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Bild und Karte Dezember 3, 2010, 22:24

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Das Satellitenbild zeigt die Rauchfahne – kein Wunder, daß man sie auch von hier aus sehen konnte.

 

 

(Vielleicht könnte ich ja auch Rußland vom Deck aus sehen, wenn ich nur einen genügend starken Feldstecher hätte?)

 

Eine Karte der Brandherde veröffentlicht die JPost, die sie wohl auch aktualisiert.  Ich sehe mit Sorge, daß En Hod in Gefahr ist. Ich habe dort nicht nur zwei Bekannte, sondern ich bange um die vielen unwiederbringlichen Kunstwerke, nicht nur aber auch im Museum Jancu Dada. Denia wieder in akuter Gefahr – der Chai Bar brennt wieder – die Tiere sind zumindest teilweise gerettet – Usfiya brennt auch wieder – das schöne Hotel mitten im Wald, Yaarot Carmel,  scheint zu brennen. Bis morgen früh können die Löschflugzeuge nicht starten.

 

Wer kann schlafen?

So, und jetzt Dezember 3, 2010, 21:52

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brennt es bei uns ganz in der Nähe – in Kabri. Kleiner Brandherd, aber unangenehm, ihn so nah zu wissen. Es brennt auch in Tal El und Mashhad. Die Brände in Tivon, Kiriat Bialik, Mitzpe Adi sind wohl gelöscht.

Sonntag soll der Wind schwächer werden, Montag ein bißchen Regen fallen.

Freunde, spendet Schnee!

 

ETA: Danke für den Schnee, das Feuer in Kabri ist gelöscht.

Stolz oder Dankbarkeit Dezember 3, 2010, 21:44

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So klingt es von unseren Nachbarn:

 

Arab networks celebrate fire disaster: Many Arab media outlets have been taking advantage of Israel’s fire disaster to disparage the Jewish state and rejoice over its misfortune.

 

Die Spaßvögel haben auch von Wikileaks nicht gelernt, daß Vertuschen und Lügen nichts hilft. Sie lügen sich Niederlagen in Siege um, Kompromißvorschläge in Niederlagen und Luftballons in Giftgas. Überall auf der Welt laufen Dinge schief, so schlimm es ist. Aufgeklärte Staaten machen daraus kein Geheimnis, nehmen Hilfe dankend an und versuchen hinterher, Lehren zu ziehen. Unser Zivilschutz, unsere Katastrophenmedizin sind bekannt und gut, unsere Feuerwehr leidet unter magerem Budget, veralteter Ausrüstung und dünner Personaldecke. Tatsachen sind Tatsachen.

 

Ich weiß, wir sind im Nahen Osten, wo die Männer kernig sind und männlicher Stolz ihnen verbietet, Fremde nach dem Weg zu fragen. Ein echter Mann fährt lieber zwei Stunden in die Irre, als einen Fremden um den Weg zu fragen. Ein wahrhaft stolzes Land läßt lieber Hunderte Bürger unter Trümmern verbluten, als einen Hilfstrupp aus Israel anzunehmen.

 

Ehrlich gesagt, mir ist es lieber, in einem Land zu leben, in dem offen diskutiert und kritisiert werden kann.  Über eine PR-Niederlage würde ich mir keine Sorgen machen – noch ist nicht aller Tage Ende, und wenn wir die richtigen Lehren ziehen, war dieses Unglück wenigstens der Anlaß, zukünftig besser gerüstet zu sein.  Und ich bin froh, in einem Land zu leben, deren Regierungschef lieber das kleine Zypern und die nicht sehr israel-freundliche (hrr-hm…)  Türkei um Hilfe bittet, als Menschenleben, Wald und Wildtiere zu riskieren. Da fühle ich mich besser aufgehoben, auch wenn Beirut, Teheran und Damaskus vor Händereiben nur so knistern.

 

Y. hatte natürlich wieder die beste Idee: er würde eine Föderation der Mittelmeer-Anrainer für Brandschutz gründen und eine Flotte von Löschflugzeugen und -Hubschraubern auf Kreta stationieren. Dort könnten Feuerwehrleute und Piloten aus allen Ländern abwechselnd und zusammen Dienst tun, trainieren und die Flotte in Schuß halten. Bei Bedarf wären sie dann schnell an Ort und Stelle, die Flugzeuge würden besser ausgenutzt und es müßte nicht mehr jedes Land allein mit den Kosten kämpfen.

 

Und wie gesagt – unsere Feuerwehr ist wirklich in abgrundtief miserablem Zustand. Aber ob auch eine besser ausgerüstete Truppe bei so unglücklichen Wetterbedingugen nicht sehr zu kämpfen hätte? Die Griechen haben auch Hilfe gebraucht, und trotzdem hat die ganze Welt nicht die Augenbrauen hochgezogen. Und die Russen mit ihren wunderbaren großen Löschflugzeugen mußten Monate kämpfen, bis sie die Brände unter Kontrolle hatten. Auch bei bester Vorbereitung kann es passieren, daß eine Naturkatastrophe nicht mehr beherrschbar ist.

 

Wir wissen, wie gut es sich fühlt, wenn man anderen helfen kann. Wir waren stolz, daß in Haiti und nach dem Tsunami und bei vielen andren Gelegenheiten israelische Ärzte, israelisches Know-how und israelische Initiative Leben retten konnten. Und jetzt bedanken wir uns herzlich bei denen, die uns helfen. Auch das muß man können. Und ich denke mir, daß es zB für die Türken die Bürde der Dankbarkeit erleichtert.  Stolz ist schön, Dankbarkeit ist erhaben.  Und wer seine Fehler leugnet, der kann nie aus ihnen lernen.

 

Lagebericht Dezember 3, 2010, 19:40

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Die festgenommenen Brandstifter haben wohl die kleinen Brände gelegt, aber nicht den großen. Auch nach ihrer Festnahmen wurden weitere Brände gelegt. Es sieht so aus, als wären viele Doofe auf einen Gedanken gekommen. In Mitzpe Adi hat es gebrannt. In ganz Galiläa loderten heute den ganzen Tag über kleinere Brandherde auf. Heute nacht wird keiner von uns gut schlafen. Ich wünschte, es würde schon regnen, damit die Zündler nichts mehr ausrichten können.

Es scheint durchaus möglich, daß der große Brand nur von einem Brandherd seinen Ausgang nahm, und eine illegale Müllkippe bei Usfiya ist in Verdacht. Es würde zu dem sehen, was meine bescheidene Person mitbekommen hat – ich habe den Brand seit kurz nach Mittag verfolgt, und er fing über Usfiya an.  Natürlich hat das nichts zu bedeuten, weil ich nicht über den Berg gucken konnte und die Brände auf der anderen Seite nicht gesehen habe. Aber der Wind war heftig, es kann auch Funkenflug gewesen sein. Erst nach Löschung des Brands werden Experten eine Aufklärung versuchen. Die kleineren Brände jedoch waren mit Sicherheit gelegt. Der große Brand ist noch nicht gelöscht, man weiß also noch nichts.

Acht Beerdigungen waren heute, lauter junge Leute, Männer und Frauen, Juden und Drusen. In ihrem Klassenzimmer, wo sie ausgebildet werden (es war ja fast ein ganzer Jahrgang von Offiziersanwärtern im Justizdienst), liegen noch die Hefte und Bücher, die sie bei ihrer überstürzten Abreise zurückgelassen hatten. Das Gefängnis mußte so schnell evakuiert werden, und sie sind einfach aufgesprungen und in den Bus gestiegen. Und nie mehr zurückgekommen. Nur drei haben überlebt, weil sie auf einen vorbeikommenden Wagen springen konnten.  Neue Namen sind bereits veröffentlicht worden, am Sonntag wird es weitere Beerdigungen geben.  Am Shabat wird nicht beerdigt. Die Pathologie arbeitet aber den Shabat durch, um die Leichen so schnell wie möglich zu identifizieren.

