Anti-Euro-Spekulation: Zocken ist gerecht

Ein Gastkommentar von Hans-Peter Burghof

Die griechische Regierung hat über Jahrzehnte Geld verschwendet - trotzdem sollen plötzlich Spekulanten schuld sein an der Krise des Landes. Eine krasse Fehleinschätzung. Wer jetzt die Spekulation verbieten möchte, verschließt die Augen vor ökonomischen Wahrheiten.

Börsenglocke (in Frankfurt): Wäre die Welt ohne Spekulanten besser? Zur Großansicht
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Börsenglocke (in Frankfurt): Wäre die Welt ohne Spekulanten besser?

Wenn etwas schiefgeht, braucht man Schuldige. Unbedingt. Menschen, auf die man mit dem Finger zeigen kann. Denn sonst könnte irgendjemand auf die dumme Idee kommen, man sei selbst mit schuld.

Dieser allgemeine Grundsatz gilt besonders für die Politik. Dies wird in diesen Tagen am Umgang mit der Griechenland-Krise deutlich. Die griechische Regierung hat weit mehr Schulden gemacht, als gesund ist, darauf reagieren die Märkte und die Zinsen für griechische Staatsanleihen steigen. Eigentlich ein normaler Vorgang. Trotzdem soll die Verantwortung nicht bei der griechischen Regierung liegen. Sondern bei den Spekulanten. Die reiten angeblich eine Finanzattacke gegen Athen. Gäbe es die bösen Spekulanten nicht, dann wäre in Griechenland alles in Ordnung - könnte man meinen, wenn man so manchem Kommentator glaubt.

Das Schimpfen auf die Spekulanten ist ein Volkssport. Warum ist das so? Weil sie zu viel verdienen, und dies mit dem Unglück anderer? Vielleicht. Aber andere verdienen auch viel Geld: Die allseits beliebten Casting-Shows sind zum Beispiel ein gigantisches Geschäft, das auf dem Leid und der Blamage anderer Menschen aufgebaut ist.

Wir hassen die Spekulanten, weil sie uns die Wahrheit aufzeigen

Was also ist das Besondere an den Spekulanten? In den Augen der braven Bürger sind sie vaterlandslose Gesellen. Häufig - und wohl nicht ganz zufällig - sind sie Fremde in der jeweiligen Gesellschaft. Sie versuchen, die Welt zu sehen, wie sie ist, und nicht, wie wir sie gerne hätten. Das ist die Grundlage ihres Geschäfts: Sie lüften durch ihr Handeln an den Märkten den Schleier aus Konvention, öffentlicher Moral und Ideologie, mit dem wir die Realität gern überdecken.

Deshalb hassen wir sie umso mehr, je hässlicher das Antlitz dieser Realität ist. Immer dann geht ein Donnerwetter über die Spekulanten nieder, wenn eine Gesellschaft sich ihre Lebenslügen nicht rauben lassen will.

Dabei spekulieren auch wir Normalbürger. Wir spielen Lotto, übrigens im Unterschied zur Spekulation am Kapitalmarkt ohne jeden positiven Nebeneffekt. Und gelegentlich versuchen wir uns auch an der Börse. Der eine oder andere ist im Nebenberuf zum daytrader geworden.

Mehr Verständnis für die Spekulanten erwächst daraus kaum. Denn oft ziehen wir den Kürzeren, und wer mag uns da aufs Kreuz gelegt haben? Richtig - die Spekulanten. Die Lebenslüge ist hier der Glaube, dass wir etwas von der Börse und den sie bewegenden Kräften verstünden, obwohl wir eigentlich Neurologe, Ornithologe oder Kriminologe sind. Wir hassen die Spekulanten, denn die haben nun unser Geld.

Märkte sind nicht monarchisch, sondern demokratisch

Ein besonders verhasster Spekulant ist der Leerverkäufer. Er verkauft, was er gar nicht besitzt, weil er darauf wettet, dass es später weniger wert ist. Für Unternehmen, deren Aktien er leerverkauft, ist dies eine Beleidigung. Das gleiche gilt für Staaten, mit deren Anleihen er handelt. Der Grund ist klar - denn der Leerverkauf macht eines deutlich: Es gibt Menschen, die das, was ein Unternehmen oder ein Staat tut, nicht so gut finden, die sogar Geld darauf verwetten, dass es schiefgeht.

