Mittwoch, September 07, 2005

Das Ende vom Schweigen
Ich muss gestehen, dass ich nicht gedacht hätte, es würde sich jemand sorgen, wenn ich sozusagen für eine Weile aus dem Internet abtauche. Aber nachdem mich Klaus-Peter sogar zu Hause anrief, weil er durch mein Schweigen beunruhigt war, und ich nach längerer Zeit wieder auf mein Blog schaute und sah, dass auch hier sich einige schon sorgten, darf ich Entwarnung geben: bei mir ist nicht mehr in Unordnung, als quasi normal.

Ich habe allerdings einen Providerwechsel mit Hindernissen hinter mir, bin nunmehr aber wieder auch privat im Web unterwegs. Dummerweise existiert meine alte e-mail-Adresse immer noch bei meinem alten Provider, obwohl ich selber keinen Zugriff mehr darauf habe (was heisst, dass dort zwar Mails entgegengenommen werden, diese mich aber nicht erreichen). Auch Webspace habe ich noch, wie man an meinem Impressum sieht, aber auch hier das gleiche: ich habe selber keinen Zugriff darauf. Nunja, mein ehemaliger Provider ist ein Staatsbetrieb, Änderungen vollziehen sich hier mit der Geschwindigkeit eines Gletschers.

Mittlerweile habe ich auch wieder eine neue e-mail-Adresse und sie im Blog eingetragen, im Impressum demnächst, sobald ich es auf den Servern meines neuen Providers habe.

So wie auch letztes Jahr habe ich mir im Sommer einfach eine längere Auszeit gegönnt, werde aber jetzt, da der Herbst kommt, wieder anfangen zu schreiben.

Grüße an alle, die mich vermissten!

Mittwoch, Juli 13, 2005

wie sich die Zeiten nicht ändern
"... Manchmal lächle ich still vor mich hin, mit einem Anflug von Traurigkeit, wenn ich merke, dass es Menschen gibt, die meinen, ich würde dich und andere in eine sehr schwierige, hohe und seltsame Sache einführen, die nur für große und gelehrte Köpfe verständlich sei. Wohlgemerkt, dies sagen nicht die einfachen Menschen ohne Bildung, sondern Gelehrte und berühmte Theologen. Diesen möchte ich sagen, ihre Auffassung sei zu bedauern und gäbe Aufschluss über den inneren Zustand derer, die sich Gott geweiht haben. Ausser dem einen oder anderen Freund Gottes sind heute fast alle durch eine unkontrollierte Jagd nach der neuesten Theologie oder nach den Erfindungen der Naturwissenschaft so blind geworden, dass sie den Sinn dieser einfachen Übung nicht mehr verstehen. Eine Übung, so einfach, dass selbst ein Mensch ohne viel Bildung dadurch zu einer echten Vereinigung mit Gott finden kann in der erfüllten Ungeteiltheit vollkommener Liebe. Leider können jene verbildeten Menschen das kaum verstehen, so wenig wie ein Schulanfänger die schwierigen Gedanken gescheiter Theologen. ..."

Oh, wie sich die Zeiten nicht ändern! Diese Schelte wider die Theologen und Gelehrten, jene Blinden, die dennoch führen wollen, sie stammt von dem unbekannten Verfasser von "The Cloud of Unknowing" und "The Book of Privy Counseling" (Die "Wolke" hier auf Englisch im Public Domain), kleinen Werken zum geistlichen Leben, dessen Einfluss im angelsächsischen Raum wohl jenem der Nachfolge Christi des Thomas von Kempen vergleichbar ist. Auch damals, im 14. Jahrhundert, pochten sie auf ihre Deutungsmacht, dass nämlich nur das gut sei, was von ihnen gutgeheissen werden; und was den Horizont dieser Jäger nach der jeweils "neuesten Theologie oder nach den Erfindungen der Naturwissenschaft" nicht berührt, was sie aus Verbildung nicht verstehen, das wird von ihnen als abwegig verworfen und als seltsame Sache verschrien. Bevor ich mir aber wieder unfreundliche Kommentare einhandle ob dieser Attacke wieder die Berufschristen und Theologen, ich gar wieder einer Verleumdung bezichtigt werde: nicht ich habe diese Attacke geritten, nicht aus meiner Feder ist diese Beurteilung geflossen, sondern aus dem Kiel jenes längst schon heimgegangenen Mannes, dessen Name und Stand unbekannt blieb. Von mir stammt nur die Überzeugung, die Zeiten, die Menschen, sie ändern sich nicht. Mensch ist Mensch geblieben, in seinen Stärken, in seinen Schwächen.

Donnerstag, Juli 07, 2005

Rede, Herr; denn dein Diener hört
"Wenn er dich ruft, dann antworte: Rede, Herr; denn dein Diener hört" (1 Sam 3,1). So riet der Priester Eli dem jungen Samuel. Der Rat birgt den Keim des Gebetes der Sammlung in sich. Dieses Gebet nistet in jenem Moment eines Gesprächs, in dem man aus dem Reden in das Schweigen eintritt, nicht länger mehr Worte schwingt, sondern sich dem Anderen zuwendet, um dessen Rede zu lauschen. Man spricht nicht mehr, man hört. Ist einem der Andere wichtig, liebt man ihn gar, ist man ganz Aufmerksamkeit, um nichts von dem zu versäumen, was gleich, im nächsten hauchdünn nur entfernten Moment, der Andere spricht.

Rede, Herr; denn Dein Diener hört.