 

ETA: Der Brand in Bat Shlomo ist nah am Kibbuz, der neu ausgebrochene Brand zwischen Yirka und Kfar Yasif nicht weit von hier. Es ist geradezu gespenstisch, als würden im ganzen Land Verrückte mit der Spiritusflasche und ein paar Lappen  losziehen.

Stille Welle Dezember 3, 2010, 17:53

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Wenn ich schon mal im Schwung bin mit Bloggen, kann ich gleich noch eine kleine Besonderheit aus Israel erzählen.

Religiöse Juden benutzen am Shabat kein Feuer und keine Elektrizität. Internet, Fernsehen und Radio bleiben ausgeschaltet. Doch in Israel gibt es immer wieder Situationen, in denen man alle schnell informieren muß, auch die religiösen Juden. Darum hat sich ein kluger Kopf die „stille Welle“ einfallen lassen. Das ist eine Radiofrequenz, die gar nichts sendet, nur Stille. Doch wenn es Informationen gibt, die weitergegeben werden müssen, dann wird die stille Welle hörbar und geht auf Sendung. Danach wird sie wieder still.

Man schaltet das Radio vor Beginn des Shabat ein, es stört nicht, aber man ist erreichbar.

So kennen wir das aus allen Kriegen und auch jetzt, wo das Feuer noch lodert, ist die stille Welle auf Sendung. Falls, Gott bewahre, das Feuer die Stadtteile von Haifa bedroht, in denen fromme Juden wohnen, werden sie rechtzeitig gewarnt.

Diese pragmatischen Lösungen haben ihren eigenen Charme, finde ich.

Bet Oren, ein Paradies Dezember 3, 2010, 15:29

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Ein Ort, an den ich Erinnerungen habe. Vielleicht der Ort mit der hinreißendsten Aussicht Nord-Israels – Idmit vielleicht ausgenommen. Bet Oren wurde auf einem Gipfel im Carmel erbaut, mit Aussicht aufs Meer, zwischen den Schluchten. Wir haben oft Touren in der Gegend gemacht.

Als der Kibbuz Bet Oren vor vielen Jahren anfing, sich zu privatisieren, verließen einige Mitglieder protestierend das gestörte Paradies und suchten sich ein neues. Mehrere Familien kamen in unseren alten Kibbuz, aber sie blieben immer „die aus Bet Oren“. Sie fuhren oft hin, sie sagten immer, daß Bet Oren der schönste Fleck Israels ist, und ich glaube, sie haben sich immer zurückgesehnt. Einer der Männer aus Bet Oren, seit vielen Jahren von seiner Frau getrennt, fand sich mit meiner Schwiegermutter zusammen. Sie sind schon viele Jahre ein Paar. Ich möchte nicht wissen, was in ihm vorgeht – ich habe mich bisher nicht getraut, anzurufen und zu fragen. Seine besten Freunde leben noch dort.

Bet Oren ist in den letzten Jahren aufgeblüht. Viele Leute haben dort Ferien gemacht, geheiratet, geflittert. Die bemerkenswerteste Hochzeit, bei der ich je eingeladen war, haben wir dort erlebt.

Es war vor vier Jahren im Sommer. Y.s Onkel hat zum zweiten Mal geheiratet, und zwar eine ganz besondere Frau. Sie war in den 60er Jahren israelische Schönheitskönigin, dann international erfolgreiches Model (vor den Supermodel-Zeiten, aber berühmt genug), und hat irgendwann umgesattelt. Heute bietet sie alternative Therapien an. Sie ist eine wirklich bildschöne Frau, und Y.s Onkel hat sie von Jugend auf geliebt und aus der Ferne verehrt. Es war für ihn die Erfüllung eines Traums, als er sie kennenlernte – er geschieden, sie verwitwet, beide bereit für einen neuen Lebensabschnitt, eine zweite Jugend. Da auch dieser Onkel (der jüngere Bruder meiner Schwiegermutter) ein bekannter Mann ist, sind sie vor ihrer Hochzeit durch die israelischen und auch ein paar jüdisch-amerikanische  Medien gereicht worden mit ihrer romantischen Geschichte.

 

Es war also eine riesige Hochzeit, mit ein paar Berühmtheiten, und wir fanden uns unversehens am Familientisch wieder, als nahe Verwandte des Bräutigams. Bet Oren war der ideale Rahmen. Der Lebensgefährte meiner Schwiegermutter, der meine Vorliebe für Zeit-Löcher kennt, delektierte mich mit Geschichten aus seiner Zeit in Bet Oren vor 40, 50 Jahren, als er, Holocaust-Überlebender und fast allein auf der Welt, sein Leben in Israel anfing.

 

Auf einmal breitete sich Unruhe aus und trotz der bezaubernd romantischen Atmosphäre mit Kerzen, dreiprachigen Segenswünschen und Liedern (Hebräisch, Arabisch, Englisch) hingen alle an ihren Handies. In Haifa fallen Raketen! der Krieg hat nun wirklich begonnen! Es war wenige Tage nach dem Vorfall Zarit-Shtula. Die Ereignisse überstürzten sich. Wir saßen in dieser idyllischen Umgebung und fühlten uns beklommen. Trotzdem löste sich die Hochzeit nicht auf, sondern alle telefonierten ein bißchen herum und dann beschwor das Brautpaar eine Vision von Frieden und Verständigung. Und so erinnere ich mich an Bet Oren, ein utopischer, aber bedrohter  Ort.

 

Im Carmel treffen Berg, Wald und Meer zusammen, ein Dreiklang, für den fast alle Menschen sehr empfänglich sind. Ich kenne viele Darstellungen des Paradieses, und fast alle zeigen Gebirge, Wasser und Bäume. Viele von ihnen sehen aus wie der Carmel (bei Jan Brueghel zum Beispiel,  und Henri met de Bles).

 

Die Kibbuzniks von Bet Oren werden ihr Paradies neu aufbauen, die einfachen Häuser mit der atemberaubenden Aussicht, aber die Trauer um Tod und Zerstörung muß unerträglich groß sein. Die Menschen im Bus, der so nah an Bet Oren verbrannt ist – die Pferde (von denen ein Teil gerettet werden konnte) – die Pflanzen – die Wildtiere.  Im Fernsehen laufen die Bilder, sie sind schmerzhaft.  Aber ich schreibe keinen Nachruf, nur eine Beschwörung. Orte können wieder aufgebaut werden, Wälder rekultiviert. Die Toten aber komme nicht wieder.

 

Ich hänge ein paar Links an. Flickr, eine Seite für Radfahrer (sehr beliebt in den Carmel-Wäldern), der Reiterhof von Bet Oren. Angucken, genießen.

Weitere Brände Dezember 3, 2010, 15:11

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Vom Sonnendeck aus habe ich schon vor Stunden Qualm in der Bucht gesehen. Ich dachte, ich spinne, vielleicht hat der Wind den Qualm auf die nördliche Seite des Carmel getrieben und es kommt mir nur vor wie in der Bucht. Aber jetzt sagen sie es auch im Radio: in Kiriat Bialik, im Industriegebiet, brennt es auch. Außerdem in Nir Etzion, wo die Landwirte bei den Kühen geblieben sind, sie wollen die Tiere nicht alleinlassen. In Usfiya brennt es. In Tivon, wohl in der Nähe des Denkmals von Alexander Zaid. Außerdem bei uns im hohen Norden, in der Nähe von Maalot.

Brandstiftung? Trittbrettfahrer? Zufall? Schicksal?

Update: es ist eine Bande von Brandstiftern, es gibt Zeugen, man hat sie gesehen. In Shfaram brennt es auch. Sie sind unterwegs. Hoffentlich werden sie geschnappt.

