Archiv der Kategorie '...in a nutshell'

Demokratie.

Verlangt ist „hope“, die Überführung der an- und eingesammelten Unzufriedenheit in eine ebenso prinzipielle wie grundlose Zuversicht, die sich auf die Wachablösung des Herrschaftspersonals richtet. Die politische Willensbildung, auf welche die Demokratie so stolz ist. Sie arbeitet zielstrebig auf eine Verwechslung hin, welche die Bürger sich einleuchten lassen sollen: eine Verwechslung in Bezug auf den Grund ihrer Misere. Alle Schädigungen und uneinlösbaren Ansprüche, die das Wirken der Staatsgewalt und die systemgemäße Indienstnahme der Leute hervorbringt, werden dem alten Regierungspersonal angelastet […]. Und alle Hoffnungen und Erwartungen werden nach Kräften auf ihn[…] den neuen Hoffnungsträger, fokussiert. Verfangen kann solch eine Kampagne nur, wenn der menschlichen Manövriermasse der Herrschaft eine andere, fundamentale Verwechslung zur Gewohnheit geworden ist: wenn Leute die Schädigung ihrer Interessen nicht gegen die Konkurrenz-Ordnung aufbringt, die sie sich dauernd bieten lassen, sondern ihre fatale Abhängigkeit von der politischen Gewalt zum Anlass nehmen, auf mehr Rücksicht und günstigere Behandlung durch die Obrigkeit zu setzen und sehnlichst auf entsprechende Angebote der ,Zuständigen‘ zu warten. […] Auf dass die enttäuschten Bürger ihre Täuschung erneuern und sich ausgerechnet davon eine Besserung versprechen, dass sie einem anderen politischen Häuptling die Fortführung der Staatsgeschäfte übertragen, also ihm das Kommando über das Arsenal der staatlichen Mittel und die Entscheidung über ihre eigenen Lebensbedingungen überlassen.

(GegenStandpunkt 1-09: Die Leistung der demokratischen Wahlen – vorgeführt von Barack Obama)

Notwendig falsches Bewusstsein.

Das erste und grundlegende Argument, das Lohnarbeiter dazu bestimmt, sich positiv auf Lohnarbeit als ihr Lebensmittel einzulassen und einzustellen, ist die Kalkulation, zu der sie praktisch genötigt sind: Sie haben kein anderes Mittel; ihren Verstand müssen sie erst einmal darauf verwenden, Arbeit zu finden und mit dem verdienten Lohn zurechtzukommen; also bleibt ihnen wohl nichts anderes übrig, als sich damit abzufinden und mit ihrer alternativlosen Lebenslage anzufreunden. Dieses „also“ ist und bleibt ein Fehlschluss: Wenn eine übermächtige öffentliche Gewalt mit dem Eigentum auf der einen Seite auch Eigentumslosigkeit auf anderen, bei der großen Mehrheit der Gesellschaft, garantiert, wenn sie zur Lohnarbeit keine Alternative lässt und unendlich viele Vorkehrungen trifft dafür trifft, dass sie auch brav geleistet wird, dann spricht das gegen diese Gewalt und nicht für ein friedliches Arrangement mit ihren Verfügungen. Der Entschluss, sich zu fügen und mit der systematisch zurechtgemachten Welt der Lohnarbeit seinen Frieden zu machen, wird auch dadurch nicht richtig, dass er den Betroffenen mit der ganzen Wucht perfekt eingerichteter Verhältnisse und eines darüber thronenden Gewaltmonopolisten aufgedrängt wird und deswegen als lebenspraktische Notwendigkeit erscheint – dies die harte, aber auch schon die ganze Notwendigkeit, die Marx dem „falschen Bewusstsein“ des Proletariats von seiner Lage und seinen Lebenschancen zuschreibt.

(Decker / Hecker: Das Proletariat.)
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