Commentarium Catholicum
Et unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam.

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Seminarkirche in Hildesheim

Wer als an katholische Kirchen gewöhnter Mensch die Hildesheimer Seminarkirche betritt, der wähnt sich zunächst in einer evangelischen Kirche. Denn auf den ersten Blick fehlen der Tabernakel und das ewige Licht. Und am Seiteneingang, durch den ich die Kirche zuerst betrat, gibt es auch kein Weihwasserbecken.

Der Raum ist schlicht, die Wände weiß, der Boden schwarz, die Möblierung minimalistisch und größtenteils beweglich. Der Altarquader wirkt zunächst wie ein massiver Steinblock, stellt sich aber bei näherer Betrachtung als aus mehreren Elementen montiertes Werkstück heraus.

Wer die Seminarkirche von außen betrachtet, sieht eine barocke Fassade und vermutet dahinter eine ebensolche Innenausstattung. Doch eine Bombe zerstörte im Zweiten Weltkrieg den Innenraum vollständig, von der Ausstattung blieben nur wenige Schnitzfiguren erhalten.

Dazu gehört eine kleine Pieta, die nun in einer Nische hinten rechts einen merkwürdigen Kontrast zum ansonsten schmucklosen Raum bietet. Eine weitere erhaltene Figurengruppe ist heute auf dem Gang des Priesterseminars an einer Wand zu sehen.

Der Wiederaufbau nach dem Krieg hatte zu keiner wirklich überzeugenden Raumgestaltung geführt. Wer die Kirche vor ihrer jüngsten Renovierung kannte, wird den Nachkriegszustand kaum vermissen. Ich habe den Raum als etwas düster und wenig erhebend in Erinnerung.

Durch den barocken Grundriss hat das Gotteshaus eine klare Achse. Auf dieser Mittelachse sind, ausgehend vom Haupteingang, zunächst das Weihwasserbecken, sodann der Priestersitz und das Ambo angeordnet. In der Mitte des Raumes steht die Osterkerze auf einem Leuchter, und der Altar befindet sich am Ostende des Raumes.

Vor der Ostwand, die rechts und links mit zwei weißen Glastüren ausgestattet ist, steht ein schlichtes Metallkreuz, das indes mobil ist wie der größte Teil des Mobiliars. Die schlichten schwarzen Holzstühle stehen für gewöhnlich rechts und links des Priestersitzes bis hin zum Ambo, können aber auch anderswo positioniert werden.

Die Seminarkirche wird heute vor allem von Gruppen aus dem dortigen Tagungshaus und von Schulklassen genutzt. Im Grunde kann (und muss) die Möblierung an die jeweilige Gruppe angepasst werden. Fest installiert ist kein Möbel außer dem Altar und der Orgel.

Das kleine Instrument aus der Nachkriegszeit steht neben dem Haupteingang auf der linken Seite. Damit ist die Ausstattung vollständig beschrieben, von den vier Kerzenleuchtern neben Ambo und Altar einmal abgesehen. Die einzigen Farbtupfer im ansonsten streng monochromen Raum bilden die bunten, abstrakt gehaltenen Fenster und die rote Sitzfläche des Priestersitzes.

Durch die beiden Milchglastüren am Ostende gelangt der Besucher in die Sakramentskapelle. Dort ist der Tabernakel an der Rückseite der Ostwand über einem schwarzen Marmoraltar im Stil der 50er Jahre eingelassen, auf dem das ewige Licht brennt. Darüber an der Wand ist ein großes Kruzifix angebracht.

Der große Kirchenraum wirkt beim Betreten wie tot. Das dürfte am fehlenden ewigen Licht liegen, das sonst die Gegenwart des Herrn anzeigt. Dieses Manko soll demnächst behoben werden, ein zweites ewiges Licht für die Ostwand der Kirche ist bereits in Auftrag gegeben.

Des Weiteren fehlen Apostelleuchter. Dafür sind die zwölf schlichten schwarzen Apostelkreuze auf der weißen Wand zu sehen. Unter diesen Kreuzen sollen bei entsprechendem liturgischen Bedarf Kerzen aufgestellt werden.