Der Leerverkauf ist so etwas wie Majestätsbeleidigung. Aber ist das schlimm? Funktionierende Märkte sind nun mal nicht monarchisch, sondern demokratisch. Jeder kann meinen, was er will, und er kann danach handeln. Schließlich trägt jeder das Risiko seines Handelns selbst. Auch der Spekulant.

Spekulation soll gefährlich sein? Ja, aber das gilt zunächst einmal für den Spekulanten selbst. Er wettet schließlich mit seinem Geld - und kann auch verlieren, solange die Märkte nicht durch Fehlinformationen manipuliert werden. Darüber hinaus jedoch ist Spekulation vor allem für eine Gruppe gefährlich: die Mächtigen, die sich nicht bei ihren Geschäften stören lassen wollen.

Kein Wunder, dass Europas Regierungen die Spekulation verbieten wollen. Für uns Bürger ist das kein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass noch einiges im Argen liegt, und dass die Politiker die Wahrheit, die ihnen die Märkte sagen, auf keinen Fall hören möchten. Der Spekulant hat den Mund zu halten, damit uns nichts beunruhigt.

Würden die Spekulanten diesem Schweigegebot folgen, könnte die Politik Zeit gewinnen. Aber so löst man keine Probleme. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass die Regierungen keine Notwendigkeit mehr sehen, vor dem nächsten Wahltermin die erforderlichen, meist unbequemen Maßnahmen zu ergreifen.

Ohne Spekulation herrscht der alte Schlendrian. Und irgendwann ist es dann zu spät zum Umsteuern.

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1. Völlig daneben
Frederik72 12.03.2010
Spekulantentum ist die größte Geisel der Marktwirtschaft. Zu behaupten Spekulation bedeutet nur ein Risiko für den Spekulanten ist ja wohl die größte Fehleinschätzung des Artikels. Was passiert den bei Spekulationen auf Rohstoffe ? Woher kommen die Spekulationsgewinne ? Vom Verbraucher, weil der die überhöhten Marktpreise bezahlen muss. Spekulantentum ist nichts anderes als moderne Wegelagerei.
2. Virenverbot statt Virenschutz
Transmitter 12.03.2010
Zitat von sysopDie griechische Regierung hat über Jahrzehnte Geld verschwendet - trotzdem sollen plötzlich Spekulanten schuld sein an der Krise des Landes. Eine krasse Fehleinschätzung. Wer jetzt die Spekulation verbieten möchte, verschließt die Augen vor ökonomischen Wahrheiten. http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,683176,00.html
Währungsspekulaten sind die Wölfe / Haie der globalisierten kapitalistischen Welt. Sie stürzen sich immer auf die schwachen, dem Tod mehr als dem Leben nahen Volkswirtschaften, und geben ihnen den Rest. Sie sorgen so für einen schnelleren Tod sozusagen und machen den Weg frei, für neues, kräftigeres Leben. Spekulationen zu verbieten wäre genaus so unsinnig, wie Viren im Internet zu verbieten. Keiner würde mehr Schutzprogramme entwickeln / verkaufen und das Netz wäre schutzlos, von jedem Hobby-Programmierer manipulierbar.
