Ok, wieder einmal beschliesst ein multinationales Unternehmen Arbeitsplätze zu verschieben – und nun wird wieder gejammert. „Subventionsheuschrecke“ heisst es jetzt. Was daran so lustig ist, ist das es gesellschaftlich nicht diskutiert wird, in wie weit Arbeiterinnen und Angestellte Eigentümerinnen von Betrieben werden können, bzw. einfach das Ding selber in die Hand nehmen. Also: Es ist der “wirtschaftsliberalen Mitte” gaaanz wichtig, das alles so bleibt wie es ist – und das Unternehmen machen können, was sie wollen.
Aber wenn dann die Unternehmen diese Kompetenz ausspielen – und Arbeitsplätze verlagern ist das Geschrei groß. So groß, das ich versucht bin in solchen Fällen auch mal Unternehmen wie Nokia zur Seite zu springen: Also wenn Nokia machen darf, was es will – warum regt ihr euch dann so auf, wenn es das konsequent tut? In unserem Wirtschaftssystem zählt Moral nichts. Und genau genommen ist es global gesehen egal von welcher Ecke die Arbeit nach wohin verschoben wird. Also wer jammert in Deutschland wenn ein Unternehmen NACH Deutschland verlagert? Niemand! Warum nicht? Da wird doch auch verlagert – und verlagern ist doch böse? Ah, ich verstehe – verlagern ist nur dann böse, wenn es weg von Deutschland geht. Das Verständnis gegenüber der neoliberalen Globalisierung, die man uns über Jahre eingeprügelt hat, darf man jetzt also mal vergessen, letztlich sind ja auch bald wieder Wahlen.
Hier wird also das Bild des bösen Kapitalisten gezeichnet – Problem ist nur, das wie gerne bejammert wird, das der nette Kapitalistenonkel von nebenan mit dicker Zigarre zunehmen ausstirbt.
Nokia handelt nach globalen Prinzipien – und interessiert sich dabei wenig für Einzelschicksale. Das ist nicht der erste Fall und wir nicht der letzte sein. Die 60 Millionen Sozialhilfe, die man dem armen Unternehmen gezahlt hat weiss dieses nicht mehr zu schätzen – nein wie dumm.
Fassen wir also zusammen: Man hat ein Unternehmen mit Steuergeldern angelockt um nach Deutschland zu kommen – dafür gibts Arbeitsplätze – nach Ablauf der Frist zum Erhalt dieser bricht Nokia die Zelte wieder ab und zieht weiter. Das ganze hört sich also aus Nokias Persepektive ganz toll an – was NRW betrifft, so hat man sich gedacht, das man sich mit dem Verschenken von Steuergeldern (von anderen Arbeiterinnen) langfristig Arbeitsplätze erkaufen können. Nokia sagt Danke und erfüllt seine Zusage bis zu dem genannten Zeitpunkt – also ein fairer Deal.
Der Witz an der jetzigen Diskussion ist der, das man nun von Nokia ein moralisches Verhalten erwartet – und in gewisser weise auch eine “Heimatliebe” – Hallo? Nokia=Finnland – also wenn sich jemand beschweren dürfte dann wären es die Finnen, denen NRW Arbeitsplätze gestohlen hat.
Aber lassen wir diese Unternehmens – und Länderdiskussion lieber beiseite. Der Punkt ist, wie schon gesagt: Wenn Du Kontrolle über einen Produktionsstandort haben willst, dann musst Du (Arbeiterin) den besitzen/besetzen. Das das nicht so schwuppdiwupp geht ist schon klar, aber daher: Änderung unseres Wirtschaftssystems – Förderung der Bildung von genossenschaftlichen Betrieben. Wenn man vermeiden will, das Lebensperspektiven von einem auf den anderen Tag zerstört werden – und zudem auch in größerem Stile die wirtschaftliche Grundlage einer Stadt, dann wird das nicht funktionieren, wenn die meisten Arbeitsplätze dem täglichen Auf-und Ab der globalisierten Märkte unterliegen.
