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    "der Haltungsturner"
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    19.4.11

    Verachtung von politischem Streit ist reaktionär 

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    Eine der (modernen damals) Errungenschaften Luthers war die (gedankliche und praktische) Trennung von Sünde und Sünder. Das war inspiriert von der Aufklärung, errungen auch in der derben und harten und polemischen Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam, die die großartigste theologische Schrift aller Zeiten hervorgebracht hat (De Servo Arbitrio), und zusammengefasst in jenem Satz, den er an Melanchthon schrieb, der es einfach nicht begreifen wollte: "pecca fortiter sed fortius crede". Oder, wie Karl Barth (wiewohl Calvinist) es genau 400 Jahre später witzigerweise so brillant formulierte (exakten Wortlaut muss ich nachgucken, sorry): "Die einzig mögliche Antwort auf Unzulänglichkeit allen menschlichen Wirkens ist, sich frisch an die Arbeit zu machen".

    Daran musste ich denken, als ich bei Robert Basic las, den ich seit ewigen Zeiten, so von vor dem Krieg und so, sehr schätze:
    Man wird nicht mit einem Schreihals zu tun haben, man bekommt die ganze Horde ins Haus. Ich kann die Daniel Cohn-Bendits, Franz Josef Strausses und Joschka Fischers im Netz gar nicht mehr zählen. Als ob man in feindliche statt freundlich gesinnte Gefilde eintaucht, sobald man sich politisch im Netz umschaut und gar zu Wort meldet. Das ist keine Einladung zum Gespräch und Gedankenaustausch, sondern eine Schießbefehl-Party, was wir im Netz beobachten können. warum ich die digitalen Politik-Quatschköppe nicht mag
    Besonders apart finde ich dabei den Namen der URL, also die Adresse, unter der Roberts Rant auffindbar ist: "politische Nervnasen". Ich denke: Damit schlägt er in die gleiche Kerbe, in die jene schlagen, die politisches Engagement verächtlich machen. Indem sie diffamierende Worte wie "Wutbürger" oder "Gutmenschen" erfinden. Robert ist kein Reaktionär, das weiß ich, dafür kenne ich ihn lange genug. Aber umso ärgerlicher finde ich, dass er sich eines Argumentationsmodells bedient, dass meiner Meinung nach faktisch reaktionär ist.

    Warum reaktionär? Reaktionär ist eine Position, die einen Zustand von früher wieder herstellen, also eine (geschichtliche, politische) Entwicklung wieder zurück drehen will. Die Verächtlichmachung von Streit und Diskussionen um den richtigen Weg, auch wenn sie hart und teilweise derbe daherkommt, führte dazu, wenn sie sich durchsetzte, dass die Entwicklung, dass sich Menschen in die Politik einmischen und über Petitionen, Bürgerinitiativen, Volksbegehren etc Einfluss zu nehmen suchen, zurück gedreht würde. Denn, davon bin ich überzeugt, nur durch die harte und unsachliche Auseinandersetzung werden sich mehrheitsfähige Positionen rausschälen (wobei man da sicher auch anderer Meinung sein kann, meine Erfahrung spricht nur dafür). Klassischerweise haben vor allem diejenigen ein Interesse daran, dass engagierte Menschen verächtlich gemacht werden, die alles genau so richtig finden, wie es ist. Es ist also eine explizit politische Aussage - nämlich eine mindestens konservative, oft auch reaktionäre.

    Darum habe ich drüben bei Robert kommentiert, was ich hier in meinem Blog leicht abgewandelt noch einmal reinschreibe:

    Ich bin, wie Robert, ein Freund des Hinlangens. Schade finde ich nur, wenn jemand im gleichen Atemzug behauptet, er fände dieses Hinlangen doof, in dem er massiv hinlangt. Genau das aber macht Robert in seinem Rant. Aber ok, das ist die Kunstfigur des Rants. Dass dafür in den ersten Kommentaren (später wurde es dann ja differenzierter) vor allem Applaus von Leuten kommt, die sich in der Opferrolle offenbar gefallen oder an anderen Stellen im Netz teilweise (jaja, nicht alle von denen) Leute mit einer Meinung als “Wutbürger” diffamieren oder gar fein rechtsaußen als “Gutmenschen” beschimpfen, macht mich nachdenklich.

    Das Problem, das ich sehe, ich dies: Ohne apodiktische Äußerungen, die die Unterschiede überspitzen, können sich Positionen, die dann abgeschliffen irgendwann zur Wahl gestellt werden können, nicht rausbilden. Das war ja auch mal historisch die Funktion von “Flügeln” in Parteien beispielsweise: dass sich Positionen miteinander (auch hart) diskutierend auf ihre Tragfähigkeit abklopfen lassen. Ohne diese Art wäre die Reformation nicht passiert und wären die Grünen nicht da, wo sie heute sind (und ich bin überzeugt, dass die SPD heute nicht solche Probleme hätte, wenn sie dies nicht unter Schröder massiv verlernt hätte).

    Politik muss niemandem Spaß machen. Was ich aber wirklich (und das meine ich so hart) bedenklich und gefährlich finde, ist, diejenigen, die stellvertretend, weil sie beispielsweise Spaß an dieser Form von Meinungsbildung haben (und nichts anderes sind diese von Robert und anderen so verachteten Diskussionen – ich bin noch nie aus einer Diskussion, in die ich mit einer massiven Meinung reingegangen bin, rausgekommen, ohne dass meine Meinung/Haltung sich nicht mindestens leicht geändert hätte), den Streit um den richtigen Weg in Sach- oder Grundsatzfragen führen, pauschal als Nervnasen zu beschimpfen.

    Ich selbst bin politisch lange nicht so aktiv wie ich Lust hätte, weil meine Prioritäten (Familie, Job) zurzeit etwas anders liegen. Aber ich bin saufroh um die, die es mit mehr Zeit und Herzblut gerade tun, und verfolge die Themen, die mich bewegen.

    Gut leben kann ich damit, dass Robert (und nicht nur er sicherlich) diese Leute und sicher auch mich für einen bekloppten Nerver hält. Nicht so gut leben kann ich damit, wenn er die Arbeit, die diese für diese Gesellschaft leisten, verächtlich macht.

    (Und dass es immer und überall pathologische Fälle gibt, ist klar und ändert nichts an meiner Kritik. Nervnasen und Bekloppte allüberall, ja. Aber nicht so pauschal, doo)

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    15.4.11

    Die hinkende Trennung 

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    Karfreitag. Tanzen. Jedes Jahr die selbe Diskussion. Und jedes Jahr der selbe bigotte Eifer der gleichen Leute, die zwar eigentlich nie Tanzen gehen, es aber genau einmal im Jahr machen wollen.

    Witzigerweise war es ja ein Liberaler, Friedrich Naumann, der die so genannte "hinkende Trennung" von Kirche und Staat 1919 erdacht hat. Und damit sind die meisten gut gefahren. Denn das Schutzgebot für Feiertage - um mal das aktuelle Beispiel zu nehmen - hätte auch nur so gefasst werden können, wie es heute für alle religiösen Feiertage gilt, die keine gesetzlichen Feiertage sind: Dass die Ausübung der Religion ermöglicht werden muss. Aber ohne Arbeitsfreiheit für alle. Die Diskussion hatten wir ja neulich in den 90ern noch mal bei der Einführung der Pflegeversicherung. Auch damals war die Diskussion ähnlich bigott. Denn der durchaus ernst gemeinte Vorschlag, den Pfingstmontag statt des Novembermittwochs zu nehmen oder besser noch die beiden (religiös überflüssigen) Weihnachtsfeiertage, erntete nur Entsetzen.

    Ich persönlich bin ja dafür, alle kirchlichen und religiösen Feiertage aus den gesetzlichen zu streichen. DANN bin ich auch bereit, über die Anwendung dieser religiösen Feiertage im Alltag zu streiten. Also beispielsweise darüber, ob am höchsten christlichen Feiertag - dem Karfreitag - Alltag sein soll.

    Nicht bereit, auch nur drüber zu reden bin ich aber, solange die gleichen, die Karfreitag laute Musik hören und feiern wollen, aber die vier freien Tage im wunderbaren Frühling nutzen und wollen und mögen.

    Ihr könnt nicht das eine ohne das andere haben: wenn ihr eure Vorteile aus der Tatsache ziehen wollt, dass unsere Religion mal die Kultur dieses Landes prägte und darum immer noch Feiertagsprivilegien hat, dann müsst ihr auch in Kauf nehmen, dass ein, zwei dieser Tage mit Regeln verbunden sind, die ihr doof findet.

    Ich hindere euch schließlich nicht daran, sonntags zu Shoppen oder eure Wäsche aufzuhängen. Selbst wenn ich das doof finde und es mich stört.




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    12.4.11

    Unter Kerlen 

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    Also war am letzten Wochenende so genannter Kerlekurs auf Vindhólar. Acht Jungs und Männer zwischen 13 und 63 unter sich, die meisten normalerweise sozusagen "Mitreiter" ihrer Frauen. Ich habe nun zum zweiten Mal so einen Männerreitkurs mitgemacht (und auch schon einige andere übrigens) - und war wieder begeistert. Was - muss man wohl zugeben - auch am Wetter lag, denn das erste Quasi-Sommer-Wochenende draußen und *schnüff* auf dem Rücken von Pferden zu verbringen, wäre auch ohne Bier, Grillen, Jägermeister und Lakritzschnaps selbstverständlich wundervoll gewesen...

    Denn mal ganz ehrlich: So Männer unter sich, die gehen nicht nur ganz anders mit ihren Pferden um (wer von uns würde schon seinem Pony die Mähne flechten oder auch nur das letzte Staubkorn rausbürsten), die haben auch mehr Spaß dabei. Nehmen das alles nicht so bierernst (haha, toller Männerwitz, oder?). Können sich auch zum Affen machen (vor allem wenn die Mädels nicht dabei sind). Sind einfach gute Reiter (zumal auf unseren Jodhpurhosen ja am Rand auch "Topreiter" draufsteht).

    Und wem das nicht genug ist: Neun Männer (inklusive dem gut aussehenden Trainer) ein ganzes Wochenende in diesen schicken engen Hosen zu sehen, sollte Anreiz genug sein. Kein Wunder, dass unsere Frauen und Mütter beim Grillen dabei sein wollten...

    Fünf intensive Einheiten an einem Wochenende lassen auch die härtesten Kerle an einigen Stellen Muskeln spüren, an denen es sie überrascht hat. Vor allem die Longenstunde im Roundpen mit Turnen und Pippi Langstrumpf Spielen hat es mir angetan. Und dabei war es dann auch wirklich gut, dass wir unter uns waren.

    Spätestens nächstes Jahr wieder, Fathi, ja?

    (Klick auf die Bilder macht die jeweils groß übrigens)

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    4.4.11

    Pferdeweide im Garten 

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    Meine Süße hatte sich schön länger vorgenommen, mal mit ein paar Leute und ihren Isländern quer durch den Höltigbaum zu uns nach Hause zu reiten - denn von der Schranke über die Bahn nach Lübeck aus sind es ja nur noch ein paar Schritte.

    Nun war es so weit. Und sieben schicke Isländer haben unseren Garten verwüstet. Und ich weiß nun, warum beim Polo immer so ein lustiges Dingens gemacht wird, um die Löcher im Rasen zu glätten. Muss ich wohl doch mal einen Vertikutierer ausleihen die nächste Woche. Aber immerhin haben wir jetzt genug Pferdeäppel für die Rosen...

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    2.4.11

    Grüne Haltung - Grüne Volkspartei (beta) 

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    Die GAL, der grüne Landesverband in Hamburg, hat einen Prozess der Aufarbeitung der großen Wahlniederlage im Februar gestartet. Meines Erachtens muss Teil dieses Prozesses auch sein, dass wir uns neu vergewissern, wer wir sind und was wir wollen. Klingt doof, aber alle Debatten und Diskussionen in der Partei seit dem Auszug aus der schwarz-grünen Koalition, der von einer kleinen Gruppe Funktionsträger zur Überraschung vieler anderer betrieben wurde, machen deutlich, dass sehr unklar geworden ist, wo Grüne in Hamburg stehen, was sie unter Politik verstehen, wie sie Politik machen wollen.

    Einer der "Vorwürfe" an die Partei- und Fraktionsführung, den ich teile, ist, dass nicht mehr erkennbar ist, aus welcher Haltung heraus hier Politik gemacht wird. Das Wort von den "realpolitischen Exzessen" macht dann die Runde, ich greife es in meinem Entwurf für einen Debattenbeitrag auf, den ich hier poste.

    Bei Slideshare habe ich ihn abgelegt, als pdf kann es aus meiner Dropbox runtergeladen werden, hier noch mal als reiner Text.

    Mich würde sehr eure Meinung und Einschätzung zu dieser Positionsbestimmung interessieren, es ist bewusst die Version 0.9, also eine Beta-Version.