Etwa 20 Minuten sitze oder kniee ich so in aufrechter Haltung. Und lausche. Natürlich ist es mir nicht möglich dabei beständig reine Aufmerksamkeit zu sein; alle möglichen Gedanken - gute, kluge, dumme, böse - steigen aus mir empor und buhlen um Aufmerksamkeit und Gehör. Ich aber versuche sie alle nicht weiter zu beachten. Es ist auch hier nicht anders als bei einem Gespräch, wenn man der Antwort des Gegenübers lauscht. Mögen auch um mich herum Reden geschwungen werden und ein Stimmenwirrwarr herrschen, ich achte dennoch nicht darauf, sondern richte meine Aufmerksamkeit auf mein Gegenüber, damit mir kein Wort seiner Rede entgeht. Gleicherweise beachte ich auch diese Gedanken nicht weiter, sondern lasse sie einfach ziehen. Und sollte sich ein bestimmter Gedanke allzu aufdringlich gebaren und meine Aufmerksamkeit an sich binden, so rufe ich das eine heilige Wort zu Hilfe, das mir als Stütze und Geländer dient, an dem ich mich zurück in die Aufmerksamkeit taste, die ein Lauschen ist auf Gott. Mein heiliges Wort ist jenes, das mir, wie ich gestern schrieb, in gefährlichen Situationen ohne Überlegung aus der Seele fährt. Für andere mag ein anderes Wort heilig sein, mir ist es dieses in besonderem Maße. Der Name, den ich anrufe, gibt meiner Aufmerksamkeit Ziel und Sinn. Zu manchen Zeiten muss ich das Wort, den einen Namen, nicht allzu häufig zu Hilfe rufen; zu anderen Zeiten kehre ich oft und oft zu ihm zurück. Manchmal höre ich eben einigermaßen passabel, nicht selten aber bin ich gleichsam stocktaub.

Mittwoch, Juli 06, 2005

Vom Beten
Zur Zeit lese ich gerade Thomas Keatings Das Gebet der Sammlung, ein kleines Buch aus dem Vier-Türme-Verlag der Abtei Münsterschwarzbach. Ein Buch über das Beten. Beten ist ein seltsames Geschäft. Einerseits ist es von großer Einfachheit: es gibt wohl niemanden, der es nicht zustande brächte, besonders in Zeiten der Not. Ich für mein Teil denke da an die eine oder andere haarige Situation auf der Strasse, wo es knapp herging, und mir dabei wie ein Blitz der Gedanke - vielmehr: das Gebet - "Christus" durch den Kopf fuhr, ein Hilferuf und Griff nach dem letzten Rettungsseil, wenn man so will. Ehrlicher ist wohl keins meiner Gebete gewesen.

Aber auch sonst gibt es Gelegenheiten, wo Beten von größter Einfachheit und Selbstverständlichkeit ist, in der Liturgie etwa, oder im Chorgebet, wo die eigene Stimme eine unter mehreren Stimmen ist und mein Gebet wie ein Schwimmer im Fluss von der Strömung des gemeinschaftlichen Gebets getragen wird.

Und dann - das leider unvermeidliche "andererseits" - geht man - ich - in eine Kirche, kniee mich hin, beginne zu beten ... und ertappt mich dabei, dass ich zwar damit begann zu Gott zu sprechen, schließlich aber nur mehr zu mir selber spreche, über die eigenen Probleme und Gedanken zu räsonieren beginne. Und was, über die vorgegebenen Gebete hinweg, hätte ich Gott schon zu sagen, was er nicht schon vor aller Zeit von mir und über mich wusste? Wobei natürlich mein Gebet nicht Gott dient, sondern mir. Ich bin es, nicht Gott, der des Gebets bedarf. Aber wie beten? Jedenfalls nicht so, dass ich "plappere wie die Heiden", mehr zu mir, denn zu Gott spreche, und nicht so, dass ich mich in den Worten verfange, und an ihnen hängen und kleben bleibe.

Father Thomas KeatingEine lange Einleitung für die wenigen Worte, die ich eigentlich über dieses Buch schreiben wollte. Verfasst wurde es also von Thomas Keating, Trappist und vormaliger Abt der Abtei Saint Joseph in Massachusetts in den Vereinigten Staaten. Sein an die Praxis angelehntes Büchlein, ausdrücklich an Laien adressiert die mitten in der Welt und im Berufsleben stehen, hat mir einen Weg eröffnet zu einem Gebet, das nicht viele Worte braucht. Um genau zu sein, benötigt es nur eines, ein "heiliges Wort", wie Keating es nennt. Und auch dieses nur dann, wenn es notwendig ist um zum eigentlichen Gebet zurückzufinden.

Zu mehr habe ich jetzt keine Zeit. Heute abend darüber mehr. Nur soviel noch, dass ich nunmehr begonnen habe die ersten stolpernden Schritte auf den Weg zu setzen, den dieses kleine Buch beschreibt: Das Gebet der Sammlung.

Montag, Juni 27, 2005

Generalaudienz Benedict XVI vom 22.06.2005
Des Papstes Katechese (mp3) vom Mittwoch vergangener Woche (ja, ich weiss, ich bin damit spät daran, aber die ersten beiden Tage nach der Audienz war die Audio-Datei noch nicht online gestellt, und über das Wochenende nahm ich mir nicht die Zeit danach zu sehen), die Katechese also zum Psalm 124 spricht uns vom rettenden Eingreifen Gottes. Gott ist keiner, der unbewegt abseits der Geschichte steht, wenn sich "die wilden und wogenden Wasser" über seine Kinder ergießen, sondern ist vielmehr Retter aus der Not. Die Netze der Bedrängnis zerreisst er, sodass unsere Seele den Verfolgern zu entkommen weiss und wie ein Vogel himmelwärts steigt.

Der Christ, sagt uns der Papst, weiss: "Gott steht auf der Seite der Bedrängten, Verfolgten und Unterdrückten, die Tag und Nacht zu ihm rufen. Gerade wo menschliche Hoffnungen zerbrechen, wird die Größe seiner erlösenden Macht sichtbar. Die Antwort darauf ist das Bekenntnis des Psalmisten, das in die Liturgie Eingang gefunden hat: Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat."

