April 2011

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Die antisemitische Internationale

Gegen Antisemitismus
Angesichts zweier Meldungen komme ich nicht drumherum, etwas zum Nahost-Konflikt zu schreiben, wenn auch aus einer bestimmten Perspektive, wie die Überschrift schon andeutet. So las ich da eine Meldung aus der aktuellen Weltpolitik und musste mich doch arg wundern: Fatah und Hamas einigen sich also. Nun, das hört sich erstmal nicht schlecht an, aber der Plan, eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden und mittelfristig die Hamas in die PLO einzugliedern und später Wahlen im Gaza-Streifen und im Westkordanland abzuhalten, birgt auch enorme Risiken, nicht nur für Israel, sondern auch für die meisten Palästinenser*innen selbst. Denn die Hamas hat sich keineswegs geändert oder irgendwelche inhaltlichen Zugeständnisse gemacht, sie bleibt weiter eine durch und durch antisemitische Organisation und will sich auch nicht am Friedensprozess beteiligen.
Netanjahu kündigte schon an, die Fatah müsse sich zwischen der Hamas und dem Frieden mit Israel entscheiden und die USA überlegen, ihre Finanzhilfen an die palästinensichschen Behörden einzufrieren, falls es zu einer gemeinsamen Übergangsregierung kommen sollte. Auch die israelische-palästinensiche Kooperation bei den Sicherheitskräften im Westjordanland steht auf der Kippe, sollten diese Sicherheitskräfte dann auch teilweise von der Hamas gestellt werden. Schon nach den letzten Wahlen in den Palästinenser*innengebieten, wo die Hamas einen überwältigenden Sieg einfuhr, stellten international viele Staaten ihre Hilfszahlungen ein, dies könnte dann auch wieder geschehen. Es ist zu diesem Zeitpunkt natürlich auch noch unklar, ob die Einigung überhaupt länger Bestand haben wird, schließlich ist die letzte „Einheitsregierung“ auch schnell zerbrochen.
Bei den angesetzten Wahlen könnte die Hamas auch im Westjordanland eine Mehrheit erringen und somit in beiden Pali-Gebieten an die Macht kommen, was das sofortige Ende des Friedensprozesses bedeuten würde und auch für viele Bewohner*innen nicht unbedingt angenehm wäre, wenn die Hamas ihre Vorstellungen einer „islamistischen Gesellschaft“ durchsetzt. Solange die Hamas Israel nicht anerkennt oder sich an Friedensverhandlungen nicht beteiligen will, kann nichtmal daran gedacht werden, sie als Dialogpartnerin zu sehen. Neben dem wohl deutlich repressiverem Alltagsleben unter einer Hamas-Regierung würden die meisten Menschen auch unter den eingefrorenen Finanzhilfen leiden und die wirtschaftliche und soziale Lage in den Pali-Gebieten würden sich massiv verschlechtern. Die Hamas, selbst schuld an einer solchen Lage, würde dann natürlich versuchen mit ihrer Propaganda die Menschen gegen Israel oder „den Westen“ aufzuhetzen.
Eine friedliche Lösung des Konflikt kann es langfristig nur geben, wenn Israel grundsätzlich und ohne Bedingungen anerkannt wird und der terroristischen Gewalt ultimativ abgeschworen wird. Dazu wäre es auch notwendig, gegen die islamistischen Terrorgruppen vorzugehen, wobei diese im Falle der Hamas wohl eher Verbündete als Gegner*innen sind. Während die Fatah, trotz all ihrer Unzulänglichkeiten und Korruption, noch irgendwie kompromissbereit war, steht die Hamas einem dauerhaften Frieden weiterhin diametral entgegen. Für alle Beteiligten, auch die durch die Hamas unterdrückten Palästinenser*innen, wäre es besser, zunächst die Hamas zu bekämpfen, bevor größere Projekte, wie der Aufbau eines funktionierenden Staates, in Angriff genommen werden können.
