Nachfolgend dokumentieren wir eine Stellungnahme von Dietrich Schulze, VVn/BdA-Kreisvorsitzender aus Karlsruhe, der in Folge der Polizeiangriffe auf die Refugees’ Revolution Bus Tour verletzt wurde und kurzzeitig das Bewusstsein verlor:
Polizeiberichte und Fakten
Zwei Aspekte der im Webmagazin ka-news und im freien Radio Querfunk am 11.03.13 verbreiteten Meldungen haben mich als Teilnehmer der Demonstration der Flüchtlinge und als Betroffener eines Polizei-Übergriffs nach Beendigung der Demonstration zu dieser Stellungnahme veranlasst.
Bei ka-news [1] wird folgendes mitgeteilt: „Der Demonstrationsführer vor Ort habe laut Polizei erklärt, er habe die Lage nicht mehr im Griff und die Veranstaltung daher für beendet erklärt. Demnach lief der Protest nicht mehr unter dem Versammlungsrecht.“
Wie und warum wurde die Demonstration tatsächlich beendet? Darüber kann ich deswegen Zeugnis ablegen, weil ich daran konkret beteiligt war.
Nach einem friedlichen Besuch der Bus-Tour-Flüchtlinge bei den LASt-Flüchtlingen gingen beide Gruppen mit Unterstützern auf die Durlacher Allee vor der LASt und blockierten als Ausdruck ihrer Empörung über menschenunwürdige Lagerbedingungen, Residenzpflicht und Abschiebepolitik kurzzeitig die Durlacher Allee. Die Polizei erklärte, dass ihr Einsatz „deeskalierend“ gewesen sei. Der Einsatz begann sofort mit einer Knüppelei mit Verletzungen aufseiten der DemonstrantInnen.
Nachdem dieser erste Polizei-Einsatz beendet war und sich die meisten Demonstranten auf den Gehweg zurück gezogen hatten, legte sich einige wenige Flüchtlinge an den Rand der Fahrbahn und blockierte die Fahrbahn weiter. In dieser angespannten Situation habe ich mich auf beiden Seiten für eine Deeskalation eingesetzt, um eine erneute Zuspitzung und gefährliche Verletzungen vermeiden zu helfen. Von Einsatz-Chef Wilk habe ich gefordert, die Hunde (ohne Maulkorb) zurückzuziehen, deren Gekläff die Lage emotional anheizte. Mehrere Demo-Verantwortliche habe ich gebeten, die auf der Straße liegenden Flüchtlinge davon zu überzeugen, dass sie die Fahrbahn frei machen mögen. Der gelungene Symbolcharakter des Protests werde nicht dadurch geschmälert, indem er abgebrochen werde.
Genauso geschah es. Die wenigen Flüchtlinge wurden auf den Gehweg begleitet und einer der Demo-Verantwortlichen erklärte für alle Seiten hörbar die Demonstration für beendet. Als sichtbares äußeres Zeichen für den Auflösung der Demonstration begaben sich alle verbliebenen Demonstrantinnen zurück in den Vorhof der LASt, die Tourflüchtlinge gingen zu ihren Autos und die LASt-Flüchtlinge in die LASt.
Was tat die Polizei? Sie setzte in geschlossener Formation nach und bedrängte die auf dem Rückweg befindlichen Flüchtlinge und UnterstützerInnen. Bezeugt ist eine aufhetzende Rede [2]: „Aus dem Hintergrund feuerte der Polizeibeamte Heck seine KollegInnen mit den Worten »Haut fett drauf, haut drauf!« an.“
Ich selbst befand mich in der Reihe der Zurückgehenden im Abstand von etwa einem Meter vor der Polizeikette und erhielt urplötzlich von einem Polizisten einen starken Schlag von Vorn. Ich habe das so ausgedrückt [3]: „Ein wohl besonders aufgehetzter Hundeführer versetzte mir in vorderster Reihe einen derartig heftigen Stoß, daß ich der Länge nach stürzte und durch den Aufprall auf dem Asphalt für eine Weile das Bewußtsein verlor.“ Ein ASB-Mitarbeiter checkte mich, stellte eine Platzwunde am Ellenbogen fest und ordnete meine Einweisung in die nächstgelegene Klinik an.
Im Querfunk-Interview [4] erklärt der Polizeisprecher meinen Sturz so: „Tatsache ist, dass es bei einer Personalienfeststellung und aus einer Festnahme heraus einen kurzen tumultartigen Moment gab, als Demonstranten zurückwichen. In dieser Szene ist dieser ältere Herr zu Fall gekommen.“
Den „tumultartigen Moment“ gab es nicht. Nachdem ich mich nach dem Sturz aufgerappelt hatte und von einem ASB-Mitarbeiter die Ellenbogen-Verletzung festgestellt wurde, kam in der Wartezeit bis zum Transport in die Klinik Einsatz-Chef Wilk auf mich zu und wollte meine Personalien feststellen mit der Begründung, dass er diese für den Polizeibericht benötige, in dem er über das „Gerangel“ schreiben müsse, das zu meinem Sturz geführt habe.
Unter Zeugen entspann sich sinngemäß folgender Dialog: Schulze (laut an alle Umstehenden): Die Polizei will in ihrem Bericht ein Gerangel behaupten, das zu meinem Sturz geführt habe. Bezeugt werden kann aber, dass mich der glatzköpfige Hundeführer völlig grundlos angegriffen hat. Schulze (an Wilk persönlich gerichtet und auf den Glatzköpfigen zeigend): Finden Sie es nachvollziehbar, dass ausgerechnet derjenige, der sich nachweislich für eine Deeskalation eingesetzt hat, sich an einem Gerangel beteiligt haben soll und damit letztlich selbst schuld ist? Wilk bestätigt meine aktive Rolle bei der Vermeidung einer Zuspitzung (mit möglicherweise weiteren Verletzungs-Opfern auf unserer Seite) und drückt aus, dass er über die wohl sachlich korrekt beschriebene Lage auch nicht glücklich sei.
In der Querfunksendung kommt auch ein Demonstrant zu Wort, der die Szene ähnlich beschreibt und die Polizei-Aktion nach Ende der Demonstration gegen mich und andere als Racheakt einstuft.
Eine Bewertung sei mir erlaubt. Das geschilderte Behördenverhalten steht in krassem Gegensatz zu dem Anliegen der „Woche gegen Rassismus“, die tags darauf im Rathaus vom neuen Karlsruher Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup [5] eröffnet wurde.
Quellen:
[1] „Flüchtlingsproteste eskalieren: Polizeieinsatz auf Durlacher Allee“ ka-news-Bericht 11.3.2013
[2] „Brutaler Schlagstockeinsatz gegen Flüchtlinge zu Beginn der Antirassismus-Wochen in Karlsruhe“ Initiative Grenzenlos und Libertäre Gruppe Karlsruhe 09.03.2013
[3] “Polizei rabiat gegen Flüchtlinge“ Tageszeitung „junge Welt“ 11.03.2013
[4] „die refugees‘ revolution bus tour in karlsruhe und köln“ Querfunk 11.03.2013, mp3-file Länge 59:53 Minuten
[5] „In die Zukunft einwandern“ Oberbürgermeister Frank Mentrup eröffnet „Wochen gegen Rassismus“, Badische Neueste Nachrichten 11.03.2013
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