    ___

    I. Volkspartei? Wieso Volkspartei?

    Der Spruch von der “grünen Volkspartei” ist einerseits selbstverständlich irreführend. Zumal die Zeit der klassischen Volksparteien vorbei ist. Andererseits passt es, wenn Grüne ein Viertel der Stimmen bekommen können (und zumindest in Großstädten können sie das), tatsächlich von einer Volkspartei zu sprechen. Das ist auch deshalb wichtig, weil eine Volkspartei eine andere Aufgabe in der Gesellschaft hat als eine Klientel- oder Themenpartei. Eine Volkspartei führt stellvertretende Debatten, die mehr Menschen betreffen und angehen als ihre “angestammte Klientel”. Und eine Volkspartei steht für einen großen Teil ihrer Wählerinnen eher für ein Lebensgefühl und eine Haltung zu Politik und Gesellschaft als für konkrete, detailreich ausformulierte Programmatik.

    Das ist vor allem für Grüne tatsächlich erst einmal ungewohnt. Für viele ist es sogar beängstigend, wie die GAL-internen Debatten und Kommentare rund um den taz-Artikel zum Thema Lebensgefühl zeigten.

    Aber: Wenn Grüne auf Dauer und nicht nur durch eine zufällige Überspitzung des Zeitgeists über 20% der Wählerinnenstimmen erreichen (und auch wollen), werden wir uns genau darauf einlassen müssen. Über 20% der Wählenden können nicht einmal Grüne über ihre Programme erreichen. Das entscheidende Kriterium wird die glaubwürdig, weil erlebbar, eingelöste Haltung sein, die Grüne von anderen Parteien unterscheidet und von ihren Wählerinnen geteilt wird.

    II. Volkspartei neuen Typs

    Grüne werden wohl keine “klassische” Volkspartei werden, so wie auch SPD und CDU heute keine mehr sind. Wohl aber haben sie genau jetzt die Chance, einen neuen “Typ” Volkspartei zu entwickeln. Gemeinsam haben sie dann mit den “alten” Volksparteien, dass sie die Gesamtgesellschaft unter einem speziellen Blickwinkel betrachten und den Anspruch erheben, über Partikularinteressen hinaus also das Gesamte zu beachten.

    Das unterscheidet sie leicht von ihrer historischen Rolle bisher und sehr von anderen Parteien wie der FDP oder der Linken. Diesen speziellen Blickwinkel gilt es nun zu justieren. Es wird vor allem die Haltung sein, die Grüne zu Politik und zur Gesellschaft einnehmen - und mit der sie Politik gestalten (werden) -, die den Blickwinkel der Neuen Volkspartei bestimmen wird.

    Das, was insbesondere der GAL Hamburg bereits den Jahren des Regierungshandelns bis 2001 abhanden gekommen ist - und was die wesentliche Ursache der zwei darauf folgenden Wahlniederlagen war -, ist jedoch genau diese Haltung. Das unterscheidet die GAL auch von den erfolgreichen Landesverbänden der Grünen. Und es führte zu den realpolitischen Exzessen der letzten Regierungszeit gemeinsam mit der CDU.

    III. Realpolitische Exzesse

    Wenn man sich die realpolitischen Exzesse ansieht, die sich in jenem Mammutprogramm spiegeln, das im Regierungshandeln abgearbeitet werden sollte, dann kommen wir nicht umhin, sie recht eigentlich als Schwester im Geiste des alten Fundamentalismus zu begreifen, den die Grünen eigentlich hinter sich gelassen zu haben glaubten.

    Ironischerweise hat - mindestens in Hamburg, aber als Gefahr auch in anderen Bundesländern - gerade der Sieg, mit dem die Realos die Flügelkämpfe beendet haben, zu einer radikalen Refundamentalisierung geführt, die in der Projekt- und Leuchtturmpolitik ihren Ausdruck fand. Die beiden großen politischen Niederlagen der Regierungszeit (Schulstrukturreform und Stadtbahn) sind diesem Fundamentalismus geschuldet, der zwar radikal realpolitisch und umsetzungsorientiert war, aber dabei in einen ähnlichen Beglückungs- und Besserwissermodus verfiel wie viele Ansätze der historischen Fundi-Ära der Grünen.

    In Stil und Handwerk der Politik hat sich die GAL damit - auch das im Grunde fast ein historischer Treppenwitz - den alten Volksparteien SPD und CDU angenähert. Dadurch, dass sie aber zugleich die alten Verbündeten im Vorfeld der Politik verloren hat (Bürgerinitiativen, Kirchen, Umweltverbände beispielsweise), konnte - im Nachhinein betrachtet - dieser alte und traditionelle Politikansatz nur scheitern.

    IV. Grüne Haltung: Politik nach menschlichem Maß

    Um Anschluss an die gesellschaftliche Mitte zu finden, die von anderen Landesverbänden erfolgreich adressiert und mobilisiert werden konnte - und die sich ausweislich der DIW-Studie auf die Grünen zubewegt -, muss die politische Grundhaltung der GAL neu gefunden, formuliert und mit Leben gefüllt werden. Weit wichtiger als Projekte, Visionen oder die Organisationsform der Partei ist in der jetzigen Phase, eine Haltung zu finden, aus der sich Politik in Form, Handwerk, Stil und Inhalten begründen lässt. Diese Haltung bietet dann gesellschaftlichen Gruppen und Wählerinnen Anknüpfungspunkte, die jenen Grund liefern können, grün zu wählen, der vielen in der Wahl im Februar 2011 fehlte.

    Die gemeinsame Klammer - und bei genauer Betrachtung sogar die Rückbesinnung auf die grünen Wurzeln - kann dabei die Haltung sein, Politik mit menschlichem Maß zu gestalten. Was zunächst abstrakt klingt, hat die Kraft, die zentralen Themen ebenso zu bündeln wie einen anderen Stil von Politik, der die Mitte der Gesellschaft in ihrer Sehnsucht nach Beteiligung und Demokratie abholt.

    "Menschliches Maß" war die gemeinsame Wurzel aller grünen Gruppen, die nicht aus den K-Gruppen kamen. Und es war und ist die Klammer, die Grüne und Bündnis 90 gemeinsam hatten und haben. Die verlorenen Gruppen aus kirchlichen Umfeldern werden sich hier ebenso wiederfinden wie Umweltaktivistinnen, Inklusionsanhängerinnen oder netzpolitisch und bürgerrechtspolitisch Interessierte.

    V. Ausrichtung an der Haltung

    Aus dieser gemeinsamen, alten, neuen Haltung heraus lassen sich Politik, Personal und Stil entwickeln. An ihr lassen sich Projekte und Prozesse beurteilen und messen. Auf sie lassen wir Grüne uns festlegen und verpflichten.

    Tatsächlich lässt sich beobachten, dass grünes Regierungshandeln, beispielsweise auf kommunaler Ebene, das zu Wahlsiegen und nicht zu Niederlagen führt, diese Haltung glaubwürdig und überprüfbar hat. Dass Beteiligung und ein menschliches Maß in der Umsetzung wichtiger sind, als es Projekte und Leuchttürme je sein könnten. Dass Stil und Inklusion im politischen Prozess wichtiger für die Glaubwürdigkeit politischen Handelns sind als formale Erfolge der vorher versprochenen Programme.

    Behutsamkeit, eine wichtige Form eines menschlichen Maßes in der Politik, ist ja nicht nur die wichtigste Leitlinie im Umfang mit der Welt, also unseres grünen Markenkerns, sondern auch die Form des menschlichen Maßes, in die Reformen und Veränderungen gegossen werden müssen, sollen sie gelingen.

    VI. Das grüne Projekt kommt ans Ziel

    Eine Politik nach menschlichem Maß als Haltung der Grünen wird uns vor realpolitischen Exzessen ebenso bewahren wie vor taktischen Spielereien oder dem Wahn der alten Volksparteien, man müsse seine Beglückungsprogramme nur besser kommunizieren. Denn genau dies ist gescheitert. Und nicht mehr angemessen.

    Die Geschichte der Grünen findet ihr Ziel, das "System" von innen zu verändern durch einen neuen Stil und ein Sprachrohr für Bewegungen, in der Entwicklung der Neuen Volkspartei. Mit der Haltung, Politik nach menschlichem Maß zu gestalten, bringen Grüne die Mitte der Gesellschaft, die die alten Volksparteien und ihre Medien als "Wutbürger" diffamiert haben, zurück in die Gestaltung.

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    28.3.11

    Japan ist schuld, Jehova, Jehova 

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    Wie zynisch muss man sein, um diesen Satz zu sagen oder auch nur zu denken? Wohl nur noch übertroffen von der Bemerkung der Bundesgeschäftsführerin der Linken gestern Abend, ihre Partei habe nicht von der Katastrophe in Japan profitiert.

    Schuld ist nicht Japan oder die Katastrophe, sondern schuld sind die Positionen zu Atomkraft und Demokratie - und beides ist durch Japan und Stuttgart 21 und den EnBW-Kauf wieder in den Fokus gerückt, wo es hingehört. Gewonnen hat die Partei, die die glaubwürdigste Position zu Energiepolitik und Demokratie hatte und hat - und im Übrigen die einzige, deren Position sich in diesen beiden Schlüsselthemen nicht signifikant geändert hat in letzter Zeit. Grün bricht aus der Erde.

    Krokus (Crocus)
    (Foto von Maja Dumat auf flickr)

    Japan ist nur an einem "Schuld", wenn man unbedingt in dieser zynischen Kategorie reden will: Daran, dass den Menschen diese Themen auf einmal wichtiger wurden als viele andere. Nur: Die CDU und die FDP (und auch die SPD übrigens) haben nicht verloren, weil in Japan ein Atomkraftwerk havariert ist - sondern weil sie seit Jahren keine glaubwürdige (und nach Meinung der Menschen offenbar richtige) Position zu dem Thema Energieversorgung haben. Japan war, wenn überhaupt, nur der Katalysator.

    Ansonsten ist das eingetreten, was ich im Oktober bereits prognostiziert habe: CDU und Grüne sind die profiliertesten Antagonisten geworden. Die schwimmenden Parteien SPD und FDP verschwinden zwischen ihnen in der Wahrnehmung. Darum hat die SPD eine krachende Niederlage eingefahren. Und darum hatten wir Grünen im Februar in Hamburg eine krachende Niederlage eingefahren.

    Glaubt irgendwer ernsthaft, dass es irgendeinem Grünen Spaß gemacht hat, in den letzten Wochen so oft Recht gehabt zu haben? Hallo? Dass das eingetreten ist, weshalb auch ich seit 30 Jahren (sorry, erst seit dreißig Jahren, bevor ich 11 war, würde ich es nicht als meine eigene Haltung bezeichnen) gegen Atomkraft war beispielsweise?

    Der Zynismus des Wahlkampfgags der Regierung mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg wurde gestern nur durch zwei Dinge übertroffen: Durch die Idee, Japan könnte am Wahlausgang schuld sein - und durch die Ungeniertheit, mit der die gleichen Leute erst fordern, Japan nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen, die dann Japan als Erklärung ihrer Niederlage missbrauchen.

    Das finde ich ungefähr so eklig wie die Auftritte von Christian Lindner gestern abend.

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    15.3.11

    Was ich nicht verstehe, Herr Röttgen 

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    Muttis Klügster, Röttgen, gewinnt an Statur. Gestern in der "was nun" Sendung gefiel er mir als Person nach all dem Gestotter die letzten Tage gut. Er wich überwiegend nicht einmal aus.

    Aber was ich nicht verstehe und mich wirklich und ganz unzynisch frage: Wie kommt er darauf, wie kommt die Regierung und wie kommen die Apologeten des Atomstaates darauf, dass durch die grauenvollen Ereignisse in Japan eine "neue Situation" eingetreten sei, dass etwas passiert sei, das "vorher praktisch ausgeschlossen" gewesen sei? Das, was hier passiert, ist exakt das, was die Kritiker von Atomkraft als Energiequelle für die Stromversorgung immer als "worst case" beschrieben haben. Eine Verkettung von so unwahrscheinlichen Ereignissen, dass die redundanten Sicherheitssysteme nicht mehr standhalten. Und dass die eigentlichen Prozesse der Energiegewinnung eben nicht kontrolliert werden können.

    Hier ist exakt gar nichts anders als vorher.

    Röttgens Argumentation geht ja in etwa so:
    Jeder weiß, dass es "praktisch ausgeschlossen" ist, dass ich den Jackpot im Lotto knacke. Darum spiele ich nicht Lotto. Nun hat mein Nachbar aber gewonnen. Also ist eine völlig neue Situation eingetreten. Also spiele ich ab sofort Lotto.
    Merkt ihr was? Hält uns die Regierung wirklich für so doof - oder: sind die Menschen in diesem Land wirklich so doof -, dass wir auf dieses Spiel reinfallen?

    Es geht nicht um eine neue Atomdebatte. Es geht um die alte, jahrelange Debatte, ob das minimale "Restrisiko" (was für ein perverses Wort) eingegangen werden soll oder nicht. Mal abgesehen von der Müllfrage.