Soviel also zu den neuen Entwicklungen im Nahen Osten. Aber der Beitrag will ja noch einen Bogen schlagen, damit der internationale Charakter des Antisemitismus deutlich wird. Und der Bogen schlägt einen weiten Weg bis nach Duisburg, aber nicht zu der örtlichen Kameradschaft oder zu lokalen NPD, sondern zum Kreisverband der Linkspartei. Dieser Kreisverband hat durch einen ehemaligen Franktionschef schonmal für Schlagzeilen gesorgt, als dieser einen Boykottaufruf gegen israelische Produkte unterstützte. Und nebenbei: Aus Duisburg kommt auch eine schreckliche Gruppe mit dem Namen „Rote Antifa Duisburg“, die jetzt zwar teilweise nach Köln abgewandert ist, aber dort weiter fortfährt, ihr antisemitisches und völkisches Gedankengut unter einem vermeintlich „antifaschistischem“ Deckmantel unter die Leute zu bringen.
Der Bundespartei ruderte natürlich schnell zurück und distanzierte sich von solchen Umtrieben, das antisemitische Flugblatt verschwand von der Homepage der Duisburger Linkspartei. Dort wollte mensch das alles nicht wahrhaben und mutmaßte gar eine neonazistische Unterwanderung, wobei dies jedoch ziemlich weit hergeholt klingt. Aber warum in der Ferne schweifen, liegt das entsprechende Gedankengut doch immernoch in den Köpfen vieler selbsternannter „Antifaschist*innen“ oder „Antiimperialist*innen“. Schon in Hamburg gab es Ende 2009 einen antisemitischen Vorfall, bei dem mal keine Nazis beteiligt waren, mehr dazu auf der Seite dieses Bündnisses. Durch die antideutsche Intervention wurde im vergangenen Jahrzehnt zwar viel mit Antisemitismus innerhalb von antifaschistischen Gruppen aufgeräumt, aber gerade bei manchen Antiimps scheint dies noch nicht ganz angekommen zu sein.
Die Linkspartei ist da eher eine rühmliche Ausnahme und diskutiert meist nicht darüber, ob Israel ein Existenzrecht hat, sondern erkennt es einfach bedingungslos an. Bei einer so großen Organisation finden sich aber immer mal ein paar verirrte Leute. So ein Vorfall zeigt aber auch, dass das Projekt der antideutschen Intervention noch nicht abgeschlossen ist, denn viele, die sich selbst für ach so „fortschrittlich“ oder „emnzipatorisch“ halten, tragen antisemitisches Gedankengut mit sich herum, über das nicht einmal reflektiert wurde. Sowas ist natürlich kein Zustand, sondern muss definitiv unterbunden werden. Spannend ist auch festzuhalten, dass sich dieser Antisemitismus, meist versteckt hinter Antizionismus oder sogenannter „Israelkritik“ in verschiedensten Gruppen findet, die sich auf anderen Ebenen bekämpfen und sonst keine inhaltlichen Überschneidungen haben. Von der NPD über andere neonazistische Gruppen bis hin zu Friedensbewegten und „Antiimperialist*innen“ wird Israel gerne mal als „Aggressor“ oder „Kriegstreiber“ bezeichnet – und wer mit Nazis konform läuft, sollte doch mal überdenken, ob die eigene Position überhaupt tragbar ist. Die meisten selbsternannten „demokratischen“ Parteien scheinen hingegen kein Problem mit Israel zu haben.
Doch was macht diese ganze Israelsolidarität überhaupt auf einem anarchistischen Blog? Ist Israel nicht ein Staat? Ja, Israel ist zweifellos ein Staat und staatliche Ordnungen sind auch weiterhin keineswegs das Ziel aller Träume und auch die aktuelle israelische Regierung ist für mich auch nicht allzu sympathisch, aber die Idee, die hinter der Staatsgründung Israels steckt, einen Schutzraum gegen Antisemitismus zu schaffen, nachdem dieser in der Shoa seinen Höhepunkt fand, ist auf jeden Fall unterstützenswert. Und solange es Antisemitismus gibt, muss es auch Israel geben. Daher ist eine anarchistische Israelsolidarität vielleicht weniger als Solidarität mit einem bestimmten Staat, sondern mehr als Unterstützung einer staatsgewordenen Idee zu verstehen. Denn Israel heute aufzulösen, hätte katastrophale Folgen, ist also nicht diskutabel. Ich wüsste da einen Haufen anderer Staaten, die aufgelöst werden sollten, vielleicht der Iran oder die Bundesrepublik, oder auch Kolumbien, Russland, usw. usf.. Und an der Auflösung der Bundesrepublik ließe sich doch heute schon arbeiten.