Montag, Juni 20, 2005

vielleicht der gebildetste Mann seiner Zeit
Scipio und Ralf haben seiner bereits gedacht. Die Rede ist von Hans Urs von Balthasar, dem großen Schweizer Theologen und Gelehrten, der vor rund 100 Jahren geboren worden war. 1988 vom Papst zum Kardinal der katholischen Kirche ernannt, war es ihm nicht vergönnt die ehrende Würde des Kardinalsbirettes aus dessen Hand entgegenzunehmen. Er starb zwei Tage zuvor. Henri de Lubac, selber einer der großen der Theologenzunft im 20. Jahrhundert, bezeichnete ihn 1975 als den "vielleicht ... gebildetsten Mann seiner Zeit". Auf jeden Fall aber war er jener Theologe der wie kein anderer die gedankliche Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen abseits der Kirche suchte und pflegte. Dazu mag ihn besonders prädestiniert haben, dass er vor seinem Studium der Theologie bereits ein Doktorat in Philosophie und Germanistik erworben hatte. Er war übrigens auch leidenschaftlicher Pianist, in der Musik nicht minder bewandert und zu Hause wie in der Literatur. Sein erstes Werk überhaupt (aus dem Jahr 1925) trägt den Titel "Die Entwicklung der musikalischen Idee", 1955 folge die kurze Schrift "Bekenntnis zu Mozart" (das wäre eigentlich eine Pflichtlektüre für mich). Was mich persönlich an von Balthasar besonders anspricht, ist seine Beschäftigung mit der Literatur, mit den geistigen Strömungen, die sie transportiert. Und es sind nicht ausschließlich, sogar nicht vorwiegend religiöse literarische Stimmen, sondern gerade solche abseits der Religion, im tiefen Unglauben zu Hause. Nietzsche vor allem, aber auch andere, zeitgenössische, etwa Bert Brecht. Bernanos und Reinhold Schneider hat er eigene umfangreiche Werke gewidmet, kürzere Abhandlungen über die beiden las ich in Spiritus Creator. In diesem Werk las ich auch seine scharfsinnige Auseinandersetzung mit Brechts Dramen; vor allem seine Kommentare zu "Der gute Mensch von Sezuan" haben sich mir nachhaltig eingeprägt. Daraus resultiert auch unter anderem meine heutige Überzeugung, dass jegliche Erleichterung in Hinblick auf den Glauben - die "kleine Herabminderung der Vorschriften ... in Anbetracht der schlechten Zeiten" - unweigerlich dessen Erschwerung und Verunmöglichung nach sich zöge. Auf lange Sicht wird Glauben dadurch nicht einfacher, sondern schwerer, wenn nicht sogar unmöglich.

Interessant ist eine gegenwärtige Beobachtung aus der Dombuchhandlung in Salzburg. Im Regal das die Werke der bedeutenden Theologen des 20. Jahrhunderts fasst, ist Karl Rahner mit etwa ein Dutzend Werke vertreten. Die aneinandergereihten Werke von Balthasars, das sind schon einige Meter Buch. Da drückt sich durchaus eine Wertung aus. Es gab Zeiten, da war es gerade umgekehrt.

Samstag, Juni 18, 2005

Marienleben
Eins zu eins, so war in etwa das Verhältnis. Heute abend gab die Chorgemeinschaft Maria vom Guten Rat aus München-Schwabing in Salzburg ein Konzert, verbunden mit einer Lesung von Rilkes Marienleben. Gerahmt wurden Musik und Lesung von der Architektur der Dreifaltigkeitskirche, dem erste Kirchenbau Fischer von Erlachs in Salzburg, der nicht zufällig an die Kirchen Borrominis in Rom erinnert. Wer also barocke Architektur nicht scheut, sollte sich ein wenig Zeit für einen kurzen Besuch in der Dreifaltigskeitkirche gönnen. Dieses Bauwerk also stellte den bezaubernden Klangraum für eine Aufführung, bei der der recht ungewöhnliche Fall eines Verhältnisses von eins zu eins - nämlich gleich viele Zuhörer wie Sänger - zu verzeichnen war; und dies trotz (oder gerade wegen?) freiem Eintritt! Beides, Konzert wie Lesung, war durchaus auf hohem Niveau, und hätte sich ein zahlreiches Publikum verdient. Allerdings war die Ankündigung des Konzertes derart verborgen, dass auch mich nur der zufällige Griff nach einem Flugblatt auf einem Ablagebord in der Dombuchhandlung seiner kundig werden ließ. Gegeben wurden Marienmotetten von Brahms, Arcadelt, Franck, Schubert, Fauré, Aichinger, Luzzi und Saint-Saëns.

Rilkes Text ist nicht nur ästhetische Reflexion der Gestalt Mariens, sondern hat durchaus auch theologische Tiefe, wie man etwa an dem Stück Von der Hochzeit zu Kana sieht.

...
Aber da bei jenem Hochzeitsfeste,
als es unversehns an Wein gebrach, -
sah sie hin und bat um eine Geste
und begriff nicht, dass er widersprach.

Und dann tat er's. Sie verstand es später,

wie sie ihn in seinen Weg gedrängt:
denn jetzt war er wirklich Wundertäter,
und das ganze Opfer war verhängt,

unaufhaltsam. Ja, es stand geschrieben.
Aber war es damals schon bereit?
Sie: sie hatte es herbeigetrieben
in der Blindheit ihrer Eitelkeit.

An dem Tisch voll Früchten und Gemüsen
freute sie sich mit und sah nicht ein,
dass das Wasser ihrer Tränendrüsen
Blut geworden war mit diesem Wein.
Rainer Maria Rilke (1875-1926): Das Marienleben - Von der Hochzeit zu Kana

Das ist schon eine recht eindrucksvolle Interpretation des Berichtes im 2. Kapitel des Evangeliums nach Johannes (Joh 2,1-12). "...wie sie ihn auf seinen Weg gedrängt ...": mit der Geburt setzte sie ihn auf seine Lebensbahn, mit der Hochzeit zu Kana auf die Bahn seines öffentlichen Wirkens. Und damit war, wie Rilke dichtet, bereits alles spätere vorweggenommen, das ganze Opfer verhängt, Golgotha als Ziel ins Auge gefasst, das Kreuz ferne am Horizont sichtbar: "das Wasser ... Blut geworden mit dem Wein". Auch wenn man dies, ihr Drängen, nicht mit Rilke als Eitelkeit auffassen mag, sondern als Wille zum Guten, so hat doch ihr guter Wille Schmerz zur Blüte getrieben, und Tränen und Blut als Früchte getragen; letztlich allerdings auch Erlösung. Ist es das, wohin wahrhaft guter Wille, zum Guten, zum Bösen, zu allerletzt mit Sicherheit führt: zu Schmerz, Tränen und Blut, und darüber hinaus zu Erlösung? Und ist das eine vergangene Sache, alleine Jesus, dem Sohn Mariens, zugehörig? Oder etwas, das auch mich heute berührt? Ist das der Schoß, der meine Erlösung gebiert?