 

Update des Update: zwei Männer sind geschnappt worden.

 

Two suspects were apprehended by police after being seen hurling Molotov cocktails in a forest on a Carmel mountain hilltop. There was a pursuit and the suspects were apprehended. Police suspect that the two may have also been behind the blazes at Tzur Shalom (near Kiryat Bialik north of Haifa) and Tivon.

 

Und das Schockierende: sie sind aus Daliyat el Carmil. Drusen, die ihr eigenes geliebtes Land anziehen? Ihr Nachbardorf?

Israelisches Radio Dezember 3, 2010, 10:30

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Wer direkte Berichte hören will, kann das hier tun.  Da hat man Zugriff auf alle wichtigen israelischen Radiokanäle. Da unser Fernseh-Provider ausgefallen ist, höre ich auch Radio (ich höre Reshet Bet).  Hebräischkenntnisse von Vorteil…

Kleines Erlebnis am Morgen Dezember 3, 2010, 8:53

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Ich war vorhin im Garten, unsere trockenen Bäumchen ein bißchen wässern. Wir haben drei Wasserhähne mit Schlauch im Garten, noch keine Tropfenbewässerung, und ich muß den Haupthahn aufmachen, um dann der Reihe nach von allen drei Punkten aus den Garten vor der vollkommenen Austrocknung zu bewahren.

Einer der Schläuche, unten im Garten, hat ein Loch, ein kleines, aus dem das Wasser wie eine Fontäne schießt, sobald der Haupthahn aufgeht. Das habe ich nicht bemerkt, während ich auf der anderen Seite des Hauses die Kräuter wässerte. Als ich ums Haus ging, kniete dort ein Arbeiter von der Baustelle gegenüber am Wasserhahn. Er erhob sich höflich und sagte, „guten Morgen, ich habe an der Gartentür geklopft, aber keiner hat geantwortet, da habe ich schnell den Schlauch umgebogen und Draht drumgewickelt. Ich habe von gegenüber so eine Art Nebel gesehen und habe schon gedacht, vielleicht brennt was… und dann habe ich gesehen, daß der Schlauch leckt“.

Ich habe ihm gedankt und wir haben zusammen den Carmel angeguckt und den Kopf geschüttelt. Als ein wilder Windstoß mir den Rock davonwirbelte, tat er so, als wäre nichts passiert, wie ein echter Gentleman. Er hat mich noch gefragt, ob wir hier neu sind, und hat mir angeboten, daß ich mich an ihn wenden kann, wenn ich Hilfe brauche. Dann ist er wieder an seine Arbeit gegangen und ich an meine.

Er ist Araber aus Abu Snan.  So kenne ich israelische Araber. Hilfsbereit, freundlich, höflich.

Der Carmel brennt immer noch Dezember 3, 2010, 6:54

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Ich habe auf der Couch campiert und beim Aufwachen in der Morgendämmerung sofort gesehen, daß das Feuer weiter brennt. Ich sehe auch, daß es weiter in Richtung Daliyat al Carmel zieht. Inzwischen sind die ersten Löschflugzeuge eingetroffen, die uns andere Länder zur Verfügung gestellt haben. Hoffentlich wird es heute mit internationaler Hilfe gelingen, dieses Feuer unter Kontrolle zu bringen. Hunderte Feuerwehrleute schuften seit Stunden und weigern sich, Ruhepausen in Anspruch zu nehmen.  Fachleute schätzen, daß es Tage dauern wird, das Feuer zu löschen.

Die Namen der Toten sind veröffentlicht, sie sind alle  identifiziert.  Alles junge Menschen, Männer und Frauen,  Mitte 20, Anfang 30 – viele mit kleinen Kindern, mindestens drei hinterlassen schwangere Frauen.  Wie vermutet, sind Drusen dabei.  Heute werden den ganzen Tag Beerdigungen stattfinden, im ganzen Land, Zfat, Ofakim, Netivot, Kfar Jatt, Yirka. Was für ein grauenhafter Tod.

Der Wind pfeift weiter. Der Qualm zieht in einer riesigen Fahne übers Meer. Ein Albtraum.

So sieht es aus über 30 km Entfernung aus, von unserem Balkon.

Der Wind hat sich gedreht, das Feuer frißt sich in neue Gebiete.

Der Qualm zieht übers Meer

Eher links im Bild das Hochhaus der Uni – man erkennt rechts davon die Qualmwolken über den näher am Meer liegenden Orten auf der anderen Seite des Carmel-Gebirgszugs. Die Uni Haifa liegt auf dem Höhenzug, hinter ihr beginnt das Naturschutzgebiet, das jetzt vollkommen verbrannt ist.  Auch das edle Stadtviertel Denia, wo ich zwei Freundinnen habe, liegt ganz in der Nähe.

Hier sieht man den Brandherd links von der Uni, das sind die Drusendörfer landeinwärts. Usfiya, Daliat el Carmel. Angeblich sind in Usfiya Häuser verbrannt, und Daliat el Carmil ist in Gefahr.

Der Wind weht nach wie vor heftig.

Das Feuer Dezember 2, 2010, 20:13

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Es hat Stunden gedauert, nach Hause zu kommen. Über der Hochschule lag eine riesige Wolke. Der Gestank war fürchterlich.  Überall Hubschrauber und Rettungswagen.

Die schwerstverletzte Frau ist aus unserem Moshav, Ahuva Tomer. Eine hohe Offizierin der Polizei. Sie ist am ganzen Körper schwer verbrannt und kämpft um ihr Leben.  Sie war bei der Gruppe, die das Gefängnis Damun geräumt haben. Im Bus waren größtenteils junge Auszubildende, die helfen wollten. Sie sind alle tot.

Wir sehen vom Wohnzimmer aus eine riesige orange Säule in der Luft über Haifa. Die Zyprioten und Griechen haben Hilfe zugesagt, hoffentlich auch die Russen und Italiener. Der Kibbuz Bet Oren, Heimat des Lebensgefährten meiner Schwiegermutter, ist komplett abgebrannt – einer der schönsten Kibbuzim Israels, auf einem Gipfel im Carmel.

Der Chai-Bar – die vielen wilden Tiere – die Universität ist geräumt worden.  Usfiya und Daliat el Carmel, die Drusendörfer, sind geräumt worden. Nir Etzion, En Choud und En Hod, das Künstlerdorf, ebenfalls. Ich kenne in all diesen Orten Menschen.

Inzwischen hat sich ein Feuersturm entwickelt, und die Feuerwehr schafft es nicht, bei dem heißen, trockenen Wind, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Acht Monate kein Tropfen Wasser – das geht in Flammen auf wie Zunder. Die Nacht wird schrecklich. Aus ganz Israel sind Feuerwehr und Rettungsdienste gekommen.

Es gibt kaum etwas Schrecklicheres als die entfesselte Naturgewalt. Wer den Mut hat, sich der Gefahr entgegenzuwerfen, der ist wirklich ein Held.

Eine ganz, ganz große Katastrophe. Und sie ist noch nicht zu Ende. Ach, der schöne, grüne Carmel, Heimat für so viele Menschen und Tiere. Wir haben schon mehrere große Waldbrände miterlebt, aber so eine Größenordnung kennen wir nicht.

 

ETA: ich habe ein paar Karten zur Erklärung aus Google Earth kopiert.

 

 

Das ist die Gegend – die Bucht von Haifa. Der grüne Bereich im roten Kreis ist in etwa das Gebiet, in dem das Feuer tobt. Viel Wald, ausgetrocknet.

 

Vergrößert. Man kann sehen, daß zwischen dem brennenden Wald und dem Meer Ortschaften liegen.

 

Und hier sind die Namen der Ortschaften bzw Stadtteile von Haifa.

