jahren sicherlich mir ein Vermögen von drei- bis viertausend Pfund
Sterling erworben zu haben, war der bloße Gedanke an eine solche Reise das Unsinnigste, dessen ich mich schuldig machen konnte.
Jedoch ich hatte nun einmal die Bestimmung, mich zu Grunde zu richten, und deshalb konnte ich dem Anerbieten ebensowenig widerstehen, als ich einst dem guten
Rath meines Vaters zu folgen vermocht hatte. Kurz, ich sagte jenen Leuten, daß ich von Herzen gern die Reise machen wolle, wenn sie versprächen, während meiner Abwesenheit für meine Pflanzung zu sorgen und sie, wenn ich umkommen sollte, an die von mir bestimmten Personen zu überliefern. Sie gingen hierauf ein und stellten mir ein urkundliches Versprechen darüber aus. Ich faßte dann ein förmliches
Testament ab, verfügte darin über meine Pflanzung und über meine sonstige Habe für den
Fall meines Todes und ernannte den Kapitän, meinen Lebensretter, zum Universalerben, mit der Bestimmung, daß er die Hälfte meines Besitztums für sich behalten, die andere Hälfte verkaufen und den Ertrag nach England schicken solle.
So traf ich allerdings die besten Maßregeln, um die Zukunft meines Vermögens zu sichern. Hätte ich nur halb so viel Nachdenken auf das verwandt, was mein wahres Interesse forderte und was ich thun und lassen sollte, so würde ich sicherlich nicht meine günstige
Lage aufgegeben und eine Seereise angetreten haben, auf der mich die gewöhnlichen Gefahren einer solchen und obendrein noch, wie ich nach meiner Erfahrung
Grund hatte anzunehmen, ganz besondere Fährlichkeiten erwarteten
.......
- published: 16 Nov 2013
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