3. haha
begründeter_zweifel 12.03.2010
schreiben bei SPON jetzt die "embedded Börsenmakler" die Artikel? Ich biete eine andere Interpretationsmöglichkeit an: Eine gezielte Finanzspekulation gegen einen Staat oder Staatenverbund mit dem Effekt einer Destabilisierung könnte man auch ohne weiteres als "terroristischen Akt" interpretieren. Also, warum verhaften wir die Spekulanten nicht einfach, stecken sie in geheime Folterknäste oder töten sie ganz einfach mit Drohnenangiffen aus der Luft?
4. 123
mattbarna 12.03.2010
Ach jetzt sind wieder die Bürger Schuld? Diese fiesen, schleimigen Bürger, die gewieften Kleinhändler die ganze Märkte beherrschen und skruplellos auf alles wetten, dass irgendwie nach Profit aussieht.- Ach und Lotto spielen die auch noch! Und Castingshows gucken die - diese Sadisten! Mal ehrlich (auch wenn der Autor wusste, dass sich dieser Thread mit solchen Kommentaren füllen wird und der Spiegel diesen Artikel natürlich auch nur deshalb veröffentlicht), Lotte spielen und an den Börsen mit Leerverkäufen, etc. spekulieren spielt wohl kaum in der gleichen Liga. Nenn es Demokratie, OK, dann nenn es aber auch ungezügelte Gier und Nutzniessertum an den wirtschaftlich Angeschlagenen. Und natürlich sind die Griechen/Spanier/Italiener und Portugiesen zu einem nicht geringen Teil selber Schuld. Aber glauben Sie mir, die (und auch ich) baden das gerade auf sehr unangenehmen Wege aus. Mitgehangen, Mitgefangen. Ich habe übringes in meinem Leben noch nie Lotto gespielt.
5. Das ist ja wohl ein Witz
hdudeck 12.03.2010
Spekulanten sind unbeliebt, weil sie eine Kriese durch ihr Handeln verschaerfen und Kriesenmanagement praktisch unmoeglich machen. Gewinne aus Kriesen, sei es eine Finanzielle oder eine Katastrophe wie in Haiti, sind ein Verbrechen gegen die Gemeinschaft und sollten als solche gebrandmarkt werden. Verantwortliche dafuer muessen aus der Gesellschaft entfernt werden, da sie diese durch ihr Handeln zerstoeren, nur um ein persoenlichen Vorteils wegen. Sie zeigen deutlich, was sie von der Gesellschaft halten, naemlich nichts. Dieser Artikel ist ein Ablenkungsmanover, gedacht, diesen Leuten ihr Wirken zu ermoeglichen. Sei es, das die Griechische Regierung falsch gehandelt hat, die verschaerfung der Kriese durch Spekulanten als deren eigenen Schuld darzustellen, kann ja nur ein Witz sein.
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Zum Autor
Uni Hohenheim
Hans-Peter Burghof ist Leiter des Instituts für Bankenwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Burghof absolvierte eine Lehre bei einer Sparkasse und studierte anschließend Volkswirtschaft in Bonn. Nach Promotion und Habilitation in München arbeitete er zunächst an der Uni Mainz, bevor er 2003 als Professor nach Hohenheim berufen wurde.