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Pressemiteilung der VV des Juz Mannheim zur Nachtanzdemo in Heidelberg

Die Vollversammlung des JUZ Mannheim fordert die Schaffung neuer
selbstverwalteter Freiräume in Heidelberg und ein Ende der andauernden
polizeilichen Repression gegen linke Aktivist_innen.

Am Samstag, den 16. April sind in Heidelberg 1200 Menschen mit einer
Nachttanzdemo für die Schaffung eines neuen Autonomen Zentrums auf die
Strasse gegangen. Die Demonstration war ein stimmungsvoller Höhepunkt im
Kampf um ein neues AZ in Heidelberg. Vor mittlerweile 12 Jahren wurde
das Autonome Zentrum Heidelberg von der Polizei geräumt, das Versprechen
der Stadt, ein neues Gebäude zur Verfügung zu stellen, entpuppte sich
bald danach als Lüge – stattdessen gab und gibt es von Seiten der
Heidelberger Politik und Stadtverwaltung nur eine Antwort auf
Bestrebungen, sich das versprochene Ersatzobjekt selbst anzueignen: Die
Lösung des Konflikts durch polizeiliche Repression.
So auch diesmal: Nachdem im Anschluss an die Demonstration ein
leerstehendes ehemaliges Hotel besetzt wurde, stürmte am Sonntag ein
schwer bewaffnetes Räumkommando der Polizei das Gebäude in der Alten
Eppelheimer Strasse 80. Mit Hämmern, Äxten und Rammböcken zerstörte die
Polizei erhebliche Teile des Hauses. Das zeigt deutlich: Es geht nicht
darum, dass Gebäude einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, sondern nur
darum, mit allen Mittel die Schaffung eines neuen AZ zu verhindern.
Dabei sind in Zeiten der zunehmenden Privatisierung und
Kommerzialisierung öffentlichen Raumes solche Freiräume umso wichtiger.
Die globale Krise des Kapitalismus macht deutlich, dass Orte gebraucht
werden, an denen gemeinsam und hierarchiefrei Alternativen entwickelt
werden können.
Das JUZ Mannheim ist seit nunmehr 38 (???) Jahren ein solcher Ort, an
dem Menschen jenseits kapitalistischer Verwertungslogik ihr Leben selbst
gestalten können – durch politische Veranstaltungen, Partys, Konzerte
und ganz einfach durch die Möglichkeit, sich ohne Konsumzwang zu
treffen, auszutauschen und zu organisieren. Alle Entscheidungen, die das
JUZ betreffen, werden gemeinsam und nach dem Konsensprinzip auf der
Vollversammlung entschieden, auf der jede_r sich einbringen kann.
Die Vollversammlung sieht sich somit auch über die Grenzen Mannheims
hinaus als Teil der Freiraumbewegung. So sind zum Beispiel in Freiburg
der studentische Freiraum KuCa in Littenweiler und der Wagenplatz Rhino
auf dem M1-Gelände in der Vauban von Räumung bedroht. In Schopfheim
wollte die SPD dem seit Jahrzehnten existierenden Café Irrlicht den
Mietvertrag kündigen, die Situation ist momentan noch nicht entschieden.
Und in Karlsruhe gibt es für die vor 5 Jahren geräumte „Ex-Steffi“
ebenso wenig einen Ersatz wie für das AZ in Heidelberg.
Die politischen und sozialen Konflikte, die den Kampf um
selbstverwaltete Freiräume antreiben, können nicht mit dem Schlagstock
gelöst werden.

Die Vollversammlung des JUZ fordert die Verantwortlichen in der
Heidelberger Politik und Stadtverwaltung daher auf:

- Sofort ein angemessenes Gebäude für ein neues AZ bereit zu stellen.
- Der polizeilichen Repression gegen Aktivist_innen endlich ein Ende zu
machen.
- Sich dafür einzusetzen, dass alle Strafverfahren wegen der Besetzung
der Alten Eppelheimer Straße 80 eingestellt werden.

VV des JUZ Mannheim, 25.April 2011

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Reden auf dem Ostermarsch 2011

Am Wochenende finden – wie jedes Jahr – bundesweit Ostermärsche für Frieden statt. Erstmals wurde ich in diesem Jahr gebeten dazu Reden zu halten – jeweils über das Thema „Bundeswehr an Schulen“: Am Samstag (23. April) spreche ich am späten Nachmittag auf dem Friedenston-Festival in Gelsenkirchen. Am 24. April werde ich im Rahmen des „Ostermarsch [...]

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Chomsky: "Was ist die heutige anarchistische Bewegung?"

In einem Video vom März 2010 beantwortet Noam Chomsky einige Fragen aus der reddit Community. Eine der Antworten haben wir hier in der deutschsprachigen Übersetzung transkribiert:

reddit community: Was sind einige deiner Kritikpunkte an der heutigen anarchistischen Bewegung? So effektiv wie möglich zu sein ist etwas, was viele Anarchisten übersehen, und du bist vielleicht die produktivste Stimme zu diesem Thema, sodass deine Gedanken dazu sehr einflussreich wären.

Noam Chomsky: Nun ja, ich stimme zwar dem Kommentar am Ende nicht zu, aber meine Kritik der heutigen anarchistischen Bewegung ist ein wenig wie die Kritik der Kognitionswissenschaft [s. vorherige Frage]. Was ist die heutige anarchistische Bewegung? Ich meine, es gibt eine Menge Leute, tatsächlich eine beeindruckende Zahl an Menschen, die sich auf die eine oder andere Weise dem verpflichtet fühlen, was sie Anarchismus nennen. Aber gibt es eine anarchistische Bewegung? Fällt einem da etwas ein wie z.B. damals... - vor zwanzig Jahren war ich zufällig am 1. Mai in Madrid. Und es gab riesige Demonstrationen, Maidemonstrationen, hunderttausende Menschen von der CNT, der alten anarchistischen Arbeiterorganisation. Nun kann man alles mögliche an der anarchistischen Bewegung in Spanien kritisieren, doch zumindest gab es da etwas, auf das man zeigen konnte, es war etwas da, was man kritisieren oder unterstützen konnte oder versuchen konnte es zu verändern.

