Archiv für November 2008

Christian Klar kommt frei.

Christian Klar, der vor Jahrzehnten für den Mord am Bankier Jürgen Ponto, am früheren Generalbundesanwalt Siegfried Buback und am früheren Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer beziehungsweise für seine „Verstrickung“ in diese Mordfälle verurteilt wurde und 26 Jahre in Haft saß, viele davon in Isolationshaft, die eine Form der Folter darstellt und kaum jemanden ohne physische und körperliche Schäden ausspuckt, kommt endlich frei – wenn auch nur auf Bewährung. Auch wenn ich allerlei Kritik an der Politik der Roten Armee Fraktion habe: Der ideale Weg wäre, diese mehr oder weniger direkt mit den Leuten zu diskutieren, die noch heute die R.A.F. romantisieren oder deren Programm feiern. Wenn einer, der sowieso nicht mehr zu den Waffen greifen will oder kann, im Knast sitzen bleibt, ist höchstens etwas für den Staat, seine Öffentlichkeit und die Medien gewonnen, die die R.A.F. für ihr Vorhaben, die kapitalistische Gesellschaft abzuschaffen und diese Pläne auch militant zu verfolgen, abstrafen wollen und nicht für die linke Bewegung.
Ich empfinde da einfach Mitleid mit Christian Klar und irgendwie auch Hochachtung dafür, dass er „sich nicht hat brechen lassen“. Immerhin, ein starker Mensch. Man kann und sollte Werte wie „Standhaftigkeit“ und „Prinzipientreue“ schon an der weiteren Haftzeit, die sie einem – und in diesem Fall ja niemand anderem – einbringen, relativieren. Allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass ein Klar, der Öffentlichkeitswirksam „abschwört“, auf Bewährung rauskommt und sich dann wieder positiv auf die Rote Armee Fraktion und auf den bewaffneten Kampf bezieht, ganz schnell wieder wegen „notorischer Gefährlichkeit“ im Knast gelandet wäre. Insofern war sein Verhalten, an seinen Inhalten festzuhalten, vielleicht auch richtig. Außerdem wird es ihm die vielen Jahre im Knast geholfen haben, zu wissen, dass er nicht für nichts und wieder nichts einsitzt. Dem war nämlich tatsächlich nicht so. Die andere Feldpostnummer verspürt übrigens „tiefe Verbitterung“ über die Entscheidung, Klar auf freien Fuß zu setzen.

Sei’s drum: Christian Klar zu seiner Haftentlassung alles Gute, Gesundheit und Kraft.

Pointierte Polemik zum Anti-Nazi-Wahn.

So sehr Antifaschisten die NPD fürchten, so sehr brauchen sie sie auch. Gäbe es die NPD, die auch in der Zone kaum mehr als eine Splitterpartei ist, nicht, müßte man darüber reden, warum auch ohne organisierte Nazis der Durchschnittsbürger Ost deren Parolen noch im Schlaf zustimmend hersagen kann. (Bahamas, Nr. 50, Sommer 2006).

Diese wohl formulierte „Erkenntnis“, dass zwischen den politischen Koordinaten der Wähler und Aktivisten der NPD und der Wähler und Funktionäre der Linkspartei keine Welten, sondern höchstens ein paar Querstraßen liegen, sollten sich Antifa-Aktivisten einmal ‚reinfahren und dann erstmal verdauen. Die Schlußfolgerung der „Redaktion Bahamas“ aus dieser richtigen Beobachtung ist – wenig überraschend – eine falsche: Wenn da garnicht so viel dazwischen ist, dann kann das ja nur heißen, dass die Linkspartei-Wähler auch Nazis sind (, weil sie Deutsche sind, ist doch klar)! Hätte sich die Bahamas außer den vermeintlichen politischen Antipoden NPD und Linkspartei auch die anderen bürgerlichen Parteien angeschaut, hätte sie festgestellt, dass – wenn NPD und PDS schon lediglich einige Querstraßen liegen – der Unterschied zwischen beispielsweise der CDU und der NPD oder der SPD und der Linkspartei auch kein gewaltiger ist. Wäre die Bahamas nicht so seltsam induktiv (vom speziellen aufs allgemeine) schlussfolgernd, so wäre uns vielleicht, anders als es im weiteren Artikel der Fall ist, im folgenden die Analyse präsentiert worden, dass alle bürgerlichen Parteien anscheinend eine irgendwie geartete gemeinsame inhaltliche Basis teilen – und nicht etwa, dass alle Deutschen Nazis sind, es immer waren und auch immer bleiben werden. (Das lässt sich schon aus dem Umstand folgern, dass sich die politische Lage in anderen Ländern gleich darstellt.)