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Wer ist schuld an der Griechen-Krise?

Die enormen Staatsschulden Griechenlands gefährden den Euro. Wer trägt dafür die Hauptverantwortung?

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Konzernpleiten, Rausschmisse, menschliche Dramen - das Wirtschaftsjahr 2009 war voller kleiner und großer Katastrophen. Testen Sie auf SPIEGEL ONLINE Ihre Krisenkenntnisse!

Darf die EU Griechenland helfen?
Griechenlands Schuldenchaos belastet den Euro - und verunsichert die Finanzmärkte. Nun diskutieren andere EU-Staaten über mögliche Hilfen für Athen. Aber welche Maßnahmen sind rechtlich überhaupt zulässig?
Wie schlecht steht es um Athens Haushalt?
Die Griechen haben in den vergangenen Jahren immer wieder gegen den Euro-Stabilitätspakt verstoßen. Mit geschönten Zahlen schafften sie es 2001 in die Währungsunion. Mit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lag die Neuverschuldung 2009 mehr als viermal so hoch wie die erlaubten drei Prozent. Die Gesamtschuldenlast liegt bei rund 300 Milliarden Euro.
Welche Soforthilfe ist möglich?
Laut EU-Vertrag dürfen Euroländer nicht füreinander einspringen. Die sogenannte No-Bailout-Klausel ("Keine Rettungsaktion") legt fest, dass ein Land, das den Euro eingeführt hat, nicht für Verbindlichkeiten und Schulden anderer Partner haften oder aufkommen darf. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass einzelne Staaten sich auf Kosten anderer verschulden. Auch der Europäischen Zentralbank ist es explizit untersagt, an Mitgliedstaaten direkte Kredite zu vergeben.
Daher loten die Euroländer nun andere Möglichkeiten aus, um Griechenland zu helfen. Einzelne Länder wie Deutschland oder Frankreich könnten beispielsweise bilaterale Kredite zur Verfügung stellen.
Selbst die Einführung eines Europäischen Währungsfonds soll im Gespräch sein. Denkbar sind auch Garantien für griechische Staatsanleihen oder eine gemeinsame europäische Anleihe. Athen muss derzeit neue Staatsanleihen zu immer schlechteren Konditionen platzieren, um seine Zinsen bezahlen zu können. Eine weitere Möglichkeit: Die EZB oder nationale Notenbanken könnten Anleihen aus Griechenland kaufen.
Gibt es Ausnahmeregeln?
Die No-Bailout-Klausel muss kein genereller Hinderungsgrund für Hilfen sein. Unter Krisenbedingungen kann die EU durchaus einem Mitgliedstaat Beistand gewähren. So verfügt die EU-Kommission über eine Notfall-Kreditlinie von 50 Milliarden Euro, die aber nur EU-Staaten außerhalb der Eurozone zugutekommen soll. Es profitierten bereits Ungarn mit 6,5 Milliarden Euro, Lettland mit 3,1 Milliarden Euro und Rumänien mit fünf Milliarden Euro.
Was kann Griechenland selbst tun?
Brüssel setzt auf eine beispiellose Überwachung der griechischen Haushaltspolitik. Anfang Februar setzte die Kommission eine Frist von vier Monaten, binnen derer wichtige Fortschritte beim Sparen und bei Reformen gemacht werden müssen. Athen hat bis 2012 Zeit, sein Defizit wieder in den Griff zu bekommen. Das Sparprogramm sieht vor, Gehälter im öffentlichen Dienst zu kürzen, einen Einstellungsstopp zu verhängen sowie das Gesundheits- und das Rentensystem zu reformieren. Allerdings dürfte es für die griechische Regierung extrem schwer werden, ihre Reformvorhaben umzusetzen. Experten rechnen für die kommenden Monate mit harten sozialen Auseinandersetzungen - schon jetzt streiken die Staatsbediensteten.
Wer könnte noch aushelfen?
Ein Notkredit durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls möglich. Der IWF würde seine Hilfe an strenge Konditionen knüpfen. Allerdings wäre Hilfe von einer internationalen Institution eine Blamage für Europa. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und andere EU-Amtskollegen lehnen diesen Weg daher ab.
Bedroht Griechenland die Währungsunion?
Die Athener Schuldenkrise ist die bisher größte Belastungsprobe für die seit 1999 existierende Euro-Zone. Es gibt keinen Mechanismus, ein Land aus dem Euro-Gebiet auszuschließen. Es müsste im schlimmsten Fall die EU verlassen. Experten halten dieses Szenario für höchst unwahrscheinlich. Griechenland ist ein wichtiger Empfänger milliardenschwere EU-Fördergelder. Aus dem Topf für ärmere Regionen flossen 2008 allein 4,7 Milliarden Euro. Allerdings ist das Gewicht Griechenlands in Europa gering: Das Land trägt nur drei Prozent zur Wirtschaftsleistung der Euro-Zone bei.
Steckbrief: Griechenland

Schuldenquote: 112,6 Prozent des nationalen BIP

Haushaltsdefizit: 12,7 Prozent des nationalen BIP (2009)

BIP-Wachstum: -1,1 Prozent (Prognose 2009)

Anteil am BIP der Euro-Zone: 2,6 Prozent (2008)

Quelle: EU-Kommission


Kommentare zum Sparpaket
"Gott helfe uns"
"Gott helfe uns", schrieb die in Athen erscheinende konservative Zeitung "Apogevmatini". Es werde kein Geld für den Konsum geben. Nicht nur der Kleinhändler, sondern auch der Mittelstand könnte aussterben.
"Damit wir nicht bankrott gehen"
"Alle ärmer damit wir nicht bankrottgehen", titelte die regierungsnahe "To Vima".
"Der Markt stirbt aus"
"Der Markt stirbt aus", meinte die oppositionelle "Vradyni".
"Unvergesslich"
"Der 3. März wird uns unvergesslich bleiben", titelte die linksliberale "Eleftherotypia".
"Das Jüngste Gericht"
"Harmagedon - das jüngste Gericht", hieß der Tenor in der regierungsnahen "Ethnos". Der dunkle Tunnel des endlosen Sparens werde mindestens drei Jahre dauern, meinte das Blatt.