Letztens prangte mir in der Bahn von der Zeitung eines Mitfahrers der „frische Fritz“ entgegen: Das ist eine Kolumne, in der anlässlich irgendeines Jubiläums in Verbindung mit einem preussischen Monarchen eben jenem gehuldigt wird. Nicht nur das: An seinem Grab marschierten allerlei Verehrer auf und machten sich auf eine so gräßliche Art zum Affen, wie es vielleicht nur Nationalisten können. Dabei waren ihnen das Häufchen linker Protestierer derart lästig, dass sie direkt handgreiflich wurden. Die linken „Fritz“-Gegner fallen übrigens auf das Tschingderassabumm der deutschen Kartoffeln herein und nehmen den Preußen-Kitsch glatt ernster als dessen Verehrer. Denn abgesehen von ein paar wenigen, die die Monarchie wieder einführen wollen, sind die, die da Totenkult betreiben, aufrechte Demokraten.
Da mutet es doch schon seltsam an, dass ihnen gerade ein Herrscher Identifikationsfigur wird, der mit bürgerlichen Werten absolut garnichts am Hut hatte (auch wenn man das etwas unter den Tisch kehren möchte – aber das „aufgeklärter Absolutismus“ ein Widerspruch in sich ist, fällt sogar einer Satire-Zeitschrift auf). Es ist nicht so wirklich wichtig, was der „Fritz“ da so alles durchgeherrscht. Daher geht es glattweg am Thema vorbei, wenn man alle Schweinereien, die er auf dem Kerbholz hat, aufzählt, um dann zu mahnen, dass die Verehrung so eines Typen sich nun wirklich nicht gehört. Warum eigentlich und für wen denn nicht? Für eine Gesellschaft, die anstatt „Betteljuden“ nun „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Einwanderer in unsere Sozialsysteme“ wegjagt beziehungsweise zur Sau macht, wenn sie unglücklicherweise dem eigenen Volk angehören? Kein Demokrat bei Verstand macht für sich eine nüchterne Analyse der politischen Tätigkeit Friedrichs und kommt zu dem Schluss, dass er sie im Großen und Ganzen für gut hält. Andersherum: Er guckt mit einer nationalistischen Brille auf die Jahrhunderte und will lauter gute Gründe dafür entdecken, warum man darauf stolz sein soll, zur deutschen Volksgemeinschaft und der dazugehörigen Herrschaft (über sich) zu gehören. Warum? Weil er heute schon einen ganzen Haufen guter Gründe kennt, dem jetzigen deutschen Staat und der aktuellen Volksgemeinschaft die Treue zu halten. Das will er sich nochmal bestätigen: An einer Geschichte, deren Verlauf es nochmal unterstreicht, was für ein tolles Land das deutsche ist und wie glücklich man sich schätzen kann, dazuzugehören.
Dann finden sich diese Gründe auch – und zwar haufenweise. Man muss nur gut genug hingucken und die Geschichte nur interessiert genug interpretieren. Irgendwelche Stämme, die sich im Wald mit den Römern gehauen haben? Check. Ein Kommunist, den die damaligen Deutschen bis nach London gejagt haben? Ein Dichter, den selbst in Paris der Gedanke an seine „Heimat“ noch Albträume bereitet hat? Check. Oder eben ein preußischer Monarch, und wenn dessen humanistischen Großtaten waren, dass er Kartoffeln gepflanzt und nicht gleich alle Juden, die ihm unter die Finger gekommen sind, umgebracht hat (vielleicht gilt das als Großtat, weil man im allgemeinen Verständnis dafür hätte, wenn er doch…?).
Was angesichts des beschriebenen Umgangs mit der Geschichte, zur Produktion ideologischen Mehrwerts für den demokratischen Nationalismus, ansteht, ist die Kritik eben der Vorstellungen, die die Leute sich zu den heutigen Verhältnissen machen. Ihr braucht niemandem zu erzählen, dass Monarchie nicht cool ist – damit rennt ihr offene Türen bei den Leuten ein, die jedes Jahr brav wählen gehen und ansonsten auf „die da oben“ schimpfen. Ihr braucht keine „Traditionslinien“ von Friedrich zu Adolf verfolgen, mit beiden hat hier offensichtlich niemand bzw. nur um die 5% der Wähler etwas am Hut. Dass die Leute bei der Bestätigung ihres guten Urteils über „ihre“ Nation wenig über deren Geschichte wissen bzw. ausblenden, was den bruchlosen Bezug auf Deutschland erschwert, sagt einiges über deren abgefuckte Denke aus – aber es ist eben nur die Begleitmusik zu deutschen Sommermärchen.