Der Besucher vermisst zudem einen Kreuzweg. Der sei in dieser Kirche seit mindestens 30 Jahren nicht mehr gebetet worden und daher verzichtbar, lautete die Auskunft. Dies stimmt bedenklich, handelt es sich doch um die Kirche des Bischöflichen Priesterseminars. Die Seminaristen indes studieren meistenteils in St. Georgen und halten sich nur selten im Haus auf.

Die Kirche ist in der Summe praktisch schmucklos, sie wirkt streng, kalt, kahl und etwas trostlos. Die grauen Steine, die am Rande des schwarzen Fußbodens den Übergang zu den weißen Wänden bilden, passen in dieses Bild. An den Seitenwänden gibt es neben der einen Nische, in der die Pieta aufgestellt ist, weitere leere Nischen. Es könne sein, dass sich diese Nischen in Zukunft noch füllen werden, heißt es.

Der bischöfliche Auftrag für die Neugestaltung sei gewesen, einen Raum zu gestalten, der dem entspricht, wie wir heute Liturgie feiern. Daher rühren die Positionen von Ambo und Altar als “Tisch des Wortes” und “Tisch des Brotes” in den beiden Brennpunkten des Raumes, daher fehlen Bänke und Kniebänke.

Und deshalb ist das Sanctuarium ein rechteckiges Feld in der Raummitte, das vom Priestersitz bis hinter den Altar reicht und sich nur in einer farblichen Nuance und anderen Oberflächenstruktur vom übrigen Boden abhebt, der nicht mehr als eine Umrandung bildet. Hier gibt es außer der Sakramentskapelle keinen heiligen Raum, der vom übrigen Kirchenraum abgesondert wäre.

Das Konzept dieses Kirchenbaus kann ich intellektuell durchaus verstehen, bei allen Schwächen und fehlenden Ausstattungsgegenständen. Die lassen sich schließlich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nach und nach ergänzen. Doch ob sich damit das grundlegende Manko beheben lässt?

Die Seminarkirche ist einfach, aber nicht schön. Es fehlt der göttliche Glanz, die Schlichtheit ist einfach nur schlicht, nicht mehr. Es gibt Beispiele schlichter Kirchen, die in sich durchaus überzeugen und nicht so trostlos erscheinen wie die Seminarkirche.

Zudem setzt die Bestuhlung, wie auch immer sie angeordnet wird, den Besucher auf den Präsentierteller. Für das Zwiegespräch mit dem Herrn, das persönliche Gebet bleibt da wenig Raum.

Obwohl die Kirche eine klare Ostung hat, der Altar und die Sakramentskapelle im Osten liegen, erlebt der gläubige Gottesdienstbesucher sie hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung. Dominant ist so immer der Kreis der Versammlung selbst, der sich nicht zum Herrn hin öffnet.

Dieses Problem teilen allerdings viele Kirchenneu- und Umbauten seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es ist kein Spezifikum der Seminarkirche, sondern ein grundlegendes Problem, das im Verlust der liturgischen Orientierung besteht.

Foto: Bistum Hildesheim


Fronleichnam in der Diaspora

Hier im Norden sind ja Häretiker, Agnostiker, Atheisten und die Anhänger anderer Religionen (die Reihenfolge stellt keine Wertung dar) in der Mehrheit. Deshalb ist Fronleichnam leider kein gesetzlicher Feiertag. Üblicherweise kein Problem, denn es gibt ja Abendmessen.

Heute allerdings musste ich einen Elternabend wahrnehmen, da die Frau meines Herzens anderweitig beschäftigt war. Was mich schließlich dazu bewog, um 10 Uhr die Messe im Mariendom zu besuchen und meinen Arbeitstag entsprechend später zu beginnen. Nun hatte ich allerdings die Anreise nicht optimal geplant und demzufolge einige Zeit im Stau verbracht. Auch ein Parkplatz ist vormittags in St. Georg nicht leicht zu finden.

Zudem handelte es sich bei der Messe, was mir erst klar wurde, als es zu spät war, um den Schulgottesdienst der Domschule St. Marien. Waren wir als Schüler in den Schulmessen eigentlich auch so laut wie die heutige Generation? Was die Liturgie betrifft, so scheint sich wenig geändert zu haben – sie kommt heute wie damals nicht ohne Anpassungen an die vermeintlichen Erwartungen der Zielgruppe aus.

