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Exoplaneten

Auf nach Alpha Centauri

Demnächst zum Mars? Wie langweilig, und richtig anziehend ist der Rote Planet doch gar nicht. Aber direkt vor unserer galaktischen Haustür gibt es vielleicht sogar bewohnbare Planeten. Manche Astronomen würden alles dafür geben, sie zu finden.

Von Ulf von Rauchhaupt

Sonnenaufgang über der Arktis des Mars nach einer kurzen NachtSonnenaufgang über der Arktis des Mars nach einer kurzen Nacht

03. August 2009 

, San Francisco. Debra Fischer sieht nicht aus, wie man sich jemanden vorstellt, der je viel in Perry-Rhodan-Heftchen geschmökert hat. Die Tür ihres Professorenbüros in dem schmucklosen Hochhaus der San Francisco State University kommt sogar ohne die bei männlichen Astronomen nicht seltenen Außerirdischen-Cartoons aus. Dennoch ist die freundliche blonde Frau heute vielen Freunden der klassischen Science-Fiction ein Begriff.

Denn Debra Fischer ist Planetenjägerin - und eine der erfolgreichsten dazu. Viele Dutzend der 356 heute bekannten Planeten in den Umlaufbahnen anderer Sterne wurden in den vergangenen 14 Jahren unter ihrer Mitwirkung entdeckt. Allerdings waren es bisher keine sehr gemütlichen Welten. Die allermeisten sind riesige Gasplaneten, und viele sind sogenannte "Heiße Jupiter": Sie umkreisen ihre Sterne näher als unser innerster Planet die Sonne, so dass dort infernalische Temperaturen herrschen müssen.

Entfernung: 4, 3 Lichtjahre

Doch Fischer möchte eine zweite Erde finden: eine kleine felsige Kugel in genau dem richtigen Abstand zum Stern, dass dort flüssiges Wasser existieren kann - in der "habitablen Zone", wie die Astronomen sagen. Kommende Woche wird sie ihr Projekt auf dem Welttreffen der Astronomen in Rio de Janeiro einer größeren Fachöffentlichkeit vorstellen und dabei wohl alte Science-Fiction-Träume wecken. Denn sie sucht diese freundliche Welt direkt vor unserer galaktischen Haustür: im Sternsystem Alpha Centauri.

Zwischen der Sonne und Alpha Centauri liegen gerade mal 4,3 Lichtjahre. Damit ist es der sonnennächste Stern. Das heißt: es sind eigentlich zwei Sterne - prosaisch "A" und "B" genannt -, die einmal in 80 Jahren um ihren gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, wobei ihr Abstand zwischen dem Elf- und dem 36-fachen des Abstandes Erde-Sonne schwankt. Früher vermutete man, dass in so engen Doppelsternsystemen keine stabilen Planetenbahnen möglich sind. Ein Irrtum: "Neuere Computersimulationen haben gezeigt, dass um jeden der beiden Sterne Planeten stabil kreisen können, sofern sie sich dabei nicht weiter von ihrem jeweiligen Gestirn entfernen als dem Zwei- bis Dreifachen des Abstandes Erde-Sonne", sagt Fischer. Einzig ein Heißer Jupiter könnte die Kreise eines solchen Planeten fatal stören. "Aber im Alpha-Centauri-System gibt es keine Heißen Jupiter. Die hätten wir schon längst gesehen."

Unter zwei Sonnen

Jeder der beiden Sterne könnte damit theoretisch einen oder vielleicht sogar zwei Planeten bescheinen, auf denen es Seen, Flüsse, Meere gibt - und die damit im Prinzip auch für Lebensformen bewohnbar wären. Zudem sind beide Sterne der Sonne recht ähnlich. Sie sind sogar etwas reicher an schweren Elementen, was die Existenz von Planeten wahrscheinlicher macht. Alpha Centauri A ist etwas größer als unser Zentralgestirn und von fahlgelber Farbe, Alpha Centauri B etwas kleiner und hell orange.

Auf einem Planeten dort würden damit die meiste Zeit des Jahres zwei Sonnen am Himmel stehen. Nur eine kurze Saison hindurch würde es nachts so dunkel wie bei uns. Dafür stünde dann ein halbes Jahr später rund um die Uhr immer eine der beiden Sonnen über dem Horizont. Allerdings wäre die eine immer mindestens zehnmal kleiner als die andere, und der Unterschied würde sich im Laufe der 80-jährigen Umlaufperiode der beiden Sterne umeinander stark ändern.