Donnerstag, Juni 16, 2005

Vigili del Fuoco

Dass in der Kirche so mancher Brandherd glost und lodert, ist nicht neu. Aber nicht mehr lange! Benedict XVI hat schon zum Feuerwehrhelm gegriffen ... ;-). - [Yahoo! News].

Mittwoch, Juni 15, 2005



Ein Mitbringsel von meiner Reise. Laut dem Zertifikat auf der Rückseite ist die Ikone Handarbeit, gearbeitet nach der alten traditionellen Weise der byzantischen Kunst; Eitempera und Gold auf altes Holz. Gemalt wurde sie von einem der Mönche in Camaldoli, wo ich sie auch erwarb. 55 Euro, das ist sehr günstig (die Dombuchhandlung in Salzburg verkauft auch Ikonen; vergleichbare Stücke liegen preislich zwischen 100 und 200 Euro). Als ich die ersten Tage im Klosterladen die ausgestellten handgemalten Ikonen bewunderte, gab es noch an die 6 Stück davon, allesamt unterschiedlichen Themen gewidmet. Als ich mir schließlich in der zweiten Woche dieses Stück - nunmehr "meine Ikone" - erwarb, gab es nur mehr drei davon (nach meinem Kauf also nur mehr zwei). Jetzt wird es vermutlich keine mehr geben, zumindest solange nicht der Mönch, der sich dem Ikonenmalen widmet, neue gemalt haben wird. Nachträglich bedauere ich, nicht noch eine weitere erworben zu haben, speziell diese eine, die Jesus im Kreis seiner Jünger beim Letzten Abendmahl zeigt.

Generalaudienz Benedict XVI vom 15.06.2005
Des Papstes heutige Katechese (mp3) zu den Psalmen war dem kurzen Psalm 123 gewidmet, den er in Hinblick auf das Gebet deutet. Im 2. Vers dieses Psalmes spricht der Beter vom Augenmerk, dass wir Gott zuwenden, um seine Gnade zu erfahren: "Wie die Augen der Knechte auf die Hand ihres Herrn, wie die Augen der Magd auf die Hand ihrer Herrin, so schauen unsre Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig ist."

Laut Benedict ist damit ein Verweis auf das Gebet insgesamt gegeben, das "einem geistigen Erheben der Augen, einem hoffnungserfüllten Aufschauen zu Gott gleicht", mit diesem "Blick richtet der Beter sein Innerstes, seine Seele auf den Herrn". Ohne dieses Aufschauen zu Gott, ohne Gebet, ist unser Leben in Gefahr sein Ziel zu verfehlen. Heil werden wir nur durch den Blick auf Gott, durch seine Berührung, die im Gebet möglich ist.

Dienstag, Juni 14, 2005

Der Ruf
"... Eines Mannes sanfte Stimme brach die Stille, rief ihren Namen. "Julia", sagte er. Sie schaute über ihre Schulter um zu sehen, ob jemand die Kapelle betreten hätte, obwohl die Stimme nicht von hinten gekommen war. Sie war immer noch alleine. Die sanfte Stimme wiederholte beharrlich "Julia". Es klang sehr nahe. Sie hielt still. Die Dunkelheit teilte sich langsam vor ihren Augen und eine strahlende Lichtsäule formte sich zur Gestalt eines Mannes, entkleidet, verwundet. Er sagte "Julia, ich bin ganz alleine. Komm mit mir in die Wüste. Ich werde Dich niemals verlassen!" Julia fühlte keine Angst. Sie wusste, wer dieser Mann war. Als sie ihm in die Augen schaute, sah sie Liebe, eine Liebe, größer als alles, was ihr bislang in ihrem Leben an Liebe begegnet war. Wortlos gab sie ihm ihre Einwilligung. Dann hüllte sie wieder die Dunkelheit und Stille der Kapelle ein, und sie weinte vor Freude. ..."

Im kleinen Laden oben in der Eremitage von Camaldoli stieß ich auf ein Buch, geschrieben von Thomas Matus, einem Mönch aus dem Orden der Kamaldulenser der Kongregation von Camaldoli: Nazarena, an American Anchoress. Aus diesem Buch übersetzte ich die kurze Passage oben. Es ist ein Bericht über die Berufungsvision einer begabten jungen Musikerin, Julia Crotta mit Namen; die wohl einzige Vision die sie in ihrem Leben hatte. Es war aber für sie diese eine Vision Anlass genug ein Leben zu wählen, das vermutlich von nahezu allen Zeitgenossen (davon nehme ich auch - oder besonders - Katholiken nicht aus) zumindest mit Kopfschütteln quittiert würde, häufiger wohl noch verbunden mit der Vermutung, die Frau wäre in ihrem Oberstübchen nicht ganz richtig gewesen. Intellektuelle (und was sich intellektuell dünkt) würden dies vielleicht noch mit dem aus dem Fundus ihrer Fremdwörter hervorgekramten Begriff Masochismus auffetten, von pathologischen Zügen sprechen, einer kranken Psyche.

Julia Crotta nahm nämlich ihre Vision ernst, ebenso ihr Wort der Zustimmung, das sie dem Mann, Jesus, gegeben hatte. Gegen allerlei Widerstände fand sie am Ende den Ort ihre Berufung, die Wüste, in der sie fortan mit Jesus lebte: eine Zelle im Kamaldulenserinnen-
kloster »Antonius des Großen« in Rom, wo sie geschieden von allen anderen Schwestern in strenger Isolation lebte. Nach ihrem Verständnis war sie damit Jesus in die Wüste gefolgt. Und dort blieb sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1990, 45 Jahre lang. Der zu der sterbenden Eremitin gerufene Arzt entdeckte auf dem Hals und im Brustbereich blaue und braune Flecken, hervorgerufen durch das Tragen eines Ciliciums, gewoben aus Ziegenhaar, in das kleine Eisenspitzen eingearbeitet worden waren. Auf der Brust trug sie ein kleines Holzkreuz mit Nägeln, dessen Spitzen sich in die Haut der Frau bohrten. Werkzeuge der Buße und Abtötung.

