31.10.12

Riesige Magmablase

Neapel droht Zerstörung durch Supervulkan

Ein Ausbruch des Vesuvs wird von Experten seit langem befürchtet. Doch Neapel droht eine weitaus größere Gefahr: Laut Vulkanologen brodelt eine riesige Magmablase unter den Phlegräischen Feldern. Von

Supervulkan hebt und senkt den Boden nahe Neapel
Foto: Istinuto Di Vulcanologia

Blick auf die Phlegräischen Felder im Westen von Neapel. Experten bestätigen, dass eine riesige Magmablase das Gebiet mit dem Vesuv im Osten der Millionenmetropole verbindet. Deutlich zu erkennen sind auch einige Vulkankrater. Das Gebiet beginnt etwa 20 Kilometer westlich des Vesuvs.

Foto: DPA

In den vergangenen Jahren registrierten Vulkanforscher im Erdinneren beunruhigende Phänomene, die es zuvor nicht gab: Dabei hebt und senkt sich immer wieder der Erdboden - um bis zu einen Meter.

Foto: Nasa

Tanz auf und unter dem Vulkan: Die Aufnahme der Nasa zeigt Teile der Phlegräischen Felder im Westen von Neapel (links außen) und den Vesuv im Osten (Bildmitte). Rot eingefärbt sind die unbewohnten Gebiete.

Foto: Nasa

Eine Satellitenaufnahme zeigt das von vulkanischen Aktivitäten betroffene Gebiet rund um Neapel. Ein Ausbruch der Magmablase unter den Phlegräischen Feldern könnte globale Auswirkungen auf das Klima haben.

Ein Ausbruch könnte Neapel zerstören und weltweit Folgen haben: Ein Supervulkan liegt direkt neben der italienischen Millionenstadt. Die letzte Eruption der Phlegräischen Felder gab es 1538, dabei entstand ein neuer Berg.

Sorgen macht nun den Wissenschaftlern, dass sich die Erde seit den 1970er Jahren immer wieder hebt und senkt – bis zu einen Meter. Eine Studie von Experten aus Neapel sieht Zeichen für einen Anstieg von Gasen im Erdinneren – und bestätigt, dass eine riesige Magmablase die Phlegräischen Felder im Westen der Stadt und den Vesuv im Osten verbindet.

Dutzende Eruptionskrater

Die Region gilt mit beiden Vulkanen als eine der vulkanisch am meisten gefährdeten Gegenden Europas. Die Phlegräischen (griechisch: brennenden) Felder umfassen Dutzende Eruptionskrater auf 150 Quadratkilometern.

Der erste Ausbruch vor rund 34.000 Jahren soll mit denen des Tambora 1815 und des Krakatau 1883 in Indonesien vergleichbar gewesen sein, die das Weltklima veränderten.

Ein internationales Forscherteam will nun mit Bohrungen erkunden, was im Erdinneren vor sich geht. "Man sieht, dass das Ganze eine gewisse Bewegung zeigt, das ist beunruhigend", sagt der Potsdamer Geowissenschaftler Ulrich Harms, der zu dem Team gehört.

Im Juli startete unter Leitung von Giuseppe De Natale vom Osservatorio Vesuviano des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) die erste Bohrung. "In den letzten 40 Jahren gab es Phänomene, die es vorher nicht gab. Wir verfolgen sehr aufmehrsam die Veränderungen", sagt De Natale.

Forscher wollen bis zu 3000 Meter ins Erdinnere bohren

Auf einem stillgelegten Fabrikgelände im Stadtteil Bagnoli im Westen der Millionenstadt schraubte sich das Bohrgestänge in die Tiefe, zunächst auf rund 200 Meter. Ende November soll es weitergehen bis auf rund 500 Meter. Danach wird über die Tiefe der Hauptbohrung entschieden.

Drei Kilometer könnten es werden. Messinstrumente sollen dann im Bohrloch versenkt Bewegungen in der Erde aufzeichnen.