Doch der heutige Anarchismus in den USA, so weit ich das überblicke, ist extrem verstreut, hochgradig sektiererisch (jede der einzelnen Gruppen bringt viel Zeit damit zu irgendeine andere Tendenz zu attackieren), er tut manchmal nützliche, wichtige Dinge, aber...  Dies trifft nicht nur auf diejenigen zu, die sich Anarchisten nennen, sondern auf die gesamte aktivistische Linke. Man zähle einmal durch: Es gibt genügend Leute, ich meine, mehr als je in der Vergangenheit soweit ich mich erinnern kann, außer vielleicht für kurze Momente in den späten 60ern oder die CIO-Organisation in den 30ern. Aber die Leute interessieren sich für alles mögliche. Wenn du die Gänge dieser Universität entlanggehst, siehst du Studierende an ihren Schreibtischen, sehr aktiv, sehr engagiert, eine Menge tolle Belange, aber hochgradig fragmentiert. Es gibt sehr wenig Koordination. Dazu eine Menge Sektiererei und Intoleranz, gegenseitige Intoleranz, das Beharren auf genau meiner bestimmten Entscheidung darüber, was die Prioritäten sein sollten.

Also denke ich, dass der Hauptkritikpunkt an der anarchistischen Bewegung ist, dass sie jetzt schlicht die Kurve kriegen sollte, und Spaltungen und Kontroversen akzeptieren sollte. Wisst ihr, wir sind nicht im Besitz all der Antworten - wir haben vielleicht Leitlinien für die Art von Gesellschaft, die wir haben wollen, keine spezifischen Antworten, niemand weiß so viel. Und es gibt sicherlich genügend Raum für gesunde und konstruktive Meinungsverschiedenheiten bezüglich Taktik und Prioritäten und Meinungen, allerdings sehe ich, wie zu wenig davon auf eine kameradschaftliche, zivilisierte Art und mit einem Sinn für Solidarität und gemeinsame Zielsetzung behandelt wird.

Zur Frage, wie man so effektiv wie möglich ist: Ja, genau das ist der springende Punkt. Was sollen wir angehen? Man muss die Probleme nicht auflisten, denen die Welt gegenübersteht. Manche davon sind extrem gravierend. So gibt es zum Beispiel solche, die wirklich das Überleben der Spezies in Frage stellen, mindestens zwei, vielleicht mehr. Eins davon ist die Existenz von Nuklearwaffen. Jemand, der uns vom Mars aus beobachtet, würde es für ein Wunder halten, dass wir die letzten 60 Jahre überlebt haben, und es ist auch jetzt extrem gefährlich. Ich sehe also nicht, wie das keine hohe Priorität haben kann. Das andere ist die sich abzeichnende ökologische Krise. Und das ist etwas, dem sich Anarchisten besonders widmen sollten, denn das beinhaltet... - einerseits beinhaltet es  technologische Fragen, z.B. wie wir Solarenergie zum Einsatz bringen und so weiter.

Und in dieser Hinsicht steht die anti-wissenschaftliche Tendenz im Anarchismus, die tatsächlich existiert, sich selbst völlig im Weg. Ich meine, es wird hochentwickelte Technologie und wissenschaftliche Entdeckungen benötigen, um der menschlichen Gesellschaft das Überleben zu ermöglichen. Es sei denn wir entscheiden, sie sollte nicht überleben, wir sollten das Ganze auf 100 000 Jäger und Sammler reduzieren. Okay, abgesehen davon, wenn es uns ernsthaft um die Millarden von Menschen auf der Welt geht - und ihre Kinder und Enkel - werden wissenschaftliche und technologische Fortschritte erforderlich sein.

Auf der anderen Seite wird aber auch radikaler sozialer Wandel notwendig sein. Es gab seit dem 2. Weltkrieg - insbesondere in den USA, aber anderswo ebenfalls - massive sozialtechnische Projekte durch Staat und Konzerne - sehr selbstbewusst, sie verstecken nicht was sie tun - um ein Gesellschaftssystem zu konstruieren, das entscheidend von der verschwenderischen Ausbeutung fossiler Brennstoffe abhängt. Das ist es, was es bedeutet Suburbanisierung voranzutreiben, Autobahnen zu bauen und Schienennetze zu zerstören, und so weiter in der ganzen Reihe von Planungsmaßnahmen, die unternommen wurden. Das bedeutet, dass erhebliche gesellschaftliche Veränderungen anstehen, und Anarchisten sollten darüber nachdenken.

Aber wisst ihr, darüber nachzudenken bedeutet nicht bloß: "Ich wünsche mir eine freie und gerechte Gesellschaft". Wir müssen da unterscheiden, wenn wir effektiv sein möchten. Das ist die Frage: Wenn wir effektiv sein wollen, müssen wir unterscheiden zwischen, sagen wir, Vorschlägen und Verfechtung. Ich meine, du kannst vorschlagen, dass alle in Frieden leben sollten, sich lieben sollten, wir sollten keine Hierarchien haben, alle sollten zusammenarbeiten, und so weiter. Okay? Ein netter Vorschlag, gut für ein akademisches Seminar.