 

Oh, auch das Krankenhaus in Tirat Carmel, wo meine beste Haifaer Freundin arbeitet, ist evakuiert.  Die Bilder im Fernsehen sind grauenhaft. Wie oft waren wir in diesem idyllischen Wald. Zehn Stunden dauert der Brand schon an.

Vom Fenster der Klasse Dezember 2, 2010, 15:13

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in der ich gleich anfange zu unterrichten, sehen wir die riesige Qualmwolke am Himmel. Wir liegen weit genug entfernt, so daß wir noch Strom haben und keine Gefahr besteht. An der Uni, oben auf dem Berg, sieht es anders aus. Ich war mal da oben, als es auf dem Carmel gebrannt hat – es war fürchterlich. Auf dem Berg liegt ja das Naturschutzgebiet Chai Bar, und ich mag mir gar nicht vorstellen, was den armen Tieren passiert. Usfiya und Bet Oren sollen evakuiert werden. Vier Brandherde hat die Feuerwehr bisher erkannt – das stinkt nach Brandstiftung. Wer tut sowas???

Bilder, die ich mit dem Handy aufgenommen habe:

Bei dem trockenen, heißen, windigen Wetter ist so ein Waldbrand eine riesige Katastrophe. Ich gucke diese immer neu nachquellende Wolke an und bete, daß die Feuerwehr sie bald unter Kontrolle bekommt. Daß niemandem was passiert, nicht Mensch, nicht Tier. Und daß der Schuldige gefunden wird.

Rückblick, Rückkehr Dezember 2, 2010, 13:54

Posted by Lila in Kibbutz, Kinder, Katzen.
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Gestern war die Beerdigung des Mannes, von dem ich neulich erzählt habe. Es war sehr traurig – die Mutter und die Tochter gebrochen, die Söhne eher erleichtert, daß der Vater vom schweren Leiden erlöst ist.

Ein Begräbnis im Kibbuz läuft ohne Rav ab. Im ganzen Kibbuz stehen die Chaverim am Straßenrand und warten, bis das schwarze Auto mit dem Sarg (ja, im Kibbuz wird mit Sarg begraben) kommt. Dann schließen sich alle an. Auch vor dem Friedhof warten Menschen.  Dort stehen auch Eimer mit Rosen, die die Wartenden mitnehmen können und hinterher aufs Grab legen.

Der Friedhof im Kibbuz ist der schönste, den ich kenne – und ich kenne und liebe viele Friedhöfe. Ich bin Friedhofsfreundin und habe es genossen, als wir noch im Kibbuz gelebt haben, daß wir so nah am Friedhof wohnen. Oft bin ich einfach hingegangen, um nur dazusitzen und zu fühlen, was für ein friedlicher Ort das ist. Sowohl Y. als auch ich möchten dort beerdigt werden, das ist schon abgemacht.

Am Grab werden Reden gehalten – Erinnerungen, Grabreden, Nachrufe, Briefe. Meine Freundin sprach selbst, mit fester Stimme. Ein alter Jugendfreund aus Budapest erinnerte an das gemeisam verlebte Leben – vom HaShomer Hazair-Nest in Budapest über die Shoah und die Einwanderung nach Israel, die Aufnahme im Kibbuz, und die gemeinsam erzogenen Kinder.

Wenn alle Reden gehalten sind, wird der Sarg ins Grab gelassen und mit Erde bedeckt. Dieses schreckliche Geräusch der polternden Steine – Erdschollen gibt es hier ja nicht, die Erde ist nicht saftig und fest, sondern trocken und von Steinen durchsetzt. Das macht der Sekretär, ein bulliger Mann in knappen Shorts, und die Truppe der Gärtner, sie kippen Erde und Steine auf den Sarg. Alles in Arbeitklamotten. Auch von den Trauergästen kommt keiner in Trauerkleidung. Diese Konventionen gibt es im Kibbuz nicht, die Leute kommen von der Arbeit und gehen zur Arbeit zurück.

Dann legen alle ihre Blumen aufs Grab und gehen zur Familie. Von ähnlichen Gelegenheiten in Israel und Deutschland weiß ich, wie entsetzlich das Gefühl der Unwirklichkeit ist und wie qualvoll die vielen Gesichter, die einen angucken, wenn man am liebsten unter dem Bett liegen würde und weinen. Aber auch tröstlich, daß diese Stunde dem Toten gewidmet ist, den die anderen Menschen so schnell wie möglich vergessen wollen.

Um mich herum standen mehrere Witwen, deren Männer ich noch gekannt habe, und die seitdem tapfer allein leben. Für sie ist so ein Tag sehr schwer. Sie gehen danach zu ihrem Grab und fegen die Blätter von der Grabplatte, wie wir zu den Gräbern von Y.s geliebten Großeltern gehen.

Auch mehrere Ehepaare standen in unserer Nähe. Wir sind alt genug um zu wissen und zu spüren, daß vermutlich einer von uns eines Tages ebenso allein dastehen wird wie die Witwen, und so bitterlich weinen wie die Mutter meiner Freundin. Für so viele Jahre der Treue und des Zusammenstehens wird dann der Preis fällig – der Abschiedsschmerz. Da rückt man dann mit den Schultern enger zusammen und nimmt sich vor: ich will auch nie wieder zickig sein, ich bin ja so froh, daß wir uns noch haben…

Wir standen noch lange ums Grab herum und sprachen mit den vielen Freunden, die sich eingefunden hatten, alles Freunde der Söhne des Verstorbenen. Wie gesagt, meine Freundin hat vier große Brüder, alles besonders nette Kerle, und Y. steht jedem von ihnen auf irgendeine Art nahe. Wieder waren Leute dabei, die ich noch nicht kannte.

Langsam schlendern dann alle zum Clubhaus. Das Clubhaus! Als ich Volunteer war, war es noch jeden Abend geöffnet, die Chaverim saßen dann zusammen, lasen Zeitungen und tratschten über die, die noch nicht da waren oder schon gegangen waren. Im Clubhaus haben wir Primus´ Geburt gefeiert, den 75. Geburtstag von Y.s Oma (als ich rausgehen mußte, weil mir das Fehlen der vielen der Shoah ermordeten Onkel und Tanten die Luft abschnürte und ich ihre stumme Gegenwart spürte), und im Clubhaus habe ich den ersten Vortrag meines Lebens gehalten – noch mit Dias, über Selbstporträts. Das war mein Versuchsballon und die Besucher des Clubhaus mein liebstes und treustes Publikum (sie laden mich ja immer noch regelmäßig ein).

Wir waren schon oft seit unserem Verlassen im Kibbuz, auch zu anderen Beerdigungen und natürlich bei meiner Schwiegermutter, aber heute haben wir uns Zeit genommen und mit allen gesprochen, die wir getroffen haben. Letztes Jahr zu Heiligabend haben wir den Kibbuz verlassen, gestern war der 1. Dezember und das erste Chanukka-Licht. Der Jahreskreis hat sich fast geschlossen, alle haben sich daran gewöhnt, daß wir weg sind, und die Überraschung und Empörung („wie Diebe in der Nacht seid ihr weg!“ – weil wir uns nicht einzeln bei allen verabschiedet haben…) haben sich wohl gelegt. Und da haben wir doch gespürt, daß die Leute uns gern haben.