    ****

    Ansonsten Hut ab vor "Zeit Online", die gestern Nacht auf Twitter einen sehr guten Liveticker geboten haben und eng mit anderen, auch Amateuren zusammenarbeiteten. Und hier der Livestream des englischen Programms von NHK, in dem auch alle Pressekonferenzen vor Ort stattfinden:






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    14.3.11

    Ruhe, Trauer - und ein Riesenprojekt 

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    Meine ersten Gedanken zum (neuen) Streit um Atomkraft habe ich schon gestern formuliert. Und ebenfalls gestern war ich sehr genervt von den nicht enden wollenden "Experten", die den GAU prognostizierten und - so schien es mir - geradezu herbei sehnten. Ich habe auch jenen Text von Josef Oehmen gelesen, der rumgereicht wurde, und der, wie ich finde: sehr lesenswert, zusammenfasst, warum alles unter Kontrolle sei. Ich habe mit sehr vielen Menschen gesprochen, online und - vor allem - im richtigen Leben.

    Worin sich alle, mit denen ich zu tun hatte, einig waren: Das, was da in Japan passiert, ist schlimm. Nicht unsertwegen, sondern der Japaner wegen. Es ist extrem schlimm. Jetzt schon. Und ich wünsche mir mehr, als ich sagen kann, dass die Optimisten recht behalten und der GAU ausbleibt, die Kernschmelze so abläuft, wie Oehmen schreibt, also keine weiteren Folgen für die Menschen und die Natur eintreten. Ich brauche keinen GAU, um aus der Havarie die Schlüsse zu ziehen, die ich schon gestern zog: Es ist der (erneute) Beweis, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist. Punkt. Und mir ist das Risiko zu hoch.

    Sehr dankbar bin ich darum Johnny Haeusler für seinen Blogbeitrag eben gerade. Neben vielen Quellen, die sich lohnen, spricht Johnny mir zu ungefähr 150% aus der Seele. Genau so ist es:
    Sollten die Unglücke in den japanischen AKW tatsächlich beherrschbarer sein als in Tschernobyl, würde mich das nicht zum Befürworter der Atomenergie machen. Es wäre aber zumindest erwähnenswert in Tagen, in denen man mal wieder den Eindruck bekommt, dass die Sensation wichtiger ist als Aufklärung und Anteilnahme. Denn auch als Atomkraft-Gegner ist mir die Hoffnung darauf, dass Allerschlimmstes verhindert werden kann, lieber, als ein „Siehste!“ auf der Basis von Menschenleben.

    Ich hoffe daher wirklich, dass sich die Lage in Japan möglichst schnell entspannt, weitere Opfer vermieden werden können und die Gefahren durch die Reaktoren in den Griff zu bekommen sind. Ich brauche keine Massenverseuchung, um weiterhin gegen Atomenergie zu sein.
    Und dann noch ein weiteres Wort, auch das geliehen von einem Mann, den ich sehr schätze, Cem Basman. Cem ruft zu einem Riesenprojekt auf. Und bringt es auf den Punkt: Wenn wir wollen und ein Ziel haben, dann können wir es. Jetzt. Seine Erinnerung an Kennedys Mond-Rede ist genau richtig. Denn so groß ist es, so sehr kann es uns in Europa zusammenführen.

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    13.3.11

    Kurze Anmerkungen zur deutschen Atomdebatte 

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    Vorweg: Ich finde den Fokus der gestrigen Brennpunkt-Sendung auf die Frage, ob durch den Atomunfall in Japan auch Deutschland gefährdet sei, pervers. Verdammt: Die Japaner sind gefährdet und richtig schlimm dran. Denen gelten meine Gebete und die meiner Kinder - lasst die Phantomdebatte um Folgen für Deutschland und Europa, bitte. Darum geht es nicht, auch nicht in der neu-alten Atomdebatte hier. Es ist grauenvoll, was in Japan passiert ist und passiert. Punkt.

    Was mich erschreckt hat an der neu entfachten Debatte um Atomkraft (obwohl, neu entfacht? In meiner Wahrnehmung war sie nie abgeflaut, seit die Regierung den Atomkompromisskonsens einseitig aufgekündigt hat), ist die Schlichtheit einiger Argumente, die ich nicht nur auf Twitter von der Proatomfraktion gehört habe. Ich denke, dass es gute Argumente für Atomkraft geben kann. Persönlich halte ich die Risiken für zu groß als dass die Pro-Argumente ziehen, aber das kann man anders sehen.

    Nur: Das neue mantraartige Standardargument der letzten zwei Tage war: Deutschland und Japan seien nicht vergleichbar, hier gebe es nicht das gleiche Erdbebenrisiko.

    Leute, das bestreitet doch niemand - nur darum geht es gar nicht.

    Was gerade passiert ist, ist, dass für viele Jüngere erstmals oder Vergessliche wieder bewiesen wurde, dass die Atomfraktion lügt, wenn sie behauptet, Atomkraft sei beherrschbar. Wenn innerhalb von gut 30 Jahren drei große, nicht beherrschbare und nicht beherrschte Unfälle passieren, dann sollten auch die Befürworter der Atomkraft als Energiequelle nicht mehr behauptet, dass das Risiko überschaubar und die Konsequenzen von Unfällen beherrschbar seien. Man kann dann immer noch für Atomkraft sein - aber dann bitte so, dass wir uns als Land, Bevölkerung, Kontinent bewusst für dieses Risiko entscheiden. Und nicht so, dass uns vorgegaukelt wird, es bestehe praktisch nicht.

    USA, Sowjetunion und Japan - die Havarien und Kernschmelzen sind ja nun nicht in der Dritten Welt passiert. Mindestens Japan ist auch technologisch und von der Sicherheitskultur mit Mitteleuropa und mit Deutschland vergleichbar.

    Es geht nicht um Erdbeben. Es geht um den Ausfall von zentralen Sicherheitssystemen. Hier: Um Stromausfall und die Unmöglichkeit, Batterien und passende Anschlusskabel rechtzeitig an den Standort zu bekommen. Und das, bei aller Liebe, ist vergleichbar.



    Kaum jemand mit Verstand wird den Atombefürwortern vorwerfen, dass sie nicht alles daran setzen, die Werke so sicher wie irgend möglich zu machen. Was die drei Unfälle der letzten gut 30 Jahre aber zeigen, ist, dass es immer wieder zu Situationen kommt und kommen wird, die nicht planbar sind - und in denen die Technologie außer Kontrolle gerät.

    Lasst uns darüber streiten, ob Atomkraft zur Stromerzeugung eingesetzt werden soll. Gerne. Aber hört auf, uns für dümmer zu verkaufen als wir sind. Und zu allem anderen hat Martin Oetting heute morgen alles nötige gesagt.

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    5.3.11

    Digital Day Präsentation 

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    Ich finde ja die Wiesbaden-Tagungen sehr schön, durfte diese Woche auf den Horizont Digital Days reden. Und weil Ralf Schwartz einen dazu irgendwie passenden Dilbert ausgegraben hat, sei der noch vorangestellt. Die Pflichtapp für alle Social Media Berater.

    Dilbert.com

    Jedenfalls sind dieses hier die Folien, die ich gezeigt habe - was denkt ihr dazu?

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    25.2.11

    Last Exit Volksdorf 

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    Edit 4.4.2011 Inzwischen, sogar schon vor längerer Zeit habe ich das Buch ausgelesen, nachdem ich es verschlungen hatte. Unten am Ende darum noch einmal ausführlicher, warum es ein tolles Buch für mich war. Vielleicht sogar das, was mich am meisten von allen Büchern der letzten Jahre in seinen Bann gezogen hat. Und ACHTUNG mit einem klitzekleinen Spoiler am Ende dieses Textes...
    Ich bin erst auf Seite 40, dies ist also keine "Rezension" oder so was, sondern drückt nur mein Erstaunen aus und wie ich in das Buch gezogen werde,


    Gestern, als ich nach Hause kam, lag ein Exemplar von "Last Exit Volksdorf" von Tina Uebel auf dem Tisch. DDR-Feeling: Ein verbotenes Buch (ein Volksdorfer hat erreicht, dass es nicht weiter ausgeliefert werden darf, wenn ich es richtig verstanden habe), das unter Freunden heimlich (hier: in einer unauffälligen Plastiktüte, wir leben schließlich nur 50m von Volksdorf entfernt) weiter gegeben wird.

    Es ist schon irre. Ich habe auf den Mäuerchen gesessen, bei Simon und Jänisch eingekauft, viel Zeit in der Koralle verbracht, als ich ein Jugendlicher war. Jede Szene, sogar irgendwie tatsächlich jeder Mensch, der in diesem Buch vorkommt, ist mir vertraut, so prinzipisch. Jeder Ort, jeder Typ. Ich habe Straßen vor Augen, durch die Finn mit dem Fahrrad fährt. Ich sehe, in welchem Haus Natalie und Juliette wohnen könnten. La Venezia gibt es schon lange nicht mehr, aber da habe ich ebenfalls Pistazieneis gegessen (denn Pistazieneis war das, was dort besonders war). Auch wir haben Knobibrot im Block House in der Weißen Rose geholt und im Park gegessen. Und das, obwohl ich nie Popper war, sondern immer Außenseiter. Das eigentlich Ulkige an diesem Buch ist, dass es in einer Zwischenzeit spielt. Die Orte und die Personen sind sehr 80er, die iPods und Cayennes stammen von heute. Tina Uebel ist fast genau so alt wie ich und zur gleichen Zeit wie ich in Volksdorf aufgewachsen.

    Ich gehörte nie dazu in Volksdorf, denn ich lebte damals im Nachbarstadtteil Meiendorf, der armen Schwester auf der anderen Seite des Waldes. Ich kannte kaum Leute vom WDG (Walddörfer Gymnasium), das im Buch eine große Rolle spielt, nur einige, mit denen ich politisch arbeitete. Aber trotzdem war Volksdorf immer mein Dorf und ist es geblieben. Heute sind wir mehr als je zuvor dorthin orientiert, bald zwei unserer Kinder gehen dort zur Schule, eines spielt dort Fußball, einkaufen, Rastaurants, de Fries, alles mein Leben.

    Selten hat mich ein Buch auf den ersten Seiten schon so in seinen Bann gezogen. Zumal ich Tina Uebels Stil sehr mag. Ob es auch Menschen so geht, die Volksdorf nicht so gut kennen?

    Edit 4.4.2011
    Der erste Eindruck nach 40 Seiten täuschte nicht. Es ist und es blieb ein tolles Buch in all seiner Trostlosigkeit, Ausweglosigkeit, Komik, Tragik, seinem Irrwitz. Relativ klar ist auch, wer wohl die Einstweilige erwirkt haben muss, eigentlich kommt nur der Arzt aus dem Krankenhaus in Großhansdorf in Frage, der auch wirklich nicht gut wegkommt (und dessen Sohn sich mutwillig mit AIDS ansteckt).

    In den Rezensionen ist immer die Rede davon, dass alles in der Katastrophe endet - da bin ich mir nicht so sicher. Für mich ist es eher ein trostlos-realistisches Bild der wohlstandsverwahrlosten Kinder und ihrer Eltern, in großen Teilen bis heute gültig (es spielt ja auch in der Gegenwart), obwohl es die 80er Jahre abbildet. Der Mutter jener hochbegabten und verhätschelten Musikerin, die an der Erwartungen ihrer Familie zerbricht und in Magersucht und Irrsinn abgleitet, bin ich zigfach begegnet in meiner Zeit, in der ich in der Kirche dort aktiv war. Diese Einsamkeit in diesem großen Haus mit dem Mann, der nur das perfekte Weibchen haben will, und der Tochter, die sie nicht versteht, spüre ich geradezu. Und deren Mutter wiederum, die bei 16 Grad Raumtemperatur in ihrem Bett erfriert, stammt eigentlich aus Horn, wie meine Großeltern. Drogen, Mobbingvideos rund um eine Art Vergewaltigung, Außenseiter - alles deprimierend, alles realistisch in gewisser Weise, alles literarisch überhöht.

    Ich konnte das Buch tatsächlich nicht weglegen, habe es der Freundin zurück gegeben, die es mir geliehen hat, so dass ich erstmal nicht noch weiter drin blättern und es querlesen kann. Und ja, ich kenne auch Leute, die nicht in oder um Volksdorf oder vergleichbare Gegenden aufgewachsen sind, denen es ähnlich ging mit diesem Buch.

    Ist es gehypet? Nein, finde ich nicht. Jede euphorische Beschreibung stimmt. Und schade, dass ich nicht zur Lesung in der Koralle gehen kann, es wäre sicher sehr spaßig, lauter Volksdorfer zu beobachten, wie sie die Autorin beobachten, die ihr Leben beobachtet hat. Wer immer an das Buch kommt: Lest es!