Verfechtung erfordert mehr als bloß Vorschlag. Es bedeutet, dass man sich Ziele setzt (Vorschlag), aber auch einen Weg von hier nach dort skizziert (das ist die Verfechtung). Und der Weg von hier nach dort benötigt fast immer kleine Schritte. Er erfordert die Anerkennung der sozialen und ökonomischen Realität wie sie existiert, und Ideen darüber, wie die Institutionen der Zukunft innerhalb der existierenden Gesellschaft gebaut werden können, um Bakunin zu zitieren - aber auch die Veränderung der existierenden Gesellschaft. Das heißt, es müssen Schritte unternommen werden, die der Realität Rechnung tragen, die ihre Existenz nicht leugnen ("Weil es mir nicht gefällt, beziehe ich es nicht mit ein"). Nur so lässt es sich effektiv sein.

Man sieht das, wenn man sich die ernsthaften, gehaltvollen anarchistischen Zeitschriften anschaut. Wie beispielsweise Freedom aus England, die vielleicht die älteste oder eine der ältesten anarchistischen Zeitschriten ist, die es schon seit Ewigkeiten gibt. Wenn man darin liest, befasst sie sich hauptsächlich mit milder reformistischer Taktik. Und das ist keine Kritik. Es sollte so sein. Sie sollte sich mit Arbeitsrecht, spezifischen Umweltproblemen, Armut und Leid, Imperialismus und so weiter befassen. Ja, genau damit sollte sie sich befassen, wenn das Ziel ist langfristigen, erheblichen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer freieren und gerechteren Gesellschaft zu verfechten, und ich kann mir keinen anderen Art vorstellen effektiv zu sein.

Auf der Reinheit des Vorschlages zu bestehen schottet dich stattdessen bloß von effektivem Aktivismus ab, und sogar davon die eigenen Ziele zu erreichen oder ihnen überhaupt näher zu kommen. Und es führt zu der Art von Sektiererei und Engstirnigkeit und Mangel an Solidarität und gemeinsamer Zielsetzung, die immer eine Art Krankheit marginaler Kräfte gewesen ist, insbesondere der Linken. Doch hier ist es besonders gefährlich.

Das Ende von „Triple A“

Dollar-Crash
Es liegt zwar nun schon zwei Tage zurück, aber gerade durch diese geringe Distanz und unter dem Gesichtspunkt der nichterfolgten Katastrophen ist es sicher einfacher, die Sache nüchtern zu betrachten. Grundsätzlich geht es um nichts Geringeres als die Zahlungsunfähigkeit der USA. Das mag zwar etwas übertrieben klingen, aber im Kern bedeutet eine potentielle Abstufung der Kreditwürdigkeit meist ein mangelnder Glaube an die Zahlungsfähigkeit. Horrorszenarien vom Dollar-Crash haben sich bisher nicht bewahrheitet und werden wohl auch noch eine Weile auf sich warten lassen. Der Kapitalismus ist halt nicht so leicht kleinzukriegen.
Warum überhaupt die ganze Aufregung? Im verlinkten Artikel steht ja auch nicht viel mehr, als dass eine bekannte Ratingagentur überlegt, das Top-Rating der USA in den nächsten zwei Jahren herabzustufen. Staaten wie Griechenland oder Portugal (und auch Japan) können von so einem AAA-Rating nur träumen. Doch auch die USA sind massiv verschuldet, das Gesamtdefizit beträgt etwa 14 Billionen Dollar, knapp 80% des BIPs der USA, Wachstumsaussichten sind ebenso mies wie bei den schwächelnden Euro-Ländern. Aber im Gegensatz zu griechischen erfreuen sich US-Staatsanleihen noch großer Beliebtheit und werden weiterhin weltweit als Anlage benutzt, auch in Asien, wobei China seine Währungsreserven mittelfristig umschichten will.
Während manche Verschwörungstheoretiker*innen nun fleißig Dosennahrung kaufen, können wir schon beruhigt bleiben, ein weltweiter Währungscrash steht sicher nicht bevor. Ob das naiver Optimismus ist? Ich glaube nicht, denn es gibt zur Zeit keine Alternativen zum Dollar als weltweiter Leitwährung. Und auch, wenn China einen Großteil seiner Finanzreserven in Dollar besitzt und diese abbauen will, wäre ein schneller Wertverfall der US-Währung auch für China im Moment extrem kontraproduktiv. Die Märkte reagierten zwar im ersten Moment geschockt, holten die anfänglichen Verluste aber überwiegend im Laufe des Tages wieder rein, zumal der Euro, der als potentielle nächste Welt-Leitwährung schon in den Startlöchern steht, gerade selbst kippelt.
Doch was hat das Ganze überhaupt mit dem Kapitalismus zu tun? Fällt der gleich mit um, wenn der Dollar seine Leitwährungsrolle verlieren sollte? Selbst, wenn der Dollar plötzlich nichts mehr wert sein würde, gäb es noch Ausweichwährungen, angefangen beim erwähnten Euro bis hin zum chinesischen Yuan. Daneben hat das aktuelle Leitwährungssystem massive Nachteile für die USA und deren Wirtschaft, denn dadurch häuft die USA immer mehr und mehr ein gigantisches Außenhandelsdefizit an, welches sie nicht mehr decken können wird. In diesem Sinne ist dann auch Chinas Interesse an einem stabilen Dollar zu verstehen, da sonst dort die eigenen Schuldscheine wertlos werden würden und dies kaum ohne einen wirtschaftlichen Absturz ablaufen würde.
Eines lässt sich zweifellos an der Situation festhalten, ohne dass ich jetzt tief in wirtschaftliche Fachliteratur schauen muss und komplizierte Zusammenhänge erklären muss: Die wirtschaftliche Situation der USA mag fürchterlich schlecht sein, trotzdem wird den Staatsanleihen weiterhin vertraut, daher bleibt die USA auch weiterhin kreditwürdig. Das entscheidende Wörtchen im vorangegangenen Satz ist „Vertrauen“, denn um mehr geht es hier nicht. Es geht nicht um komplizerte Berechnungen, um Wirtschaftsdaten oder um analytische Prognosen, nein, es geht um den bloßen Glauben daran, dass die USA auch noch in 10 Jahren zahlungsfähig sein werden. Und da sage nochmal irgendwer, Wirtschaft laufe logisch und rational ab.
Ähnlich verhält es sich auch mit dem Kapitalismus insgesamt. Zwar neigt das System zu einer massiven Instabilität aufgrund der wiederkehrenden Krisen, aber da keine Alternative gedacht wird, ist ein Zusammenbruch ausgeschlossen, koste es, was es wolle – und seien es Billionen Dollar/Euro/Wasauchimmer. Da das System nicht zusammenbrechen darf und für viele auch keine Alternativen denkbar sind, stabilisiert sich so ein instabiler Dauerzustand, etwa ein „Schrecken ohne Ende“, welcher wohl dem „Ende mit Schrecken“ vorgezogen wird. Wenn der Glaube an den Kapitalismus nicht grundsätzlich und weitestgehend erschüttert wird, wird dieser nicht zusammenbrechen, egal, wie groß die Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen geworden sind. Und das ist dann auch ein Punkt, an dem Marx Unrecht hatte.

