»Die Wohnungsfrage im Kapitalismus«

Nach Jahrzehnten Frontstadt und Realem Sozialismus: das private Grundeigentum ist in seiner Macht re–etabliert und die Hauptstadt Berlin hat eine neue alte Soziale Frage.

Die Wohnungsfrage im Kapitalismus
- vom Staat geschaffen: als Stifter und Garant der Eigentumsordnung.
- vom Staat betreut: systemkonform, gemäß standortpolitischer Berechnungen/Konjukturen und sozialen Gesichtspunkten der Verwaltung nützlicher und funktionsloser Armut

1. Nach etlichen Jahren Hauptstadtdasein wird Wohnen in Berlin offenbar so kapitalistisch-normal, dass es in die Schemata der stadtsoziologischen Sparte „Gentrifizierung“ passt: Sys-tematisches „Aufhübschen“ der Innenstadt und „Luxussanierungen“ führen zu steigende Mieten in Berlin und zu einem „Austausch“ ganzer Bevölkerungen aus bestimmten Stadttei-len, die sich mit ihren Einkommen aus schlecht bezahlter Arbeit bzw. Renten und Hartz IV eben diese nicht mehr leisten können. Die 25% – 30% Armen, die Berlin bevölkern, müssen zusehen, ob sich zu ihren durch Geldnot geprägten Überlebensproblemen auch noch das Pech gesellt, in einem plötzlich „attraktiv gewordenen“ Stadtteil zu wohnen. Was ihnen in aller Regel neue Überlebensprobleme beschert, nicht selten angereichert mit Schikanen ihrer pri-vaten bzw. wohnbaugenossenschaftlich organisierten Grundeigentümer, sowie den Hartz IV-lern unter ihnen Umzugsnötigungen ihrer Arbeitsagenturen und Job-Center.

Mieterrechtsanwälte bekommen Zulauf, Mieterproteste und Aktionen wie die „Kampagne gegen steigende Mieten“ bzw. „Wir bleiben alle“ häufen sich. Sie wollen die „Wohnungsfrage“, die Berliner Mietern aufgetischt wird, nicht kampflos hinnehmen. Ihre Organisatoren wollen den Stadtstaat Berlin dazu nötigen, „wieder“ verstärkt Mieterschutz einzuführen bzw. sozialen Wohnungsbau zu subventionieren. Gentrifizierungstheoretiker sehen all diese Proteste aufgrund ihrer Marktstudien als wohl begründet an und kritisieren eine mangelnde staatliche Regulierung des Wohnungsmarkts, die ausgleichend zwischen „armen“ und „reichen“ Wohnungsinteressenten einerseits, den eingesehenen wie übertriebenen Ansprüchen des Grundeigentums anderseits wirken sollte.

2. Der Stadtstaat Berlin und seine eigens für die Vermarktung städtischen Grundeigentums gegründete Investitionsbank IBB tun derweil alles, um eben diese Wohnungsfrage für die „Armen“ der Stadt zu verallgemeinern – und ihre „Wohnungsfrage“ zu „lösen“: Berlin wird mit allen Mitteln der Standortpolitik für Investoren jedweder Branche attraktiv gemacht und die Spekulation auf einen boomenden Wohnungsmarkt gefördert. Die Armut der ansässigen Berliner Bevölkerung befinden sie ebenso zynisch wie sachgerecht als Störquelle für dieses Vorhaben.

„Berlin verzeichnet seit einigen Jahren einen stabilen Zustrom von neuen Einwohnern. Dennoch (!) ist ein großer Teil der Nachfrage durch die ansässige Wohnbevölkerung bestimmt. Deshalb ist für das Geschehen am Wohnungsmarkt das örtliche Einkommensniveau von großer Bedeutung. In diesem Niveau, das seit Jahren deutlich unterhalb des Durchschnitts anderer Großstädte liegt, besteht daher nicht nur aus unserer Sicht das größte Hemmnis (!) für eine entsprechende Nachfrageentwicklung. Auch die befragten Investoren benennen diesen Punkt als Marktproblem Nr. 1“ (Investitionsbank Berlin, IBB Jahresbericht 2009)

Auf den beiden Diskussionsveranstaltungen wollen wir folgendes klären:

1. Grundrisse der Polit-Ökonomie des kapitalistischen Grundeigentums Warum ist die Wohnungsfrage im Kapitalismus eine Systemfrage? Ist das mit dem Gegensatz von „arm“ und „reich“ im Einkommensniveau richtig gekennzeichnet? Was ist die elementare Leistung des Staates für das Grundeigentum – so dass sich die Vorstellung eines „Rechts auf Wohnen“ als beschönigende Gerechtigkeitsvorstellung erweist?
- Wohnen gegen Geld
- das staatlich ermächtigte Grundeigentum und seine Einnahmequelle, rechtlich lizenziert und betreut
- die qualitativen Bestimmungsgrößen von „Angebot und Nachfrage“
- vom Grundeigentum zum Immobilienkapital
- Der staatliche Beitrag zu Freisetzung der Renditeinteressen des Immobilienkapitals: Standortpolitik und Stadtentwicklung
- Berliner Besonderheiten: Anschluss Ost, die Stadt als größter Grundeigentümer, die Restitution der Alteigentümer, Berlin wird Hauptstadt

2. Prinzipien der sozialstaatlichen Betreuung der produzierten Wohnungsfrage
- Der Funktionalismus: Für das Kapital und den Staat nützliche Lohnabhängige und „Dienstleister“ müssen wohnen können
- Die Instrumente „Mieterschutz“ – Städtischer Wohnungsbau – Mietobergrenzen – Wohngeld als Subvention des Grundeigentums – Hartz IV und Wohnen: der praktizierte Zynismus gegenüber „funktionsloser“ Armut
- Exkurs zum Sonderfall Westberlin: Funktionslose Armut in Frontstadtzeiten sozialstaatlich nützlich gemacht für die imperialistische Behauptung des Frontstadtanspruchs

Hier kann man sich den Mitschnitt der Diskussionsveranstaltung anhören. Organisiert wurde sie von der Gruppe »Kein Kommentar«


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