Gefangener im Iran: Interview mit Marcus Hellwig

16. Februar 2012 Autor: Richard Herzinger

In der WELT erschien am Mittwoch mein Interview mit Marcus Hellwig. Der Reporter der “Bild am Sonntag” war am 19. Februar vergangenen Jahres nach 132 Tagen in einem Geheimgefängnis der Revolutionsgarden aus iranischer Haft entlassen worden. Hier auf “Freie Welt” können Sie im Folgenden eine ausführlichere Fassung des Interviews lesen.

Hellwig und der Fotograf Jens Koch waren im Herbst 2010 mit einem Touristenvisum in den Iran eingereist – verfolgten damit jedoch die Absicht, über das Schicksal der zum Tode durch Steinigung verurteilten angeblichen Ehebrecherin Sakineh Ashtiani zu berichten. Während eines Gesprächs mit dem Sohn der Verurteilten und ihrem Anwalt in dessen Kanzlei wurden die beiden Deutschen in der nordiranischen Stadt Täbris verhaftet. Lange Zeit schwebte das Damoklesschwert einer Anklage wegen Spionage über den beiden Journalisten – ein Delikt, für das in der Islamischen Republik Iran die Todesstrafe droht. Zunächst in Einzelhaft gehalten, dann mit bis zu drei iranischen Gefangenen in eine Zelle von etwa 30 Quadratmetern gesperrt, war Hellwig unter anderem dem Entzug von Sonnenlicht und Schlaf ausgesetzt, und wurde während der Verhöre geschlagen. Immer wieder musste er in dem Geheimgefängnis, in dem man ihn festhielt, die Schreie gefolterter Häftlinge mit anhören.

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Assads willige Beschützer: Russland, China und die deutsche Linkspartei

12. Februar 2012 Autor: Richard Herzinger

Russland und China haben mit ihrem Veto gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats zur Verurteilung des massenmörderischen syrischen Regimes aller Welt in entlarvender Offenheit gezeigt, was von dem neumodischen Gerede von einer “multipolaren Weltordnung” oder dem Aufkommen “neuer Kraftzentren” in der Weltpolitik zu halten ist, mit denen man – bar jeder “westlichen Arroganz” – auf Augenhöhe zu kooperieren und die “globale Verantwortung” zu teilen habe. Tatsächlich kennen die posttotalitäre kommunistische Diktatur in Peking und das autokratische Waffenhändlerregime in Moskau kein anderes Verantwortungsgefühl als das für die reibungs- und rücksichtslose Durchsetzung ihrer nackten Macht- und Geschäftsinteressen, weswegen sie bei aller sonstigen Gegensätzlichkeit reflexhaft die Reihen schließen, geht es um den Schutz sowie um die Aufpäppelung und Ausrüstung mörderischer Diktatoren rund um die Welt. Zynischerweise verkauft diese “Achse der Destruktion” (André Glucksmann) dem Publikum ihre brutale Machtpolitik an der Seite verkommener Tyranneien jedoch als edles, selbstloses Eintreten für die Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, deren Souveränität es vor der “imperialistischen” Einmischung und Anmaßung des Westens, allen voran Amerikas, zu bewahren gelte. Als eine besonders diabolische Ausgeburt westlichen Vorherrschaftsstrebens gilt den Machthabern in Moskau und Peking dabei die sich weltweit ausbreitende Demokratisierungsbewegung, die zu ihrem Ärger vor scheinbar verlässlichen antiwestlichen Despotien wie denen in Syrien und im Iran nicht Halt machen will.

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Von Vietnam bis Afghanistan oder: Der zweite Verrat

3. Februar 2012 Autor: Richard Herzinger

In meinem jüngsten Leitartikel in der WELT zur bevorstehenden Kapitulation der Nato-Staaten in Afghanistan (siehe hier) erwähne ich die etwa 1,6 Millionen vietnamesischen “Boatpeople”, die nach der Machtergreifung der Kommunisten in Südvietnam und dem fluchtartigen Abzug der nach dem “Friedensabkommen” zwischen Nord- und Südvietnam von 1973 im Land verbliebenen US-Truppen der totalitären Diktatur in kleinen Booten über das offene Meer zu entkommen versuchten. Parallelen zur Situation in Afghanistan drängen sich auf. Zieht die Nato ab, werden blutige Kämpfe und am Ende die Rückkehr der Taliban an die Macht die wohl unweigerliche Folge sein. An eventuelle Übereinkünfte, die vom Westen (im Einklang mit der korrupten, zwielichtigen Karsai-Regierung) als Alibi für ihre Nix-wie-weg-Politik vorher noch mit vermeintlich “gemäßigten” Taliban-Führern getroffen werden könnten, werden sich die Radikal-Islamisten in keiner Weise gebunden fühlen.

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Vietnamesische Boatpeople Ende der 70er Jahre

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Ägypten: Mit 70 Prozent für Islamisten in die Demokratie?