Die Bahamas hierarchisiert ihre Attacken folgerichtig nach der politischen Relevanz ihrer erklärten Feinde: Zuerst müssen alle Volksdeutschen (naja, im gleichen Abwasch kann man ja auch die „Islamnazis“ angehen) drangenommen werden, als Konsequenz daraus (gleichzeitig) die Linkspartei und wenn dann mit diesen „Linksnazis“ (himmelschreiend doof) aufgeräumt ist, kommt auch die Splitterpartei NPD zu ihrer Tracht Aufklärung. Bescheuert ist nicht die Methode, sondern die Wahl der Feinde; wie oben ausgeführt, weitere Ausflüge in die weit verzweigte und verworrene Welt der Inselaffen erspare ich mir an dieser Stelle…

Anders als die Bahamas machen Antifas nach der Erkenntnis, dass nicht nur in der Zone nationalistische Positionen (1) – die, wenn mal keine versprengte, dilletantische Wahlkämpfertruppe der NPD oder der DVU greifbar ist, noch nicht einmal von eben jenen geäußert werden muss – äußerst weit verbreitet sind, den Schritt schon nicht mehr mit, sich einmal umzugucken, wer sonst noch auf diesem Weg unterwegs ist. Da kommt es den „North East Antifascists“ so vor, als würden der in der „Braunzone (sic!) Pankow“ weit verbreitete Antisemitismus und Rassismus die Vorstufe der faschistischen Machtergreifung darstellen bzw. den „Sumpf“ aus dem sich die Neonazis rekrutieren – und nur diese, nicht etwa auch der ganz normale Staatsbürger (aber um dessen Beteiligung am antifaschistischen Kampf muss ja auch immer wieder neu gerungen werden…).
Das es in den meisten Fällen gar keine Neonazis braucht, um nationalistische, rassistische und/oder antisemistische Denkweisen zu verbreiten und zu artikulieren; dass dieser Job, wenn – wie so oft! – mal keine Vertreter der zahlenmäßig äußerst schwach aufgestellten deutschen extremen Rechten dingfest zu machen sind, in der Regel von Vertretern der etablierten bürgerlichen Parteien bzw. von denen, die endlich! zu einer solchen werden wollen, übernommen wird, das wollen weder die Antifas im Berliner Nordosten (die ja bedauerlicherweise mit der „Ipahb“ auf ein besonders agiles Exemplar, des zivilgesellschaftlichen Rassismus verweisen können) noch ihre „Genoss_innen“ wahrhaben.
Das Antifas konsequenterweise nach solchen antikritischen Meisterleistungen von bürgerlichen Rassisten als „Faschos“ und „Nazis“ sprechen, gibt hierrüber nur zu beredt Auskunft.
Das erdrückende an der politischen Lage in Deutschland ist ja sogar, dass es noch nicht einmal Vertreter der bürgerlichen Parteien braucht, um „Stammtischparolen“ zu klopfen. Vielmehr ist es so, dass einige politische Basics, die seitenlang in den Wahlprogrammen der bürgerlichen Parteien in wenig kreativen Variationen dokumentiert sind, Allgemeingut sind und damit allgemein durchgesetzt; anders könnte allerdings ein kapitalistischer Staat garnicht funktionieren.

Zusammenfassend bleibt also nochmals festzuhalten, dass die paar Faschos hierzulande weder der Grund für, noch der Hauptnutznießer von Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus sind und das sie schon garnicht das geistige Copyright auf diese Ideologien halten. Die genannten Ideologien sind die logische Folge aus der national und oft genug auch völkisch verfassten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft.
Ein letztes Mal zurück zur Bahamas und zum Anti-Nazi-Wahn: Wenn hier jetzt Feindschaft nach gesellschaftlicher Relevanz verschenkt wird, könnte die Folgerung nur sein, sich zuallererst die bürgerliche Gesellschaft und die sie garantierenden Instanzen zum Ziel des Kampfes und zum Inhalt der Agitation zu machen.

Letzte Worte:

Das es hier wieder einmal die Berliner Antifa-Gruppe „North East Antifascists“ getroffen hat, hat damit zu tun, dass diese am Wochenende hier – sozusagen als Beigabe zu ihrem „internationalen Antifa-Kongress“, zu dem Antifas aus Spanien, so wie ihre ebenso militant antikommunistischen, wie denkfaulen Gesinnungsgenossen aus Polen und Russland anreisen – eine Demo unter dem Motto „Kein Kiez für Nazis – Wer wegschaut stimmt zu!(2)“ veranstaltet. Dazu kommt, dass sie, zumindest für den Berliner Raum, als eine der aktivsten Vertreterinnen der „Mehr als nur gegen Nazis!“-Linie gelten kann, deren Behauptung, dass der autistische Antifa-Zirkus, der von ihnen veranstaltet wird, mehr sei „als nur gegen Nazis“, revolutionärer, kommunistischer Kampf am besten noch, sei, nicht oft genug widerlegt werden kann.
Außerdem gilt: „Wer liegt, der kriegt!“.

