Freitag, 18. Juni 2010

Auszeit

Da ich einen neuen Job neben dem Studium angetreten habe und beides zusammen mich momentan sehr beansprucht, nehme ich mir mal wieder eine Auszeit. Danke an alle Leser, die ab und zu hier hereinschauen!

Bis dahin möchte ich ein paar Informationsseiten zu verschiedenen Themen empfehlen:

Sehr sehr empfehlenswert zum Thema Iran: www.irananders.de

Nachrichten zur Türkei aus der Sicht eines "deutsch-Türkens": nachrichten_aus_dem_orient

Gute Hintergrundberichte: Zeitfragen, auch Hintergrund
Gute Artikel & Kommentare: Neues aus dem Neuronenwald

Mittwoch, 5. Mai 2010

Al-Turkiya - Ankaras neuer Draht zur Arabischen Welt

China, Frankreich, Iran, Russland, UK und USA haben jeweils schon einen Fernsehrsender in der Region. Seit Sonntag folgt die Türkei mit "Al-Turkiya", (Arabisch für "Der Türkische Channel") dem Trend, Nachrichtensender nach dem Vorbild des Marktführers Al-Jazeeras für die arabische Welt zu starten. Dieses Phänomen kommt nicht von ungefähr, gibt es doch knapp 300 Millionen potenzielle Zuschauer. Die mediale Erschließung dieses Potentials ist nun ganz im Zeichen einer Annäherung auf allen Gebieten seitens Ankaras an die arabische Welt zu sehen.

Der Start des Senders am Sonntag war im nationalen Interesse der Türkei. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan selbst sprach während der Einweihungszeremonie für den neuen Sender von einem "historischen Tag für die türkisch-arabische Freundschaft." Von einer Kommunikationsverbindung zwischen den Herzen der arabischen und türkischen Welt und von einem Sender "der unsere Herzen vereint" war sogar die Rede. Dies dürfte die arabische Welt schmeichel, ist Erdogan dort doch sowieso schon seit seinem Protest 2009 gegen die israelische Bombardierung Gazas in Davos populär. Damals hieß es in der arabischen Welt, dass die eigenen Führer schwiegen, während Erdogan protestiert.

Verbesserte Beziehungen in die arabische Welt
Tatsächlich sind diese Aussagen für die Außenpolitik der Türkei mehr als nur ein schönes Wort zum Sonntag. Fast ein Jahrhundert blieb die Türkei gegenüber der arabischen Welt verschlossen. Die Araber hätte die Türken im Osmanischen Reich, während des ersten Weltkriegs, "verraten" hört man noch heute einige türkische Nationalisten behaupten. Die Türkei sei von Feinden umgeben. Nach der Aufbesserung der Beziehungen zu Syrien, der Wiederbelebung einer Eisenbahnverbindung in den Irak in der Tradition der "Bagdadbahn" und dem zumindestens verbalen Mitspielen im Nahostkonflikt, ist der Start von "Al-Turkiya" nun aber ein weiteres von vielen symbolischen Schritten, die zeigen, dass Ankara seine Fühler wieder Richtung Osten streckt.

Diese Ausrichtung scheint Teil einer Gesamtstrategie der türkischen Außenpolitik zu sein, die strategisch günstige Lage des Landes in politisches und wirtschaftliches Kapital umzumünzen. Spätestens seit der Beitritt in die EU durch die Wahl von Sarkozy in Frankreich und von Merkel in Deutschland in weite Ferne gerückt zu sein scheint, öffnet sich die Türkei zu den Machtzentren in seiner direkten Umgebung. Neben der Offensive in die arabische Welt sind die Beziehungen zur Regionalmacht Iran gut, das Verhältnis zu Russland, das jahrhundertelang durch gegenläufige Hegemonialbestrebungen und dem Beitritt der Türkei zu Nato geschwächt war, befindet sich wirtschaftlich und politisch im Aufschwung. Nicht zuletzt bei der Kooperation im Bereich Energiepolitik nutzt Ankara seine Lage als Transitland und kooperiert hier mit Russland.

Unter diesem Blickwinkel dürfte auch eine kleine Zuschauerzahl für "Al-Turkiya" für die Interessen Ankaras keine Enttäuschung sein. Der TV-Sender mit Live Sendungen aus Kairo, Beirut und Damaskus ist allein durch seine Existenz schon ein PR-Produkt, das in der Arabischen Welt seine Wirkung haben wird. Zwar öffnet sich die Türkei politisch und wirtschaftlich und nun auch medial in alle Richtungen, nirgends wird das aber so positiv erlebt wie in den arabsichen Ländern. Al-Turkiya wird damit ein weiterer Meilenstein in der Wandlung des Türkeibewusstseins der Arabischen Welt sein. Vom feindlichen gesinnten nördlichen Nachbarn, der nicht nur Nato-Mitglied sondern auch Verbündeter Israels ist und als Bittsteller bei der EU als nicht unabhängig empfunden wurde, entwickelt sich von Kairo über Beirut bis Bagdad ein Türkeibild zu einem, in lange vergessener und nun wiedererwachter Freundschaft, selbstbewussten politisch aufstrebendem Akteur.