Bedauerlich. Wenigstens zum eucharistischen Segen am Schluss kam Weihrauch zum Einsatz. Ansonsten war die Liturgie eher karg, was vermutlich in meiner heutigen Heimatgemeinde deutlich anders gewesen wäre. Dort war um 9.30 Uhr Messe. Allerdings liegt meine Gemeinde nicht gerade am Arbeitsweg, im Gegenteil: Es ist genau die andere Richtung. Alternativ wäre noch eine Messe um 8 Uhr in unmittelbarer Nähe meiner Arbeitsstelle in Frage gekommen, allerdings hätte ich dann das Haus eine Stunde früher als gewöhnlich verlassen müssen. So blieb der Mariendom.

Ansonsten habe ich den Feiertag zusammen mit einem Kollegen beim Italiener mit Scaloppina nebst Dessert und Espresso gewürdigt, um dann zeitig gen Gymnasium zum Elternabend aufzubrechen. Ich kam trotzdem ein paar Minuten zu spät, weil im Elbtunnel mal wieder die Feuerwehr in Aktion treten musste. Die Schule liegt übrigens in Steinwurfweite der Hauptkirche meiner heutigen Gemeinde, wo just zur gleichen Stunde wie der Elternabend die Abendmesse begann…

Nun lasse ich den hochfestlichen Abend mit einem Glas Cuvée Martin ausklingen, nachdem meine Sachen für das kommende Wochenende in Hildesheim gepackt sind. Dort beginnt morgen mit den Einführungstagen das erste Jahr meiner Ausbildung zum Diakon. Und dort werde ich wohl auch die umgebaute Seminarkirche zu Gesicht bekommen.

Deshalb werde ich morgen vorzeitig von meiner Arbeitsstelle aufbrechen und zum 60 Kilometer entfernten Treffpunkt fahren, von wo wir drei Nordlichter dann gemeinsam die verbleibenden 124 Kilometer nach Hildesheim zurücklegen werden. Hier in der Diaspora sind wir ja weite Wege gewohnt.

Das Kirchenjahr beschert uns morgen gleich ein weiteres Hochfest, die Geburt Johannes des Täufers betreffend. Ein Messbesuch wird leider nicht drin sein. Bedauerlich.


Spaß mit dem Duden

Extra ecclesiam nulla salus – der Duden weiß Bescheid. Ihm zufolge ist besonders die katholische Kirche die allein seligmachende (oder allein selig machende) Kirche. Nur schade, dass das schöne Adjektiv “alleinseligmachend” der Rechtschreibreform zum Opfer gefallen ist.

Wo wir gerade dabei sind – auch Google ist im Bilde:


Zisterzienserkloster Walkenried

Am Montag hatte ich Gelegenheit, das ehemalige Zisterzienserkloster Walkenried zu besuchen. Von der beeindruckenden Klosteranlage sind vor allem der Kreuzgang, das Klausurgebäude und die Ruine der Klosterkirche erhalten. Seit 2006 befindet sich im Kloster eine sehr sehenswerte Ausstellung, für die wir leider nicht genügend Zeit hatten. Das ist aber nicht schlimm, da wir von Zeit zu Zeit dort ganz in der Nähe Verwandte besuchen und also noch des Öfteren nach Walkenried kommen können.

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Bedauerlicherweise traten die letzten Mönche von Walkenried im Jahre 1546 zum Protestantismus über, was das Ende des Klosters als solches bedeutete. Schon 1525 zerstörten aufständische Bauern den Dachreiter der Klosterkirche. Das resultierende Loch im Kirchendach blieb, die Kirche wurde unbrauchbar und in der Folgezeit ab dem 17. Jahrhundert als Steinbruch benutzt. So ging Walkenried eine der größten Kirchen Norddeutschlands verloren – und damit eine echte Touristenattraktion.

Ganz zu schweigen von den geistlichen Verlusten, die allerdings wohl auch wirtschaftliche Gründe hatten. Denn schon Mitte des 14. Jahrhunderts begann der Niedergang des einst bedeutenden Klosters:

Das Walkenrieder Kerngeschäft Montanwesen stagnierte durch die Krise im Harzer Bergbau. Zudem geriet die Agrarwirtschaft durch Pest und ökologische Probleme in eine Krise. 1509 war der Klosterkonvent auf das kanonische Minimum von 12 Mönchen und einem Abt geschrumpft.

