…einerseits beteiligen sich jetzt auch die SchülerInnen am Kampf. Die Regierung
fürchtet, daß die Situation sich in Richtung eines “griechischen Szenarios”
entwickelt. Ein früherer Kampf der SchülerInnen und StudentInnen gegen die
CPE-Reform (hier weitere Infos dazu) im Jahr 2006 war erfolgreich und endete
in der Rücknahme eines bereits erlassenen Gesetzes.
Die franzöische Jugend, die unter dauernder Polizeirepression leidet, bringt
nun all ihren Ärger über dieses System und besonders über die Polizei zum
Ausdruck. In einigen großen Städten und den Vororten von Paris gab es sehr
harte Auseinandersetzungen mit den Anti-Riot-Einheiten, aber auch in anderen
Städten in Frankreich und in Kleinstädten.
Zunächst kritisierte die Regierung die Jugend als manipuliert und meinte,
deren Platz sei in den Schulen und nicht auf der Straße. Aber da die Regierung
vor Jahren ein Gesetz erlassen hatte, daß Teenager im juristischen Sinne als
strafwürdig gelten können, war ihre Antwort: wenn sie alt genug seien, um mit
13 ins Gefängnis zu gehen, dann seien sie auch reif genug, um über Politik zu
diskutieren und auf der Straße zu demonstrieren.
Nun versucht die Regierung, die Furcht vor “jungen Rabauken” zu schüren, die
sich nur beteiligten, um alles kaputtzuschlagen und Gewalt auszuüben. Dieses
Argument zieht in Wirklichkeit nicht (jedenfalls bisher) und die Leute
unterstützen die Bewegung immer noch.
Auf der anderen Seite halten die ArbeiterInnen in einigen strategischen
Sektoren wie Transport, Häfen und der wichtigen Energieversorgung ihren Streik
aufrecht und erhöhen das Ausmaß der Kämpfe noch.
Mindestens zwei Drittel der Energieversorger haben keinen Nachschub mehr
(teils wegen der Blockaden, teils weil es wegen der Furcht, ohne Benzin
dazustehen, auf einen Run auf die Tankstellen kam… Daher war diese
irrationale Panik den Streikenden eine große Hilfe dabei, ein Chaos
anzurichten… :)
Die Nachschubkette bei Treibstoff kam fast zum Erliegen. Dies würde zu einem
völligen Zusammenbruch der Wirtschaft führen. Daher hat der Präsident
höchstselbst heute beschlossen, daß Armee und Polizei eingreifen und die
Treibstofflockaden auflösen sollen. Die ArbeiterInnen beschlossen, sich auf
keine Konfrontation mit der Polizei einzulassen, sondern die Aktionen mit
anderen Mitteln fortzusetzen.
Außerdem können wir den Anfang von Selbstorganisation in einigen Städten
und/oder Sektoren beobachten. Auch wenn die selbstorganisierten Gruppen und
Bewegungen noch nicht sehr umfangreich sind, können sie eine deutliche Wirkung
auf die allgemeine Bewegung haben.
In Toulouse zum Beispiel hat die örtliche CNT-AIT zu Öffentlichen
Versammlungen aufgerufen. Der Zweck dieser Öffentlichen Versammlungen ist es,
zu freier Meinungsäußerung zu gelangen und Politik nicht nur als Sache von
Spezialisten oder Berufspolitikern zu sehen, um das Selbstdenken und die
Selbstorganisation zu fördern. Waren es bei den ersten Demos zuerst nur 50
TeilnehmerInnen, wuchs die Zahl um das Zehnfache (300 am 2. Oktober, 500 am
12. Oktober, am 16. 500 bis 700). Diese Öffentlichen Versammlungen verliegen
ruhig und entschlossen. Als zum Beispiel am 2.10. Anti-Riot-Polizei die
Öffentliche Versammlung aufforderte, sich aufzulösen, weigerten sich die Leute
und sagten der Polizei, sie würden nicht weichen. Die Öffentliche Versammlung
blieb zusammen, setzte ihre Diskussion fort und besetzte und blockierte dabei
das Stadtzentrum. Da die Polizei die Macht dieser Versammlung erkannte, wagten
sie keine Konfrontation. Nach drei Stunden der Besetzung ging die Öffentliche
Versammlung in eine spontane Demonstration im Stadtzentrum über. Und jetzt
verbreitet sich dieses Organisationsform; weitere werden in der Mirail-
Universität organisiert und in anderen Städten wie Auch, Montauban, Figeac
(dort gibt es weitere CNT-AIT Ortsgruppen) oder auch in Poitiers (dort gibt es
keine).
Zur Polizeirepression: in anderen Städten sind die gerade reichlich nervös.
Sie gehen sehr brutal vor. In der Stadt Caen haben sie einem Demonstranten
eine Tränengasgranate direkt ins Gesicht geschossen. Der Aluminiumbehälter der
Granate hat sich in seinen Schädel gebohrt und es ist nur dem Zufall zu
verdanken, daß er nicht dabei getötet wurde. Die CNT-AIT Caen steht in engem
Kontakt zu seiner Familie. Wir werden euch über diesen Fall unterrichtet
halten. In Montreuil, einem Vorort von Paris, wurde einE SchülerIn von einem
Polizisten mit einem “flash ball” angeschossen, hat dabei das halbe Gesicht
verloren und wird möglicherweise auch ein Auge verlieren.
In vielen anderen Städten und insbesondere in den Hafenstädten wie St Nazaire,
Le Havre, Boulogne gab es harte Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und
der Polizei.