Der Beitrag ist als Kommentar zum stattfindenden „Antifa-Monat“ zu verstehen, der in zwei Wochen mit dem Nazi-Aufmarsch in Neukölln zu Ende gehen wird.

Ebenso wie der Blogger „lysis“, der angekündigt hat, sich nicht mehr mit sog. „Antideutschen“ zu beschäftigen, behaupte ich an dieser Stelle einfach mal, dass ich mich auf absehbare Zeit nicht mehr mit Antifas beschäftigen will. Ich hoffe, mir gelingt der Ausstieg aus der Debatte besser als ihm, es gibt ja nun wirklich interessantere Themen…

Achso: Das ich hier ausgerechnet die Bahamas zitiere, hat nichts mit einem sich vollziehendem „antideutschen Turn“ zu tun… Und auch nicht im Umkehrschluss mit etwaigen konsumierten Drogen! :D

P.S

www.antifa.de

Das versprochene, prolligste Lied der Welt, ist jetzt auch endlich da.

(1) „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, „Gegen die Globalisierung – sozial geht nur national“, „Deutschland muss wieder was zu sagen haben in der Welt“, „Ich hab‘ nichts gegen Ausländer – wenn sie dort leben, wo sie herkommen“, „Die Amis sind die schlimmste imperialistische Macht (- die Friedensmacht Deutschland muss einschreiten

(2) Bestechende Logik: Wer nicht seine gesamte Zeit auf den Anti-Nazi-Kampf verschwendet oder sich einfach überhaupt nicht für diese interessiert, kann nur ein „stiller Sympathisant“ sein!

Ich lebe noch.

Wenn ich hier ab und an mal draufschaue, dann freue ich mich immer, dass sich pro Tag immer noch knapp hundert Leute auf diesen Blog verirren, obwohl seit längerer Zeit nichts mehr hier passiert ist. Das wird sich aber, wenn auch nicht sofort, wieder ändern. Keine Sorge! Zur Zeit habe ich jedoch zu wenig Zeit und Möglichkeiten, um regelmäßig etwas zu bloggen.

Meine Alma Mater1 stiehlt meine Zeit, doch nach langer Zeit des Nichtstuns, war es doch bitter nötig, dass ich meinem Leben wieder eine Perspektive, eine Richtung gebe. Dementsprechend glücklich war ich, als der Brief mit der vorläufigen Immatrikulation an der weltweit bekannten Akademie in meinem Briefkasten landete.

Wenn ich sehe, was für „Skandale“ ich verpasst habe, überkommt mich fast ein wenig Wehmut

„studiVz“: Ehemalige Klassenkameraden (der, der in der Stunde mal einpinkelt hat, weil er sich nicht getraut hat, zu fragen, ob er auf Toilette darf und der, der immer die Mädchen verhauen hat, bis ihm irgendwer mal aufs Maul gehauen hat) posieren stolz in der Bundeswehruniform und im Mario-Barth-T-Shirt. Deutsche Ottos sind eben so. Opfer!

Immerhin: Ich bin cool geblieben. :D Obwohl… *grusel*

Diaspora. Schulkamerad_innen, die nicht ganz so scheiße oder sogar überhaupt nicht scheiße waren, ziehen weg und die Streber_innen bleiben hier oder kommen von woanders her, um – immerhin – ein Studium an gerade einmal mittelmäßigen Berliner Unis abzureißen. Dafür Berlin. Die alten Freund_innen studieren und werden ausgebildet in urbanen Perlen wie Halle, Cottbus, Eisenhüttenstadt und Hamburg.

Zum Abschluss noch ein interessanter Text der Situationistischen Internationalen
[über] das Elend im Studentenmilieu“. Durch den Text bin ich noch lange nicht durch, aber er beschreibt die Eigenheiten des studentischen Status´ doch sehr treffend und mit einer angenehmen Distanz, die anderen oft fehlt. So kommt zum Beispiel der überhaupt nicht hochzuhaltende Schwebezustand der auszubildenden Studenten zwischem Stammklasse und Proletariat zur Sprache und wird analysiert, genauso wie das seltsame Selbstbild der Student_innen, das mensch so sogar schon an anderen (oder an sich selbst, nicht in meinem Fall) an sich festgestellt hat. Wenn ich mit dem Text durch bin, werde ich mal meine Lieblingsstelle(n) vorzeigen. Viele gute Punchlines sind ja durchaus enthalten.

In diesem Sinne: Erst-Semester, schreibts euch hinter die Ohren!

P.S.: Bald werde ich in diesen Beitrag das wahrscheinlich prolligste Lied der Welt editieren. Be aware!

Update: Endlich: Die Lokalmatadore – Gefangene der Straße (Ich hoffe, es funktioniert, der File-Upload ging verdächtig schnell…)

  1. welch´ Ironie: „Alma Mater“ und mancademy! [zurück]