Die Forscher wollen so allgemeine Erkenntnisse über sogenannte Caldera- oder Supervulkane gewinnen, deren Eruptionen zu kesselartigen Einbrüchen führen. "Es gibt weltweit über 100 Calderen, aber wie aktiv sie sind, weiß man nicht. Denn sie brechen nur sehr selten aus, alle paar zehntausend Jahre", sagt Harms.

Zugleich sollen die Messungen Hinweise auf die aktuelle Aktivität des Vulkans geben – und somit auf eine mögliche Gefahr für Neapel.

"Spiel mit dem Feuer"

Das Bohrprojekt stößt bei einigen Bürgern und neapolitanischen Wissenschaftlern auf Kritik. Die Rede ist vom "Spiel mit dem Feuer". Die Bohrung finde in dicht besiedeltem Gebiet statt.

Giuseppe Mastrolorenzo vom INGV kritsiert zudem, trotz der permanenten Gefahr eines Ausbruchs unabhängig von der Bohrung bestehe kein Notfallplan.

Mastrolorenzo und seine Kollegin Lucia Pappalardo fanden neue beunruhigende Signale. Unter anderem schreite die Kristallisierung des Minerals Sanidin schnell voran, schreiben sie in den "Scientific Reports" (Nature Verlag). Das sei ein Indikator für den Anstieg von Gasen – was wiederum die Explosionsgefahr erhöhe.

Warnung vor giftigen Gasen

Was die Bohrung der internationalen Gruppe bewirken könne, wisse niemand sicher, sagt Mastrolorenzo. Auch andere Wissenschaftler aus Neapel warnen vor einem möglichen Austritt giftiger Gase oder auch Explosionen.

"Das ist ein schwer vorstellbares Szenario", sagt hingegen Harms. Ventile würden mögliche heiße Dämpfe stoppen; das Bohrloch könnte verschlossen werden. Die Bohrung sei für den Vulkan nur ein Nadelstich. "Das wäre, wie wenn man eine großen See durch einen Strohhalm entwässern wollte."

Das Projekt soll auch prüfen, ob geothermische Energiegewinnung möglich ist. Italien hat viel Potenzial, Kraftwerke gibt es fast nur in der Toskana.

Der größte Stromkonzern Enel will die Geothermie ausbauen und "die Grenzen der Toskana überwinden". In den 1970er Jahren gab es erste Erkundungen bei Neapel, die aber nicht verfolgt wurden.

Detaillierter Krisenplan längst überfällig

Immer drängender wird die Forderung nach einem detaillierten Krisenplan. "Ein Notfallplan ist vor über 20 Jahren vom Zivilschutz angekündigt worden und liegt bis heute nicht vor", kritisiert Mastrolorenzo. Vincenzo Figliolia, Bürgermeister der Stadt Pozzuoli nordwestlich von Neapel, rief den Zivilschutz zum Handeln auf.

Das Szenario bei einem Ausbruch der Campi Flegrei müsse schnellstmöglich geprüft und neben dem kommunalen Evakuierungsplan in einem nationalen Plan umgesetzt werden – "zum Schutz unserer Bevölkerung".

Ausbruch befürchtet
Der Vesuv zittert unaufhörlich
Sizilien
Ätna schleudert wieder Lava in die Nacht
Indonesien
Gewaltiger Vulkanausbruch des Lokon
dpa/oc
Das Erdinnere: 6371 km voller Geheimnisse
Foto: Infografik WELT ONLINE

Seismische Gefährdungskarte: Wo die Erde in auch in Zukunft beben wird.

Foto: Infografik WELT ONLINE

Wenn sich im Untergrund gewaltige Spannungen aufbauen.

Foto: Infografik WELT ONLINE

Plattentektonik: Kontinente bewegen sich - Erdkruste entsteht und taucht ab.

Foto: pa

Das Schaubild zeigt die verschiedenen Schichten im Erdinnern (l.) und die Temperaturen, die dort herrschen (r.). Nahe dem Erdmittelpunkt erreichen die Temperaturen etwa 6000 Grad Celsius

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