21.08.13

A-20-Ausbau

Franzosen planen Gebühr auf deutscher Autobahn

Der Vinci-Konzern legt ein Angebot für den Ausbau der A 20 von Bad Segeberg bis Bremerhaven vor. Pikant: Die Franzosen wollen dabei eine Tunnelgebühr erheben – und an der Lkw-Maut beteiligt werden.

Von Ulrich Exner
Foto: Infografik Die Welt

Nach 50 Jahren würden Autobahn und Tunnel nach dem Finanzierungsmodell der Franzosen wieder an den Bund fallen
Nach 50 Jahren würden Autobahn und Tunnel nach dem Finanzierungsmodell der Franzosen wieder an den Bund fallen

Das Angebot klingt überaus verlockend und wird in diesen Wochen den zuständigen Verkehrsministerien des Bundes und der Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen vorgestellt.

Innerhalb von fünf Jahren will der französische Infrastrukturkonzern Vinci, der mehr als die Hälfte des französischen Autobahnnetzes betreibt, die Autobahn A 20 zwischen Bad Segeberg und Bremerhaven komplett fertigstellen, inklusive eines Abzweigs nach Hamburg (A 26) und eines neuen Elbtunnels, der den Fluss zwischen Glückstadt und Drochtersen unterqueren soll.

Im Gegenzug will sich das Unternehmen auf 50 Jahre große Teile der auf dieser Strecke anfallenden Lkw-Maut sichern. Am neuen Elbtunnel selbst soll darüber hinaus eine Mautstation für Pkw und Lkw errichtet werden.

In dem Private-Public-Partnership-Modell, das der "Welt" vorliegt, ist vorgesehen, dass sich Bund und Vinci die darin projektierten Gesamtinvestitionskosten von rund zwei Milliarden Euro teilen. Der Steuerzahler würde auf diesem Weg zunächst nur die Hälfte der für den Weiterbau der A 20 fälligen Kosten übernehmen.

Fahrten durch den Tunnel würden gebührenpflichtig

Auf der anderen Seite verlöre er die auf dieser Strecke zu entrichtenden Mauteinnahmen und müsste außerdem in Kauf nehmen, dass die Fahrten durch den neuen, circa 6,5 Kilometer langen Elbtunnel gebührenpflichtig würden.

In dem Projektmodell, das Vinci in dieser Woche zunächst dem schleswig-holsteinischen Verkehrsministerium vorgelegt hat, würde die einfache Fahrt durch den Tunnel derzeit zwei Euro für Pkw und zwölf Euro für Lkw kosten. Hinzu müsste man allerdings die bis zu einer Eröffnung anfallenden Inflationskosten rechnen.

25 Jahre lang will Vinci die so erzielten Einnahmen zu 100 Prozent zur Refinanzierung nutzen, weitere 25 Jahre nach einem noch auszuhandelnden Schlüssel zwischen Bund und Vinci geteilt. Nach 50 Jahren würden Autobahn und Tunnel nach dem Finanzierungsmodell der Franzosen wieder an den Bund fallen.

Bereits heute hält Vinci, früher Société général d'enterprises, Konzessionen für Teilstücke der Autobahnen A 4, A 5 und A 9. Nach eigenen Angaben sind die Franzosen das weltweit größte Konzessions- und Bauunternehmen. Es beschäftigt derzeit rund 183.000 Menschen, davon gut 10.000 in Deutschland. Hierzulande bewirtschaftet Vinci zahlreiche Parkhäuser und hält Anteile an der Mautgesellschaft Toll Collect.

4,75 Euro pro Pkw, 27 Euro pro Lkw

Alternativ zur halb privaten, halb öffentlichen Finanzierung des gesamten Autobahnabschnittes zwischen Segeberg und Bremerhaven, legen die Franzosen den Ministerien auch ein Modell vor, in dem sie lediglich den neuen Elbtunnel selbst finanzieren und betreiben. Großer Nachteil: Die projektierten Kosten für die einfache Tunneldurchfahrt stiegen auf 4,75 Euro pro Pkw und gut 27 Euro pro Lkw.

Ein Szenario, das aus Sicht des Vinci-Konzerns schon wegen der abschreckenden Höhe der Tunnelmaut sehr große Risiken mit sich brächte. Sie plädieren deshalb nachdrücklich für die erste Variante, in der das Unternehmen von der Tunnelmaut wie auch der Lkw-Maut profitieren würde.

Bemerkenswert an den Plänen der Franzosen ist vor allem das Tempo, in dem das rund 150 Kilometer lange Autobahnteilstück fertiggestellt werden soll. Bei einem Baubeginn im Jahr 2015 will man die vierspurige Straße inklusive des neuen, ebenfalls vierspurigen Elbtunnels bereits im Jahr 2020 fertiggestellt haben. Das wäre deutlich zügiger als jeder derzeit debattierte Weiterbau.

So sieht der Koalitionsvertrag der rot-grün-blauen Kieler Koalition von Ministerpräsidenten Torsten Albig lediglich vor, das Teilstück zwischen Bad Segeberg und der A 7 bis zum Jahr 2017 fertig zu bauen. Allerdings soll das Planfeststellungsverfahren für die Strecke bis zur Elbe bereits im kommenden Jahr beendet werden, wobei die Beteiligten davon ausgehen, dass Anwohner- und Umweltinitiativen mit ihren Klagen einen möglichen Baubeginn um rund zwei Jahre verzögern würden.