Und ich denke hier muss auch die fundamentale Kritik an der bestehenden Wirtschaftsordnung ansetzen: Es gibt heute kaum absehbare Folgen – man versucht hilflos mit Steuergeldern um sich zu werfen um eine gewisse Planbarkeit zu erreichen – aber diese Freigebigkeit erhält keine Gegenliebe. So erscheint die heutige Politik wie ein enttäuschter Liebhaber: Wir haben doch alles für euch getan – wertvolle Geschenke, tolle Versprechungen – und als enttäuschter Liebhaber flucht nun die Politik, weil sie sich so hat täuschen lassen. Die Politik IST hilflos, zumindest mit der bisherigen Wahl der Mittel. Diese Politik KANN nur scheitern, weil sie lediglich in der Lage ist kurzfristige Deals mit Unternehmen abzuwickeln, bei denen von Anfang an klar ist wer profitiert zwei ungleiche Parteien – die eine Seite weiss genau was sie will – und wie sie es erreicht (die Unternehmen) – und die andere versucht mit allen Mitteln um die Gunst der anderen Seite zu werben. Erschwerden kommt hinzu, das Politik und Wirtschaft zum Teil in korrupten Beziehungen stehen. So lassen sich oft diejenigen, die entsprechende Deals eingeleitet haben später ihre Dienste durch Pöstchen in der Wirtschaft belohnen. Eine Hand wäscht die andere.
Politiker sollten sich fragen lassen was sie ausser Geld verschenken und Rummjammern eigentlich tun? Nicht das sie viele Möglichkeiten hätten – denn bei uns gilt das Dogma das das Eigentum heilig ist – sonst ist fast nichts heilig – alles wird inzwischen geopfert: Sicherheit, Privatsphäre, Geheime Wahlen, die Demokratie,… nur das Eigentum nicht. Wer durch welchen Zufall auch immer Eigentum erlangt hat, der kann sicher sein, das ihm dies so gut es geht erhalten wird. Ok – es gilt da natürlich auch das Gesetz das Eigentum Eigentum anzieht. D.h. im Zweifelsfalle siegt immer derjenige mit mehr Eigentum bzw. mehr Macht, bzw. es tendiert dazu sich zu “ballen”.
Da gibts gar nichts zu emotionalisieren. Das funktioniert eben nach bestimmten Prinzipien auf Basis unserer Ordnung. Wenn wir finden, das wir diese Folgen nicht tragen wollen, sollten wir die Regeln ändern, sollten wir aufhören uns Illusionen zu machen. Was brauchen wir um möglichst vielen Menschen zu erlauben ein gewisses Maß an Zukunftsplanung zu erlauben. Und nicht zuletzt auch um der Gesellschaft einen Rahmen zu geben, der es erst möglich macht überhaupt ein wenig in die Zukunft zu blicken. Shit happens anyway – das Leben bietet genug Unwegbarkeiten und Unsicherheit – deswegen müsste Wirtschaften eigentlich bedeutem, das man versucht trotz dieser Unsicherheiten eine gewisse Sicherheit zu erreichen. Versuchen tun das Politiker auch – aber bei uns im Grunde nur mit Drohungen und damit das man versucht die Gesellschaft den Bedürfnissen der Privatwirtschaft anzupassen. Und welches Land die Bevölkerung am besten deformiert im Sinne von komsumwilligen, ängstlichen Wesen, das wird mit Investitionen belohnt. Und die Gesellschaft ist über die Unternehmens-Steuereinnahmen abhängig von deren Wohlwollen.
Dies kann keine Perspektive bieten. Und jeden Tag sehen wir den Beweis, das unser System nicht wirklich funktioniert. Wir sollen jetzt länger arbeiten und immer weniger Geld verdienen. Nach allen Regeln der Vernunft müsste man konstatieren, das dies kein ökonomischer Fortschritt ist. Aber selbst zu so simplen Erkenntnissen ist man gesellschaftlich nicht in der Lage. Lediglich zu teilweise antisemtisch anmutenden Ausbrüchen gegen sog. Auswüchse des Kapitalismus. Man darf also mal grummeln. Mehr aber auch nicht. Wichtig ist, das wir weiterhin glauben, das bei der nächsten Wahl ein Herr Rütgers auf unserer Seite ist.
Januar 17, 2008
Kategorien: Arbeit, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft . Tags:Bochum, Nokia, Subventionsheuschrecke . Autor: anarquest . Kommentare: 9 Kommentare