Daran hatte auch der Autor, der Mönch Thomas Matus, schwer zu kauen. Er erklärte sich (und uns, den Lesern) dies so, dass es damit Julia - Schwester Maria Nazarena von Jesus - nicht um die Abtötung des Leibes, sondern um ein Mittel zur Konzentration des Geistes, der Förderung eremitscher Spiritualität, gegangen war. Nochmals: nahezu alle Zeigenossen hielten diese Frau wohl für verrückt, krank, einen Fall für den Psychiater.

In den vergangenen Tagen war ich öfter oben im franziskanischen Santuario della Verna, jenem Ort, wo - wie ich schon schrieb - Christus dem Heiligen Franziskus seine Wundmale in den Leib schlug. In der Basilika des Heiligtums werden einige Gegenstände ausgestellt, die auf den Heiligen zurückgehen, darunter auch, wie es auf einer kleinen Tafel heisst, ein Bußinstrument, das er zur Züchtigung seines Fleisches, des »Bruders Esel«, wie er seinen Leib nannte, benutzte. Franziskus, bei uns so oft und so gerne zum heiteren Naturfreund, Aussteiger und Vorläufer der Ökologiebewegung verklärt, es hat wohl nicht viele Heilige gegeben, die ein derart hartes Leben der Buße führten. Mitunter war Franziskus von seinen Bußübungen derart geschwächt, dass er von La Verna für einige Tage zur Erholung zur etwa 30 Kilometer entfernt gelegenen Eremo von Camaldoli ging, das Leben der Eremiten für einige Tage zur Erholung teilend. Und dennoch war dieser grimmige Büßer zugleich einer der heitersten Menschen der Kirchengeschichte, tanzte und sang für Jesus, strich mit einem Holzstock über einen anderen Holzstock, Jesus ein Lied aufspielend, das ausser ihm und dem Heiland kein anderer vernahm.

Ich sage nicht, dass ich Julia Crotta - Schwester Nazarena - und Franz von Assisi, ihren Drang zur Buße und Abtötung, nachvollziehen kann. Wie Fremdlinge, rauhe Brocken aus Urgestein, liegen sie störend in den bürgerlichen Vorgärten unseres eigenen Glaubens. Aber zu verurteilen was ich nicht verstehe, oder es mit einigen Vokabeln wie »Masochismus«, »ungesund« oder »krank« auszuradieren, das verweigere ich.

Montag, Juni 13, 2005

zurück
Wieder zurück.

Freitag, Mai 27, 2005


Seit einiger Zeit schon fühle ich mich innerlich leer, irgendwie ausgedünnt und verschlissen, einer Verankerung nach innen dringend bedürftig. Tja, nun fahren Andrea und ich morgen um 6 Uhr früh mit dem Auto los, nach Italien, ins Casentino, ein Landstrich östlich von Florenz. Für 2 Wochen werden wir unweit von Bibbiena ein Haus beziehen. Von dort sind es nur wenige Kilometer nach La Verna, dem Ort, wo die Liebe Christi dem Heiligen Franziskus die Wundmale des gekreuzigten Heilands in den Leib schlug. Für 14 Tage habe ich nun das Privileg an diesem Ort täglich an der Feier der Eucharistie teilhaben zu dürfen. Etwa 20 Kilometer nördlich davon liegen das Kloster und die Einsiedelei von Camaldoli, neben den Kartäusern wohl der letzte Eremitenorden der katholischen Kirche. Auch dort werde ich zeitweilig Gast sein.

Eben noch packte ich einen ziemlich großen Stapel Bücher zusammen. Ein altes Leiden von mir: die Bücherkrankheit. Aber wie soll ich denn heute schon wissen, was ich morgen oder in den nächsten Tagen alles lesen will? Neben einigen Kunst- und Reiseführern sind es vorrangig, da ich ja nach innen horchen will, Bücher die dem Horchen dienlich sein sollen: das Münchener Neue Testament, dessen wortgetreue Übersetzung mir hoffentlich die herbe Schönheit Jesu näher bringen wird; dazu noch Romano Guardinis "Der Herr", Ratzingers "Gott und die Welt", Bergers "Jesus", Niggs "Große Heilige" und Johannes Paul II "Römisches Triptychon". Zwei luftige Ausnahmen liegt auch im Gepäck: SPQR - Kriminalabenteuer des ehrwürdigen Römers Decius Caecilius Metellus aus John Maddox Roberts Feder.

Einen Tag habe ich eingeplant, an dem ich die Nähe des Santuario Francescano verlasse. Da will ich, wenn nichts dazwischenkommt und Gott es mir ermöglicht, nach Rom fahren, ans Grab des Heiligen Vaters Johannes Paul II. Santo subito!

In 14 Tagen sprechen wir uns wieder! Allen, die mich hier derweilen besuchen, wünsche ich eine schöne Zeit!

Donnerstag, Mai 26, 2005

unhistorisch-unkritisch
Ein Musterbeispiel für eine misslungene Diskussion über die historisch-kritische Methode der Bibelinterpretation, gescheitert an der Ignoranz der von mir schon erwähnten Berufschristen. Und da einer abseits vom Fach - Ralf - es sich herausnahm Fragen zu stellen, Antworten heischte, wurde ihm gerade daraus, seinem Fragen und Drängen auf Antwort, ein Strick gedreht. Die Diskussion, sagt man, ermüdet; diese Art der Auseinandersetzung, sagt man, ermüdet; da klinkt man sich, sagt man, lieber aus der Diskussion aus. In Wahrheit sind das, kenne ich meinen Popper nur recht, geradezu klassische Beispiele einer Haltung, die sich nicht mit dem verträgt, worauf man meint, sich berufen zu dürfen: Wissenschaft. Die nämlich hat eine Unverträglichkeit wider die Immunisierung gegen Kritik. Dabei hätte Ralf durchaus prominente Unterstützung für seine Fragen anführen können, nämlich den Papst, der bei aller Würdigung der historisch-kritischen Bibelinterpretation doch durchaus kritisch an ihr Gemäuer klopft.