21. Januar 2012 Autor: Richard Herzinger

Auf ARTE werden seit einiger Zeit als Zwischenprogramm kurze Clips mit Stimmen aus der arabischen Welt gesendet. Kürzlich gab dort ein junger Ägypter ein flammendes Bekenntnis zur Demokratie ab. Auf die Nachfrage, was genau für ihn Demokratie bedeute, meinte er: “Vor allem, mit der westlichen Politik zu brechen.” Eine ägyptische Wählerin der Muslimbrüder erklärte anderntags, Frauen könnten in der Demokratie durchaus eine wichtige Rolle spielen und Seite an Seite mit den Männern arbeiten – im Rahmen der Einschränkungen, die durch die Scharia vorgegeben seien. Die Salafisten seien ihr in der Auslegung der Scharia zu radikal, sie würden zum Beispiel einem Dieb sofort die Hand abhacken. Die Muslimbrüder dagegen würden “erst einmal nach den sozialen Umständen fragen”. Erst einmal. Sie befürworte, fuhr die Frau fort, durchaus Gesetze zur Geschlechtertrennung etwa in Schulen “und auf öffentlichen Plätzen”, wie sie “zum Beispiel in Saudi-Arabien” gelten. Doch heute sei das ägyptische Volk dafür noch nicht bereit, deshalb sollte darauf einstweilen verzichtet werden. Wenn die Muslimbrüder aber erst einmal an der Regierung seien und das Volk Vertrauen in sie gefasst habe – warum solle man dann solche Gesetze nicht auch in Ägypten einführen?

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Syrien: Zuschauen beim Massenmord

12. Januar 2012 Autor: Richard Herzinger

Ungeachtet der Anwesenheit von Beobachtern der Arabischen Liga in Syrien mordet das dortige Regime ungerührt weiter. Man kann sogar sagen: Es ist die Präsenz dieser Alibi-Mission, die den Schergen des Diktators Baschar al-Assad das ungestörte Weiterwüten gegen die eigene Bevölkerung ermöglicht. Seit die mit großem diplomatischem Getöse vorbereitete Bobachtermission im Land ist, liegt die Opferzahl mit etwa 40 Toten pro Tag jedenfalls noch höher als vor deren Ankunft. Eine “Farce” und “Inszenierung” nannte jetzt einer dieser “Beobachter”, der Algerier Anwar Malek, das zwielichtige Unternehmen, und quittierte angewidert den Dienst. Tatsächlich dient die Delegation der Arabischen Liga dem syrischen Regime als Flankenschutz, der es vor möglichen Sanktionen der arabischen “Bruderländer” bewahrt. Nach Belieben füttert das Regime die observierenden Pappkameraden mit Falschinformationen und lässt sie nur dessen ansichtig werden, was in seine Propagandastrategie passt.

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David Bowie was never called an asshole

8. Januar 2012 Autor: Richard Herzinger

Der einzigartige David Bowie wird heute 65 Jahre alt. Warum dieses unerreichte Unikat der Rockgeschichte niemals klang und wirkte wie ein “boring old fart” (Johnny Rotten), also wie ein pompös-nostalgisch verschwiemelter “Rock-Oldie”, sondern warum alles was er jemals machte, unverwechselbare Klasse, geradezu traumhaft Stilsicherheit und originäre Kraft und Frische besaß – dafür steht (statt großer Worte) diese atemberaubende, völlig eigenständige Version von “Pablo Picasso”, eines der schrägsten Songs des schrägen Prä-Punk-Singer/Songwriters Jonathan Richman. Sie stammt von Bowies fantastischer Platte Reality (2003), seiner bisher letzten…

Pablo Picasso, Textauszug:

(…) Well some people try to pick up girls / They get called assholes / This never happened to Pablo Picasso

The girls would turn the colour of a juicy avocado / When he would drive down their street in his El Dorado

He could walk down your street / Girls could not resist his stare / So Pablo Picasso was never called an asshole / Not like you / Wow!

(…) Well he was only 5’3″ / But girls could not resist his stare / Pablo Picasso never got called an asshole / Not in New York / Wow!

Und hier noch als Bonus: Ziggy Stardust, 1972 und 2002

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Die Befreiung der Frau ist die Menschheitsfrage der Gegenwart

5. Januar 2012 Autor: Richard Herzinger

Die “Frauenfrage” sei ein “Nebenwiderspruch” im großen historischen Prozess, hieß es einst in der linken Dogmatik. Auch in diesem Punkt hat die Wirklichkeit die marxistische Geschichtsreligion Lügen gestraft. Denn der Aufbruch der Frauen ist das entscheidende revolutionäre Element in der sich zuspitzenden globalen Auseinandersetzung zwischen Demokratie und despotischer Willkür, die heute die wesentlichen Alternativen der Menschheit sind.