Y. hat das immer schon behauptet, aber ich habe immer gedacht: na ja, IHN haben sie gern, weil sie ihn doch alle von Kindesbeinen an kennen. Aber heute mußte ich unausweichlich feststellen, daß auch ich dort gemocht werde und wohl auch wurde, obwohl ich es nie so empfunden habe. Das war ein schönes Gefühl und auch ein wehmütiges. Selbst Rochkele von der Post schoß aus ihrem Garten, als wir vorbeikamen, und küßte uns ab – „kommt ihr wirklich nicht wieder? ihr fehlt!“

Die alte Meira (Meira-ha-gingit, die Rothaarige), die meinen Schwiegervater im Babyhaus betreut hat,  freute sich sehr, uns zu sehen. „Ach, neulich habe ich eure Tertia getroffen. Nein, wie ist das Mädchen hübsch! Ich habe sie erst nicht erkannt, weil sie eine Sonnenbrille aufhatte, und als sie mir Shalom gesagt hat, habe ich erstmal gesagt: nimm die Sonnenbrille ab, damit ich dich erkenne. Also, ich muß euch sagen, eure Kinder fehlen mir wirklich, das sind doch die einzigen Kinder im Kibbuz, die einem immer schön Shalom sagen… “ Ja, darauf habe ich immer geachtet, und nicht nur Meira hat es wieder betont. Der Ruf wird mir bleiben: die Mutter der freundlichen Kinder. Wenn nur das von mir bleibt, das reicht mir.

Aber die meisten Gespräche waren bedrückend. Viele Leute im Kibbuz sind jetzt von dem vielbeschworenen „Wandel“ enttäuscht. Eine ältere Dame, mit der ich vor 20 Jahren im Altersheim zusammengearbeitet habe, deren Mutter eine scharfzüngige Berlinerin war, deren Sohn einer von Y.s besten Freunden und deren Enkelin jahrelang Quartas beste Freundin war – sie fragte mich: na, wie geht es euch?, und als ich sagte: danke, wir sind sehr glücklich, da guckte sie sich kurz um, und dann zischte sie mir zu: seid froh, daß ihr diesen Mist hier noch rechtzeitig hinter euch gelassen habt!

Und ähnliche Worte haben wir immer wieder gehört. So pessimistisch und trübselig habe ich die Kibbuzniks selten erlebt. Irgendwie haben sich die großen Erwartungen nicht erfüllt, jeder hat seine eigenen Probleme, und die Gemeinschaft, die einen auffängt, die gibt es nicht mehr. Vielleicht war gestern auch einfach nur ein mieser Tag, alle waren deprimiert und sahen nur die schwarzen Seiten.

Eine Freundin um die 40, Single und kinderlos: „Heutzutage kriegen nur noch Leute mit Kindern eine größere Wohnung. Der vetek (Länge der Zugehörigkeit) spielt keine Rolle mehr. Ich wohne seit 15 Jahren in einer winzigen Wohnung, weil ich früher nicht genügend vetek hatte, um in eine größere umziehen zu dürfen.  Und jetzt kriegen nur noch Leute „mit Bedarf“ größere Wohnungen. Und wer Kinder hat, der hat automatisch mehr Bedarf als ich. Keiner geht davon aus, daß ich in meinem Alter mehr Platz und eine vernünftige Küche brauche.“

Eine andere Freundin, pensionierte Lehrerin: „Diese ganze Angleichung der Rente ist so unfair. Alles ist privatisiert, aber die Renten nicht. Ich kriege eine gute Rente, für die ich hart gearbeitet habe, aber sie geht an den Kibbuz, der sie den anderen Renten angleicht, also alles abzieht, was über dem vom Kibbuz festgelegten Satz liegt. Früher hätte mich das nicht gestört, da ging ja alles an den Kibbuz. Aber jetzt? Wir haben doch privatisiert und ich muß für alles zahlen. Wieso kriege ich dann nicht die volle Rente ausgezahlt?“

Eine Selbständige: „Dauernd erhöht der Kibbuz unsere Kosten. Ich habe keinerlei Kontrolle über meine Ausgaben. Alle paar Monate werden entweder die Steuern oder die Miete für mein Büro oder die Kosten fürs Kinderhaus erhöht. Ich habe das Gefühl, wenn jemand von der Verwaltung eine Gehaltserhöhung braucht oder der Kibbuz finanziell in die Bredouille kommt, werden die Kosten auf uns abgewälzt.  Ich rackere mich ab, aber ich sehe dafür nichts.“

Eine Angestellte: „Die Abgaben hier sind unheimlich hoch, und sie werden immer höher. Sie werden mir vom Bruttogehalt abgezogen. Mein Brutto ist okay, aber weil ich mehrere Jobs habe, zieht mir das Finanzamt unheimlich viel Einkommenssteuer ab. Das heißt, mein Netto tendiert gegen Null, nachdem sich Kibbuz und Staat bedient haben. Natürlich kriege ich am Ende des Jahres die Einkommenssteuer auf den kleineren Job zurück – aber das Geld geht an den Kibbuz. Ich arbeite praktisch für lau“.

Eine zahlende Anwohnerin: „Der Kibbuz sieht uns Leute von draußen nur als Kühe, die man melken kann. Wir zahlen für die winzige Hütte viel Geld. Gut, die Kinderbetreuung ist toll und das soziale Leben auch, die Kinder fühlen sich sehr wohl. Aber dauernd werden die Abgaben erhöht. Im Haus ist kein Platz für eine Waschmaschine, also nutzen wir die Wäscherei. Anfangs kostete das Kilo Wäsche 3 Shekel, inzwischen sind die Kosten auf 5 Shekel gestiegen. Wir zahlen uns dumm und dämlich an der Wäsche! Und wozu werden uns Gemeinschaftssteuern abgezogen, wenn wir doch gar nichts in Anspruch nehmen, das davon bezahlt wird?“

Ein Rückkehrer: „Wir dachten, die neue Wohnsiedlung wird 2011 fertig, und haben alle Bedingungen erfüllt. Aber jetzt stellt sich raus, daß nicht mal die Baugenehmigung erteilt ist. Und das Gebiet für die Siedlung grenzt an die Straße Nr. 6, der Lärm ist doch spürbar. Jetzt wohnen wir hier in einer kleinen Wohnung und warten, wann der Kibbuz anfängt zu bauen. Das haben wir uns irgendwie anders vorgestellt…“

Ein Arbeiter (Druse): „Ich arbeite hier seit 35 Jahren, Y., du kennst mich, seit du Schulkind warst.  Und ich arbeite schwer. Und ich habe immer gern im Kibbuz gearbeitet, weil ich mit Respekt behandelt wurde. Aber in den letzten Jahren, das ist schon nicht mehr schön. Erst wurde das Gehalt gekürzt, dann die Zulagen zu Pessach und Rosh ha Shana. Dann mußten wir für das Frühstück im Dining Room zuzahlen, und dann fürs Mittagessen. Das ist mir zu teuer, ich bringe mir Butterbrote von zuhause mit. Aber wie soll ein Mann wie ich, der den ganzen Tag körperlich arbeitet, ohne warme Mahlzeit, ohne Mittagessen durchhalten? Der neue Schatzmeister ist von draußen. Der hat uns alle zu einer Versammlung einberufen und gesagt: es tut mir selbst ja leid…. Aber der verliert keine Minute Schlaf über unsere Probleme. Ich arbeite schwer und verdiene nur knapp über 5000 Shekel. Ich fühle mich ausgebeutet und respektlos behandelt. Und das im Kibbuz, den ich immer so gern hatte! Die Leute sind immer noch nett. So Leute wie du, Y. Aber die Verwaltung? Pfui Teufel. Ich sag mir immer, noch sieben Jahre halte ich durch, dann werd ich pensioniert….“

Jeder klagt über materielle Dinge, die früher niemanden von uns interessiert haben.  Jeder spürt, daß der Kibbuz sein Wertesystem ausgetauscht hat. Von einer auf Fairneß, Bescheidenheit und Gleichheit basierten Gesellschaft hat er sich in eine Gruppe von Einzelkämpfern verwandelt. Und das Überleben in Israel ist schwierig – man braucht jeden Shekel.