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    21.2.11

    or·dent·lich, Adjektiv 

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    Das also meinen unsere grünen Führungsleute, wenn sie an das Abschneiden der GAL bei den Wahlen gestern in Hamburg denken. Interessant. Ich finde ja eher, dass es eine ordentliche Niederlage ist. Haben die sie noch alle, die Schönrednerinnen?

    Silbentrennung: or·dent·lich, Komparativ: or·dent·li·cher, Superlativ: am or·dent·lichs·ten
    Aussprache: IPA: [ˈɔʁdn̩tlɪç], Komparativ: [ˈɔʁdn̩tˌlɪçɐ]

    Bedeutungen:
    [1] aufgeräumt; geordnet
    [2] umgangssprachlich: anständig; löblich
    [3] umgangssprachlich: sehr viel
    [4] auf Person bezogen: ordnungsliebend

    Herkunft: abgeleitet von Orden + Fugenelement t + -lich

    Synonyme:
    [1] genau, systematisch, strukturiert
    [2] anständig; löblich
    [3] reichlich, gehörig, großzügig

    Gegenwörter:
    [1] unordentlich
    [3] wenig, dürftig, geizig
    [4] unordentlich

    Beispiele:
    [1] Dein Zimmer ist ja heute so ordentlich.
    [2] Er hat eine ordentliche Leistung gezeigt.
    [3] Mach ordentlich Ketchup drauf!
    [3] Der hat eine ordentliche Tracht Prügel verdient!
    [4] An ihrer Schultasche sieht man schon, dass sie sehr ordentlich ist.

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    18.2.11

    Alle Kreter sind Lügner 

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    Immer. Sagt Epimenides der Kreter.

    Guttenberg hat also offenbar bei seiner Doktorarbeit betrogen*. Er wurde promoviert, obwohl er die Arbeit, nach allem, was bis heute an nicht belegten Zitaten aufgetaucht ist, nicht der Promotionsordnung entsprechend angefertigt hat, also nicht hätte promoviert werden dürfen.

    Ob das ein Rücktrittsgrund ist, ist mir im Grunde egal, auch wenn ich persönlich, aufgrund meiner persönlichen Vorlieben, dieses für schwerwiegender halte als beispielsweise ein Empfehlungsschreiben auf Ministerpapier, also als den Rücktrittsgrund von Möllemann damals.

    Was mir ganz und gar nicht egal ist sondern mich - auf deutsch gesagt - tatsächlich und massiv ankotzt, ist der Versuch mancher seiner Verteidiger oder so genannter "Neutraler", sein akadamisch unfragwürdiges Verhalten als Regelfall hinzustellen. Denen, die glauben, das machten doch alle Leute so, die sich promovieren lassen wollen, sei der ruhige und abgewogene Blogeintrag von Anatol Stefanowitsch im Wissenslog empfohlen.

    Ich finde es ein Unding, dass hier alle oder zumindest viele Akademiker in Sippenhaft genommen werden sollen für ein individuelles Fehlverhalten. Dafür, dass ein offenbar schwacher Mensch so schludrig eine "wissenschaftliche" Arbeit anfertigt, dass er ganze Passagen - und hey, dabei handelt es sich nicht um marginale Einzelsätze, das kann einem nachlässigen und flusigen Menschen sicher mal passieren - abschreibt, vor allem solche, die er als seine Meinung und Schlussfolgerung verkauft, dafür also gibt es keine akademisch vertretbare Entschuldigung. Das ist einfach nur frech oder schlecht oder Betrug. Egal welche dieser drei Möglichkeiten am dichtesten an der Realität ist: Es ist nicht das akademische System an sich. Es ist das Fehlverhalten eines möglicherweise Überehrgeizigen.

    Guttenberg allein beschädigt das wissenschaftliche System nicht damit. So was kommt vor, die Arbeit wird zurück gezogen werden, der Titel wird als nicht gegeben gelten, Ende. Aber weil er der einzige ist, der Frau von der Leyen als künftige Führungsfigur der Union verhindern kann, springen ihm - ich hoffe wider besseres Wissen - nun viele bei, die damit, dass sie ihn verteidigen, dass sie sein Vergehen vielleicht sogar als (aus akademischer Sicht, und nur um die geht es hier) nicht so schlimm oder gar üblich beschreiben (werden), den Wert akademischer Arbeit an sich verächtlich machen.

    Was ich daran besonders pervers finde (und was mich wirklich zornig macht): Wer immer jetzt die Nicht-So-Schlimm- oder Das-Machen-Doch-Alle-Karte spielt, bedient die populistischen Vorurteile, alle Akademiker seien faul. Wissenschaft sei Humbug, Forschung und Forschungsarbeit (die beispielsweise mit Promotionen belohnt wird) eigentlich dämlich oder irrelevant. Und die Akademiker kupferten doch eh alle nur voneinander ab.

    In der ganzen Plagiatsdingens gibt es nur einen Sieger: Guttenberg, der populärer sein wird als vorher. Und zwei Verliererinnen: Bildung und Wissenschaft. Und damit schadet Guttenberg mit seiner Leugnung und schaden seine Verteidiger und die, die seine Verfehlung kleinreden, unserem Land, das Bildung und Wissenschaft braucht.

    Ich glaub, ich kotz noch ne Runde.


    * Ja, ich bleibe bei meiner Formulierung, denn ich halte es für einen wissenschaftlichen Betrug, in einer wissenschaftlichen Arbeit (die hier der Promotion zugrunde liegen soll) Zitate nicht als solche sichtbar zu machen. Außerdem verstößt dieser Betrug gegen die guten Sitten und führt dazu, dass unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein (materieller, gesellschaftlicher) Vorteil erlangt wird, den eine Promotion in diesem Land immer noch darstellt.

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    11.2.11

    Die Angst der SPD vor ihren Wählern 

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    Ich bin ja ein sehr, sehr großer Freund des neuen Hamburger Wahlrechts, von dem ich immer wieder höre, dass so viele Hamburger es nicht mögen, weil es ihnen zu kompliziert sei. Meine eigenen Schlüsse aus dem Wahlrecht für mein Wahlverhalten habe ich neulich ja schon mal aufgeschrieben. Dass das Wahlrecht, bei dem wir Wählende einen sehr großen Einfluss darauf haben, wie die Reihenfolge der Parteikandidatinnen aussieht, die dann wirklich ins Parlament kommen (weil wir jeden einzelnen wählen können, auch mit fünf Stimmen, oder die Stimmen auch auf verschiedene Parteien verteilen und so weiter), dass dieses Wahlrecht vor allem für die beiden "großen" ein Problem ist, finde ich logisch. Denn das ausgeklüngelte ausgeklügelte System, nach dem in so komplexen Organisationen wie - sagen wir mal - der SPD Listen zusammengestellt werden, ist eben dieses: komplex. Und es tariert Befindlichkeiten und Abhängigkeiten gut aus. Das meine ich nicht mal zynisch.

    Das Tolle ist ja nun aber, dass dieses Austarieren für uns Wählende egal ist. Und so könnte es beispielsweise passieren, dass Isabella Vértes-Schütter, die traditionell auf dem letzten Landeslistenplatz, sozusagen symbolisch, kandidiert, gewählt wird, weil die Rentner-Stammwähler der SPD sie auf Seite 2 am Ende, also leicht erkennbar, entdecken und ihr ihre fünf Stimmen geben. Huch.

    Oder dass Leute, die auf Platz 3 in einem Wahlkreis sind oder auf Platz 50 der Liste, persönlichen Wahlkampf machen und nach vorne rutschen. Oder reiche Freunde haben, die ganzseitige Anzeigen schalten. Oder oder oder.

    Darf nicht sein. Abgeordnetenwatch hat auf die Antwort von CDU und SPD hingewiesen: Richtlinien, wie Kandidierende sich zu verhalten haben, damit ja nichts durcheinander kommt. Zumindest bei der SPD mussten alle Kandidierende ein solches Papier unterschreiben, in dem sie erklären, dass sie sich entsprechend verhalten

    Und weil der von mir geschätzte Hansjörg Schmidt, der ja selbst in der unglücklichen Lage ist, nicht auf einem privilegierten Platz für die Bürgerschaft zu kandidieren (und dem ich wünsche, dass er gewählt wird, aber das habe ich ja schon gesagt), heute morgen erklärte, der Bericht von Abgeordnetenwatch sei falsch, er kenne kein solches Papier und habe es nicht unterschrieben, hab ich es mir mal besorgt.



    Ganz ehrlich: Ich finde einige Passagen in diesem Papier skandalös. Und sie offenbaren eine Angst der SPD, die mich vielleicht nicht überrascht, aber doch befremdet. Dafür erklären sie aber immerhin, warum ich viele, viele CDU-Plakate sehe, auf denen lokale Kandidaten um fünf Stimmen bitten, aber keine von der SPD (außer für die Plätze 1 und 2 in den Wahlkreisen). Und warum dann die anderen auf kreative Maßnahmen zurück greifen müssen, wie bei mir mein alter Widersacher aus Jusozeiten (er war der erste "rechte" Jusokreisvorsitzende bei uns in Wandsbek und löste uns als letzten linken Kreisvorstand ab, damals, Mitte der 80er) Ekkehard Wysocki, für den Mitbürger auf DIN-A-5-Zetteln bei uns in der Siedlung werben, weil er "einer von uns" sei.

    Das Verhalten der SPD finde ich sehr unsympathisch. Und die widersprüchlichen Aussagen zur Verbindlichkeit jenes Papiers oben sehr dubios.

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    8.2.11

    Unsere beste Entscheidung 

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    Dass Secundus vor fast genau zwei Jahren vom Gymnasium auf die Stadtteilschule (damals noch Gesamtschule) gewechselt ist, war eine der besten Entscheidungen, die wir je getroffen haben. Und weil ja jetzt sowohl bei den Freunden, die Kinder in der vierten Klasse haben, als auch bei einigen, die ihre Kinder in der sechsten Klasse eines Gymnasiums haben, eine ähnliche Entscheidung ansteht, freue ich mich über den ersten guten Abendblattartikel zum Thema Schule seit Jahren. An einem individuellen Fall wird eine Erfahrung geschildert, die wir kennen. Und zu der wir viele, viele andere Familien kennen, die es genau so auch erlebt haben. Vor allem der Schlussfolgerung der Autorin Claudia Eicke-Diekmann kann ich nur vollen Herzens zustimmen:
    Ein Indiz ist das Halbjahreszeugnis in Klasse 6, das vor einer guten Woche ausgeteilt wurde. Ein Schulwechsel ist auch während des Schuljahres möglich. Dafür reicht ein formloser Antrag an die Schulbehörde. Die Garantie auf den Platz an der Wunschschule gibt es auch dann nicht, aber der Übergang ist dann freundlicher für die Kinderseele. Abgeschult - und wohin dann?
    Ich war jahrelang ein nur theoretischer Anhänger der Gesamtschule. Schon immer. Und immer mit der Einschränkung, dass ich meinte, die Gesamtschule kann neben dem viergliedrigen Schulsystem nicht wirklich bestehen. Der Trend zu einem neuen Schulsystem aus Sonderschulen, Stadtteilschule, die zum Abitur führt, und Gymnasium - der sich ja nicht nur in Hamburg niederschlägt sondern auch in anderen Ländern - hat nun der alten Gesamtschulidee neue Kraft gegeben.

    Ich bin ja im Elternrat (Elternmitbestimmung) eines Gymnasiums aktiv, habe ein Kind in der Grundschule und eines auf der Stadtteilschule. Und sehe heute, dass für die allermeisten Kinder die Stadtteilschule die mit Abstand bessere Wahl ist. Eltern, die ihre Kinder aufs Gymnasium schicken, müssen wissen, was sie ihren Kindern damit antun. Beispielsweise könnte nahezu jede Stadtteilschule in Hamburg im Verlauf von Klasse sechs mindestens eine weitere Klasse aufmachen allein aus männlichen "Gymnasialrückläufern". Das Problem in fast allen mir bekannten Fällen: Die zweite Fremdsprache am Beginn von Klasse sechs.

    Aufgrund der (nun noch einmal durch die Hamburger Schulinspektion neutral nachgewiesenen) schlechteren Unterrichtsqualität an Gymnasien, die sich vor allem in unterentwickelter didaktischer Vielfalt und in schwach ausgeprägter Bereitschaft vieler Lehrerinnen äußert, anzuerkennen, dass nicht alle Kinder mit Beginn von Klasse fünf bereits selbstständig lernen können, scheitern zunehmend Kinder daran, dass wie aus dem Nichts in Klasse sechs das Tempo angezogen wird und nur ein Jahr, nachdem die erste Fremdsprache aus einem eher spielerischen Umgang in ein "echtes" Fach umgewandelt wurde, bereits die zweite Fremdsprache dazu kommt. Ich habe bei einer großen Menge von Kindern erlebt, dass sie schon in den ersten Wochen hier den Anschluss verloren haben, ohne dass die Sprachlehrenden das rechtzeitig merkten. Ähnlich berichten mir das Stadtteilschullehrende, die diese Kinder dann auffangen und - glücklicherweise - zu neuer Blüte führen.

