So sehr Antifaschisten die NPD fürchten, so sehr brauchen sie sie auch. Gäbe es die NPD, die auch in der Zone kaum mehr als eine Splitterpartei ist, nicht, müßte man darüber reden, warum auch ohne organisierte Nazis der Durchschnittsbürger Ost deren Parolen noch im Schlaf zustimmend hersagen kann. (Bahamas, Nr. 50, Sommer 2006).
Diese wohl formulierte „Erkenntnis“, dass zwischen den politischen Koordinaten der Wähler und Aktivisten der NPD und der Wähler und Funktionäre der Linkspartei keine Welten, sondern höchstens ein paar Querstraßen liegen, sollten sich Antifa-Aktivisten einmal ‚reinfahren und dann erstmal verdauen. Die Schlußfolgerung der „Redaktion Bahamas“ aus dieser richtigen Beobachtung ist – wenig überraschend – eine falsche: Wenn da garnicht so viel dazwischen ist, dann kann das ja nur heißen, dass die Linkspartei-Wähler auch Nazis sind (, weil sie Deutsche sind, ist doch klar)! Hätte sich die Bahamas außer den vermeintlichen politischen Antipoden NPD und Linkspartei auch die anderen bürgerlichen Parteien angeschaut, hätte sie festgestellt, dass – wenn NPD und PDS schon lediglich einige Querstraßen liegen – der Unterschied zwischen beispielsweise der CDU und der NPD oder der SPD und der Linkspartei auch kein gewaltiger ist. Wäre die Bahamas nicht so seltsam induktiv (vom speziellen aufs allgemeine) schlussfolgernd, so wäre uns vielleicht, anders als es im weiteren Artikel der Fall ist, im folgenden die Analyse präsentiert worden, dass alle bürgerlichen Parteien anscheinend eine irgendwie geartete gemeinsame inhaltliche Basis teilen – und nicht etwa, dass alle Deutschen Nazis sind, es immer waren und auch immer bleiben werden. (Das lässt sich schon aus dem Umstand folgern, dass sich die politische Lage in anderen Ländern gleich darstellt.)
Die Bahamas hierarchisiert ihre Attacken folgerichtig nach der politischen Relevanz ihrer erklärten Feinde: Zuerst müssen alle Volksdeutschen (naja, im gleichen Abwasch kann man ja auch die „Islamnazis“ angehen) drangenommen werden, als Konsequenz daraus (gleichzeitig) die Linkspartei und wenn dann mit diesen „Linksnazis“ (himmelschreiend doof) aufgeräumt ist, kommt auch die Splitterpartei NPD zu ihrer Tracht Aufklärung. Bescheuert ist nicht die Methode, sondern die Wahl der Feinde; wie oben ausgeführt, weitere Ausflüge in die weit verzweigte und verworrene Welt der Inselaffen erspare ich mir an dieser Stelle…
Anders als die Bahamas machen Antifas nach der Erkenntnis, dass nicht nur in der Zone nationalistische Positionen (1) – die, wenn mal keine versprengte, dilletantische Wahlkämpfertruppe der NPD oder der DVU greifbar ist, noch nicht einmal von eben jenen geäußert werden muss – äußerst weit verbreitet sind, den Schritt schon nicht mehr mit, sich einmal umzugucken, wer sonst noch auf diesem Weg unterwegs ist. Da kommt es den „North East Antifascists“ so vor, als würden der in der „Braunzone (sic!) Pankow“ weit verbreitete Antisemitismus und Rassismus die Vorstufe der faschistischen Machtergreifung darstellen bzw. den „Sumpf“ aus dem sich die Neonazis rekrutieren – und nur diese, nicht etwa auch der ganz normale Staatsbürger (aber um dessen Beteiligung am antifaschistischen Kampf muss ja auch immer wieder neu gerungen werden…).
Das es in den meisten Fällen gar keine Neonazis braucht, um nationalistische, rassistische und/oder antisemistische Denkweisen zu verbreiten und zu artikulieren; dass dieser Job, wenn – wie so oft! – mal keine Vertreter der zahlenmäßig äußerst schwach aufgestellten deutschen extremen Rechten dingfest zu machen sind, in der Regel von Vertretern der etablierten bürgerlichen Parteien bzw. von denen, die endlich! zu einer solchen werden wollen, übernommen wird, das wollen weder die Antifas im Berliner Nordosten (die ja bedauerlicherweise mit der „Ipahb“ auf ein besonders agiles Exemplar, des zivilgesellschaftlichen Rassismus verweisen können) noch ihre „Genoss_innen“ wahrhaben.