Archiv der Kategorie 'des Nationalismus'
[…] Es fragt sich schon, wie es erwachsene Menschen schaffen, sich die Sache der Nation so zu eigen zu machen. Zu den regierenden Berufspolitikern, deren Amt und Auskommen es ist, sich an allen Fronten für deutsche Siege einzusetzen, gehören sie mehrheitlich ja nicht. Im Gegenteil: Sie sind die Regierten, auf deren Kosten diese Erfolge erzielt werden. Der Nationalismus von unten gibt also schon erhebliche Rätsel auf. Es ist nämlich weder praktisch noch theoretisch für irgendetwas gut, wenn ganz normale Landesbewohner parteilich für nationale Interessen eintreten, denen ihre Belange ohnehin subsumiert sind. Warum tun sie es dann? Und warum bildet diese Parteilichkeit so einen festgefügten Bestandteil ihrer Einstellung zu allen Lebensumständen hierzulande?
Das ist das Thema. Nationalismus – Was ist er, wie geht er, woher kommt er, was leistet er und wie bekämpft man ihn?
Zeit: Freitag, 02.12.2011, 19:30 Uhr
Ort: Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin (Tramlinie M4 sowie Buslinien 142 und 200. Haltestelle ist jeweils “Am Friedrichshain”)
Veranstalter: GegenStandpunkt Verlag
[…] Und es fällt keinem der Kommentatoren ein, journalistisch auf
die Barrikaden zu steigen und den Geisteszustand der europäischen Politikergarde anzuprangern.
Warum eigentlich nicht? Und warum wird er bei A.Breivik bezweifelt? Nur weil die Damen und
Herren in Regierung und Opposition weder höchstpersönlich solche Bomben basteln noch
höchstpersönlich mit Schießeisen private Rachefeldzüge gegen Verräter durchführen? In der Tat:
Den Schreiberlingen und Talkmastern gilt nicht das politische Programm des A.Breivik als
Wahnsinn; sondern allein, dass da sich jemand unbefugt, also ohne politische Legitimation per
demokratischer Wahl auf einen privaten Rachefeldzug begibt. Denken darf jedermann diesen mehr
als groben Unfug, sogar aufschreiben darf er ihn. Dafür haben wir ja unsere Freiheiten. Und die
sind eben auch dafür da, dass der Privatmensch seinen Anti-Islamismus und Anti-Kommunismus
nur als Meinung im Kopf herum trägt, ansonsten aber seinen bürgerlichen Pflichten nachgeht:
arbeitet, wählt, Familien gründet usw.. Dann gilt so einer nicht als wahnsinnig. Für die Macher der
Öffentlichkeit beginnt der Wahnsinn erst dort, wo ein Privatmensch sein Leben diesem geistigen
Gebäude unterordnet, es mitsamt seinem bisschen hierzulande erlaubten Materialismus ganz der
fixen Idee opfert und den brutalen Standpunkt dann auch noch in die brutale Praxis umsetzt. Das
allein ist für sie das „Unbegreifliche“ der Taten von Oslo. […]
Wen die Ansichten des Attentäters an faschistische Pamphlete erinnern, der liegt nicht falsch. Ist Brevik daher jedoch ein Neonazi, wie es es aus vermeintlich ganz radikaler, linker Ecke heißt? Sein Blutbad jedenfalls will er als Weckruf zur Verteidigung westlich-christlicher Werte verstanden wissen, als Staatsform schlägt er eine gelenkte Demokratie nach Vorbild Russlands vor. Die Ähnlichkeit zu faschistischen Programmen wiederum keine exklusive Eigenschaft seines Machwerks – in der Sache der Verteidigung des Vaterlandes gegen die islamistischen/islamischen Horden, die religiöse wie säkuläre Werte zersetzen und „unserer“ Gesellschaft feindlich gesinnt sind, sie in ihrem Sinne umbiegen wollen, ist man sich einfach, egal ob in Norwegen oder Deutschland, von Kirche über Neonazi-Bewegung bis zur Sozialdemokratie und hinein in die „radikale Linke“ sehr einig. Aber ob man die Feinde der offenen Gesellschaft gleich (selbst) umbringen muss…
Hier der ganze Text von Huisken (drei Seiten).