    Ähnlich wie in dem Fall im Abendblatt war für Secundus der Wechsel - im laufenden sechsten Schuljahr übrigens - ein Segen. Er ist heute so gut wie noch nie in der Schule, hat für sich eine Perspektive entwickelt, hat einen anspruchsvollen Berufswunsch, ist mit seinen Begabungen und seinen Schwächen gut aufgehoben, wechselt jetzt zum Halbjahr sogar in einem seiner traditionellen "Problemfächer" in den starken Kurs. Er selbst wollte diesen Schulwechsel, um mehr Zeit für das Ziel Abitur zu haben. Und um mehr Freiraum für Bewegung, Sport, Hobby zu haben, der durch die Unterrichtsverdichtung am Gymnasium zu kurz zu kommen begann. Und dass sein Klassenkollegium am Gymnasium zum ersten Mal gemeinsam zusammen kam, um über ihn zu sprechen, als wir um ein Gespräch baten und sie uns vom Schulwechsel abhalten wollten, sagt ein Übriges.

    Wenn zugleich an Primus' Schule (Gymnasium) der ehemalige Mittelstufenleiter mehr oder weniger offen davon redet, dass durch die aus seiner Sicht offenbar unsägliche Schulreform (hier: kein Sitzenbleiben, kein Abschulen in der Mittelstufe) eben am Ende von Klasse sechs massiv "gesiebt" werden müsse, ist meine Empfehlung klar: Das Gymnasium ist nicht nur die reformbedürftigste Schulform in Hamburg - sondern auch die, die nicht erste Wahl sein sollte, wenn ich ein Kind habe, dass normal- bis leicht höherbegabt ist. Ich erlebe zurzeit kein Gymnasium, das mit dem pubertären Durchhänger in den Klassen neun und zehn angemessen umzugehen in der Lage ist. Keins, das bereits hinreichend mit zeitgemäßen Unterrichtsmethoden vertraut wäre oder gar in Teams arbeitete. Keins, das ich wirklich empfehlen kann. Ja, ich kenne nicht viele Gymnasien, sondern nur die, auf die Kinder von Freunden gehen oder an denen Freunde unterrichten. Aber in dieser Stichprobe ist das Ergebnis verheerend.

    Dass es keine weiterführende Schule jenseits der Sonderschulen in Hamburg mehr gibt, die nicht zum Abitur führt, dass also jeder Schulabschluss an jeder Schule möglich ist, finde ich toll. Und das sollte Eltern die Entscheidung erleichtern, ob sie ihren Kinden eine halbwegs gute Schullaufbahn gönnen oder ob sie sie wirklich der Hektik des G8 aussetzen wollen. Ich teste beides. Und obwohl Primus weiterhin gut in der Schule ist und erfolgreich, ist die Entscheidung für die Stadtteilschule bei Secundus die beste unseres Lebens gewesen. Und ich bin sehr unsicher, wie wir es bei Tertius im kommenden Jahr machen werden, obwohl er sich gerade wie ein "Überflieger" zu bewähren scheint.

    Warum ich für die schwarz-grüne Regierung der letzten Jahre in diesem Zusammenhang dankbar bin: Sie hat die Gymnasien unter Reformdruck gesetzt, dem sie sich durch die Reform des Schulgesetzes nicht mehr entziehen können. Und sie hat in meinem Umfeld die Stadtteilschule "hoffähig" gemacht. Dieser Mut und dieser Schritt war - davon bin ich überzeugt - nur in einem lagerübergreifenden Regierungsbündnis möglich. Und gut und wichtig, selbst um den Preis, dass nun Olaf Scholz droht.

    Update 22.00
    Und noch ein Einzelfall, der ähnliche Erfahrungen macht wie wir, noch radikaler fast, in Harburg, heute in der Mopo.

    Update 15.2.
    Und noch ein kurzes Update, weil mir die Schulleiterin an Primus' Gymnasium etwas leicht missgelaunt vorhielt, die erwarte von ihren Elternvertretern, dass sie auch die positiven Seiten darstellten, und ich ihr flapsig antwortete, dass ich das durchaus getan habe. Mir geht es nicht um die konkrete Schule, auch wenn ich da besonders viel zu kritisieren habe, tatsächlich alles Positive, was mir zum konkreten Zusammenhang dieses Blogposts einfiel, geschrieben habe (nämlich nichts). Beide großen Söhne haben gute und schlechte Lehrer (oder das, was ich jeweils dafür halte). Und selbstverständlich gibt es auch an Gymnasien Lehrerinnen, die sich anstrengen, modernen und zeitgemäßen und auf der Höhe des pädagogischen Wissens angesiedelten Unterricht zu machen. Und auch an Stadtteilschulen solche, die es sich bequem machen und seit zwanzig Jahren nicht weiter entwickelt haben. Was ich aber merke, ist, dass die Organisationsform Stadtteilschule offenbar hilft, diese Schwächen besser auszugleichen. Und dass dort nicht so viel grundsätzlich im Argen liegt wie an Gymnasien.

    Dass Primus den jeweils besten und schlechtesten Lehrer aus meiner eigenen (!) Schulzeit an seiner Schule nun aktuell auch im Unterricht hat, ist dabei ebenso ein weiterer Treppenwitz wie die Erkenntnis, dass ich damals mit meiner Bewertung wohl ganz gut lag.

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    1.2.11

    Zwei kurze Anmerkungen zu #jan25 

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    I. Profilneurotiker unter sich

    Ich war mir nicht sicher, wie ich die Idee von Richard Gutjahr finde, nach Kairo zu reisen, als ich darüber erstmals las. Aber je länger er da ist und es in seinem Blog dokumentiert, desto mehr sehe ich, warum er es getan hat. Thomas Knüwer hat dazu das Nötige gesagt.

    Was aber gar nicht geht, sind die Profilneurotiker, die die Frage diskutieren, ob er ein "richtiger" Journalist sei. Hallo? Das sind die gleichen, die sonst immer sagen, wie toll Blogs und Blogger sind und wie wichtig und wie sehr Journalisten und klassische Medien versagen. Wisst ihr, wie egal mir ist, ob er "richtiger" (was immer das sein mag und wer immer das entscheiden können dürfen soll) Journalist ist oder nicht? Er schreibt eine Livereportage. Und zwar, bisher, eine gute. Besser als das meiste, was ich neben groben Überblicken bisher gelesen habe.

    Mein erster Weg, als es in Tunesien losging, war zu meinem tunesichen Reittrainer. Mein erster Blick, wenn mich Israel aktuell interessiert, ist Lilas Blog. Und mein Augenmerk gilt jetzt dieser Livereportage. Neben den dürren Überblicken, ich bin ja nicht doof.

    Legt euch mal wieder hin, ihr Bedeutungsdeuter. Pah.

    ***

    II. Es macht mir auch Angst

    Ich bin froh, dass Menschen ihr Leben in die Hand nehmen und für Demokratie, Freiheit und eine Reformation (wenn das denn so ist) streiten. Ich bin froh über jeden Despoten, der abtreten muss. Ich denke, dass hier das nordafrikanische 1989 passiert, dazu später bestimmt mal mehr.

    Aber so, wie 1989 in Europa zu tollen Dingen führte und zu schrecklichen, so wird es auch "dort" sein. Ich habe Angst vor dem, was da passiert. Nicht zu viel, aber doch auch Angst. Weil die Festung Europa und die Szenarien, über die wir schon in den frühen 80ern, als die Mauern am Mittelmeer errichtet wurden, geredet haben, auf einmal da sind. Weil ich nicht weiß, was das für Israel bedeutet, was da passiert. Weil sich in die Freude die Sorge mischt.

    Noch ist es diffus. Darum nur kurz notiert.

    Update 3.2., 10:30 Uhr
    Noch zwei Bemerkungen nachgeschoben. Zum einen bin ich froh, dass Richard Gutjahr rechtzeitig wieder ausgereist ist aus Kairo und nicht den Helden spielt - und damit all denen, die ihm genau das unterstellten und darauf hinwiesen, dass das der Unterschied zu "klassischen" Journalisten sei, Lügen straft. Darum auch hier seine Bilder vom Mobilgerät der letzten drei Tage:



    Und zum anderen bin ich traurig, dass meine Angst begründet war. Das auch noch kurz erläutert: Ich meine nicht nur die Sorge, ob die Machthaber den europäischen oder den chinesischen 1989er Weg gehen, das ist in vielen Ländern noch völlig unklar. Sondern auch die Sorge, dass auch in Europa 1989 ja nicht alles superfriedlich und in die Demokratie führte. Rumänien, Jugoslawien, Belorus, Ungarn, Polen, Tschechien - die Wege waren sehr, sehr unterschiedlich und nicht überall so, wie man sich das in einer idealen Welt vorgestellt hätte. So wird es auch in Nordafrika und im vorderen Orient sein (und das hat nichts mit dem Raunen zu tun, das die öffentlich-rechtlichen TV-Sender so oberpeinlich den ein oder anderen bekannten Spinner gerade verbreiten lassen. Darum hier noch mal der Appell: Stoppt Peter Scholl-Latour und gönnt ihm seinen Ruhestand.)

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    29.1.11

    Spaß bei der Arbeit 

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    Mehr durch Zufall musste ich an mein eigenes Schülerpraktikum damals vor rund genau* 25 Jahren denken. Nicht mal besonders, weil Primus gerade seine drei Wochen Praktikum bei einer Tierärztin hinter sich hat (und nein, ich will die Fotos von der Operation nicht sehen, als sie gemeinsam einen Hund aufgeschnibbelt haben und er alle inneren Organe für seinen Praktikumsbericht dokumentiert hat). Sondern weil heute früh @pfarrerpohl darauf hinwies, dass Ephraim Kishon heute seinen sechsten Todestag hat. Und weil ich ihn damals kennengelernt habe (und später als Radiomacher noch einmal traf, als ich ihn interviewen wollte - und er tatsächlich genau so arrogant reagiert, wie es immer über ihn hieß, dass er es sei).

    Da mir im Prinzip schon klar war, was ich beruflich machen oder zumindest studieren wollte, als das Praktikum anstand, habe ich etwas gemacht, was mich fasziniert hat damals - ich habe mich bei allen Theatern dieser Stadt beworben und wurde bei den Kammerspielen in der Requisite genommen. Es war ein richtig tolles Praktikum (bei dem ich als Kollateralnutzen im Aufenthaltsraum der Theatermitarbeiter die Nullnummer, oder war es die Ausgabe 1?, der neuen Zeitschrift Tempo sah, las und danach abonnierte und liebte, ach die 80er). Die große Ida Ehre fragte mich einmal die Woche, wie es mir gefällt und geht. Grit Boettcher musste ich irgendwelchen Kram besorgen, an den ich mich nicht mehr erinnere, Requisite eben. Und dann begannen die ersten Proben zu Es war die Lerche. Ich hab die Besprechung der Bühnenbauer mit dem Regisseur mitgehört. Und die ersten Sprechproben. Und dann kam der Autor.

    Für mich, der ich seine Bücher sehr mochte damals, war es ein besonderes Erlebnis, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Wie er, ja, tatsächlich auf eine merkwürdig schnodderige Art zugleich arrogant und wienerisch-charmant in seinem beigen Trenchcoat auftauchte und alle ihre Arbeit unterbrachen. Wie er ungeduldig mit dem Regisseur sprach. Wie er mit den beiden Schauspielern am Text arbeitete.

    Als ich später das Stück sah, war ich enttäuscht. Ich fand es doof.

    ***

    Sagte ich eigentlich schon mal, wie toll ich simfy finde? Dass ich in ganze Alben erstmal reinhören kann, bevor ich entscheide, ob ich sie kaufe? Gerade in das neue von Heinz Rudolf Kunze. Echt jetzt. Bin halt ein Kinder der 80er, nicht nur in Bezug auf Tempo.

    * nachdem ich jetzt noch mal nachgeguckt habe, muss es sogar GENAU vor 25 Jahren gewesen sein, denn Januar 1986 ist Tempo erstmals erschienen. Und an genau diese Adelsausgabe und dann das sehr umstrittene Wehner-Interview (wir linken Sozis haben Tempo vorgeworfen, dass sie den senilen Wehner nicht vor sich selbst geschützt haben) in Nr. 2 erinnere ich mich jetzt wieder sehr lebhaft. Wobei die großartigste Geschichte in diesem ironischen Popjournalismus die "Postmoderne" überschrieben Bildstrecke war, in der lauter moderne Postgebäude abgebildet waren. Die erschien aber im "Wiener" und nicht in der "Tempo", in der dafür eine tolle Geschichte über Bebra und seinen Eternit-Chick stand.