Das Antifas konsequenterweise nach solchen antikritischen Meisterleistungen von bürgerlichen Rassisten als „Faschos“ und „Nazis“ sprechen, gibt hierrüber nur zu beredt Auskunft.
Das erdrückende an der politischen Lage in Deutschland ist ja sogar, dass es noch nicht einmal Vertreter der bürgerlichen Parteien braucht, um „Stammtischparolen“ zu klopfen. Vielmehr ist es so, dass einige politische Basics, die seitenlang in den Wahlprogrammen der bürgerlichen Parteien in wenig kreativen Variationen dokumentiert sind, Allgemeingut sind und damit allgemein durchgesetzt; anders könnte allerdings ein kapitalistischer Staat garnicht funktionieren.
Zusammenfassend bleibt also nochmals festzuhalten, dass die paar Faschos hierzulande weder der Grund für, noch der Hauptnutznießer von Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus sind und das sie schon garnicht das geistige Copyright auf diese Ideologien halten. Die genannten Ideologien sind die logische Folge aus der national und oft genug auch völkisch verfassten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft.
Ein letztes Mal zurück zur Bahamas und zum Anti-Nazi-Wahn: Wenn hier jetzt Feindschaft nach gesellschaftlicher Relevanz verschenkt wird, könnte die Folgerung nur sein, sich zuallererst die bürgerliche Gesellschaft und die sie garantierenden Instanzen zum Ziel des Kampfes und zum Inhalt der Agitation zu machen.
Letzte Worte:
Das es hier wieder einmal die Berliner Antifa-Gruppe „North East Antifascists“ getroffen hat, hat damit zu tun, dass diese am Wochenende hier – sozusagen als Beigabe zu ihrem „internationalen Antifa-Kongress“, zu dem Antifas aus Spanien, so wie ihre ebenso militant antikommunistischen, wie denkfaulen Gesinnungsgenossen aus Polen und Russland anreisen – eine Demo unter dem Motto „Kein Kiez für Nazis – Wer wegschaut stimmt zu!(2)“ veranstaltet. Dazu kommt, dass sie, zumindest für den Berliner Raum, als eine der aktivsten Vertreterinnen der „Mehr als nur gegen Nazis!“-Linie gelten kann, deren Behauptung, dass der autistische Antifa-Zirkus, der von ihnen veranstaltet wird, mehr sei „als nur gegen Nazis“, revolutionärer, kommunistischer Kampf am besten noch, sei, nicht oft genug widerlegt werden kann.
Außerdem gilt: „Wer liegt, der kriegt!“.
Der Beitrag ist als Kommentar zum stattfindenden „Antifa-Monat“ zu verstehen, der in zwei Wochen mit dem Nazi-Aufmarsch in Neukölln zu Ende gehen wird.
Ebenso wie der Blogger „lysis“, der angekündigt hat, sich nicht mehr mit sog. „Antideutschen“ zu beschäftigen, behaupte ich an dieser Stelle einfach mal, dass ich mich auf absehbare Zeit nicht mehr mit Antifas beschäftigen will. Ich hoffe, mir gelingt der Ausstieg aus der Debatte besser als ihm, es gibt ja nun wirklich interessantere Themen…
Achso: Das ich hier ausgerechnet die Bahamas zitiere, hat nichts mit einem sich vollziehendem „antideutschen Turn“ zu tun… Und auch nicht im Umkehrschluss mit etwaigen konsumierten Drogen!
P.S
www.antifa.de
Das versprochene, prolligste Lied der Welt, ist jetzt auch endlich da.
(1) „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Gegen die Globalisierung – sozial geht nur national“, „Deutschland muss wieder was zu sagen haben in der Welt“, „Ich hab‘ nichts gegen Ausländer – wenn sie dort leben, wo sie herkommen“, „Die Amis sind die schlimmste imperialistische Macht (- die Friedensmacht Deutschland muss einschreiten
(2) Bestechende Logik: Wer nicht seine gesamte Zeit auf den Anti-Nazi-Kampf verschwendet oder sich einfach überhaupt nicht für diese interessiert, kann nur ein „stiller Sympathisant“ sein!