Der prätentiöse Spruch von unserem liebsten granteligen Zitate-August Teddy W.A. zum Anfang: "Was die radikale Musik erkennt, ist das unverklärte Leid des Menschen." Yay!
Aber nun zum Thema: Am 29. November, also in einem knappen Monat, findet in Mainz die nächste Strom&Rausch statt - eine kleine Party, die ich für Liebhaber von extremer und abseitiger elektronischer Musik (Noise, Industrial und Breakcore) organisiere. Diesmal sogar mit einer Reihe von Liveacts, die natürlich, wie bei dem "Genre" zu erwarten, allesamt relativ unbekannt sind, dafür kriegt man aber auch echten Untergrund geboten. Persönlich bin ich ja besonders glücklich,
"der Warst" für die Sache gewonnen zu haben, dessen geniale Mischung aus Krach, pervertiertem Pop und Rythmus mir einfach gut in die Beine geht. Ich selbst werde mich an dem Tag auch mit Laptop und Mic bewaffnen, mal schauen wie gut das gelingt, denn Live habe ich bisher nur wenig Erfahrung. Die Unterstützung eines guten Freundes und professionellen Organisten sollte das jedoch wieder wettmachen.
So weit, so gut. Das stattfinden zu lassen, was für den Besucher einer solchen Party so leicht zu genießen ist, (irgendwann kommen, ein bisschen Eintritt zahlen, was trinken, tanzen, wieder gehen) ist für den Amateur-Organisator allerdings nicht gerade trivial. Es beginnt schon damit, einen Termin zu finden, an dem alle Liveacts können, an welchem sowohl die Location frei ist als auch keine vergleichbare Party irgendwo in der Region stattfindet, denn die Zielgruppe ist klein. Technisches Gerät will angemietet und transportiert werden - wer nicht selbst mobil ist, hat damit ein Problem. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die "Industrial Szene" (falls man hier überhaupt von so etwas reden kann) einen relativ ausgeprägten rechten Rand hat. Sie hat auch einen linken Rand, um das klar zu stellen, aber das Problem bleibt. Nicht nur, weil man es sich natürlich nicht mit den Betreibern der Location (Haus Mainusch, dem kleinen "Az" von Mainz) verscherzen will, wie es einer grob vergleichbaren Veranstaltung in Darmstadt passiert ist (
Chambermusic at Ground Zero) die aus der Oettinger Villa, einem selbstverwalteten Juz raus geflogen ist.
Man will auch keinen Raum schaffen, den Rechte kulturell für sich besetzen und vereinnahmen können. Und selbstverständlich will man weder mit Faschos feiern noch seine Gäste ihren Ideologien (die sich ja schonmal recht "handfest" äußern) aussetzen. Um so wichtiger ist es, die Veranstaltung nicht unpolitisch sondern mit einem expliziten linken Anspruch stattfinden zu lassen und offensiv mit Themen wie Rassismus und Sexismus umzugehen. Was nicht nur heißt, antifaschistische Parolen auf den Flyern anzubringen sondern eben auch bereit zu sein mal jemanden rauszuschmeißen oder den Eintritt zu verwehren, auch wenn das keinen Spaß macht. Zwar hatten wir da bisher keine Probleme, aber natürlich kann niemand garantieren, dass das auch so bleibt.
Die politische Ambivalenz von Industrial, dieser extremen, „radikalen“ Geräuschmusik, finde ich einen spannende aber auch verwirrende Angelegenheit. Auf der einen Seite sehe ich in dieser Musik, die aus der Auflösung sämtlicher Konventionen und herkömmlichen musikalischen Schönheitsidealen entsteht, eine hohe kritische Potenz. Man kann sie als Darstellung von Entfremdung und Leid begreifen oder als eine Art Dekonstruktion von Hörgewohnheiten, die die Perspektive dafür öffnet, was Musik alles sein kann, und somit auch Freiheit bedeutet. Als Abkömmling des Dada, könnte man sie Begreifen, eine scheinbar chaotische Mischung von Wirklichkeitsfragmenten, die nicht versucht die Widersprüche des Alltags zu verdecken, sondern sie herauszustellen. Die Einstürzenden Neubauten haben es mit diesem Stil sogar geschafft annähernd Populär zu werden.
Aber auch Dada hatte seinen kleinen reaktionären Bruder, den Futurismus. Und somit könnte man die akustischen Schockwellen auch im Sinn einer martialischen Affirmation des Irrationalen und Brutalen verstehen. Eine mit männlichkeit und nationalistischer Nostalgie durchwirkte Mutprobe, in Schall gefasst.
In dieser Ambivalenz findet Industrial statt. Und es ist manchmal schwer, die Pole von einander zu trennen. Selten stellt sich jemand, der musikalisch Kritik üben möchte, offen hin und erklärt sein Anliegen, denn mit der Eindeutigkeit stellt sich auch ein Lotos-Effekt ein, der den Gehalt neutralisiert. Doch in die Uneindeutigkeit nehmen auch die braunen Gesellen gerne Zuflucht. Nur wenige machen ihre Gesinnung so offen, wie die besonders in Osteuropa beliebten Faschisten von Thronstahl. Und unter den Übrigen, die vielleicht nicht politisch polarisiert sind, ist die (ironische?) Koketterie mit Dingen, die als gesellschaftliche Tabus verstanden werden, üblich. Worunter Homosexualität genau wie eine oftmals militaristische Ästhetik fällt.
Mit dieser Ambivalenz muss man umgehen, wenn man Industrial veranstalten will. In Berlin meistern dies meines Eindrucks nach die Veranstalter von
"Schlagstrom" recht gut, die mit linken Kulturvereinen zusammenarbeiten, sich antifaschistisch positionieren und, zumindest als ich in der Metropole weilte, sich auch politisch engagierten. In gewisser Weise ist Schlagstrom somit ein Vorbild für Strom&Rausch, wenn man auch hier im Rhein-Main Gebiet viel kleinere Brötchen zu backen hat. Eine Perspektive hier im linken Sinn „engagierten“ Industrial zu veranstalten sehe ich aber auch hier klar gegeben.
Wer sich nun weiter für Industrial interessiert, findet hier einen sehr guten Artikel, dem ich auch einige Schlagwörter für meine Veranstaltung entnahm, wenn ich auch in vielen Dingen nicht mit ihm übereinstimme : Klick
Und zuletzt noch die Myspace-Seite der Veranstaltung selbst, mit zusätzlichen Infos : Klack