Die Verfügungsgewalt über den eigenen Körper, die einem angeblich auch niemand streitig machen darf, ist im Zweifelsfall eine Sache, an der ein Staat vorzüglich herumdefinieren kann. Und wie bei Knast, Todesstrafe, Wehrdienst, Zwangsarbeit und Hungerrationen sind die Folgen dieser Zurichtung des Volkes auf die staatliche Zwecksetzung der erfolgreichen Reichtumsproduktion noch nicht einmal dazu geeignet, Nationalisten ein Licht über ihr Verhältnis zum Souverän aufgehen zu lassen. Menschen, die am lohnarbeitsbedingten Körperverschleiß bei sich und anderen als natürliche Folge eines arbeitsamen Lebens nicht schlimmes erkennen können, können es wiederum nicht gutheißen, wenn „bis zu 12.000 Menschen jährlich“ in Deutschland sterben, weil sie auf eine Organspende angewiesen sind. Da sind sie ganz mit dem Staat – der weiß ja auch, dass die drei Viertel seines Volkes, die keinen Organspendeausweis haben, genügend nützliches aus ihrem Körper abzugeben hätten – zumal sie es ja nach so oft sowieso nicht mehr brauchen.
Verfügung über den Körper könnte also bald „Wenn du es versäumt hast, Formular B auszufüllen, schlachten wir dich aus“ heißen. Das ist vereinbar mit dem Quatsch-Konstrukt „Würde des Menschen“. Weil es vereinbar mit dem Recht der BRD ist. (mehr…)
Die Zeiten, in denen ich die Kulleraugen-Guerilla gut fand, sind lange vorbei. Dafür reichte bei mir die Beschäftigung mit deren Programm. Vielen Leuten ist dieses wiederum völlig egal. Dafür gibts ja schöne T-Shirts und tolle Fotos vom reitenden Commandante Marcos und vermummten Indianern mit Knarren. Hier mal ein Artikel, der sich mit den zentralen Forderungen dieser Leute auseinandersetzt.
„Der Regierung wird die Obhut über das Vaterland entzogen; die Fahne von Mexiko, das oberste Gesetz der Nation, die Hymne Mexikos und das Nationalwappen sind ab heute unter der Obhut der Widerstandskräfte, bis die Legalität, die Legitimität und die Souveränität auf dem ganzen nationalen Gebiet wieder hergestellt sind.” (Erklärung aus dem Lacandona-Wald) „Wir marschieren heute, weil die mexikanische Fahne die Unsere werden soll, aber stattdessen bietet man uns das zerfetzte Tuch des Schmerzes und des Elends ” (Le Monde diplomatique, März)
So marschiert diese Guerilla demonstrativ durchs Land, um ihrem Staat mit einem eigenen patriotischen Beitrag zum Gelingen der Herrschaft zu dienen. Gegenüber einer Herrschaft, die ihren Massen selbst die elementarsten Lebensbedürfnisse gewaltsam streitig macht, treten die Vorkämpfer für ‚Vielfalt‘ im politischen Leben mit dem Schlachtruf ‚Einheit statt Spaltung‘ an und legen den Vertretern der Staatsgewalt die drangsalierten Massen als die besten und aufopferungsvollsten Anhänger Mexikos ans Herz. Die wollen endlich zu einem Staat halten können, der sie als staatstragende Basis gar nicht braucht und schätzt: (mehr…)
(mehr…)[…] Professor Herfried Münkler, der mit seinem Buch Die Neuen Kriege (Video der Bundeszentrale für Politische Bildung) beschrieben hat, was genau das Neue und Gefährliche an den Kriegen des 21. Jahrhunderts sind, diskutierte mit diesen – hauptsächlich älteren – Männern, es wurden Vorträge von Wissenschaftlern und von Kommandeuren gehalten, und von wissenschaftlichen Kommandeuren und Generälen. Die wenigen Frauen im Publikum waren größtenteils mitgereiste Gattinnen. Nur vereinzelt mischte sich auch einmal eine Frau in die Diskussion ein. Für jemanden wie mich war die Sache zwar überaus spannend, weil ich Einblicke in eine mir sonst fremde Welt bekam, aber ich fragte mich auch, was das für eine moderne Zukunft sein soll, wenn Frauen beim Militär nach wie vor so selten sind.
Ehrlich, was diese Sache angeht, müssen wir echt mal aus den Puschen kommen. Wolf-Dieter Löser, Generaloberst vom Nato Defence College war so mutig, in seiner Vision der neuen Soldat_innen eine Frau zu wählen, die diese Vision verkörperte. Und jetzt kommt’s: Keiner der alten Herren monierte das! Man will uns kluge, junge Frauen gerne dort! Aber wollen wird das denn auch?[…]
Unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ hatte ein Bündnis aus mehr als 30 linken Organisationen und Parteien sowie Gewerkschaften zu einer Demonstration vor dem Roten Rathaus aufgerufen. Das Bündnis wendet sich gegen die geplanten Sparpakete in Deutschland und Europa.