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Avantgarde humanen Fortschritts. Junge Frauen beim Protest im Iran 2009

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Obama wird die militärische Option gegen Irans Regime nicht scheuen

1. Januar 2012 Autor: Richard Herzinger

Nach der Drohung, die Straße von Hormus zu sperren, falls es zu schärferen internationalen Sanktionen gegen das iranische Atomprogramm kommen sollte, und dem Test von Langstreckenraketen, die US-Stützpunkte im Nahen Osten erreichen könnten, bietet das iranische Regime plötzlich wieder neue Atomverhandlungen an. (Die EU hat sich dazu in gewohnter Beflissenheit schon flugs bereit erklärt.) Die iranische Führung setzt somit auf eine Neuaflage ihres altbekanntes Verwirrspiels und versucht – durch die bereits bestehenden internationalen Strafmaßnahmen merklich unter Druck geraten -, seine bewährte Verschleppungstaktik anzuwenden: einerseits Drohungen auszustoßen, andererseits Kompromissbereitschaft zu simulieren, um Zeit zur Fortentwicklung seines Atomprogramms zu schinden. Ob sich die USA davon aber noch länger an der Nase herumführen lassen, kann füglich bezweifelt werden. Und dass sich Barack Obama vom iranischen Säbelrasseln einschüchtern lassen würde, sollte selbst der irrste Hasardeur in der Führungsclique der Islamischen Republik Iran nicht ernsthaft glauben. Im Gegenteil, mit seinen exzessiven Drohgebärden liefert Teheran die Hintergrundmusik frei Haus, die es der US-Administration erleichtern würde, der Öffentlichkeit im Falle eines Falles die Unausweichlichkeit eines Militärschlags gegen die iranischen Atomanlagen (und möglicherweise andere militärische Ziele) zu vermitteln.

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Václav Havel oder: Die Sehnsucht nach dem Unvollkommenen

22. Dezember 2011 Autor: Richard Herzinger

Um zu begreifen, was den vor wenigen Tagen gestorbenen Václav Havel zu einer der bedeutendsten Gestalten der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gemacht hat, und warum sein Erbe ein unverzichtbarer Bestandteil europäischen Freiheitsbewusstseins ist, lohnt noch einmal die Lektüre seiner Preisrede zur Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Oktober 1989 in der Frankfurter Paulskirche – aber auch der Laudatio, die der französische Philosoph André Glucksmann dort gehalten hat (Beides finden sie in voller Länge hier). Die Preisverleihung fand inmitten des beginnenden Zusammenbruch des kommunistischen Systems, aber noch vor dem Fall der Mauer und dem Ausbruch der “samtenen Revolution” in der Tschechoslowakei statt. Havel durfte damals natürlich nicht nach Frankfurt ausreisen und ließ seine Rede von einem guten Freund, dem großen Schauspieler Maximilian Schell , verlesen. Es war Glucksmann, der im Blick auf die Flüchtlingswellen aus dem Ostblock den Kerngedanken der osteuropäischen Dissidentenbewegung zusammenfasste, der nunmehr die Massen ergriffen hatte: “Wollen Sie wirklich wissen, warum sie weggehen? Wollen Sie wissen, was den Schritt der Flüchtlinge lenkt? Dann lesen Sie Havel. Er berichtet ganz genau, was jeder Neuankömmling unmissverständlich zu erkennen gibt: ´Ich will nicht als Trottel sterben.´”

havelVáclav Havel (1936-2011)

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Schützt Marlene Dietrich vor dem Vergleich mit Leni Riefenstahl!

17. Dezember 2011 Autor: Richard Herzinger

Zum wiederholten Mal wird Marlene Dietrich mit der Nazi-Propagandistin Leni Riefenstahl in einen willkürlich hergestellten Zusammenhang gebracht. Vor einigen Jahren bereits gab es ein von der deutschen Kritik bejubeltes Theaterstück, das die beiden als zwei “preußische Diven” zusammenspannt und in dessen albernem Titel beider Vornamen putzig zusammenverballhornt wurden: “Marleni”. In dem Stück wird eine persönliche Auseinandersetzung zwischen der Dietrich und dem filmedrehenden Führerliebchen herbeifantasiert, vor welchem die weltberühmte Aktrice und entschlossene Kämpferin gegen die NS-Barbarei vermutlich nur voller Verachtung ausgespuckt hätte, wäre sie ihm tatsächlich je begegnet. Jüngst ist nunmehr ein Buch erschienen, in dem Marlene Dietrich und Leni Riefenstahl als Verkörperungen des “Traums von der neuen Frau” auf Augenhöhe nebeneinandergestellt werden. Ich habe dieses Buch nicht gelesen und will der Autorin Karin Wieland inhaltlich nichts weiter Böses unterstellen. Mich empört vielmehr schon die schlichte Tatsache, dass Name und Gestalt Marlene Dietrichs, die nicht nur einer der ganz wenigen wahrhaft glamourösen deutschen Weltstars war, sondern auch – was noch seltener ist – eine vorbildliche deutsche Freiheitsheldin, in einem Atemzug mit einer Person genannt wird, die den Beginn ihrer künstlerische Karriere der Gunst Adolf Hitlers und die Fortsetzung dieser Karriere nach 1945 ihrem erfolgreichen Versuch verdankt, sich dumm und naiv zu stellen, um sich so der Verantwortung für ihre propagandistischen Machwerke im Dienste der NS-Herrschaft entziehen zu können.

 

Alleine die Art, wie Marlene in dieser Radioaufnahme: “Hello, boys” sagte, hätte wohl gereicht, die gesamte US-Armee zu einem “speedy victory” zu motivieren…

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