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Mädels ans Maschinengewehr

erschienen am 14. April 2011 bei Telepolis (www.telepolis.de) - Die Bundeswehr führt nach Ende der Wehrpflicht einen verzweifelten Kampf um neuen Nachwuchs – der Mädchenzukunft „Girls‘ Day“ kommt da gelegen - Heute ist es wieder so weit: junge Mädchen besuchen Betriebe und Unternehmen um Einblicke in „klassische Männer-Berufe“ zu bekommen. Organisiert wird der seit 2001 durchgeführte Mädchen-Zukunftstag [...]

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Wiederauferstehung!

Religiös, aber das ist ja die Überschrift auch.
Es ist sicher ein halbes Jahr her, seit ich zum letzten Male auf meinem Blog etwas geschrieben habe und es sah sicher so aus, dass Duab wieder einmal in der Versenkung verschwunden war. Und das war auch so. Doch, regelmäßige Leser*innen mögen sich erinnern, gab es schon einmal eine deutlich längere Pause. Was ich damit sagen will: Duab lebt und ich werde versuchen, in der nächsten Zeit wieder mehr zu schreiben. Dieser Beitrag wird daher nur eine Einstimmung sein, auf das was noch kommen wird.
Grundsätzlich werde ich hier verschiedene Themen ansprechen, aber keines näher behandeln, dazu ist in diesem halben Jahr einfach zu viel passiert, was kommentierungswürdig wäre. Ich wüsste auch gar nicht, wo ich anfangen sollte. Bei Sarrazin etwa? Den will ich lieber gar nicht erwähnen – Reintreten und weitergehen sollte da die Devise sein (rein metaphorisch natürlich). Dann gab es noch die Aufstände in Nordafrika und jetzt auch noch ein zweites Tschernobyl. Die Grünen gewinnen eine Landtagswahl und die BRD kneift vor einem Auslandseinsatz. Achja, der Naziaufmarsch in Dresden wurde erneut verhindert. Doch leben wir schon in der Anarchie? Leider nein, und bis dahin wird es wohl auch noch ein weiter Weg sein.
Anstatt mich nun nacheinander an den Themen abzuarbeiten, will ich lieber auf eine Kuriosität hinweisen, von der ich vor kurzem las und die ich nicht direkt verlinken werde. Es geht um eine sexistische „Männer-Gruppe“. Schrecklicherweise ist das ganze kein Witz, sondern offenbar ernst gemeint und angesichts dessen kann und will ich mich zu dieser verrückten Sache auch nicht weiter äußern, entsprechende Kommentare seien eurer Fantasie überlassen. Aber wahrscheinlich ist auch diese Erscheinung, so kurios sie auch sein mag, einfach nur ein weiteres Phänomen eines versuchten „konservativen“ Rollbacks, der, wenn er erfolgreich sein sollte, fortschrittliche Errungenschaften auf vielen Gebieten wieder abschaffen würde. Vielleicht passt auch die sarrazinsche Hetze in diesen weiteren Kontext, aber ich will mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Und während sich jene Leute über den vermeintlichen „linken“ Mainstream ärgern, explodiert in Japan nach einem Erdbeben mit Tsunami ein Atomkraftwerk. Zwar scheint die Katastrophe bisher nicht die Ausmaße von Tschernobyl angenommen zu haben (erst 10% davon…), aber trotzdem sind sich einige nicht zu blöd, von einem Wohlstandsschwund zu reden, sollten die AKWs „übereilt“ abgeschaltet werden. Andere Medien weisen in diesem Zusammenhang auch mal gerne auf die Klimaschädlichkeit von Erdgas und die Verschandelung der Landschaft durch Windräder hin, aber natürlich ohne eigene Alternativen aufzuzeigen. Ja, alle Energieformen haben Nachteile und ja, DU bist gemeint, Spiegel Online!