Bild: http://commons.wikimedia.org

Co-published: http://blogicide.wordpress.com

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Mittwoch, 21. April 2010

"Keine Alternative zum Widerstand"

Vor einigen Tagen hieß es aus Tel Aviv und Washington, die libanesische Hisbollah würde mit Scud-Raketen aus Syrien beliefert werden. Der libanesische Ministerpräsident Saad Harriri, der in der Vergangenheit gegen die Waffen der libanesischen Widerstandsgruppe ausgesprochen hatte, veruteilte die israelischen und amerikanischen Behauptungen und sieht darin einen Vorwand um den Libanon anzugreifen. Der Chef der FPM (Free Patriotic Movement) Michel Aoun, der für seine Originalität und seine Überaschungen bekannt ist, geht derweil einen anderen Weg. In einem Interview mit der großen arabischen Tageszeitung Al-Sharq al Awsat beantwortet er die Vorwürfe zwischen den Zeilen mit einem "Na und?"

Um das libanesische politische Tagesgeschäft und gerade Michel Aoun zu verstehen, lohnt es sich immer wieder einen Blick in die vergangenen Jahre zu werfen. Als sich 2005 eine bis dahin ungekannt starke anti-syrische Allianz im Libanon gebildet hatte, schien es, als sei Israel seinem Ziel, den syrischen Einfluss zurückzudrängen und die Hisbollah als Nationalen Widerstand auszulöschen, zum Greifen nahe. Doch die Rechnung ging nur halb auf. Syriens Einfluss wurde zurückgedrängt, Hisbollahs Waffen blieben jedoch und der kleine Libanon konnte so im "Julikrieg" 2006 sogar als erstes und einziges arabisches Land Israels militärischer Überlegenheit paroli bieten. Wieso konnten sich die West-Kräfte hier nicht durchsetzten?

Die Antwort liegt in der totalen Unkenntnis und Verschätzung seitens der anti-syrischen libanesischen und internationalen Kräfte bzgl. der einzigartigen politischen und interreligösen Kultur Libanons. Kaum jemand im Westen oder in Israel hat 2005 nach dem Rückzug der syrischen Truppen damit gerechnet, dass Michel Aoun, der die größte christliche Partei des multikonfessionellen Landes vertritt, sich mit Hisbollah verbünden würde. Christen mit Muslimen Hand in Hand, verbündet für ein starkes Vaterland? Unvorstellbar. Und so irrte man sich im Frühjahr 2004, als noch alle Zeichen auf einen dauerhaften Sieg der pro-westlichen Kräfte stand, indem man mit einem opportunen Kurs Aouns, gegen Hisbollah rechnete. Und gerade diese Weigerung bewies sich als Stärke Libanons.

Nachdem das Land Gefahr gelaufen war von einem Vasall Syriens zu einem Vasall Washingtons und Tel Avivs zu werden, war es allein die Standhaftigkeit der Allianz, vor allem zwischen dem FPM, Hisbollah und Amal, die dem Land seine unabhängige Position ließen. Politische Analysten, die den Libanon jahrzehntelang als Spielball ausländischer Interessen betrachtet hatten suchen die Gründe für die momentane Einheit des Landes immernoch in Syrien, Saudi Arabien, Iran und irgendwo Washington. Aber schon an anderer Stelle wurde der wahre Grund für die Stärke und die Unabhängigkeit des kleinen Landes am östlichen Mittelmeer in der Geschlossenheit verschiedener GemeinschafteN im Einsatz für das Land und nicht gegen irgendwelche Gegner gesehen. Aouns Bestehen auf eine Regierung der nationalen Einheit führte schlußendlich zu einer Geschlossenheit des Landes, wie sie lange nichtmehr gesehen wurde.

Und genau vor dem Hintergrund, dass die Einheit und die Stärke des Landes für die Mehrheit der Libanesen wichtiger sind als interkonfessionelle Gegensätze, als Neid um den Ruhm bei der Landesverteidigung oder als Konflikte der Vergangenheit, fiel die Antwort Michel Aouns bzgl. der Scud Raketen so banal aus. Ob Hisbollah tatsächlich Scud-Raketen aus Syrien bekommt spielte in seinen Kommentaren keine Rolle. Im Gegenteil, bei den ständigen Drohungen aus Tel Aviv und der Erfahrung aus der Vergangenheit habe der Libanon keine andere Wahl als den Widerstand. Die militärische Stärke sei erst der Garant für Ruhe vor den Agressoren in Israel. Bei seinem Besuch in Madrid sagte er vor Abgeordneten "Habt keine Angst, es gibt keinen Krieg im Libanon. Wir respektieren alle Religionen und Gemeinschaften" und lud sie ein das Land zu besuchen. Die Hoffnung, dass er damit Recht behält, ist trotz aller Kriegsdrohungen groß.

Bild: saidaonline.com


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