Die oben zitierte Diskussion, wenn man es denn überhaupt als solche bezeichnen will, ist eine gute Illustration der Gründe, die mich zum Rückzug aus solchen Diskussionen trieben. Zumal Glaube, denke ich, ohnehin weniger diskutiert, als vielmehr bezeugt werden will.

Fronleichnam
Alte Plätze sonnig schweigen.
Tief in Blau und Gold versponnen
traumhaft hasten sanfte Nonnen
unter schwüler Buchen Schweigen.

Aus den braun erhellten Kirchen
schaun des Todes reine Bilder,
großer Fürsten schöne Schilder.
Kronen schimmern in den Kirchen.
...
Hoch im Blau sind Orgelklänge.
Georg Trakl (1887-1914): Die schöne Stadt

Fronleichnamsprozession in der Salzburger Altstadt. Man wird wohl weit ausblicken müssen, will man eine Stadt finden, die eine vergleichbare Kulisse für dieses Schauspiel vor den Augen Gottes und der Menschen zu bieten hat. Das Pflaster der Altstadt ist, weiss der Himmel, mit Menschenmassen vertraut. Nicht umsonst ist die Altstadt Weltkulturerbe, entsprechend ist auch der touristische Andrang an schönen Tagen. Heute allerdings drängte der "Himmel" die Touristen an den Rand. An diesem Tag wurde in der Salzburger Altstadt Christus unter dem Fronleichnamsbaldachin Vorfahrt gegeben. Was hat sich wohl die Gruppe japanischer Touristen gedacht, als der Baldachin, begleitet von Hunderten und Aberhunderten Menschen, an ihnen vorübergetragen wurde, begleitet von Bannern, von denen Heilige auf sie niederblickten, begleitet auch vom dröhnenden Erz der Glocken des Domes (Salzburg hat zwar nicht die größte Glocke, wohl aber das schwerste Geläut im deutschsprachigen Raum), verstärkt noch durch die Glocken der Franziskanerkirche und der Abtei St. Peter? Das muss ihnen nicht minder exotisch erschienen sein, wie mir die Zeremonien des Shintoismus. Dabei scheint das Staunen nicht länger mehr auf die Angehörigen gänzlich fremder Kulturen beschränkt; zumindest deuten dies die weit geöffneten Objektive der Camcorder und digitalen Fotoapparate jener Menschen an, die offensichtlich aus unserem Nachbarland stammen, und die sich von uns nur durch die scheinbar gemeinsame Sprache unterscheiden. Es war ihnen der Himmel eine Aufnahme wert, der Himmel und die Menschen, die lauthals auf den Straßen und Plätzen ihren Gott, Christus, anriefen. Pange lingua, Brot vom Himmel ...

Morgen ist nochmals Fronleichnam in Salzburg. Nach der Frühmesse in St. Peter wird Christus erneut unter dem Himmel getragen, diesmal durch den Bezirk des ältesten Klosters nördlich der Alpen.

Generalaudienz Benedict XVI vom 25.5.2005
Des Papstes gestrige Katechese (mp3) zu den Psalmen kreiste um den Psalm 116, wo der Beter im Vers 11 bestürzt ausruft: "Die Menschen lügen alle. Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat?"

Bei den ersten Worten des Papstes musste ich unwillkürlich lächeln. "Die Inkohärenz des Menschen ...". Der Gebrauch eines einzigen Wortes - Inkohärenz - bezeugt, dass Benedict XVI aus dem intellektuellen Holze eines Joseph Ratzinger geschnitzt ist. Die Inkohärenz des Menschen, seine Schwäche, das Gebrochene seines Wirkens, das in scharfem Kontrast zu Gottes Treue und Wahrhaftigkeit steht. "In meiner Bestürzung sagte ich: Die Menschen lügen alle ...". Und dennoch, oder gerade deshalb, aus dieser Not geschöpft, der unverzichtbare Dank: Eucharistia.

Der Papst lässt übrigens ganz besonders alle Münchner und Haslacher grüßen. Das sei diesen hiermit ausgerichtet. ;-)

Dienstag, Mai 24, 2005

Was Jesus wirklich wollte
Heute abend hielt Klaus Berger einen Vortrag in Salzburg. Ausgangspunkt war natürlich sein neuestes Buch, Jesus, das während des Vortrags auf dem Tisch vor ihm lag. Es war kein Vortrag für ein wissenschaftliches Fachpublikum, so wie auch das Buch, das ich mir bei der Gelegenheit kaufte, soweit ich es nach schnellem Durchblättern und Querlesen beurteilen kann, sich nicht an theologische Insider wendet. Vielmehr erzählte er im lockeren Gesprächsstil von seiner Arbeit und seiner Sicht auf die Dinge, die in mancherlei Hinsicht durchaus ketzerisch ist; ketzerisch, weil sie die Bibel zwar nicht fundamentalistisch buchstabengetreu auslegt, aber sich doch auch nicht in den Chor jener einreihen will, die pausenlos vermeintlichen Ballast des Glaubens abwerfen wollen. Engel, meinte er, an die zu glauben sei in der heutigen Theologie praktisch verpönt, an Engel glaube nahezu kein Theologe mehr. Und da es also Engel in der modernen Theologie nicht gäbe, müssten entsprechend auch alle jene Berichte in der Bibel, insbesondere im Neuen Testament, in denen Engel aufträten, unwahr sein. Im besten Falle wären es Mythen oder Legenden. Der Engel des Herrn, der Maria die Botschaft brachte? Mythos, Legende, wie die ganze Geschichte. Die Engel im Grab des Herrn? Mythos, Legende, wie die ganze Geschichte. Die Engel bei Christi Himmelfahrt? Die Antwort auf die Frage kann man sich denken.