Nachdem der kopierte Verteidigungsminister sein Amt abgeben musste (ja, er ist wirklich ein Klon) und nun ein neues, konservatives CSU-Gesicht das Innenministerium übernahm, fand die Bundesregierung im Angesicht der revolutionären Umstürze und Aufstände in Nordafrika einen neuen, schröderischen Kurs in der Außenpolitik. Da die Aussicht auf einen Sieg bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (war wohl nichts) deutlich höher gewertet wurde als die potentielle Chance auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, vertrat der deutsche Außenminister die Position, es seie besser, die Aufständischen in Libyen doch lieber ihrem Schicksal bzw. der NATO zu überlassen. Bei so viel provenzieller Kurzsichtigkeit will mensch eigentlich anfangen zu weinen, aber da die Erwartzungen an die Bundesregierung eh gegen Null tendieren, bleibt das Kloß im Lauf.. eh, im Halse stecken.
Und bevor jetzt wieder irgendwelche selbsternannten „Krieggegner*innen“ ankommen und mich als Krieghetzer*in beschimpfen, möchte ich darauf hinweisen, dass Gaddafi ein Diktator ist und mit den Menschen in Libyen nicht freundlich umspringt. Daneben hat er unglaublich viel Geld (und Gold), mit dem er seine Söldner*innen bezahlt, die dann auch mal friedliche Demonstrant*innen niederschießen. Auch, wenn die Motive der Aufstandsbewegung nicht so klar sind wie in Ägypten und Tunesien, ist jenen mit netten Worten und ähnlicher heißer Luft nicht geholfen. Wenn sich also wirklich irgendwelche Staaten und Regierungen die Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten auf die Fahnen geschrieben haben, wäre der Konflikt in Libyen ein passender Ort den Sprüchen auch mal Taten folgen zu lassen.
Für einen Wiederauferstehungpost soll es das erstmal gewesen sein, konkrete politische Beiträge werden dann in den nächsten Tagen folgen. Also, ein guter Zeitpunkt, um auf Videospiele einzugehen. Eines, welches könnt ihr sicher erraten, beschäftigt mich aufgrund seiner offenen Natur schon eine Weile. In kaum einem anderen Spiel gibt es so viele unterschiedliche Möglichkeiten, verschiedene Dinge zu erschaffen und die Welt zu verändern. Auch, wenn die Grafik nicht mehr taufrisch ist, kann ich das Spiel nur allen empfehlen, also, wirklich ALLEN! Es handelt sich hierbei natürlich um „Call of Du…“, um Minecraft. Ist auch erschwinglich, und wenn sich gleichgesinnte Anarch@s finden, bin ich gerne bereit, im SMP eine fortschrittliche Klötzchengesellschaft aufzubauen.

4. Umsonstflohmarkt – der wirklich wirklich freie Markt

Wer braucht schon Geld? Jetzt wieder nach langer Winterpause: der Markt ohne Tausch! Bring vorbei,was du nicht brauchst, was aber anderen noch gut nützen kann.
Nimm mit,was du gebrauchen kannst. Trag bei,ohne nachzufragen. Bedien dich ohne schlechtes Gewissen. Für Geld, Feilschen und Tauschen ist hier und heute kein Raum.
Lass deiner Phantasie freien Lauf: Bücher, Kleidung, Taschen, Büroklammern, Lampen, CDs, Golfschläger, Poster, Schuhe …
Wichtig ist aber auch: Bitte keinen Müll mitbringen! Es geht nicht um das Loswerden wertloser Gegenstände, sondern um die Weitergabe wertvoller, zu gebrauchender Dinge.