Mit der gleichen Zahl hatte 1129 die Geschichte der Walkenrieder Abtei begonnen. Im Kapitelsaal, der nach der Zerstörung des Dachreiters zur Kapelle umgebaut und ab 1570 als solche genutzt wurde, hält bis heute die evangelische Gemeinde Walkenried ihre Gottesdienste ab.

In seiner Zeit als Mönch soll übrigens Martin Luther die damals noch intakte Walkenrieder Klosterkirche besucht und erklärte haben, es werde die Zeit kommen, in der in diesem herrlichen Bau die Wölfe Junge hecken werden. Einer Sage zufolge wäre der Reformator bei seinem Besuch in dem noch dezidiert katholischen Kloster beinahe durch eine Falltür vom Schlafhaus der Mönche in einen bis heute erhaltenen Schacht gefallen, in die “Lutherfalle”, doch nur ein Hündchen fiel herunter und rettete so den Reformator.


Warum es hier in letzter Zeit so ruhig war (und andere Neuigkeiten)

Wie in jedem Mai seit 2006 geht für mich gerade eine Phase maximaler beruflicher Anspannung zuende. Sie absorbiert nahezu sämtliche Energie, vor allem aber lässt sie keine Energie für dieses Blog übrig. Doch das ist nun erst einmal überstanden.

Mein Wecker klingelt seit ein paar Wochen schon um 5 Uhr morgens, eine halbe Stunde früher als bisher. Um diese Jahreszeit fällt mir das Aufstehen dank Tageslicht nicht besonders schwer, und die zusätzliche halbe Stunde entspannt meinen Morgen deutlich.

So bin ich nach Laudes und Bibellektüre dann um 6 Uhr auf meiner täglichen Laufstrecke. Was die Bibellektüre betrifft, so habe ich die Propheten kürzlich abgeschlossen und mit der Weisheitsliteratur begonnen. Aktuell lese ich das Buch Ijob.

Meine Fastenlektüre habe ich noch nicht ganz abgeschlossen, es fehlt aber nur noch ein kleiner Teil. Bis jetzt kann ich den zweiten Band uneingeschränkt empfehlen.

Seit Anfang des Jahres beschäftige ich mich nebenbei mit dem Grundkurs des Würzburger Fernkurses. Diesen Kurs hatte ich zwar schon 2006 absolviert, er ist nun aber komplett neu erschienen. Die ersten neuen Lehrbriefe, die ich bis dato studiert habe, sind sehr viel besser als die alten, denen ihr Entstehungszeitraum in den siebziger Jahren deutlich anzumerken war.

Ich studiere den Grundkurs zusammen mit zwei Kollegen, die den Kurs noch absolvieren müssen. Wir drei werden im Juni das erste Jahr der Ausbildung zum Diakon beginnen, das Interessentenjahr. Vom ersten Gedanken daran bis zum Beginn der Ausbildung sind dann ziemlich genau acht Jahre vergangen. Die Ausbildung selbst wird weitere vier Jahre dauern.

Anfang Juli sind es dann auch acht Jahre, die ich dieses Notizbuch führe. Damals war die Blogozese nicht nur, verglichen mit heute, recht übersichtlich. Es gab nicht einmal den Begriff Blogozese, der kam erst später auf. Doch fallen mir sofort drei Blogger ein, die damals bereits dabei waren und heute immer noch dabei sind.

Schön, dass es auch ein paar Konstanten gibt.


Surrexit enim, sicut dixit. Alleluja.

Leonardo da Vinci, Jesus lebt

Christus heri et hodie.
Principium et Finis.
Alpha et Omega.
Ipsius sunt tempora
et saecula.
Ipsi gloria et imperium
per universa aeternitatis saecula. Amen.

Christus ist wahrhaft auferstanden. Halleluja!

Frohe und gesegnete Ostern!