Die Verwaltung, die früher Teil des Kibbuz war, wird jetzt als Fremdkörper empfunden – ein undurchsichtiges Gestrüpp von Leuten „von draußen“, die den Menschen vorschreiben, wieviel Geld sie jeweils übrig haben. Viele Beschlüsse gehen nicht mehr durch die VV. Besonders bitter ist die miserable Behandlung der treuen Arbeiter. Wir haben dem Drusen lange die Hand geschüttelt und wußten nicht, was wir sagen sollten. DAS ist unser Kibbuz???

Jeder hat das Gefühl, betuppt zu werden. Früher hatte man genau das umgekehrte Gefühl: auf einer Insel zu leben, auf der man nicht betuppt wird wie alle anderen. Wenn mich Leute „von draußen“ fragten, ob es mich nicht stört, mein Gehalt an den Kibbuz abzuliefern und „nur“ ein Budget zu bekommen, dann konnte ich immer ehrlich sagen: nein, es stört mich nicht. Ich bekomme so viel vom Kibbuz, da ist es nur fair, daß ich mein Gehalt in die gemeinsame Kasse stecke. Das ist alles vorbei. Keiner denkt mehr so.

Wir gingen durch den Kibbuz, dieses wunderschöne Fleckchen Erde, der Himmel glühte in der Abenddämmerung – wir haben wegen des vielen Staubs in der Atmosphäre traumhafte Sonnenuntergänge. Wir trafen die Menschen, die Y. und seine Eltern und Geschwister von Kind auf kennen. Wir gingen zwischen den Gräbern von Menschen, die wir gekannt haben und die wir nie vergessen werden. Wir waren in unserer alten Wohnung, wo die neue Bewohnerin nichts verändert hat – sie sagt, unser Geschmack ist makellos, und sie hat alles übernommen, Küche, Bad, Fußboden, nichts ist verändert. Und wir dachten an die vielen glücklichen Stunden. Wir waren im Garten unseres allerersten Hauses, wo Primus krabbeln gelernt hat. Wir haben Esther getroffen, die alle unsere Kinder im Babyhaus hatte. Wir hatten einen richtig nostalgischen Tag.

Und doch kann der Kibbuz von heute die Sehnsucht in meinem Herzen nicht stillen. Wir waren jung – wir sind es nicht mehr. Wir haben uns gern angepaßt – das würde uns jetzt sehr schwerfallen. Wir haben uns gut aufgehoben gefühlt – doch niemand fühlt sich mehr so. Ich denke mit Sehnsucht an die Zeiten , als die Kinder klein waren – als ich jede Nacht von Bett zu Bett gehen konnte und vor der Tür die vielen kleinen Gummistiefel standen. Die Zeit kommt nicht wieder, und der Kibbuz, so wie er war, auch nicht. Wieder einmal bin ich dankbar, daß wir dabei waren, daß ich Y.s Welt erlebt habe und darin lange Jahre gelebt habe. Aber es führt kein Weg zurück.

Als es richtig dunkel geworden war, fuhren wir nach Hause – in Richtung Norden. So in der Gegend von Tamra, da ist für mich der Übergang, da fühle ich mich „im Norden“. Wir redeten den ganzen Weg und tauschten unsere Eindrücke aus, denn wir hatten uns mit verschiedenen Leuten unterhalten. Und wir genossen, daß wir zu ganz ähnlichen Schlüssen kamen.  Und daß es richtig war, wegzugehen. Und daß wir immer Kibbuzniks bleiben werden. Auch wenn es den Kibbuz so nicht mehr gibt. Noch ein inneres Rungholt für mich, eine versunkene Welt, die ich mit mir herumtrage.

Eviatar und Meir Banai Dezember 1, 2010, 21:17

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Etzlech ba-olam – in deiner Welt

(Auf Wunsch der Mädchen und auch der Eltern – als Abschluß eines sehr traurigen Tags)

 

Und Machar – Morgen, von Eviatar Banai

Der Fachmann staunt… Dezember 1, 2010, 19:59

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… der Laie wundert sich.

Was haben wir von Wulffs, Merkels und Westerwelles bewegten Worten in Yad vaShem oder der Knesset zu halten?

Dies.

Der außen- und sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Christoph Heusgen, soll vergangenes Jahr hochrangige US-Diplomaten dazu gedrängt haben, Israel die Unterstützung im UN-Sicherheitsrat zu entziehen, falls es einem Siedlungsstopp nicht zustimme.

Und natürlich nur zustimmendes Klatschen in den Kommentaren. Bravo, Deutschland. Ich kann mich nicht an ähnlichen Druck erinnern, der auf die Palästinenser ausgeübt wurde, damit sie aufhören, israelische Bürger beim Falafelessen zu ermorden. Und das bei der Abstimmung über den völlig verlogenen Goldstone-Bericht. Wenn Richter Goldstone auf Deutschlands Vorgehen in Afghanistan angesetzt würde, wie sähen dann die Deutschen aus?

 

Ich kann mich auch irgendwie nicht erinnern, je ähnlich harte Worte aus Deutschland zum Thema Terror gehört zu haben, geschweige denn Erpressungsversuche. Schließlich ist es ja viel schlimmer, wenn eine jüdische Familie in Jerusalem baut, als wenn eine jüdische Familie in Jerusalem in die Luft gesprengt wird.

 

Ganz egal, was man von der Siedlerbewegung hält, und ich bin weiß Gott kein großer Fan, das ist eine eindeutige Stellungnahme. Spart euch die Worte, deutsche Politiker, und das betroffene verlogene Gelaber, wir wissen, wo ihr steht.  Fest an der Seite der deutschen Bevölkerung.

 

Diese Wikileaks, obwohl solche Dokumente eigentlich nicht an die Öffentlichkeit gehören, sind doch auf verquere Art und Weise ein Segen. Man weiß, woran man ist, beidseitig.

 

Und noch etwas zu einer Bemerkung der Tagesschau:

 

Weitaus weniger erfreut dürfte die Regierung Netanjahu über die Veröffentlichung der geheimen Rüstungsgespräche sein, die Israel mit der US-Regierung führt. So zeigte sich das israelische Militär sowohl mit dem gemeinsamen Raketenabwehr-Manöver „Juniper-Cobra 10″ vom vergangenen Herbst zufrieden als auch mit den Zusagen Washingtons, Israel bei allen Waffenlieferungen in der Region stets den rüstungstechnologisch „qualitativen Vorsprung“ einzuräumen.

 

Da sieht man mal wieder, wie wenig sich so ein deutscher Redakteur in uns hineindenken kann. Ich bin heilfroh, daß das veröffentlicht wird – vielleicht erreicht so eine Aussage doch eine kleine Abschreckung und zögert den Angriff auf uns noch ein bißchen hinaus. Obwohl ich ehrlich sagen muß, daß ich ihn näherkommen fühle. Die globale Wut auf Israel, sorgsam seit Jahrzehnten von den Palästinensern geschürt, erreicht langsam eine solche Hitze, daß auch in Deutschland ein paar Leute auf der Straße tanzen werden, wenn es hier endlich, endlich losgeht und den bösen Juden auf die Finger geklopft wird.  Die Kölner Domplatte wäre ein passender Ort für ein Stadtfest…

Mittelstaedt lügt – Teil II November 30, 2010, 20:00

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Es tut mir leid, daß ich diesen Artikel nicht aus den Klauen lassen kann, aber er steckt so voller Lügen, daß  er sich trefflich zum Auseinandernehmen eignet. Und nein, es ist nicht schade um meine Zeit, ich habe enorme Berge von Arbeit letzthin weggeschafft, und ich schlafe besser, wenn ich die Wahrheit hingeschrieben habe. Auch wenn Mittelstaedts Lügen von Hunderttausenden gelesen werden und die Wahrheit nur von einer Handvoll.

