Archiv für August 2011

Samstag.

Eine Frage der Zeit: Autonome wanzen sich an englische Randalierer ran.

Ein gutes Dreivierteljahr ist 2011 nun schon alt. Damit wird es definitiv schwer, der „Solikundgebung für die aufständischen Jugendlichen in England“ den Rang für die dümmste linke Veranstaltung des Jahres noch abzulaufen.
Was ist passiert? Ein Mann wird in einer der beschissensten Gegenden Londons von Bullen erschossen. Familie und Angehörige wollen „einfach nur Antworten“, eine gerechte Aufarbeitung der Ereignisse nach rechtsstaatlicher Manier. Damit sind sie genauso „radikal“ wie die improvisierten Bürgerrechtsaktivisten, die die Polizeibeamten, die Dennis J. und Sliemann ermordet hatten, hinter Gitter bringen wollten und denen die ARAB auf ihre kumpelhafte Art versucht hatte, eine antistaatliche Motivation überzuhelfen. Selbstverständlich1 erfolglos. Berichte von Jugendlichen, die Bullen hassen oder auch mal mit denen prügeln, wurden als Beweis für den teilweisen Erfolg der autonomen Agitationstätigkeit hergenommen, haben ihren Grund tatsächlich jedoch einfach darin, dass die ganz arme proletarische Jugend, gerade die migrantische, nun mal hinreichend negative Erfahrungen mit der Polizei gesammelt, um diese ein wenig zu verachten. Was bliebe vom Gerede von den scheiß Bullen, wenn die nicht ständig den Ausweis kontrollieren, einen präventiv immer als erstes festnehmen und auf der Wache misshandeln würden? Nichts.
Zurück nach London. Aus den handzahmen und betont friedlichen Anrufungen der Angehörigen an die Staatsmacht, die Aktion ihrer Exekutive auf die Vereinbarkeit mit den eigenen Gesetzen zu überprüfen, ging Gewalt hervor. Polizisten wurden angegriffen, oft auch einfach deswegen, weil sie beim Plündern und Randalieren stören. Angezündet wurde auch eine Menge. Autos. Geschäfte (gerne auch kleine, in der Nachbarschaft, manchmal wohnten da die Nachbarn auch direkt drüber). Und so Zeug. Mag sein, dass da sogar mal ein „Symbol von Staat und Kapital“ dabei war.2 Ich bin mir sogar sicher, dass da bei manchen politische Absichten dahinter standen. Die Leute wurden jahrzehntelang im Elend sitzen gelassen, sind arm, schlecht ausgebildet, haben keine Aussicht auf (gute) Jobs und nun wird auch noch die Sozialhilfe weiter zurückgefahren. Medien und Politiker haben sich Ewigkeiten nicht um sie gekümmert. Darüber sind die Leute sauer und das sagen sie auch so, wenn man sie mal zu Wort kommen lässt. Der „Aufstand gegen Staat und Kapital“ ist ein Aufstand, der Staat und Kapital unüberhörbar ins Gedächtnis rufen soll, dass in ihrer Gesellschaft keiner überflüssig sein soll, dass jeder sein gerechtes kleines Auskommen für sein Tagwerk haben soll, dass die Nation keines ihrer Mitglieder verkommen lässt.

So ein bisschen scheint man das auch in ARAB mitbekommen zu haben. Trotzdem wird sich solidarisiert, nicht wegen dem was gemacht wird, sondern wegen denen, die da machen. Die Leute dort abholen, wo sie stehen und so.

Um das Elend perfekt zu machen und noch einmal völlig zuzuschütten, worum es wenigstens einer winzigen linken Gruppe ein paar Flugstunden entfernt geht, werden dem Aufruf Parolen angefügt, mit denen sich dann hoffentlich auch deutsche Überflüssige identifizieren können: Gegen Polizeigewalt und gegen Sozialabbau. Denn wenn Deutschland aufhört, seine Jugendlichen zu verprügeln und seine Arbeitslosen auf einem geringfügig höheren Niveau im Elend überleben lässt, ist alles in bester Ordnung.

  1. Wie soll das gehen, Leute in Richtung einer Ablehnung der Kontrolle des Lebens durch Recht und Gesetz im Sinne des Interesse des Staates an einer florierenden kapitalistischen Wirtschaft zu radikalisieren, wenn man deren Parteilichkeit für Recht und Gesetz kein Stück ernst nimmt, im Gegenteil deren aus persönlicher Betroffenheit stammende Empörung schon (zum Keim einer/) zur antistaatlichen Politisierung umlügt und sich auf der Basis an die Leute heranwanzt?[zurück]
  2. Und ich bin mir auch sicher: Wenn es mal zu einem „Aufstand gegen Staat und Kapital“ kommen sollte, dann würden nicht wahllos in der Nachbarschaft Sachen angezündet und Turnschuhe und Laptops geklaut, sondern der würde sich dann darin äußern, dass man bewaffnet mit einem Programm losgeht und versucht, dem Kapital das Eigentum an Produktionsmitteln und dem Staat die Gewalt über die Gesellschaft streitig zu machen. [zurück]