Sozialer Wandel

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Als Sozialer Wandel (auch: Gesellschaftlicher Wandel) werden die Veränderungen bezeichnet, die eine Gesellschaft in ihrer sozialen und kulturellen Struktur über einen längeren Zeitraum erfährt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begriffe

Der Begriff des sozialen Wandels konkurriert mit anderen Begriffen wie Entwicklung, Evolution, Fortschritt oder Modernisierung.[1] Die Verwendung dieser Begriffe impliziert in der Regel eine Vorentscheidung für eine bestimmte Theorie; ganz offensichtlich ist das der Fall beim Begriff Fortschritt. William Fielding Ogburn hat 1922 mit seinem Werk Social Change hingegen einen neutralen, theoretisch nicht vorbelasteten Begriff eingeführt.

Theorien des sozialen Wandels gehen von einer zeitlichen Abfolge von Strukturformen und Strukturprinzipien aus,[2] im Gegensatz zu Evolutions- und Fortschritts-Theorien, welche den Geschichtsablauf quasi-teleologisch mit einer unilinearen Entwicklung darstellen.

Aspekte des Sozialen Wandels, die die Neuentstehung oder Aufgliederung von sozialen Positionen, Lebenslagen und/oder Lebensstilen betreffen, werden als Soziale Differenzierung bezeichnet.

Raymond Boudon unterscheidet 1. reproduktive Prozesse, 2. kumulative Prozesse, 3. Prozesse der Transformation.[3] Eine Sonderform radikalen sozialen Wandels ist nach Ralf Dahrendorf die Revolution.

[Bearbeiten] Theorien des Sozialen Wandels

Die Bestimmung der Ursachen von sozialem Wandel ist recht komplex. Versuche, den Wandel monokausal durch einen einzelnen Faktor zu erklären (z. B. durch technische Entwicklung, ökonomische Basis, Kultur, Religion etc.), gelten damit als ungeeignet. Man geht vielmehr von einer weitreichenden Interdependenz der sozialen Handlungsfelder und Bereiche aus, wobei einzelne Bereiche anderen Bereichen vorauseilen können.

  • Karl Marx sah die Triebkraft für sozialen Wandel in der Verschärfung der Widersprüche zwischen der Entfaltung der Produktivkräfte und den bestehenden Produktionsverhältnissen und den dadurch ausgelösten Klassenkämpfen.
  • Vilfredo Pareto erklärte sozialen Wandel mit der Zirkulation der Eliten.
  • William Fielding Ogburn prägte den Begriff „Sozialen Wandel“ und führt ihn auf technische Erfindungen zurück.
  • Talcott Parsons sah Modernisierung als Fortschritt (funktionalistische Lesart), der mit einem verbesserten Bildungssystem einhergeht, effizienteren Wettbewerb hervorruft und mit einem Zugewinn an Wohlstand verbunden ist.
  • Ralf Dahrendorf sah den Sozialen Wandel hervorgerufen durch den "Antagonismus von Anrechten und Angebot", der sich im sozialen Konflikt "zwischen fordernden und saturierten Gruppen" entlädt.[4]
  • Anthony Giddens sieht die Ursachen des sozialen Wandels in Faktoren der Umwelt, der Kultur und der Politik. Die Fortschrittselemente des sozialen Wandels seien Sesshaftigkeit und Verstädterung.

Moderne mehrdimensionale Theorien des Sozialen Wandels haben gemeinsam, dass sie ihr Hauptaugenmerk auf Interessengegensätze, Konflikte und Entwicklungsrückstände und die dadurch erzeugten sozialen Spannungen richten. So führt in der so genannten Polarisierungsthese die fortschreitende Automation in kapitalistischen Gesellschaften nach der Erwartung einiger Forscher zu einer Aufteilung der Gesellschaft in zwei Teile. Dabei bilden den kleinen Teil hochqualifizierte, den großen Teil aber weiterhin unterqualifizierte Arbeitende. Folglich widerspricht die These der Behauptung, der soziale Wandel würde zu einer Höherqualifizierung aller Berufstätigen führen.[5]

Weitere Untersuchungen gehen der Frage nach, wie der Soziale Wandel gezielt politisch beeinflusst werden kann.

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Stefan Immerfall: Sozialer Wandel in der Moderne. Neuere Forschungsergebnisse zum Prozeß gesellschaftlicher Modernisierung im 19. und 20. Jahrhundert. neue politische literatur, 36, 1991, S. 5-48.
  2. Wolfgang Schluchter: Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck): Tübingen 1979. ISBN 3-16-541532-3. S. 13
  3. Raymond Boudon: La logique du social. Introduction à l'analyse sociologique. Hachette Littérature. 1979. Kap. V, VI
  4. Ralf Dahrendorf: Der moderne soziale Konflikt. DVA, Stuttgart 1992, S. 8.
  5. Vgl. O(tthein) R(ammstedt), Wandel, sozialer, in: Werner Fuchs-Heinritz, Rüdiger Lautmann, Otthein Rammstedt, Hanns Wienpold, (Hgg.), Lexikon zur Soziologie, 4. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2007, S. 720.
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