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    26.1.11

    Antireaktionäres Plädoyer 

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    Wer kennt sie nicht, die guten Dinge die Leute, die Manufactum für eine passende Signatur ihres Lebensstils halten? Genau die habe ich vor Augen, wenn ich Sascha Lobos sehr gute Kolumne auf SpOn von heute lese, sein Plädoyer gegen Entschleunigung, diesen absurden, monströsen Fetisch der (Öko-) Reaktionäre. Er hat mir (dass ich das noch erleben darf) aber so was von aus der Seele gesprochen.

    Ich denke, Sascha irrt sich nur in dem kleinen Abschnitt, in dem er Stress gut findet. Denn wiewohl er selbst auch ein Reaktionär ist, hat Reinhard K. Sprenger doch Recht mit seinem Spruch, Stress sei der "Orden der Unbegabten". Im Grunde entsteht (dauerhafter, denn nur der ist das Problem) Stress ja doch vor allem dadurch, dass eine eben das Atmen zwischen hoher Geschwindigkeit und absoluter Ruhe vergisst.

    Ansonsten: Einer der Texte, die ich gerne selbst geschrieben hätte, der - wie ich hoffe: verständlich - erklärt, was das eigentliche Thema sein sollte.
    Genau wie den Umgang mit der beschleunigenden Technologie muss man das Versäumen lernen, das beste Mittel gegen die Überforderung. Diese Kultur des Verpassens ist das Eingeständnis, dass die Welt zu schnell ist, egal wie schnell sie ist. Deshalb ist Entschleunigung keine Lösung, sie kann sogar gefährlich sein, weil sie wie das lauwarme Nichtschwimmerbecken ist. Man hält es ewig darin aus, aber lernt niemals schwimmen. (Lobo auf SpOn)
    Ja, dass es einem zu viel wird, das kenne ich auch, zur Genüge, wenn ich ehrlich bin. Und ja, auch ich leide immer wieder darunter, dass ich den Eindruck habe, mein Leben sei immer schneller geworden. Aber ich habe eben auch die gleiche Erfahrung gemacht wie Sascha und die meisten anderen digital pioneers, die ich kenne: Ich genieße es, im Strom zu sein. Und ich kann und darf ihn auch mal vorbeiziehen lassen.

    Wie Clay Shirky richtig feststellt: Es ist eine Frage der Filter. Alte Filter (auf Medien, Informationen, die Welt) sind zerbrochen, einige von uns haben schon neue Filter, andere noch nicht - aber die Überforderung ist ein Filterproblem und ein Problem, mit dem Mut zur Lücke zurecht zu kommen, nicht aber ein Problem der Menge oder der Geschwindigkeit.

    Es gibt keine gute alte Zeit. Die alte Zeit ist schlechter als unsere. Mein Leben ist - tschuldigung - besser als das meiner Eltern, als die in meinem Alter waren, viel besser als das meiner Großeltern, als die in meinem Alter waren. Es ist in manchem schneller. Und in anderem entspannter. Und ganz ehrlich, allem Streit, aller Probleme, aller Sorgen zum Trotz: mein Leben ist schön.

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    24.1.11

    Wahlempfehlung zur Bürgerschaftswahl 

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    In knapp vier Wochen wird in Hamburg gewählt. Diesmal ist es etwas kompliziert. Nicht nur der Inhalte wegen, sondern auch, weil wir Hamburger insgesamt je zwanzig Stimmen haben - zehn für die Bürgerschaft und zehn für die Bezirke. Insgesamt ist das Wahlrecht sehr personalisiert, was aus meiner Sicht zwei (gute) Konsequenzen hat: Ich muss oder zumindest kann mich mit konkreten Menschen auseinandersetzen und dem, was sie wollen und wofür sie stehen. Und ich kann "Nachbarinnen" wählen, also vor allem im Wahlkreis Menschen, die für mich auch im Alltag ansprechbar sind, die die Probleme vor Ort kennen und so weiter.

    Beides werde ich tun.
    Und für beides werbe ich.

    Landesliste

    Die Liste, die die Parteien zur Wahl stellen, hat keine Bedeutung mehr. Darum halte ich es für wichtig, sich anzugucken, wen ich in der Bürgerschaft sehen will und wen nicht. Da ich Leute kenne, die GAL, SPD und CDU wählen wollen, hier meine Empfehlungen genau da für. Denn die schlechteste Lösung wäre, einfach nur die Landesliste zu wählen.

    (1) GAL Landesliste
    Ich werde mit allen fünf Stimmen Michael Gwosdz wählen, sobald ich seinen Namen richtig schreiben kann. Michael, auf Platz 8 der Bürgerschaftsliste, war in den letzten Jahren vor allem in der Schulpolitik aktiv und hat immer den Kontakt zu "uns Betroffenen" gesucht. Das wirklich komplexe Thema Schulreform, das mehr ist als die Einführung der Primarschule, denn es hat sehr viel zu tun mit all dem, was sich glücklicherweise gerade inhaltlich und pädagogisch ändert, vor allem am Problemkind der Hamburger Schulen, den Gymnasien, dieses Thema hat er super kompetent getrieben. Vor allem aber ist er - wenn ich es richtig sehe - der einzige aussichtsreiche Kandidat aller Parteien auf Landeslisten, der bei dem mir sehr, sehr wichtigen Thema Netzpolitik zuverlässig ist. Er begreift es, lebt "unser" Leben, nimmt uns Onliner auch politisch ernst (informiert uns und fragt uns, auch wenn wir nicht zu Offline-Parteiveranstaltungen gehen, weil wir einen Job und eine Familie haben beispielsweise), er zieht die richtigen Schlüsse. Klare Empfehlung und die Bitte, ihn weiter nach vorne zu befördern mit euren Stimmen direkt für ihn. Fragt ihn sonst selbst, was er zu euren Themen denkt.

    (2) SPD Landesliste
    Schwieriges Thema, weil nicht nur Nico mir immer vorwirft, da besonders kritisch zu sein, was vielleicht an enttäuschter Liebe liegt, denn ich bin ja zweimal aus der Partei ausgetreten. Aber Leute, das ist ja nun wirklich schwer. Netzpolitisch nix, schulpolitisch nix, Wirtschaft jenseits von Hafen nix. Korrigiert mich, aber es ist irgendwie schon traurig. Aber eine Idee habe ich, wenn denn jemand unbedingt SPD wählen wollen sollte. Mein guter Freund Michael Hüttel kandidiert auf Platz 42, also auf der zweiten Seite des Wahlzettels. Er hat mir versprochen, sich in Netzfragen von mir beraten zu lassen. Immerhin. Verkehrspolitisch nicht verlässlich für die Stadtbahn, aber gegen die Autolobby, so als überzeugter ÖPNV- und Fahrradmensch. Insofern fände ich es schon gut und wichtig, dass er in die Bürgerschaft kommt.

    (3) CDU Landesliste
    Ganz übel, ja. Im Grunde ist ja auch nur wichtig, dass ihr jemanden wählt, der nach Platz 5 kommt, damit Scheuerl nach hinten durchgereicht wird. Also vor allem, wenn ihr die CDU gut finden solltet, wäre das ja wohl Pflicht. Erst dachte ich, der Wersich könnte eine Empfehlung sein, aber in Schulfragen eiert er ja grotesk rum und nett finde ich ihn auch nicht. Auf PLatz 23 kandidiert allerdings Claudia Folkers. Die kann man wählen. Sie stand fest zu moderner Schule und ist als Quereinsteigerin nicht in den klassischen Wandsbeker Seilschaften drin. Meine Jungs hat sie als Leichtathletiktrainerin sehr gut trainiert, wenn das ein Argument sein mag (weiß nicht). Vor allem aber hat sie einen eigenen Kopf, den kann man in der Opposition ja immer gut gebrauchen. Also: Schulpolitisch gut, Bildung und Sport gute Kenntnisse der Realität, bei uns aus dem Stadtteil. Geht.

    Wahlkreise

    Im Wahlkreis finde ich es sehr schwierig. Zumal in "meinem" Wahlkreis 14 (Rahlstedt). Die Stimmen sind wichtig, das Gesamtergebnis ändern sie nicht. Letztes Mal habe ich beispielsweise mitgeholfen, einen jungen, kompetenten Mann an der Nomenklatura der SPD vorbei in die Bürgerschaft zu wählen. Und darum werde ich beispielsweise auch die grüne Kandidatin auf Platz 3, Karin Jung, wählen, zumal ich es sehr schräg finde, wie der stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen, der weit weg vom Wahlkreis wohnt und keine Ahnung von irgendwas hat, das uns betrifft in der Realität, so schön gegen unsere Regeln, dass Frauen auf ungeraden Plätzen kandidieren, verstößt. Wobei ich zugebe, dass ich ihn nicht verhindert habe, weil ich nicht bei der Wahlversammlung war. Karin ist eine gute, wirklich - die gehört in die Bürgerschaft.

    Meinen Großeltern im Wahlkreis 1 (Mitte) habe ich ja schweren Herzens Hansjörg Schmidt in Horn empfohlen. Zwar gehört er zur Truppe des SPD-Kaders, den ich am unangenehmsten von allen finde (und hey, den kenne ich noch aus den 80er Jusozeiten), aber er ist netzpolitisch zuverlässig - und wenigstens einen Netzpolitiker sollte auch die SPD in der Bürgerschaft haben, finde ich.

    Und in Altona (Wahlkreis 3) gibt es einen echten Lichtblick: Lars Brücher, auf Platz 4 der grünen Wahlkreisliste, muss rein, finde ich, auch wenn ich ihn nicht wählen kann, weil ich am anderen Ende der Stadt wohne. Netzpolitik, Wirtschaftspolitik - in seinen beiden Schwerpunkten bin ich so voll auf seiner Linie, dass es schon fast unheimlich ist.

    ***

    Dass ich selbst Mitglied bei den Grünen bin und insofern insgesamt eher voreingenommen, wisst ihr. Bei den drei Themen, die mir dieses Mal aber am wichtigsten sind, halte ich die Grünen auch tatsächlich für die sozusagen objektiv (hust) beste Wahl: Schul- und Bildungspolitik, Wirtschaft jenseits des (überschätzten) Hafens, Netzpolitik. Darum hier noch das Wahlprogramm der GAL, Netzpolitik ist da übrigens auf Seite 29 zu finden und deckt sich sehr mit meinen Forderungen an eine grüne Netzpolitik (ok, hab da ja auch mit dran formuliert).



    Alle grünen Kandidatinnen für die Bürgerschaft sind online, übrigens.

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    13.1.11

    Liebe Journalisten, wir müssen reden 

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    Es gab Zeiten, in denen guter Journalismus Geschichten von echten Menschen erzählt hat, von Schicksalen beispielsweise. Nur leichte Verfremdung oder auch gar keine waren nötig, denn die Menschen, um die es ging, die Opfer von Verbrechen oder Missverständnissen wurden, waren weit weg. Nur die Zeitungsleute kannten sie und einige wenige Bekannte oder Nachbarn erkannten sie durch den Bericht hindurch.

    Diese Zeit ist vorbei. Im Großen und im Kleinen. Das kann als Journalist bedauern, wer will. Was ich aber gefährlich finde, ist, wenn die journalistische Arbeit nicht von Zweifeln angekränkelt ist, ob die alten Methoden noch ausreichen, um sauber zu sein - und beispielsweise Opfer zu schützen.

    Das wurde mir so deutlich, als ich vor ein paar Tagen einen Fall in mehreren Hamburger Zeitungen verfolgte, der überall groß (und bei der Mopo, aber wer wollte das anders erwarten, verblödet reißerisch entstellt "K.O.-Tropfen im Messwein", aber lassen wir das, wir wollen ja über Journalismus reden) gefahren wurde.

    Es ging, grob, um einen sehr unklaren Sex-Fall in einer Kirche, denkbar ist, dass Vergewaltigung im Spiel ist. Ich formuliere es so zurückhaltend, weil nichts klar ist bisher. Die Angaben, die beispielsweise im Hamburger Abendblatt über die beiden beteiligten Erwachsenen gemacht wurden, haben dazu geführt, dass ich 20 Sekunden brauchte (Google und archive.org sei Dank), um den ersten Namen rauszubekommen und festzustellen, dass ich den Menschen kenne. Und weitere 25 Sekunden, um den anderen Menschen eindeutig zu identifizieren, den ich nicht kannte - und von dem das Abendblatt, weil es möglicherweise das Opfer war, nicht mal einen (Vor) Namen nannte. Weitere 20 Sekunden, und ich hatte Bilder und die gesamte bisherige Biografie dieses Menschen, obwohl aus Profilen bei Xing und Facebook die Bilder "gelöscht" worden waren. Die Angaben im Abendblatt waren - für mich - so wenig anonymisiert, dass ich wusste, von welchem Portal die Zeitung die wesentlichen Infos über den Menschen hatte.