Grüne bremsen Autobahnbau aus

Auf niedersächsischer Seite hatte die schwarz-gelbe Landesregierung den Weiterbau der A 20 bis zu ihrer Abwahl energisch vorangetrieben. Sie wollte bereits in diesem Jahr mit dem Bau eines Teilstücks beginnen.

Die neue rot-grüne Landesregierung sieht das Projekt skeptischer, wobei die beteiligten Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (Niedersachsen) und Reinhard Meyer (Schleswig-Holstein) den Bau der A 20 durchaus als "enorm wichtig für die Wirtschaft im Norden" bezeichnen. Die Landesverbände der Grünen versuchen dagegen, den Autobahnbau mit Rücksicht auf ihre politische Basis auszubremsen.

In dieser Gemengelage kommt die Initiative der Franzosen zu einem günstigen Zeitpunkt. Zum einen eröffnet sie erstmals in der langen Debatte um den Westteil der A 20 eine echte Finanzierungsoption für eine neue Elbquerung. Zum anderen ist die infrastrukturelle Vernachlässigung Schleswig-Holsteins spätestens seit der überstürzten Teilsperrung der Rader Hochbrücke in aller Munde.

Wirtschaft und Landespolitik beklagen seitdem die infrastrukturelle Vernachlässigung des nördlichsten Bundeslandes und fordern vom Bund dringend zusätzliche Investitionen. Hinzu kommt, dass Anfang Oktober die sogenannte Bodewig-Kommission ihre Vorschläge zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung des Bundes vorlegen wird.

Koalitionsverhandlungen sind entscheidend

Vinci wie der von dem Unternehmen als Berater engagierte frühere schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Jost de Jager gehen davon aus, dass die Vorschläge der Kommission auch in den dann voraussichtlich bereits laufenden Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung eine wichtige Rolle spielen werden.

Und in diesen Verhandlungen wird es schlicht und ergreifend darum gehen, welche Verkehrsinfrastrukturprojekte in den kommenden vier Jahren bundesweit tatsächlich realisiert werden – und welche nicht.

Ein schlichtes Nein zu den Vorschlägen der Franzosen ist vor diesem Hintergrund von den beiden beteiligten Landesregierungen schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit nicht zu erwarten. Zumal sich Schleswig-Holstein schon in der jüngeren Vergangenheit nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert hat bei Bau und Planung der Küstenautobahn.

Während das auf dem Gebiet von Mecklenburg-Vorpommern liegende Teilstück der A 20 seit 2005 durchgehend fertiggestellt ist, kommt man auf schleswig-holsteinischem Gebiet bis heute nicht weiter als jene gut 20 Kilometer, die zwischen Lübeck und Bad Segeberg liegen.

Die anschließende großräumige Nordumfahrung Hamburgs ist noch nicht einmal begonnen worden. Genau diesen 80 Kilometer lange Abschnitt von Bad Segeberg bis Glückstadt, den neuen Elbtunnel sowie die niedersächsische Strecke zwischen Drochtersen und Bremerhaven, rund 70 Kilometer, wollen die Franzosen innerhalb von fünf Jahren komplett fertigstellen.

A-20-Debatte belastet Schleswig-Holstein schon ewig

Das wäre das Ende einer in Schleswig-Holstein ewig und mit harten Bandagen, in Niedersachsen etwas unaufgeregter geführten Diskussion um die A 20. Noch in der letzten Landtagsdebatte vor den Sommerferien gerieten sich Regierung und Opposition kräftig in die Haare. Während die CDU von Ministerpräsident Albig (SPD) endlich ein "Machtwort" in Sachen A 20 forderte, mahnte SPD-Verkehrsminister Meyer zunächst einmal eine schnelle Entscheidung des Bundes zur Elbquerung an.

Ohne diese, so Meyers Argumentation, machten auch Weiterplanung und Weiterbau der A 20 jenseits der A 7 keinen Sinn.

Es ist also kein Zufall, dass die französischen Infrastrukturmanager in diesen Tagen sowohl mit dem schleswig-holsteinischen Verkehrsstaatssekretär Nägele als auch mit dessen Kollegen aus dem Bundesverkehrsministerium Enak Ferlemann (CDU) zusammengesetzt haben.

Herauszufinden ist, ob sich sowohl Bund als auch Länder angesichts der hohen Investitionssumme erstmals zu einem Finanzierungsmodell durchringen können, in dem die Einnahmen aus der regulär auf der A 20 anfallenden Lkw-Maut mit den Einnahmen aus einer Elbtunnelmaut in einen Topf fließen können. Nur auf diesem Wege wäre es möglich, die Tunnelmaut für Lkw und Pkw in erträglichen Maßen zu halten.

Um diesen Weg einzuschlagen, bedürfte es nach Einschätzung der Franzosen neben der politischen Zustimmung zu ihrem Vorschlag auch einer Änderung des, Achtung Bürokratendeutsch, Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetzes.

Foto: dpa

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