Wackelnde Spektrallinien

Debra Fischer hat es vor allem auf den orangeroten Alpha Centauri B abgesehen. Denn er eignet sich für die bisher ergiebigste Methode der Planetenjagd besonders gut: Mit einem Teleskop des Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile messen Fischer und ihre Mitarbeiter pausenlos das Lichtspektrum des Sternes.

Ein Planet verrät sich dabei durch einen sogenannten Doppler-Wobble, ein periodisches Wackeln des Spektrallinienmusters. Es rührt daher, dass der Planet mit seiner Schwerkraft an dem Stern zerrt und ihm eine Hin-und-her-Bewegung relativ zum Beobachter auf der Erde aufnötigt, die zu einer Dopplerverschiebung in der Frequenz des Lichtes führt - ganz ähnlich wie Tonhöhenänderungen bei einer sich nähernden und dann wieder entfernenden Polizeisirene.

Wer ist der Erste?

Auf diese Weise wurden die meisten der bisher entdeckten extrasolaren Planeten geortet. Sie funktioniert um so besser, je schwerer der Planet relativ zu seinem Stern ist und je enger er ihn umkreist - was übrigens erklärt, warum sich in der Beute der Planetenjäger so viele Heiße Jupiter finden. Und es ist damit auch einer der Gründe, warum das berühmte Alpha-Centauri-System erst jetzt auf der Liste der Astronomen auftaucht.

Und nicht nur auf der von Debra Fischer: Etwa um dieselbe Zeit, als die Amerikanerin im August 2008 am Cerro Tololo die ersten Daten von Alpha Centauri aufnahm, da taten im 60 Kilometer entfernten La Silla Mitglieder eines europäischen Teams um Francesco Pepe von der Universität Genf das Gleiche. "Ich habe mir ja gedacht, dass ich hier Gesellschaft bekommen würde", sagt Fischer, "ich habe allerdings nicht geahnt, dass das so schnell geschehen würde."

Damit ist ein Wettbewerb darum entbrannt, wer als Erster einen Planeten im Alpha-Centauri-System entdeckt. Ein Wettbewerb mit Tradition: Pepe gehört zur Gruppe des Genfer Astronomen Michel Mayor, der 1995 die Entdeckung des allerersten extrasolaren Planeten mit der Doppler-Wobble-Methode verkündete. Um sich ihres seinerzeit überaus spektakulären Resultats sicher zu sein, hatten die Genfer mit ihren damaligen Instrumenten jahrelang messen müssen. Doch nur eine Woche später wurde ihr Planet bereits von der amerikanischen Gruppe bestätigt, geleitet von Geoff Marcy, dem Betreuer von Debra Fischers Master-Arbeit.

Auch Supererden auf der Liste

1995 gehörte die damals 42-jährige Astronomin, die zuvor drei Kinder großgezogen hatte, zu denen, die nur Zweite wurden. Dennoch scheint sie heute über den Wettlauf um Alpha Centauri alles andere als unglücklich zu sein.

"Das ist phantastisch, genau das, was man haben möchte", freut sie sich - wohl auch, weil ihr Unternehmen, mit dem Doppler-Wobble erdgroße Planeten um einen sonnengroßen Stern zu finden, in Fachkreisen als äußerst mutig gilt. Die Konkurrenz dürfte die Kollegen, die ihre Anträge auf Forschungsgelder begutachten, nun davon überzeugen, dass ihr Vorhaben nicht ganz verrückt ist. Allerdings müssen sie und ihr Kollege Gregory Laughlin von der University of California in Santa Cruz, mit dem sie den Plan ausgeheckt hat, dazu alles auf eine Karte setzen. Denn sie haben es hier eben nicht mit Gasriesen zu tun, die sich bereits zeigen, wenn man die Dopplermessungen ein paar Mal während eines Planetenumlaufs durchführt.

Auch Planeten von mehreren Erdmassen, sogenannte "Supererden", sind so noch zu finden, sofern sie sich um sehr massearme rote Zwergsterne drehen. Für einen erdgroßen Planeten um einen der Alpha-Centauri-Sterne müssen Fischer und ihre Kollegen dagegen ständig messen, und zwar über mehrere Planetenumläufe hinweg, und das heißt bei einem Planeten in erdähnlichem Orbit: über mehrere Jahre.