Gottesknecht

In dieser Stunde tritt die Hoffnung auf den “Neuen Bund” hervor, der nicht mehr auf der immer brüchigen Treue menschlichen Wollens gegründet, sondern unzerstörbar in die Herzen selbst eingeschrieben ist (vgl. Jer 31,33). Der Neue Bund muss, mit anderen Worten, auf einen Gehorsam gegründet sein, der unwiderruflich und unverletzlich ist. Dieser nun in der Wurzel des Menschseins gründenden Gehorsam ist der Gehorsam des Sohnes, der sich zum Knecht gemacht hat und allen menschlichen Ungehorsam in seinem bis in den Tod gehenden Gehorsam aufnimmt, durchleidet und überwindet.

Gott kann den Ungehorsam der Menschen, all das Böse der Geschichte nicht einfach ignorieren, nicht als belanglos und bedeutungslos behandeln. Eine solche Art von “Barmherzigkeit”, von “bedingungsloser Vergebung” wäre jene “billige Gnade”, gegen die sich Dietrich Bonhoeffer vor dem Abgrund des Bösen in seiner Zeit mit Recht gewandt hat. Das Unrecht, das Böse als Realität kann nicht einfach ignoriert, nicht einfach stehengelassen werden. Es muss aufgearbeitet, besiegt werden. Nur das ist die wahre Barmherzigkeit. Und dass Gott nun, weil die Menschen es nicht zustande bringen, es selber tut – das ist die “bedingungslose” Güte Gottes, die nie gegen die Wahrheit und die ihr zugehörige Gerechtigkeit stehen kann. “Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen”, schreibt Paulus an Timotheus (2 Tim 2,13).

Diese seine Treue besteht darin, dass er nun nicht nur als Gott gegenüber den Menschen handelt, sondern auch als Mensch gegenüber Gott, und den Bund so unwiderruflich fest gründet. Deshalb gehört die Figur des Gottesknechtes, der die Sünden vieler trägt (Jes 53,12), mit der Verheißung des unzerstörbar gegründeten Neuen Bundes zusammen. Diese nicht mehr zu zerstörende Eingründung des Bundes im Herzen des Menschen, der Menschheit selbst, geschieht im stellvertretenden Leiden des Sohnes, der Knecht geworden ist. Von da an steht der ganzen schmutzigen Flut des Bösen der Gehorsam des Sohnes entgegen, in dem Gott selbst gelitten hat und dessen Gehorsam daher immer unendlich größer ist als die wachsende Masse des Bösen (vgl. Röm 5,16-20).

Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth, Band II, S. 152f.


German Angst

Mein Nachbar arbeitet in einem Atomkraftwerk. Als Elektriker. Wahrscheinlich gibt es dafür noch einen elaborierteren Namen, so etwas wie Elektroingenieur. Aber mein Nachbar macht nicht viel Gewese um solche Dinge.

Seit ich in der Nachbarschaft eines Atomkraftwerkes lebe und einen Mitarbeiter jenes Kraftwerkes als Nachbarn habe, hat sich mein Verhältnis zur Atomkraft deutlich entspannt. Selbstverständlich war ich früher dagegen. Und auch heute bin ich nicht etwa ein großer Freund der Atomkraft.

Doch ich plädiere für einen rationalen Umgang mit der Frage der Energieversorgung. Und davon sind wir in Deutschland momentan Lichtjahre entfernt. Die spinnen, die Deutschen! So möchte ich mit Spiegel-Autorin Cécile Calla ausrufen.

Die sensationalistische Medienberichterstattung und die öffentliche Meinung haben sich in den letzten zwei Wochen so hochgeschaukelt, dass sämtliche Maßstäbe verrutscht sind. Roland Tichy bringt es auf den Punkt:

Hunderttausende Menschen in Japan haben kein Dach über dem Kopf, sie trauern in Schnee und Kälte um ihre noch nicht gezählten Toten, Abermillionen leben in Angst vor dem Strahlentod.

Und Deutschland? Die Regierung ruft den Notstand aus! Wo ist unser Notstand, außer in unseren Hirnen? Menschen kaufen Jodtabletten und Geigerzähler; im öffentlichen Fernsehen wird mit geradezu wohligem Schauer die Apokalypse beschworen. Das alles klingt wie Hohn und Spott vor dem Hintergrund der tatsächlichen Katastrophe. Deutsche Politiker schlagen ihre kleinlichen parteilichen Vorteile aus der drohenden Atomkatastrophe.