Also zitieren wir sie noch einmal:

Juden und Araber leben in getrennten Städten, lernen in getrennten Schulen und wählen getrennte Parteien. Es gibt Jobanzeigen, in denen steht „Avoda Ivrit“ – „Hebräische Arbeit“. Das bedeutet: Arbeit nur für Juden.

Juden und Araber leben in getrennten Städten? Sie leben nicht in „getrennten“ Städten. Sie leben in verschiedenen Städten, sie leben in denselben Städten. In Akko, Jafo, Nazareth und Haifa, zum Beispiel,  leben Juden und Araber zusammen. Es gibt Orte, in denen Moslems und Drusen wohnen, oder Drusen und Christen, und die Tscherkessen wohnen überhaupt allein. Beduinen wohnen in beduinischen Orten. Ultra-Orthodoxe leben getrennt von Säkularen, Kibbuzniks wohnen im Kibbuz und Moshavniks im Moshav. In Meilia wohnen libanesische Katholiken.

Insgesamt ist Israel sehr heterogen,  aber Menschen wohnen nun mal gern unter ihresgleichen, wo sie ihre Kirche haben oder ihre Moschee, wo die Nachbarn ihnen ähnlich sind und die Kinder der Nachbarn mit den eigenen Kindern spielen können, ohne daß die Unterschiede zu kraß sind. Das ist in Deutschland nicht anders, und nirgends auf der Welt. Es gibt soziale Segregation und ethnische.  Yuppies wohnen in der Nähe von anderen Yuppies, Arbeiter wohnen in anderen Gegenden  als Professoren, und jeder weiß, wo in Berlin die Türken wohnen und wo nicht. Big deal, Juliane!

….lernen in getrennten Schulen…

Noch eine Lüge. Wie jeder weiß, der hier mitgelesen hat, besteht hier die Möglichkeit, die Schule zu wählen. Selbstverständlich gibt es in arabischen Städten arabische Schulen! Was würde Mittelstaedt sich wohl ereifern, wenn arabische Kinder in jüdische Schülen gezwungen würden? Es gibt eine PH für arabische Studenten, wo auf Arabisch gelernt wird und besonderes Gewicht auf Lehrstoff gelegt wird, der Arabern wichtig ist. Auch Juden können dort studieren. Und meine Lehramtsstudenten sind zu c. einem Drittel arabisch – in manchen Kursen sitzen nur fünf Araber, in anderen sitzt nur ein einsamer Jude.

Und so werden Lehrer für die Schulen in Israel ausgebildet. Sie widerspiegeln die Vielfalt der Bevölkerung mit ihren verschiedenen Interessen und Bedürfnissen. Es gibt religiöse Schulen, es gibt christliche Ordensschulen, staatliche Schulen, arabische Schulen, Kibbuzschulen, künstlerische ausgerichtete Schulen, landwirtschaftliche Schulen… und die Eltern wählen, wo sie ihre Kinder hinschicken. Arabische Eltern wählen größtenteils die arabischen Schulen, weil dort auf Arabisch gelehrt wird und weil der Lehrplan widerspiegelt, was den Eltern wichtig ist. Manche wählen Schulen wie die meiner Kinder, wo die Unterrichtssprache Hebräisch ist. Das ist ganz allein ihre Sache. Meine Tochter hat gute arabische Freunde. In den meisten arabischen Schulen dagegen gibt es keine jüdischen Schüler.

Es gibt aber ein paar arabisch-jüdische  Schulen wie Hand-in-Hand in Jerusalem und die ausgezeichnete Grundschule in Manshia Zabda, wo der Unterricht zweisprachig ist.

Kurz, Mittelstaedt hat keine Ahnung, wovon sie spricht. Oder sie lügt bewußt.

…. und wählen getrennte Parteien.

Was, bitte, sind „getrennte“ Parteien? Sie wählen genau dieselben Parteien wie Nicht-Araber, nämlich die Parteien, die zur Wahl zugelassen sind. Es gibt Likud-Büros und -Wähler in arabischen Dörfern, es gibt jüdische Abgeordnete arabischer Parteien (am bekanntesten war Tamar Gozansky), es gibt Parteien, die von Juden und Arabern gleichermaßen gewählt werden (Meretz). Araber wählen Parteien und Politiker, von denen sie die optimale Vertretung ihrer Interessen erwarten. Juden tun dasselbe. Das nennt sich Demokratie. Niemand hält einen Araber davon ab, eine zionistische Partei zu wählen, und gar nicht so wenige tun es. Ich habe keine Zahlen, aber ich weiß, daß es Araber gibt, die traditionell Avoda wählen und sogar, wie gesagt, Likud. Gibt es alles. So wie es Juden gibt, die Balad wählen.

Und jetzt die infamste Lüge.

Es gibt Jobanzeigen, in denen steht „Avoda Ivrit“ – „Hebräische Arbeit“. Das bedeutet: Arbeit nur für Juden.

Das ist glatt gelogen. Dafür müßte man diese Frau glatt verklagen.  Y. allerdings hat laut rausgelacht, als ich ihm das erzählt habe. Ehrlich gesagt, er hat sich nicht mehr eingekriegt.

Was bedeutet Avoda Ivrit? Es bedeutet „hebräische Arbeit“ und war der Slogan der jüdischen Einwanderer im 19. Jahrhundert, die die Sümpfe trockengelegt haben. „Hebräische Arbeit“ bedeutet: keine arabische Arbeitskraft ausnutzen, sondern selbst die schwere körperliche Arbeit zu leisten. Also keine verwöhnten Kolonisten zu sein, sondern das Land selbst zu bearbeiten und bewohnbar zu machen. Das ist alles.  Es ist verboten, potentielle Arbeitskräfte zu diskriminieren.

Selective hiring practices are illegal in Israel under the Act of Equality in Employment.

Allerdings wird ein moslemischer Araber Probleme haben, bei Rafael oder anderen Firmen, die für das Militär produzieren, Arbeit zu finden.  Manche Arbeitgeber mögen das als Ausrede benutzen, um keine Araber einzustellen. Wie es auch in Deutschland Leute gibt, die lieber Claudia als Fatma einstellen.  Überall, wo Y. und ich je gearbeitet haben, hatten wir selbstverständlich arabische Kollegen.

Y., der dauernd Stellenanzeigen liest, hat wie gesagt nur laut gelacht, als er von Mittelstädts Behauptung hörte. Sie ist an den Haaren herbeigezogen.  Was für ein Unfug, avoda ivrit!

Allerdings gibt es eine sehr gute Doppel-CD mit Coverversionen von schönen alten Liedern, und die heißt Avoda Ivrit. Das Bild auf dem Cover zeigt schon, daß der Begriff in die Pionierzeiten vor der Staatsgründung verweist und das 60jährige Jubiläum des Staats feiert.

Und das ist die Art von Musik, die wir mit Avoda Ivrit verbinden, wo man sieht, wie die Originalversion und die Coverversion ineinander übergehen:

Und jetzt sagt mir, ob so ein Artikel nicht eine glatte Unverschämtheit ist. Der durchschnittliche Leser wird die einzelnen Punkte nicht nachprüfen, sondern nur nicken und sagen: ja ja, die Juden, nichts dazugelernt, diese Rassisten, das wußten wir ja schon… Und in einem Jahr werden sie keine Einzelheiten mehr wissen, nur dieses unklare, aber felsenfeste Gefühl der Gewißheit, daß Israel ein durch und durch rassistischer Staat ist.

Wenn der SPon Anstand hätte, würde er eine Richtigstellung veröffentlichen.

