Aus Anlass zur jetzigen Debatte um die Rente mit 70 will ich mal ein Licht auf die Solidaritätsdebatte werfen und den Arbeitsmarkt.
Wo sind wir eigentlich? Haben wir jetzt wirklich den ganzen Fortschritt der Industriellen Revolution die letzten Jahrhunderte umgesetzt nur um jetzt festzustellen, das der Produktivitätsfortschritt nur dazu führt, das wir immer weniger haben sollen? Darf man vielleicht anmerken, das ein System, das nicht mehr in der Lage ist den gesellschaftlichen Wohlstand zu erhalten seine Aufgabe nicht mehr richtig erledigt?
Eines der Phänomene, die wir derzeit erleben ist doch, das Risiken und Schulden im großen Stile vergesellschaftet werden – und auf der anderen Seite die Gewinne und Chancen von Unternehmungen und neuen Technologien privatisiert werden (Patente,…) und global nach den angenehmsten Bedingungen suchen. Auf der anderen Seite sollen aber auch Risiken von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Berufsunfähigkeit vermehrt auf den Einzelnen abgeladen werden. Das führt dann dazu – nur das sagt keiner – das Einzelfälle entweder aus dem System herausfallen weil sie nicht ausreichend privat vorgesorgt haben. Dies kann durchaus auch dann der Fall sein, wenn sie Vorsorge betrieben haben. So ein Fall könnte z.B. eine Facharbeiterin sein, der aufgrund seiner Arbeit berufsunfähig wird. Dabei steckt das Unternehmen dann die Gewinne aus seiner Arbeit ein, während die Facharbeiterin den worst case alleine tragen muss. Es gibt bislang keine Verpflichtung von Unternehmen, sich an dem Auffangen von Schicksalsschlägen zu beteiligen, die sie mit verursacht haben, sofern sie sich an gesetzliche Bestimmungen gehalten haben.
Dabei ist der Witz, das hier das Solidaritätsprinzip ad absurdum gefürt wird. Die private Absicherung wird als Alheilmittel gepriesen. Dabei sollte doch allen klar sein, das eine Einzelne am allerwenigsten in der Lage ist sich umfassend gegen Risiken abzusichern. Ein gesellschaftliches (Absicherungs)-System, das ledigliche eine Grundsicherung leisten kann aber im Ernstfall versagt – und dann erfordert, das jede Eizelne sich privat selber zusätzlich absichert verfehlt den eigenen Zweck und ist nicht mehr solidarisch. Es dient dann tatsächlich nur dazu vom bruttolohn möglichst viel Geld durch staatliche Kanäle fliessen zu lassen, so das am Ende netto weniger heraus kommt. Interessant ist bei der derzeitigen Debatte, das man mehr über Beitragssätze und private Eigeninitiative debatiert als darüber, warum eigentlich die solidarische Finanzierung nicht funktioniert (hat) und was aus einem Euro wird, der per Rentenversicherung eingezahlt wird.
Wäre es nicht vielleicht sogar sinniger die Rentenversicherung ganz abzuschaffen, da die Menschen dann ja vielleicht viel mehr Geld über hätten. Wenn die gesetzliche Rentenversicherung nicht mehr solidarisch ist, warum sollten die Einwohner Deutschlands dann solidarisch sein mit der Rentenversicherung. Es gibt genug Ideen und Möglichkeiten kleine, solidarische Systeme aufzubauen. Wenn sich die gesetzliche Rentenversicherung primär selbst erhält aber netto eher Geld verbrennt, dann hat sie ihre Existenzberechtigung verloren. Wir dürfen nicht vergessen, das die Rentenkassen ein Riesensystem darstellen, das selber auch Geld benötigt.
Ich bin sehr für Solidarität und sehe dafür auch keine Alternative, denn es geht hier darum das man private Risiken teilen muss. Wenn jeder nur für sein ganz persönliches Risiko sorgt dann kann das nur dazu führen, das einige wenige profitieren, die entweder Glück haben oder so viel Geld, das sie das System nicht brauchen. Sprich: Nur die, die das System nicht in Anspruch nehmen haben Glück.
Alternativ dazu sollte man lokal Projekte entwickeln in denen Menschen sich finanziell beteiligen. Wir sollten auch eine grundsätzliche Solidarität pflegen, die unbhängig sein muss von dem, was der Einzelne eingezahlt oder geleistet hat. Tun wir das nicht so handelt es sich nicht um Solidarität, sondern um Privatspass und ist gleich zu setzen mit Aktienhandel oder Glücksspiel. Wer aus seinem privaten Vermögen etwas irgendwo reinstecken will in der Hoffnung das er am Ende mehr herausbekommt: Von mir aus! Aber das ist nichts, worüber es sich lohnt gesellschaftlich zu debattieren, denn es ist nicht geeignet ein gesellschaftliches Problem zu lösen. Die Debatte im Augenblick dient doch nur dazu den privaten Versicherungen Kunden zuzutreiben. Wer wirklich daran glaubt, das diese ihre Versprechungen einhalten werden ist schön naiv. Was weiss ich wo wir in der Debatte sind in 60 Jahren? Vielleicht heisst es dann wer nicht mehr als 1000 Euro in eine private Versicherung pro Monat eingezahlt hat hat gesetzlich gar keinen Anspruch mehr. Abwegig? 2006 wurde die Rente mit 67 beschlossen, bereits 2007 sollen wir 3 Jahre länger arbeiten. Also in einem Jahr debatieren wir bereits um drei Jahre mehr. D.h. wenn die Diskussion so schnell geht wie in den letzten zwei Jahren, dann sind wir in 10 Jahren bei der Debatte um die Rente mit 97. Wenn jemand jetzt meint das ganze wäre ja nicht ernst gemeint, dann frage ich mich, was denn dann ernst gemein sein soll wenn man dazu nicht einmal in so einer Debatte dazu in der Lage ist – und wie sollen Bürgerinnen sich auf eine Politik oder eine Lage einstellen, wenn die Diskussionen jedes Jahr alles vorangegangene ad absurdum führt.
Fakt ist, das das bisherige System nicht in der Lage ist den Wohlstand der Bevölkerung zusichern. Als Bugfix will man nun das die Leute zusätzlich eine kapitalisitische Absicherung auf eigenes Risiko dazukaufen. Doch damit ist man immer noch nicht in der Lage den Leuten zu sagen, wie lange sie arbeiten müssen. Sprich: Das System ist heute und in den kommenden Jahren nicht vorhersehbar und erfüllt damit nicht seinen Zweck. Niemand kann heute sagen um denn die Absicherungen, die die Leute privat betreiben tatsächlich ausreichen werden. Nicht zuletzt kann es auch sein, das diese ganz oder vollkommen zu “Einkommen” des Arbeitslosengeldes oder der Rente angerechnet werden. Profitieren werden einzig die Versicherungen, auf deren Seite es sich um ein kalkulierbares Risiko handelt.
Ein Vertrag also bei dem nur eine Seite auf jeden Fall profitiert. Solche Verträge bezeichnet man eigentlich im deutschen Rechtssystem als sittenwidrig. Heutzutage alternativ aber auch als notwendige Altersabsicherung.
Mich ärgert insbesondere, das das Gesamtsystem nachwievor nicht einmal ansatzweise in frage gestellt wird. Die Medien diskutieren nur Eintrittsalter, Beitragssätze und Finanzierungsmodelle. Systemfragen sind in Deutschland leider immer noch tabu. Da opfert man lieber alles andere.