Tagelang jagte eine Sensationsmeldung die andere, bis sich nicht etwa die Lage in Fukushima besserte – sondern mit Libyen ein neues Thema die drohende, aber letztlich trotz aller Beschwörungen bis jetzt nicht eingetretene Maximalkatastrophe aus den Schlagzeilen verdrängte.

In den deutschen Medien und der hiesigen Öffentlichkeit fehlt bis heute eine nüchterne Einordnung der Ereignisse. Die leisten noch am ehesten (ehemalige) Befürworter der Atomkraft wie Gero von Randow, wenn er schreibt:

Also Ausstieg. Allerdings gibt es einen beunruhigenden Umstand: Seit dem Unglück steigen die Aktien des Geschäfts mit Kohle, Öl und Gas. Dieses Geschäft fordert mehr Unfallopfer pro Gigawattjahr als die Atomenergie, trotz Tschernobyl. Sogar wohl dann, wenn es in Fukushima zum Schlimmsten kommen sollte. Rechnen wir die verlorenen Lebensjahre durch Luftverschmutzung hinzu, dann fällt die Behauptung in sich zusammen, Atomkraft sei die gefährlichste Energietechnik. Und das, obwohl vom Klimarisiko noch nicht die Rede war. Das Atomrisiko realisiert sich jedoch in anderer Weise als das Geschehen in Gruben und Kohlerevieren, auf Gasfeldern und Ölplattformen. Unsichtbar, unentrinnbar, ruft die Radioaktivität einen Archetypus wach: den Fluch. Nüchterne Berechnungen sind gegen die Macht dieses Angstmotivs hilflos. Es ist so stark, dass es abenteuerlichste Behauptungen deckt; in der deutschen Presse war zum Beispiel zu lesen, in Fukushima stünde »die nackte Existenz von Millionen« auf dem Spiel. [via]

Gemessen an der Größe der Flutkatastrophe, die dem Atomkraftwerk in Fukushima das Lebenslicht ausblies, sind die bis jetzt bekannten Unfallfolgen noch relativ überschaubar. Von einer dauerhaften Verstrahlung ganzer Landstriche wie nach Tschernobyl ist bis jetzt nicht die Rede.

Das Kraftwerk war nicht auf eine Flutwelle von jener Höhe ausgelegt, wie sie am 11. März hereinschwappte. Demzufolge war der Tsunami kein Auslegungsstörfall, sondern ein auslegungsüberschreitender Störfall. Gero von Randow vertritt die Auffassung, dass katastrophensichere Atomkraftwerke physikalisch möglich wären, aber praktisch, also technisch, wirtschaftlich und politisch nicht.

Was hilft’s? Wir haben in Deutschland seit Jahrzehnten versäumt, eine rationale Debatte über die Zukunft unserer Energieversorgung zu führen. Die Stromwirtschaft denkt aber notwendigerweise in Dekaden, nicht in Jahren. Kraftwerke sind große Investitionen, die sich über Jahrzehnte amortisieren müssen. (Auch Windräder laufen typischerweise 20 Jahre.)

Die Laufzeitverlängerung der schwarz-gelben Koalition war letztlich der Versuch, Zeit zu gewinnen. Schließlich müssen keine neuen Kraftwerke gebaut werden, solange die alten weiterlaufen können. Doch damit ist jetzt vermutlich Schluss. Die Chancen für neue Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke in Deutschland dürften sich nach Fukushima dramatisch verbessert haben. Ob wir wollen oder nicht.

Hier bei uns im Landkreis haben wir den Atomausstieg schon hinter uns. Das Kernkraftwerk Stade, in dessen unmittelbarer Nähe wir seit 1998 leben, ist im November 2003 als erstes in Deutschland als Folge des Atomkonsenses abgeschaltet worden und wird seitdem demontiert. Am gleichen Standort sollen dafür neue Kraftwerke entstehen. Kohlekraftwerke.


Mein Fastenprogramm 2011

Im Prinzip hat sich mein zuletzt vor zwei Jahren neu justiertes Fastenprogramm bewährt. Nun allerdings muss ich es wieder anpassen. Denn im vergangenen Sommer haben wir unsere Ernährung auf die Logi-Methode umgestellt.