Nach der Logik dieser Exegese bleibt vom Glauben, ja, was eigentlich? Was bleibt davon noch übrig? Die Konsequenz dieser Entwicklung skizziert laut Berger das kürzlich erschienene Buch eines bekannten deutschen Religionspädagogen - Berger nannte den Namen, den ich aber mittlerweile bereits wieder vergaß. Das Buch will das Christentum erneuern. So nebenbei erklärt der Religionspädagoge, Jesus wäre weder der Messias gewesen, noch auferstanden. Was genau will er dann eigentlich noch erneuern?

Er sprach auch über die Liebe Christi, über Gott, der die Liebe ist. Gott ist die Liebe: so oft wird einem dieser Satz aus des Apostels Brief entgegengereicht, dass er (für mich) fast schon gänzlich seine schroffen Konturen verlor. Was ist denn das: Lieben? Gott liebt uns, liebt mich: was heisst das für mich? Berger sprach von Christi Liebe, die streng und fordernd ist. Und ist es nicht wirklich so, dass Liebe fordert? Wer könnte denn lieben und wiedergeliebt werden, und fühlte nicht den unwiderstehlichen Anreiz sich dem Geliebten zuliebe von seiner besten Seite zu zeigen? Wenn uns die Liebe anrührt und Widerhall in uns findet, wie könnten uns das nicht unerbittlich zum Handeln drängen? Als am 20. Jänner 1539 der BuchhändlerJoao Ciudad einer Predigt Johannes von Ávila lauschte, und nach dieser wie von Sinnen durch die Straßen von Granada lief, bitterlich weinend und klagend, Christus laut um Verzeihung anflehte, seine Bücher, die ihm das tägliche Brot waren, zerriss, sein gesamtes Hab und Gut verschenkte, da tötete die Liebe Christi Joao Ciudad, um Johannes von Gott zu gebären. So ist die Liebe Christi. Von dieser Liebe habe ich nur soviel verstanden, dass es die kleine Münze des ubiquitären Mantras "Gott ist die Liebe" nicht ist.

Theologie, Wissenschaft, historisch-kritischer Glaube
Welcher Zugang zur Bibel ist erlaubt? Welcher geboten? Sind nur mehr studierte Theologen in der Lage die Bibel richtig auszulegen? Im Diskussionsforum katholon scheinen einige diese Frage im Sinne der Religionslehrer, Pastoralassistenten und anderer studierter Berufschristen beantworten zu wollen: sie, die einige Semester Theologie absolvierten, sind die letztlich zuständige »Interpretationsmacht«, denen alle anderen Interpretationen nachzustehen haben. Und selbstverständlich ist die einzig richtige - weil wissenschaftliche (sagen sie, nicht ich) - Weise des Bibelverständnisses jene der historisch-kritische Methode. Nach meinem eigenen Wissenschaftsverständnis, zugegebenermaßen naturwissenschaftlich geschult, halte ich viel von dem, was historisch-kritisch daherkommt, eher für einen Ausfluss der gerade herrschenden Strömung der Zeit. Historisch ja, im Sinne einer Gebundenheit an die Denkmode des Tages. Aber wissenschaftlich kritisch? Das ziehe ich stark in Zweifel.

Theologie als Wissenschaft, wissenschaftlich kritisch betrieben, ist nach heutigem Wissenschaftsverständnis ohnehin ein Problem. Wissenschaft schließt von vorneherein Wunder vollständig aus. Für die Wissenschaft gibt es keine Wunder. Nach wissenschaftlichem Gesichtspunkt kann es Jesu Auferstehung nicht geben; nichts von dem, das die Routine und Zuverlässigkeit das Ablaufs unserer Welt in Frage stellt, der direkte Eingriff Gottes in das Räderwerk der Welt, ist in der Wissenschaft als Erklärung zulässig. Damit ist natürlich auch eine Theologie als Wissenschaft in Frage gestellt, die auf Wunder beharrt, nicht zuletzt auch Christi Auferstehung als Tatsache behauptet. Kein Wunder also, dass konsequenterweise nicht wenige Theologen die Auferstehung in den »Raum« eines geistigen Aha-Erlebnisses stellen, die Frage, ob Er tatsächlich auferstand, das Grab leer gewesen sei oder nicht, zu einem unwichtigen Detail unseres Glaubens erklären. Dann allerdings wird uns Gott wieder weit in die Ferne gerückt, der Materie entzogen, die er als Mensch betrat, und in der er in jeder Messe erneut gegenwärtig ist.

Der Zwiespalt zwischen heutigem Wissenschaftsverständnis und einer wissenschaftlich betriebenen Theologie drückt sich besonders deutlich im Zugang zur Bibel aus. Ich persönlich halte die Theologie nicht für eine Wissenschaft, zumindest nicht nach heutigem Verständnis derselben. Sie kann in bestimmten Teilen mit wissenschaftlichen Methoden betrieben werden, sich wissenschaftlicher Werkzeuge bedienen, sie kann aber nicht Wissenschaft sein, sofern sie nicht willens ist ihren innersten Gehalt preiszugeben. Und insofern ist auch das Herausstreichen der historisch-kritischen Methode als die einzig richtige und unerlässliche Methode des Bibelzugangs - weil »wissenschaftlich« - eine Denkmode unserer Zeit, die durchaus bedenklich ist und ihrerseits ernsthaft historisch-kritisch hinterfragt werden muss. Zudem oft genug die Methode mit der Erkenntnis verwechselt wird. Entsprechend hat sich auch Joseph Ratzinger in einem Interview mit der Tagespost geäussert.