Sonntag, 17. April 2011, 10 -17 Uhr am Werderplatz in der Südstadt Karlsruhe

Mehr Infos: http://umsonstflohmarktka.blogsport.de

Aufruf des 1.Mai-Bündnises Karlsruhe

Der 1. Mai ist für uns weder ein Feiertag noch ein Gedenktag. Wir halten an der Tradition als „Internationaler Kampftag der ArbeiterInnenklasse“ fest. Dies bedeutet gemeinsam und öffentlich für eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse einzutreten. Denn entgegen den Behauptungen der VerteidigerInnen der herrschenden Ordnung, ist diese weder alternativlos noch die beste aller Geselllschaftsmodelle. In Wirklichkeit ist das kapitalistische System, das auf Proftmaximierung und weltweiter Ausbeutung basiert, für den überwiegenden Teil der Weltbevölkerung ein einziger Alptraum aus Armut, Verelendung, Umweltzerstörung und Krieg.

Weiterhin sterben jedes Jahr mehrere Millionen Menschen allein an Hunger und den Folgen unzureichender medizinischer Versorung. Der gesellschaftliche Reichtum – erarbeitet von denen, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen – kommt nur Wenigen zugute. Um die Ausbeutungsmechanismen im Inneren wie auf globaler Ebene zu effektivieren ist der Krieg – ob militärisch durch Intervention und Unterwerfung oder über Auflagen von IWF und Weltbank z.B. zur Privatisierung von sozialen Sicherungssystemen – längst Mittel zum Zweck. Mit milliardenschweren Rettungspaketen für die in der Krise „notleidenden“ Banken und Konzernen fand nach den Sparmaßnahmen für Bildung und Soziales, Reallohnsenkungen und Harz-IV-Gesetzen, eine weitere gigantische Umverteilungsmaßnahme von untern nach oben statt. Über die Verschärfung der Konkurenz am Arbeitsplatz durch Leiharbeit sowie unsichere und befristete Arbeitsverhältnisse werden die Beschäftigten gegeneinander ausgespielt. Gleichzeitig gefährdet die der kapitalistischen Produktionsweise innewohnende Notwendigkeit nach immer mehr Proft die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen.

Um weitere Verschlechterungen zu verhindern reicht es nicht den Status quo zu verteidigen. Um die Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen tatsächlich zu verändern müssen unsere Tageskämpfe in allen gesellschaftlichen Bereichen der Auseinandersetzung wie im Betrieb, in der Schule, im Kampf um Frauenemanzipation, gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit miteinander verbunden werden. In unseren Kämpfen muß außerdem unsere Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen Maßstab für wirtschaftliche Entscheidungen sind und das Privateigentum an Produktionsmitteln aufgehoben ist, sichtbar werden. Es gibt eine Alternative, für die es sich lohnt aktiv zu werden. Eine Welt außerhalb des Kapitalismus ist möglich. Sie ist aber nur dann eine wirkliche Alternative, wenn sie durch Selbstbestimmung geprägt ist, d.h. ein Höchstmaß an demokratischer Beteiligung und Gestaltung der Gesellschaft durch alle garantiert.

Unsere Befreiung können wir nicht an andere deligieren, sondern müssen sie selbst in die Hand nehmen. Es geht nicht um Appelle an die Regierung. Auch die Hoffnung es reiche aus, das politische Personal auszutauschen, ist Illussion. Das grundlegende Problem sind nicht einzelne Köpfe oder Repräsentanten des Systems, sind nicht „Auswüchse“ oder die „Profitgier“ und „Verantwortungslosigkeit“ Einzelner, sondern das System selbst. Es geht also nicht nur darum ein paar Krümel vom Kuchen zu bekommen, sondern um die Neuorganisation der ganzen Bäckerei. Der politische Streik als kämpferisches Aktionsmittel ist dringend notwendig.

Es gibt einen weltweiten Aufbruch sozialer Kämpfe. Gegen die Kürzungsauflagen der EU haben in Griechenland bereits mehrere Generalstreiks stattgefunden. Auch in anderen europäischen Ländern kam es im Kampf um die Abwehr der Krisenlasten auf die ArbeiterInnenklasse zu Streiks und massenhaften Protestaktionen. Der Kampf gegen Leiharbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse nimmt weltweit zu. In Agypten und Tunesien haben wochenlange Massenproteste an denen sich Millionen Menschen beteiligt haben zum Sturz der Regierungen geführt. Die Erfahrungen der Revolte, des Aufstandes kann den Beteiligten niemand mehr nehmen. Es ist die Erkenntnis durch kollektive Massenaktion und Streiks tatsächlich die Verhältnisse zum Tanzen bringen zu können. (Ob in Indien, in Kurdistan, in Brasilien oder der BRD wehren sich die Menschen gegen unsinnige und gefährliche Großprojekte wie Staudammbauten, Zwangsumsiedlungen für Bürohochhausbauten und Weiterbetreibung von Atomanlagen.)

Die ArbeiterInnenklasse hat kein Vaterland – auch dies gehört zur Kernaussage des 1.Mai. Die Spaltungslinien der Gesellschaft verlaufen nicht zwischen Staatsangehörigkeiten oder Herkunftsregionen sondern zwischen oben und unten, das heißt Klasse gegen Klasse. Internationale Solidarität ist unsere stärkste Waffe. Dies bedeutet gleichzeitig gerade am 1.Mai deutlich zu machen, daß der Hauptfeind im eigenen Land steht.