Diese Umstellung hat nicht nur mein körperliches Wohlbefinden deutlich erhöht, sie hat auch dazu geführt, dass ich pro Monat etwa ein Kilo Gewicht verliere (und mir wieder anfuttern muss, um nicht immer weiter abzunehmen). Nun war ich noch nie wirklich übergewichtig. Jetzt aber liegt mein Gewicht in der Nähe des langjährigen Minimums, konkret unter 70 Kilo bei etwas mehr als 1,80 Meter Körpergröße.

Das entspricht einem Body-Mass-Index von 20,5. Meinem Alter entsprechend läge der optimale BMI bei 21-26. Ich sollte also nicht weiter abnehmen. Würde ich das Fasten nach den Regeln der Kirche auf die volle Zeit der 40 Tage ausdehnen und die Ernährung nach der Logi-Methode beibehalten, dann wäre ein weiterer Gewichtsverlust kaum zu vermeiden.

Ich werde also in der kommenden Fastenzeit auf Alkohol und Süßigkeiten verzichten sowie den Fleischkonsum reduzieren, aber nicht komplett einstellen. Ansonsten bleibt es bei drei Mahlzeiten am Tag. Sonntage und Hochfeste sind ab der ersten Vesper vom Fasten ausgenommen.

Als Fastenlektüre nehme ich mir in diesem Jahr den zweiten Band Jesus von Nazareth (Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung) aus der Feder von Papst Benedikt XVI. vor. Das Buch erscheint übermorgen, einen Tag nach Aschermittwoch, sicher kein Zufall.

Außerdem werde ich ab morgen dieses Notizbuch unter meinem vollen Namen führen und es auch mit meinen übrigen Netzaktivitäten verbinden, soweit das sinnvoll ist.

Zum Schluss noch ein Tipp für Hörer: Father Z. hat heute die erste Folge seines LENTCAzT publiziert. Er verspricht eine tägliche Kurzbetrachtung zur Fastenzeit, u.a. mit der jeweiligen Stationskirche des Römischen Messbuches und den Tagesgebeten der ordentlichen wie auch der außerordentlichen Form.


Gesetz, Glauben und Werke

Die Liturgie des 9. Sonntags im Jahreskreis stellt uns heute in den beiden Lesungen und dem Evangelium den Zusammenhang zwischen dem Gesetz, dem Glauben und den Werken vor Augen.

In der ersten Lesung aus dem Buch Deutorononium (Dtn 11, 18.26-28.32) führt Mose das Gesetz des ersten Bundes ein. Zugleich gibt er bereits einen Ausblick auf den Abfall des Volkes Israel vom Gesetz und damit vom Bund. Dieser Abfall ist von Anfang an als Möglichkeit präsent.

In der zweiten Lesung (Röm 3, 21-25a.28) steht jener berühmte Satz aus dem Römerbrief des Apostels Paulus, den Luther als Beleg für seine Theologie nahm:

Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.

Es ist das gleiche Gesetz, von dem hier die Rede ist, das Gesetz des Mose. Dieses Gesetz erklärt Paulus keineswegs für obsolet, im Gegenteil:

Jetzt ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit Gottes offenbar geworden, bezeugt vom Gesetz und von den Propheten: die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben.

Das Gesetz und die Propheten bezeugen die Gerechtigkeit Gottes, die aus dem Glauben an Jesus Christus offenbar geworden ist. Durch Glauben wird der Mensch gerecht, das war Luthers Anliegen, nicht durch die Werke des Gesetzes. Doch das heißt keinesfalls, dass es nicht auf die Werke, auf das Handeln gemäß dem Gesetz ankäme. So lesen wir im heutigen Evangelium (Mt 7, 21-27):

Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten, und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht. Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes! Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute.

Nur wer den Willen des Vaters im Himmel erfüllt, wird in das Himmelreich kommen. Wer das Gesetz übertritt, den weist Jesus zurück. In seinen Grundzügen, wie sie zum Beispiel in den zehn Geboten zum Ausdruck kommen, gilt das Gesetz des ersten Bundes auch für uns Heidenchristen.

Doch es genügt nicht, nur das Gesetz zu befolgen. Der Glaube ist es, der gerecht macht, der uns den Willen des Vaters erfüllen lässt und der die Werke hervorbringt, auf die es letztlich ankommt.


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