…und da beteiligt sich dann ausgerechnet die Linkspartei, die der Berliner Bevölkerung im Namen des Staates alle möglichen Sozialleistungen gekürzt hat und sich regional für die Drangsale der staatlichen Elendsverwaltung verantwortlich zeichnet, sowieso nichts gegen die produktive Be- und Vernutzung der Menschen hat, mit einem eigenen Block. Aber ganz heuchlerisch ist es wohl auch garnicht: Die Linksparteiler meinen wahrscheinlich wirklich, dass soviel staatliche Gängelung und so wenig soziale Absicherung nicht sein müssten. (mehr…)
Der 3. Oktober naht und damit die offizielle Nationalfeier in Bremen. Es gibt eine Reihe von Flugschriften und Demonstrationsaufrufe, die den Nationalismus ablehnen. Was Demonstrationsaufrufe, die den Nationalismus ablehnen. Was weniger vorkommt, sind Bemühungen, die den Nationalismus weniger vorkommt, sind Bemühungen, die den Nationalismus erklären und damit beweisen, dass dieses Denken verkehrt ist und auch in praktischer Konsequenz dumm und schädlich, jedenfalls für die, die nicht zu den Machern und Nutznießern der deutschen Nation gehören, sondern für ihre Interessen benutzt werden.
Dewegen veröffentlichen wir hier einen Auszug aus dem Buch: Decker / Held – DDR kaputt – Deutschland ganz (2). Der Anschluß – Eine Abrechnung mit der neuen Nation und ihrem Nationalismus1
Vom deutschen Wahn III: Vom Fordern und Mitmachen
1.
Gute Bürger: das sind solche, die nicht bloß nützliche Mitglieder der Gesellschaft sind, weil sie anders sowieso keine Überlebenschance haben, sondern die das auch wollen, also für ihre Nation parteilich sind. Diese Parteilichkeit ist zwar geläufig; dennoch ist sie seltsam. Denn sie kommt nicht dadurch zustande, daß Leute für ihre Interessen Parteigänger suchen, um vereint stärker aufzutreten. Sie gilt einem Kollektiv voller Interessensgegensätze, dem ein Bürger sich gar nicht erst aus freier Wahl anzuschließen braucht, weil er sowieso dazugehört; nämlich kraft der hoheitlichen Gewalt, die den ganzen Laden beieinander hält. (mehr…)
…ich wähle „Die Linke“, damit sie die Quadratur des Kreises / einen Kapitalismus ohne sozialen Ausschuss durchsetzt oder zumindest – ganz gerecht und so – den armen und den ganz armen Leuten, die dabei herauskommen, wenn sie sich in ihrer Stellung als Kostenfaktor in der Gewinnrechnung des Kapitals wegstreichen lassen, ein Leben in minimal abgemindertem Elend ermöglicht oder damit Ausbeutung und Armut sozial bemäntelt wird, wie Halina Arschlochianirek fordert:
Oder weil man einen Nationalisten und Rassisten als Führerfigur veehrt. Die Gang sagt: Jedes Bild ein Treffer. Habt euren Spaß. Mir bricht’s das Herz, dass es Leute gibt, die es bitter nötig haben, was gegen das System machen wollen, nur um am Ende wieder bei affirmativen Ideologien zu landen, die nun wirklich nichts mit dem Einstehen für eine grundlegende materielle Verbesserung der eigenen Lage zu tun haben. Und dann gehen sie Arschlöchern wie der Linkspartei auf den Leim.
[…] Das unterscheidet die regierenden Politiker vom Warner Sarrazin: Die Herstellung eines in allen Teilen nützlich einsetzbaren Staatsvolks mag zwar ihr Ideal sein, ist aber für sie nicht das praktische Maß aller Dinge. Als Politiker sind sie Realisten, die wissen, dass es gerade die erfolgreiche Benutzung des eigenen Staatsvolks – angereichtert um Teile fremder Völker – als Ressource ist, die immer wieder jene „Probleme“ hervorbringt, von denen aus Sarrazin seinen nationalen Untergang konstruiert. […]
Da fehlen jetzt noch einige Sätze, damit ein Schuh draus wird, aber da mich mein USB-Stick hasst und ich deswegen den Rest nicht mehr abtippen kann, empfehle ich euch früher als geplant das [weiterlesen] (.pdf-Link)!