Muss es Alpha Centauri sein?

Francesco Pepe hat insofern einen Vorteil, als er in La Silla über Harps verfügt. Das Akronym steht für den "High Accuracy Radial velocity Planet Seacher" und bezeichnet das im Moment weltweit präziseste Instrument zur Aufzeichnung von Sternspektren. "Allerdings müssen wir uns Harps mit anderen Gruppen teilen", sagt er. Zudem ist Alpha Centauri B nur einer von zehn Sternen, die sie auf erdähnliche Planeten absuchen wollen. "Aber alle zwei Wochen schauen wir damit auf Alpha Centauri, und das Gerät ist sehr effizient."

Doch auch für Pepe bleibt die Sache riskant. "Damit kann man große Aufmerksamkeit erregen, wenn man Erfolg hat. Andererseits investiert man viel Zeit für die Beobachtung weniger Sterne." Ein noch größeres Risiko geht Debra Fischer mit ihrer Konzentration allein auf Alpha Centauri ein. Wenn es dort keinen Planeten gibt, ist das zwar auch ein wissenschaftliches Ergebnis. Aber keines, mit dem man Blumentöpfe gewinnt.

Doppelsternssysteme nicht unbedingt gute Kandidaten

Und es gibt begründeten Verdacht, dass es so kommen könnte. Genährt wurde er durch Phillipe Thébault vom Observatoire de Paris in Meudon, der vor zwei Jahren untersucht hat, ob sich in einem engen Doppelsternsystem wie Alpha Centauri überhaupt Planeten bilden können. Bis dahin dachte man, das sei kein Problem. "Doch da wurde immer nur die letzte Phase der Bildung eines Planentensystems betrachtet, bei der mondgroße Körper kollidieren und zu Planeten verschmelzen", sagt Thébault.

"Wir haben uns nun die Phase davor angesehen, und die ist problematisch." Denn da müssen sich mondgroße Planetenembryos aus nur kilometergroßen sogenannten Planetesimalen bilden. Die werden durch den Einfluss des zweiten Sternes leicht beschleunigt. Damit sind sie bei Kollisionen untereinander im Mittel zu schnell, weshalb sie sich, statt zu größeren Klumpen zu verbacken, gegenseitig zerschreddern. "Planetenentstehung in engen Doppelsternen ist so nicht möglich, jedenfalls nicht in den habitablen Zonen um die Sterne."

Und wenn man einen Planeten findet?

Allerdings ist noch offen, ob sich die beiden Sterne von Alpha Centauri immer so nahe waren wie heute. "Sterne werden häufig als Haufen geboren", sagt Thébault. "Und mehrere Simulationen haben gezeigt, dass die Doppelsterne darin durch den Einfluss der anderen Haufensterne allmählich enger werden." Daher gebe es eine reelle Chance, dass auch Alpha Centauri A und B früher einmal so weit voneinander entfernt waren, dass sich dort Planeten bilden konnten. Und so will Phillipe Thébault einen Erfolg für Fischer und Pepe nicht ausschließen. Spannend wird es auch für ihn, wenn die Teams einmal genügend Messungen zusammenhaben, um die Frage nach den oder dem erdgroßen Planeten im Alpha-Centauri-System beantworten zu können.

Und wenn tatsächlich einer gefunden wird? Dann werden wahrscheinlich ganz schnell die Dollarmilliarden fließen, um das schon lange geplante Weltraumteleskop zu bauen, das das eigene Licht dieses Planeten nachweisen könnte, um es zu analysieren und die chemische Zusammensetzung seiner Atmosphäre zu bestimmen. Aber nach Ansicht von Fischers Mentor Geoff Marcy wird noch etwas anderes geschehen: "Wir werden eine Sonde zu Alpha Centauri senden", sagt Marcy. "Eine kleine Sonde mit einer Kamera. Sie ließe sich auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Die Bilder würden dann in etwa 400 Jahren bei uns eintreffen. Da sind wir alle tot, aber es wäre ein wunderbares Geschenk an unsere Nachwelt."

Text: F.A.S.
Bildmaterial: Nasa

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