    Nun kann man - zynisch - argumentieren, dass dieser Mensch sich ja nicht einem Medium gegenüber hätte äußern müssen (was offenbar in einem Fall geschehen ist). Aber ich habe mich (auch angesichts der imho an sich nicht wirklich berichtenswerten Geschichte) schon gefragt, ob das Abendblatt aus diesem Vorfall wirklich eine zwei Tage lange und insgesamt fast eine ganze Zeitungsseite große Skandalgeschichte machen musste, deren Motivation am Ende doch vor allem sich daraus speist, dass Sexskandale und Sexverbrechen in Kirchen (und noch recht frisch ja in der evangelischen Kirche in Hamburg, siehe den Rücktritt der Bischöfin) gerade so gut funktionieren.

    Vor zehn Jahren wäre die Zeitungsgeschichte nicht wirklich problematisch gewesen, denn ich hätte nur gewusst, um wen es geht, wenn ich jemanden kenne, der vor Ort wohnt, in der Kirche aktiv ist und mir Auskunft gibt. So habe ich nach einer knappen Minute alle Infos über die beteiligten Menschen. Nun wird jemand anders sich diese Minute Arbeit vielleicht nicht machen, der nicht ohnehin den Eindruck hätte, dass er einen der beiden Menschen kennen müsste, von früher. Aber das macht es nicht besser.

    Liebe Journalisten, seid ihr euch wenigstens bewusst gewesen, als ihr diese Geschichte schriebt und ins Blatt gehoben habt, dass ich ohne jede Anstrengung sofort alles das weiß, was ihr so verantwortungsvoll nicht sagt? Wovon ihr dachtet, dass ihr es quasi anonymisiert habt? Oder glaubt ihr wirklich, dass es noch immer so ist wie früher? Dass wir mit Schauder, Empörung oder Freude euren Geschichten lauschen, von denen wir wissen, dass wir nie wissen werden, um wen es in Wirklichkeit geht?

    Ich habe keine Lösung. Aber ich frage mich, ob solche Geschichten wie die, an der es mir jetzt so sehr aufgefallen ist, noch geschrieben werden sollten. Und wenn, ob sie noch so geschrieben werden sollten. Ob der Anspruch, Menschen und ihre Privatsphäre und Würde zu schützen, neue Kriterien für Geschichten braucht. Gerade im skandalisierenden Lokaljournalismus.

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    12.1.11

    Ceterum Censeo: Noch einmal zu Ungarn 

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    Gestern bekam ich mit der Schneckenpost eine Mitteilung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages. Unter der Nummer Pet 3-17-05-06-018106 hatte ich am 22.12. folgende Petition als Onlinepetition eingereicht:
    Der Deutsche Bundestag möge beschließen:

    Der Deutsche Bundestag erkennt die europäische Ratspräsidentschaft Ungarns nicht an und fordert die Bundesregierung auf, die bilateralen Beziehungen mit Ungarn einzustellen und ungarische Kandidaten, die Positionen in internationalen Organisationen anstreben, nicht zu unterstützen. Der ungarische Botschafter soll nur noch auf technischer Ebene empfangen werden, bis die Medienbehörde NMHH wieder abgeschafft ist und die Pressefreiheit hergestellt.
    Heute nun schreibt mir Herr Aßmus im Auftrag der Vorsitzenden des Petitionsausschusses (Auszug):
    Ihre Eingabe wird in Übereinstimmung mit den geltenden Verfahrensgrundsätzen nicht als öffentliche Petition zugelassen. Sie wird jedoch im Rahmen eines allgemeinen Petitionsverfahrens - ohne Einstellung ins Internet und öffentliche Diskussion - behandelt.
    Es folgt der übliche Hinweis, dass das lange dauern wird und ich Geduld haben möge. Faktisch heißt das ja, dass nach der Prüfung das Thema erledigt ist, weil der erste Satz dann vorüber ist, das halbe Jahr Präsidentschaft um.

    Liegt es am ersten Satz, der möglicherweise nicht in die Zuständigkeit des Bundestages fällt? Oder was sind denn die Verfahrensgrundsätze? Frage ich gerade nach, aber die Antwort wird dauern.

    Was mich betrübt: Das Thema ist nach einer kurzen Aufregung, auch in den Medien, von der Tagesordnung der Diskussion. Dass der Außenminister nichts zum Ausscheren Ungarns aus der Demokratiegemeinschaft sagt, habe ich ja erwartet. Dass das Thema genauso schnell aus der deutschen Diskussion verschwindet wie die Zustände in Weißrussland und Russland, empfinde ich aber als Skandal. Denn dass Weißrussland eine der zwei letzten europäischen Diktaturen ist, wissen wir ebenso wie die Tatsache, dass Russland nur von Idioten Bundeskanzlern für eine lupenreine Demokratie gehalten wird. Ungarn aber ist in der EU, ist also Inland, nicht Ausland. Gehört zu dem, was ich Heimat nenne.

    Vielleicht sollten andere diese Petition einfach auch noch ein paar Mal einreichen? Vielleicht sogar mit gleichem Wortlaut? Meine Begründung übrigens war am 22.12. (und erklärt auch, warum ich mich exakt (!) an die Formulierung anlehne, die damals von der EU gegen Österreich verwendet wurde):
    Mit der Einschränkung der Pressefreiheit, die ab 1.1.2011 gilt, verlässt Ungarn den Wertekanon der EU. Eine Reaktion analog zu den Sanktionen gegen Österreich im Jahr 2000, als die FPÖ in die dortige Bundesregierung eintrat, ist notwendig. Die Ratspräsidentschaft eines Landes kann nicht akzeptiert werden, das so eklatant gegen die gemeinsame politische Kultur der EU verstößt.
    Mein ceterum censeo für die nächsten Monate ist: Ungarn darf nicht wie ein normales EU-Mitglied behandelt werden.

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    10.1.11

    Das Monster der Falschheit 

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    Wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich mich am allermeisten aufregen kann, wenn jemand in einer Position, die an sich normalerweise Bildung voraussetzen sollte, ungebildet ist - also vor allem ohne profunde Kenntnisse in Geschichte, Kulturgeschichte, Kunst, Literatur und Religion daherplappert. Da kann ich sehr zum Snob werden.

    Und darum wird der Titelbildredaktion des Spiegel wahrscheinlich die beißende Ironie gar nicht bewusst gewesen sein, als sie ihre Geschichte sehr wahr mit einer Adaption der legendären Karikatur von A.Paul Weber illustrierten, um zu verdeutlichen, dass sie sich an der faktenfreien, schlagenzüngigen, großmäuligen, krakenhaften Gerüchteküche über "das Internet" beteiligen.



    (Bild merkwürdigerweise ohne Rechtehinweise zum Download abgelegt beim Webermuseum in Ratzeburg, das übrigens einen Besuch wert ist. Ob die es wirklich zur Verfügung stellen? Ich habe es hier vorsichtshalber mal nur verlinkt)

    (Zum Thema selbst ist alles und überhaupt gesagt)

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    9.1.11

    Fotoshooting im Schnee mit Pferden 

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    Bei uns um die Ecke wohnt die sehr gute (Pferde-) Fotografin Karen Diehn. Und am ersten Januarwochenende hat sie einige von uns auf dem Hof als Laienmodels eingesetzt. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, wenn jemand Fotos macht, die etwas davon versteht. Von Gruppenfotos -

    eine Gruppe im Schnee

    über "Wendybilder" -

    Secundus und Gjosta zwei grinsende Sportler
    Sæla und ihre Reiterin

    bis hin zu Bewegungsfotos, bei denen der Schnee spritzt, -

    Galopp II

    Tilberi im Galopp

    oder eben Fotos mit besonderer Haltung (und ohne störende Menschen) -

    unsere drei Pferde

    (alle Fotos, anders als sonst bei den von mir veröffentlichten und abweichend von der Lizenz, unter der dieses Blog erscheint, mit "klassischem" Copyright, also all rights reserved. Karen lebt vom Fotografieren, bitte respektiert das, darum sind diese Fotos auch nicht bei Facebook, wo man der Plattform ja weitreichende Rechte einräumt)

    Wir überlegen, unser Jahresfoto im Herbst auch mal von Karen machen zu lassen, alle Menschen und Tiere unserer Familie.

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    6.1.11

    Wo kämen wir denn hin, 

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    wenn jeder sagte,
    wo kämen wir hin,
    aber keiner ginge,
    um zu sehen,
    wohin wir kämen,
    wenn wir gingen.


    Kurt Marti

    ***

    Vor einigen Jahren wohnten wir in Duvenstedt. Das gehört zu den Walddörfern in Hamburg, also zum so ziemlich besten Teil der Stadt, wisst schon, so mit Familiendurchschnittsnettoeinkommen 100k und so. Unsere Neubausiedlung, leicht außerhalb, viele Kinder, lag hinter einer nicht ganz ungefährlichen Kurve, in der LKW mit leicht überhöhter Geschwindigkeit hin und wieder Ladung (Stohballen und so) verloren. Dort ging der Schulweg lang. Einige wohlsituierte Eltern hatten die Idee, den Fußweg um ein paar Meter zu verlegen und sind an das Bezirksamt (unsere Kommunalbehörde damals) herangetreten, ob sie das nicht einfach machen dürften, sie würden es auch selbst bezahlen, wenn kein Geld da wäre. Das ging in den Bauausschuss der Bezirksversammlung. Und der hat abgelehnt.

    Grund war nicht, dass es nicht sinnvoll wäre, im Gegenteil: einige Jahre später wurde es umgesetzt, damals schon auf die Prioritätenplanungsliste (oder wie immer das heißen mag) gesetzt. Aber die Duvenstedter bekamen keine Genehmigung, eigenes Geld einzusetzen. Die Begründung: Ja, es sei wichtig, aber andere Maßnahmen, in Steilshoop oder Jenfeld (zwei unserer bezirklichen Ghettos sozialen Brennpunkte), seien auch wichtig, und dort könnten sich die Anwohner nicht mal eben leisten, so was selbst zu bezahlen. Das sei also ungerecht.

    Stimmt. Und viel gerechter ist es selbstverständlich, dass dann nur zwei der drei wichtigen Projekte gebaut wurden, eines davon in Duvenstedt, und das alles Jahre später.

    Daran musste ich, tut mir leid, denken, als ich diese beiden Reaktionen heute morgen bekam auf meinen Aufruf, für die NCL-Stiftung zu stimmen beim Aspirin-Sozialpreis.




    Ja, ihr habt Recht. Da ist eine Schieflage. Aber findet ihr es nicht zynisch, NICHT für die NCL-Stiftung zu stimmen und nicht einen Beitrag zu leisten, dass sie vielleicht das Geld bekommen für ihre Arbeit, weil ihr den Konzern, der das Geld raustut, ablehnt oder weil nicht alle, die betroffen sind, die Seite aufrufen können?

    Ja, das mag Whitewashing sein (ich kenne Bayer nicht gut genug, um das wirklich sagen zu können). Ja, das ist eine PR-Nummer. Ja, die Seite ist nicht gut und nicht gut programmiert und doof und hässlich und hat Barrieren und und und. Aber die NCL-Stiftung macht eine gute Arbeit, die ich kenne, weil eine Freundin von mir da arbeitet. Und dadurch weiß ich auch, wie schwer sie es hat, an Zustiftungen und Preise zu kommen, weil das Thema zwar grauenvoll ist, aber die Anzahl der Betroffenen klein.

    Bitte gebt euch einen Ruck und stimmt für die. Auch wenn es euch zuwider sein sollte, aus welchen Gründen auch immer, was der Preisauslober sonst noch so macht.

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    4.1.11

    Nicht immer nur auf den BDZV schimpfen, ... 

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    ... denn wenn sogar die oberste ARDeuse auf deren Propaganda reinfällt, müssen die - mit der professionellen Brille betrachtet - doch echt gut sein. Aber eigentlich geht es um was anderes. Nämlich dies:

    Mir ist Stefan Niggemeier oft ein bisschen zu selbstgefällig (und das mag ich nur bei mir selbst vorbehaltlos akzeptieren). Aber wo er Recht hat, hat er Recht. Als ich die letzten Tage aus dem Augenwinkel die grotesken Bemerkungen der neuen ARD-Intendantin oder wie das heißt las, musste ich erst lachen, dann weinen und dann schimpfen. Gegen diese abstrusen bekloppten verwirrten Aussagen von Frau Piel (Zusammenfassung beispielsweise hier bei SpOn) ist die GEZ-Kita-Farce und die Berichterstattung darüber geradezu geprägt von Wissen. Das mal dazu.