Seit dem Beginn der Aktionen nahm die Polizei mehr als 1.300 Personen bei
verschiedenen Aktionen fest.
Abgesehen von diesen spektakulären Kämpfen werden zahlreiche kleinere Aktionen
organisiert, um einen Generalstreik populär zu machen. Zum Beispiel nahmen wir
am 13. Oktober an einer Streikpostenkette vor der Peugeot-Fabrik in Aulnay
teil, um weitere ArbeiterInnen dazu aufzurufen, sich der Bewegung
anzuschließen. Wir müssen aber sagen, daß - obwohl viele ArbeiterInnen die
Bewegung unterstützen - viele sich nicht dem Streik anschließen können, da sie
hohe Schulden haben, die sie abzahlen müssen. Daher planen wir auch Aktionen,
an denen sich Personen beteiligen können, ohne dabei ihr Einkommen zu
verlieren, wie Sabotage, Bummelstreik, ökonomische Blockaden… Zum Beispiel
streiken die Angestellten der Universitätsbibliothek Paris XIII täglich
abwechselnd. Dadurch wird das System angehalten, aber die ArbeiterInnen
verlieren nicht zu viel….
Wir möchten auch den Fokus der Bewegung auf das Kapital in seinen
internationalen Aspekten richten, In Clermont Ferrand zum Beispiel
organisierte unsere Ortsgruppe während der letzten Demonstration eine Soli-
Aktion mit den peruanischen ArbeiterInnen vor einem Zara-Laden.
Da es ab dem kommenden Samstag wegen Feiertagen eine freie Woche gibt, hofft
die Regierung, daß dieser Urlaub die SchülerInnenbewegung auflösen wird und
die Bewegung anschließend nicht wieder in Gang kommt.
Fortsetzung folgt.
Für die Weiterentwicklung des Anarchosyndikalismus und der IAA,
mit solidarischen Grüßen,
die Mitglieder der CNT-AIT Paris
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Was wir über die französischen Renten NICHT erfahren
Die Lebenserwartung ist gestiegen und damit wird sich der Prozentsatz der
RentnerInnen von 20% im Jahr 1960 auf 50% im Jahr 2050 erhöhen. Allerdings ist
auch die Zahl der Personen, die in die Rentenkasse einzahlen, bis zum Jahr
2010 kontinuierlich gewachsen. Die durchschnittliche Produktivität wuchs
zwischen 1960 und 2010 um brausende 500%. Wird diese Produktivität
beibehalten, kann einE ArbeiterIn 2010 die Bezüge eines Rentners ebenso leicht
finanzieren wie 20% der Rente im Jahr 1960. Ein Problem dabei ist, daß selbst
offiziellen Zahlen zufolge 23 % der jungen Bevölkerung keine Arbeit hat und
nichts zur Rentenkasse beitragen kann.
Der schlimmste anzunehmende Fall des Rentenplankomitees sagt für 2010 ein
Defizit von Euro 120 Milliarden voraus, das wären 3% des franösischen
Bruttoinlandsprodukts. Es gibt aber eine Tatsache, die die gutbezahlten
Panikmacher euch vorenthalten möchten: Frankreich ist ein sehr reiches Land.
Während der letzten 20 Jahre verdoppelte sich das BIP und wird sich bis 2050
nochmals verdoppeln. Während der letzten 30 Jahre fand ein Transfer von 10%
des BIP von den Arbeitenden hin zu den Profitnehmenden statt. Das sind mal
eben achtmal mehr als das gegenwärtige Defizit des nationalen Rentenfonds.
Wenn Rentendefizite durch den Transfer zu den ohnehin Reichen verursacht
werden, gibt es keinen Aufschrei in den kommerziellen Medien. Diejenigen, die
die kontrollierenden Anteile an den Medienkonzernen halten, sind bereits zu
reich, um sich um Renten noch zu sorgen.
Die sogenannten Reformen von 1993, 2003 und 2007 haben bereits dazu geführt,
daß die Renten um 15-20% geringer wurden. Dies drückte über eine Million
ältere MitbürgerInnen unter die Armutsgrenze. Die Hälfte der gerade in Rente
gegangenen ArbeiterInnen erhält weniger als Euro 1.000 im Monat. Die am
härtesten getroffene Gruppe sind die Frauen, die zugunsten der Kindererziehung
ihre Berufstätigkeit unterbrachen.
Das größte Risiko ist, daß das Beitragssytem ersetzt wird durch ein auf
Kapital basierendes System. Wir haben 2008 gesehen, wohin das führt. Da wird
dann bald eine weitere mysteriöse und unvorhersehbare Krise eintreten und die
Politiker werden die Rentengelder den Milliardären und ihren Megakonzernen in
die Hand drücken, während es Millionen von Menschen gibt, die zu alt zum
Arbeiten und zu jung zum Sterben sind.
Sofern der politische Wille besteht, gibt es viele Alternativen. Defizite
können abgebaut werden, wenn Steuererleichterungen und Subventionen für die
Reichen abgeschafft werden. Vergegenwärtigt euch nur diese Zahl: Dividenden
machen 10% des französischen BIP aus.
Wie so häufig gibt es keine “objektiven Zwänge”, die Rentenkürzungen “leider
notwendig” machen - es gibt nur die Gier der Reichen und deren Lügen.
Die bedingungslose Kapitulation oder Widerstand - wir müssen uns entscheiden,
in Frankreich und anderswo.
Weitere Tatsachen, die die Bosse euch zum gegenwärtigen Kampf vorenthalten
wollen, erfahrt ihr auf:
http://cnt-ait.info
<http://www.cnt-f.org/>