Im Glauben geeint, in allem anderen frei | Gottesbewusstsein und Liturgie, Theologie und Ökumene: Zur Lage der Kirche in Deutschland Bilanz und Perspektive – Ein Gespräch mit dem Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger
DT vom 03.10.2003
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Frage: Nochmals zur Lage des Glaubens: Sicherlich hat die moderne Bibelexegese viel zu der Verunsicherung unter den Gläubigen in den deutschsprachigen Ländern beigetragen. Viele Schriftkommentare interpretieren den Glauben der ersten Gemeinden, geben aber den Blick auf den historischen Jesus und seine Taten nicht mehr frei. Ist das Frucht einer soliden wissenschaftlichen Erkenntnis der Bibelwissenschaft? Haben wir zum Beispiel die Evangelien des Neuen Testaments über Jahrhunderte hinweg zu wörtlich genommen? Oder ist es doch angebracht, zu dem historischen Jesus wieder durchzustoßen?

Ratzinger: Auf jeden Fall. Das Problem der historisch-kritischen Exegese ist natürlich gewaltig. Seit über hundert Jahren erschüttert es die Kirche, und zwar nicht nur die katholische Kirche. Auch für die protestantischen Kirchen ist das ein großes Problem. Es ist ja sehr bezeichnend, dass sich im Protestantismus die fundamentalistischen Gemeinschaften gebildet haben, die diesen Auflösungstendenzen entgegentreten und den Glauben durch Ablehnung der historisch-kritischen Methode integral wieder erhalten wollten. Dass heute die fundamentalistischen Gemeinschaften wachsen, weltweit Erfolg haben, während die mainstream-churches in einer Überlebenskrise stehen, zeigt die Größe des Problems an.

In vieler Hinsicht haben wir Katholiken es da besser. Für die Protestanten, die nun den exegetischen Strom nicht annehmen wollten, blieb eigentlich nur der Rückzug, die Wörtlichkeit der Bibel zu kanonisieren, sie für unverhandelbar zu erklären. Die katholische Kirche hat sozusagen einen größeren Raum, insofern die lebendige Kirche der Raum des Glaubens ist, der einerseits Grenzen absteckt, der andererseits aber auch eine Variationsbreite zulässt. Eine globale einfache Verdammung der historisch-kritischen Exegese wäre ein Irrtum. Wir haben unglaublich viel von ihr gelernt. Die Bibel erscheint viel lebendiger, wenn man die Exegese mit all ihren Ergebnissen ansieht: das Wachsen der Bibel, ihr Weitergehen, ihre innere Einheit im Vorangehen und so weiter.

Also: Einerseits hat die moderne Exegese uns viel gegeben, aber sie wird dann zerstörerisch, wenn man sich einfach all ihren Hypothesen unterwirft und die vermeintliche Wissenschaftlichkeit zum einzigen Maßstab erhebt. Besonders verderblich hat gewirkt, dass man die gerade herrschenden Hypothesen unverdaut in die Katechese übernommen und als die Stimme der Wissenschaft angesehen hat. Das war der große Irrtum dieser letzten fünfzig Jahre, dass man jeweils die augenblicklich mit großer Gebärde auftretenden Exegesen mit »der Wissenschaft« identisch gesetzt hat und »die Wissenschaft« als die Autorität ansah, die nun allein gültig ist, während der Kirche keine Autorität mehr zukam. Dadurch sind Katechese und Verkündigung fragmentiert worden. Entweder hat man Traditionen nur noch mit halber Überzeugung weitergeführt, so dass jeder erkennen konnte, dass man letztlich doch eher daran zweifelt, oder man hat scheinbare Ergebnisse sofort als gesicherte Stimme der Wissenschaft ausgegeben. In Wirklichkeit aber ist die Geschichte der Exegese zugleich ein Friedhof von Hypothesen, die mehr den jeweiligen Zeitgeist als die wahre Stimme der Bibel repräsentieren. Wer zu schnell, zu eilfertig darauf baut und das für die reine Wissenschaft nimmt, der gerät in einen großen Schiffbruch und sucht sich vielleicht irgendeine Planke heraus – aber die kann auch schnell untergehen.

Wir müssen zu einem ausgewogeneren Bild kommen – das ist ein Ringen, das gerade jetzt wieder voll im Gange ist: Dass die historisch-kritische Exegese ein Strang der Auslegung ist, der wesentliche Erkenntnisse vermitteln kann und als solcher respektiert werden muss, der aber auch kritisiert werden muss. ... Was scheinbar nur Tatsachen spiegelt und die Stimme der Wissenschaft sein soll, ist in Wirklichkeit Ausdruck eines bestimmten Weltbildes, demzufolge es zum Beispiel Auferstehung nicht geben oder Jesus so nicht geredet haben kann, oder was auch immer. Heute ist gerade unter jungen Exegeten eine Relativierung der historischen Exegese im Gang, wobei diese ihre Bedeutung behält, ihrerseits aber philosophische Voraussetzungen in sich trägt, die kritisiert werden müssen. Deswegen muss diese Art, sich des Sinnes der Bibel zu vergewissern, ergänzt werden durch andere Formen, vor allem durch die Kontinuität mit den Einsichten der großen Glaubenden, die auf einem ganz anderen Weg in den wirklichen, inneren Kern der Bibel vorgestoßen sind, während die scheinbare, aufklärerische Wissenschaft, die nur Tatsachen sucht, sehr an der Oberfläche geblieben ist und in den inneren Grund, der die ganze Bibel bewegt und zusammenhält, nicht vorstößt. Wir müssen wieder erkennen, dass der Glaube der Glaubenden eine echte Weise des Sehens und des Erkennens ist, und so zu einem größeren Zusammenhang kommen. Zweierlei ist wichtig: Skepsis gegenüber dem, was sich als »die Wissenschaft« ausgibt, und vor allem Vertrauen zum Glauben der Kirche, der die eigentliche Konstante ist und der uns den wirklichen Jesus zeigt. Immer noch ist der Jesus, den uns die vier Evangelien bieten, der wirkliche Jesus. Alles andere sind fragmentarische Konstruktionen, in denen sich der Geist der Zeit viel mehr spiegelt als die Ursprünge. Das haben jetzt auch exegetische Studien analysiert: Wie sehr die verschiedenen Jesusbilder nicht Ergebnisse der Wissenschaft sind, sondern Spiegelungen dessen, was ein bestimmter Mann oder eine bestimmte Zeit für das Wissenschaftsfähige hielt. ... - [Die Tagespost].