    Aber ich könnte über Unwissenheit hinwegsehen und mich gemeinsam mit Markus Siepmann damit trösten, dass eben immer die auf den Chefposten rotieren, die aktuelle Diskussionen am wenigsten verfolgt haben, wenn es nicht so wäre, dass schon die Regelungen, mit denen ich Gebührenzahler regelmäßig enteignet werde, wenn ARD und ZDF ihre Inhalte depublizieren müssen, meiner Meinung nach gegen meine Rechte als Gebührenzahler verstießen. Oder, wie Stefan in seinem Brief an Piel schreibt:
    Wir bekommen aber ein Problem miteinander, wenn Sie auf meinem Rücken und dem von Millionen Gebührenzahlern den Verlegern bei dieser Strategie helfen wollen. Unter bestimmten Bedingungen wollen Sie öffentlich-rechtliche Inhalte, die für Geräte wie das iPad aufbereitet wurden, nur noch gegen Geld zugänglich machen. Ich habe Neuigkeiten für Sie, Frau Piel: Wir haben diese Inhalte schon bezahlt. (Stefan Niggemeier)
    Die Mediatheken und beispielsweise die wirklich gute Tagesschau-iPhone-und-Android-App sind die ersten Angebote, die mich als Gebührenzahler bedienen. Nein, nicht die ersten - den ARD-Radio-Tatort-Podcast und den Podcast der logo-Nachrichten nutze ich ja auch.

    Na, Frau Piel, merken Sie was?

    Ich senke den Altersdurchschnitt Ihrer Nutzer trotz meines nun auch schon fast biblischen Alters auf die Hälfte, aber ich nutze weder UKW noch DVB-T, um ihre Dingens zu empfangen, sondern das Netzwerk der Telekom oder meines Arbeitgebers (oups), um es bequem dann zu gucken oder zu hören, wann ich will.

    Sagt mal, ihr Medienjuristen unter meinen Leserinnen: Wie klage ich denn eigentlich in Karlsruhe gegen die Depublizierungspflicht, die die Verleger bei den Bundesländern durchgesetzt haben? Wer hilft mir dabei? Ich mein, wenn schon die Ober-ARDeuse nicht versteht, was wir Zahler (und ich zahle gern!) bezahlt haben, wird es nun wirklich langsam Zeit, sie zu ihrem Glück zu zwingen, oder?

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    27.12.10

    Grüne Netzpolitik in Hamburg - Vertrauen zurückgewinnen 

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    Jetzt, wo es in Riesenschritten auf die Neuwahlen in Hamburg zuläuft und an allen Ecken und Ende am grünen Wahlprogramm geschraubt wird, habe ich mich ein bisschen engagiert und auch am Entwurfstext rund um Medien- und Netzpolitik mitgearbeitet. Quasi als Abfallprodukt sind einige Überlegungen entstanden, was grüne Netzpolitik in und für Hamburg heißen kann. Dieses Papier habe ich auch begonnen, in die innerparteiliche Diskussion zu geben. Da ich denke, dass gerade ein Thema wie Netzpolitik - ein Bereich, in dem Grüne in diesem Jahr viel richtig gemacht aber eben auch viel Vertrauen verspielt haben - öffentlich diskutiert werden sollte, schreibe ich es auch mal ins Internetz rein. Den Text habe ich auch bei slideshare öffentlich zugänglich hochgeladen, hier im Volltext.

    Idee des Papiers ist, Netzpolitik für Nichtfachleute verständlich zu machen. Darum wird es manchen Fachleuten vielleicht an der einen oder anderen Stelle allzu oberflächlich oder holzschnittartig vorkommen. Aber um Netzpolitik aus der Nische zu holen, in die sie nicht gehört, müssen "wir" uns imho bemühen, die Themen und Punkte, die uns wichtig sind, so aufzubereiten, dass andere sie verstehen. Und uns wohl auch auf einige wenige Punkte beschränken.

    Was denkt ihr?


    _______

    Vertrauen zurückgewinnen -
    ein Zukunftsthema glaubwürdig besetzen.

    Strategische und inhaltliche Überlegungen zur Netzpolitik der GAL
    von Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach

    In den letzten zwei Jahren hat die GAL einiges an Vertrauen bei den so genannten “Netzbewohnern” und der digitalen Elite verspielt. Es ist uns nicht immer gelungen, deutlich zu machen, wo wir stehen und dass (oder ob) unser Handeln in der Netzpolitik von (Fach-) Wissen, Analyse und einer politischen Haltung geprägt ist.

    Das ist umso bedauerlicher, als Hamburg das Zentrum der internetbasierten Wirtschaft in Deutschland ist. Nicht nur die wichtigsten Medienunternehmen haben ihren Sitz in Hamburg sondern auch die Deutschlandzentralen beispielsweise von Google und Facebook, die wie kaum andere zurzeit das Bild des Internet für die Menschen prägen. 2010 wurden in Hamburg zwei der wichtigsten kreativen Inkubatoren für junge Internetunternehmen gegründet. Hamburg hat sich zur Hauptstadt der nächsten Generation von Gründern entwickelt.

    Hamburger Grüne waren in den Diskussionen um Daten- und Verbraucherschutz im Internet in den letzten zwei Jahren durchaus präsent und haben mit hoher und glaubwürdiger Expertise (Justiz, Datenschutz) Positionen bezogen. Es ist uns als GAL aber nicht hinreichend gelungen, diese Expertisen mit technologischer und netzpolitischer Kompetenz zu verbinden und zu einer konsistenten und glaubwürdigen Position zu kommen. Sowohl beim Daten- und Verbraucherschutz in Sozialen Netzwerken als auch beim “Lex Google” haben wir aus dem Versuch heraus, das richtige zu tun, den Blick auf die besonderen Herausforderungen des Netzes als Infrastruktur verloren.

    In keiner der Debatten im Feld der Netzpolitik war die GAL in den letzten zwei Jahren erkennbar, obwohl das Thema aus der Nische in das Zentrum des Interesses gerückt ist. Als Netzpolitikerinnen müssen wir feststellen, dass wir unser Thema und unsere Expertise nicht deutlich genug in die Diskussion und den Meinungsbildungsprozess der GAL und der Bürgerschaftsfraktion eingebracht haben.

    Insbesondere bei der Verhandlung des Jugendmedienstaatsvertrags (JMStV) durch den Senat und bei der Ratifizierung durch die Bürgerschaft hat unser Kompass versagt. Dass auch wir Netzpolitikerinnen dieses Thema zu spät und zu leise auf die Agenda der GAL zu setzen versucht haben, waren ein Fehler und ein Versäumnis, die uns Vertrauen gekostet haben.
    Unser Ziel ist es, das Vertrauen, das die digitale Elite in uns hatte, die uns als Grünen eigentlich nahesteht, zurückzugewinnen. Dafür müssen wir klare Positionen beziehen und uns von der populistischen Placebopolitik der anderen Parteien abgrenzen. Dass die Hamburger Bundestagsabgeordneten in der Frage des Aufbaus einer Zensurinfrastruktur (Zugangserschwerungsgesetz) standhaft waren, erleichtert uns dabei sehr. Ebenso, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, ein Hamburger Grüner, eine ausgewogene Position vertritt.

    Netzpolitik wird mehr und mehr zu einer Querschnittsaufgabe, die neben Medienpolitik, Rechtspolitik und Datenschutz auch ordnungs- und wirtschaftspolitische Fragen (fairer Zugang, Infrastruktur) und Fragen der Demokratie (Transparenz, Open Data) berührt. Grüne Netzpolitik unterscheidet sich von monothematischen Ansätzen dadurch, dass sie alle Politikbereiche durchwebt. Dies in der Praxis einzulösen, wird das Versprechen sein, an dem die GAL sich messen lassen muss.
    In den kommenden Jahren stehen einige wichtige Weichenstellungen in der Netzpolitik an, die Grüne mitgestalten können, wenn sie an der Regierung beteiligt sind.

    Uns als GAL sollte dabei leiten, dass die Veränderungen, die das Internet als Publikations- und Kommunikationsinfrastruktur mit sich bringt, historisch nur mit den Veränderungen durch die Erfindung und Durchsetzung des Druckens mit beweglichen Buchstaben vergleichbar sind. Das heißt auch, dass die herkömmlichen Versuche, mit den Ordnungsinstrumenten der Medienpolitik auf das Internet zu reagieren, fehl gehen. Das Internet ist kein Raum, der der Gestaltung durch die Politik bedarf oder in dem eine solche Gestaltung auch nur möglich wäre, die über die Anwendung bestehender und zu verfeinernder Regeln für das übrige Leben hinausginge. Im Gegenteil: Jeder falsch verstandene Versuch, gestaltend einzugreifen, führt bereits heute dazu, die Gesellschaften, die diese Versuche unternehmen, von der Entwicklung und auch den emanzipatorischen Chancen abzukoppeln.

    Aber fünf konkrete Felder der Netzpolitik betreffen auch das gestaltende Handeln in Hamburg:

    (1) Netzneutralität
    Wenn Internet eine Infrastruktur ist, woran in der Praxis kein Zweifel bestehen kann, ist es Aufgabe staatlichen Handelns, für Fairness und Regeln zu sorgen, wenn die Akteure und Netzbetreiber die Fairness verletzen. Genau dies aber kündigen europaweit und auch in Deutschland zurzeit einige Telekommunikationsunternehmen an. Grüne Netzpolitik sollte sich deshalb für eine Verankerung der Netzneutralität einsetzen, also dafür, dass die Zugangsanbieter Datenpakete von und an ihre Kunden unverändert und gleichberechtigt übertragen, unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben.

    (2) Zensurinfrastruktur
    In den Debatten um Kinderpornographie und andere Verbrechen hat die Politik, getrieben vom Bundeskriminalamt, versucht, Voraussetzungen zu schaffen, Inhalte sperren zu können, sie also für Nutzer aus Deutschland nicht anzeigen zu lassen. Dieses schafft de facto eine Infrastruktur, die Zensur technisch ermöglicht und auch ausüben will. Zensur aber kann und darf niemals die Antwort des Staates und seiner Exekutive auf Probleme und Verbrechen sein. Grüne Überzeugung ist, dass auch im Internet die Gesetze und Regeln gelten, die beispielsweise Kinderpornographie verbieten und Urheberrechte gewährleisten. Grüne plädieren deshalb dafür, diese Regeln und Gesetze anzuwenden, anstatt Zensurinfrastrukturen aufzubauen. Jede Maßnahme, die Zensur möglich macht, wird von Grünen abgelehnt. Das sollte kompromisslos gelten.

    (3) Jugendschutz und Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV)
    Da der verhandelte JMStV gescheitert ist, weil NRW ihn nicht ratifiziert hat, wird er im kommenden Jahr neu verhandelt werden müssen. Grüne Netzpolitik sollte sich darauf vorbereiten und Grüne sollten dort, wo sie in Regierungsverantwortung sind (oder anstreben wie in Hamburg), darauf bestehen, direkt an den Verhandlungen beteiligt zu werden. Fachleute und so genannte “Netzbewohner” (also erfahrene Internetnutzer) sollten beim neuen Anlauf von Anfang an involviert werden. Die GAL sollte nur dann einen neuen JMStV mittragen, wenn er Maßnahmen des Jugendschutzes enthält, die das Internet als nicht-lineare Distributionsform von Medien ernst nimmt. Bei der nun anstehenden Neuverhandlung des Vertrags zwischen den Bundesländern sollte sich die GAL in einen Dialog mit den Hamburger Bürgern, Netzbewohnern und Medienschaffenden begeben, bevor sie eine Position einnimmt. Dabei sollte eines für grüne Netz- und Medienpolitik klar sein: Nur wenn Jugendschutz als medienpädagogische und gesellschaftliche Aufgabe definiert wird, anstatt durch Zugangsbeschränkungen die Informationsfreiheit zu gefährden, sollten Grüne einem JMStV zustimmen.

    (4) Netzpädagogik
    Wenn heute 100% der Jugendlichen online sind und rund 80% von ihnen soziale Netzwerke wie Facebook nutzen (ARD/ZDF Onlinestudie 2010), dann ist die Frage der kompetenten und selbstverantworteten Internetnutzung eine Schlüsselfrage für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Grüne Netzpolitik sollte anstelle objektiv untauglicher Regelungsversuche, die sich an anderen Distributionsformen von Kommunikation und Medien orientieren, in netzpädagogische Angebote investieren. Gerade intergenerationelle und mehrsprachige Angebote werden dabei eine Schlüsselrolle spielen. Da diese weit über den Kompetenz- und Kenntnisbereich klassischer Träger medienpädagogischer Angebote hinausgehen, sollte sich die Förderung an der grünen Tradition dezentraler, von unten wachsender und partizipativer Initiativen orientieren.

    (5) Transparenz und Demokratie 2.0
    Während für die Politik nur wenig Gestaltungsbedarf für das Internet besteht, schafft es andersherum weitere Möglichkeiten der demokratischen Partizipation, Transparenz und Kontrolle. Der prinzipiell unendliche und gut durchsuchbare Speicher, die permanente Präsenz von Bild- und Tonaufnahmen, die online veröffentlicht werden, und die niedrigschwellige Möglichkeit für Menschen, sich zu vernetzen und gegenseitig zu informieren, machen das Internet zur Triebfeder einer weiteren Öffnung der Verwaltung, Politik und Gesellschaft. Grüne Netzpolitik sollte diese Chancen betonen und befördern. Beteiligungsprozesse und Informationspflichten können einfacher realisiert werden.

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    der Haltungsturner, (3) comments

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