 

ETA: eine Auswahl aus den Kommentaren veröffentlicht die Achse des Guten. Ich muß sagen, wenn ich sowas lese, bin ich heilfroh, daß ich meine von jüdischem Blut verseuchten Nachkommen nicht in Deutschland großziehe. Es ist fürchterlich, was da ans Licht kriecht und krabbelt…

Wetterklage (täglich neu!) November 30, 2010, 7:35

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Auch heute mußte ich den Garten wässern. Die Bäumchen sehen armselig aus – ich weiß nicht, ob es der Wassermangel ist oder doch eine Art Herbstgefühl, daß die Blättchen alle abgefallen sind. Der Ostwind will nicht weichen. Nachts ist es kühl, wenigstens das!, aber morgens erwärmt sich die Luft sehr schnell. Der Himmel ist stumpf und staubig, über dem Meer liegen dicke Schleier von Staub, gelb-grau und in Streifen.

Die Trockenheit ist nicht leichter zu ertragen, wenn sie Wochen anhält und man sich eigentlich daran gewöhnen sollte. Man mag sich kaum in den Arm nehmen – jede Berührung wird von Knistern und kleinen elektrischen Schlägen begleitet. Wenn Quarta ihr Haar bürstet, steht es wie ein Heiligenschein um ihren Kopf.  Bevor ich den Kühlschrank anfasse, wische ich mir mit einem nassen Lappen über die Finger – sonst kriege ich ganz fiese Schläge. Ich habe diesen Lappen immer bereit. Meine Wäsche trocknet so schnell, daß sie bretthart wird.

Ich habe es so satt, so satt. Europa ertrinkt im Schnee, wir sehen den See Genezareth beängstigend schrumpfen. Wir sparen Wasser. Auch am Garten knapse ich – wir werden keinen Rasen säen, weil Rasen ein furchtbarer Wasserfresser ist. Jeden Monat, wenn die Wasserrechnung kommt, sind wir zufrieden, überlegen aber, wo wir noch weiter sparen können.  Niemand von uns würde sich spaßeshalber länger unter die Dusche stellen als notwendig. Baden tun wir gar nicht.

Wir warten auf den Regen. Überall sprechen die Menschen von der Trockenheit, der Wasserkrise. Und nicht aus Höflichkeit oder Mangel an anderen Themen – sondern weil wir besorgt bis zur Hysterie sind. Im Fernsehen laufen Mahnungen, noch mehr Wasser zu sparen – Israels bekannteste Schauspieler und Sänger (und Bar Rafaeli!) flehen uns an, den Kinneret zu retten. Israel trocknet aus. Und wir spüren es körperlich.

Die Fatach tagt… November 29, 2010, 22:28

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… und ich weiß nicht, ob außerhalb von Israel darüber überhaupt berichtet wird.

Fatach – ganz richtig, die Leute um Abu Mazen (Mahmoud Abbas), die „moderaten“ Palästinenser, denen wir so weit wie möglich entgegenkommen sollen.

Ich habe keine Zeit zum Übersetzen, also einfach wie´s in der JPost steht:

Participants kicked off discussion by giving special honor to Amin al-Hindi, one of the masterminds of the 1972 Munich Olympics massacre of 11 Israeli athletes, who died earlier this year.

Richtig – einer der Mörder von München wurde besonders geehrt.  So viel zur natürlich vollkommen aus der Luft gegriffenen Forderung Israels, daß die Palästinenser den Kult des  Terrors beenden sollen. Sie tun es nicht, sie feiern Terroristen nach wie vor und begreifen die Mörder der Olympischen Spiele als bewundernswerte Vorbilder, die man ehren muß. Was will uns das sagen?

The Fatah council derogatorily rejected recognition of “the so-called Jewish state” or any “racist state based on religion.

Das ist natürlich wunderbar, gewissermaßen eine Übersetzung. Israel sagt: jüdischer demokratischer Staat (wobei demokratisch selbstverständlich Gleichberechtigung für Minderheiten einschließt), und die Fatach übersetzt es als   rassistischer Staat, der auf Religion basiert. Sehr spaßig. Jedoch ist Judentum weder eine Rasse (liebe  Fatach-Funktionäre, die Rassentheorie hat sich inzwischen überlebt, guten Morgen!) noch eine Religion – denn der Staat Israel gründet seine Definition von jüdisch nicht auf die Halacha.  Der Staat akzeptiert als jüdisch genug für Aliya auch Menschen, die das Rabbinat nicht akzeptiert – ein Riesenproblem für Einwanderer, doch eindeutig Zeichen dafür,  daß Israel keineswegs als Theokratie angelegt ist.

Was bedeutet jüdischer Staat denn dann – diese Formulierung, die auch so vielen Deutschen Bauchschmerzen macht, da sie sich nicht von ihren deutschen Begriffen freimachen können und Juden als „Menschen jüdischen Glaubens“ definiert, als ginge es um tatsächlich nur um Religion.

Liebe Leute, Judentum ist eine ethnische Kategorie. Am Israel, das Volk Israel, so heißt es schon in der Bibel. Im Gegensatz zum Christentum, in dem das Ethnische keine Rolle spielt – weswegen es kein „christliches Volk“ gibt – was wiederum für Juden schwer zu verstehen ist, eine Studentin hat tatsächlich mal die Formulierung vom „christlichen Volk“ benutzt, und Juden fragen mich oft, ob sich das Christentum über den Vater vererbt.  So wie in meinem Paß steht „Der Inhaber dieses Passes ist Deutscher“, so wie das deutsche Volk im deutschen Staat lebt (und dort selbstverständlich Minderheiten akzeptiert, mit Rechten ausstattet und integriert), so ist jeder Jude (auch wenn nur väterlicherseits) potentieller Israeli. Nicht alle Israelis sind Juden, aber alle Juden sind, so sie wollen, Israelis.

Ja, daß das aber auch so kompliziert ist! Kann man denn von der Fatach erwarten, daß sie sich mal die Mühe macht zu verstehen, warum dem Verhandlungspartner dieser Punkt so wichtig ist? Wer Israel als jüdischen Staat anerkennt, der sagt damit, daß er das Recht des jüdischen Volks auf einen Staat anerkennt. Und das tut die Fatach natürlich auch nicht, ebensowenig wie die Hamas.  Wobei der Witz ist, daß sie gegen moslemische Staaten nichts einzuwenden haben. Eines schickt sich eben nicht für alle, und seit wann haben Juden Rechte wie andere?

Doch weiter, was hat uns die Fatach sonst noch zusagen?

It reasserted the “right of return” which, if implemented, would facilitate the end of a Jewish majority within the pre-1967 Green Line by allowing about four million Palestinian refugees and their offspring to settle in Israel proper.

Nichts Neues unter der Sonne. Die palästinensischen Flüchtlinge, mutwillig durch den von Arabern angezettelten Krieg aus der Heimat geflohen oder vertrieben, sollen samt Kind und Kindeskind zurückkommen dürfen – die ebenso große Zahl jüdischer Flüchtlinge, die aus arabischen Ländern brutal vertrieben wurde, wird natürlich nicht erwähnt. Immer dieselben alten Floskeln.

Land swaps as part of a peace agreement were ruled out as well. Large settlement blocs in Judea and Samaria, such as Gush Etzion, Ma’aleh Adumim and other cities located just over the Green Line, consisting of no more than five percent of the West Bank, where about 80% around 320,000 Jews live, must be uprooted and settlers must be expelled, it decided.

Na wunderbar.  Worüber bleibt dann denn überhaupt noch zu verhandeln? Die Palästinenser bleiben bei ihrem alten shtik:  Alles oder Nichts. Entweder Israel geht bedingungslos auf alle ihre Forderungen ein – dann sind sie bereit, „in Verhandlungen zu treten“ – welch verführerischen Aussichten! denn zu verhandeln bleibt ja gar nichts mehr. Aber die Ungewißheit, der Nervenkitzel, sich in einer so wehrlosen Lage zu finden, das soll uns wohl locken. Danke, ich fühle mich wenig abenteuerlustig.

Dieser Kommentar in der JPost stützt sich auf Khaled Abu Toamehs Bericht. Im Gegensatz zu den putzigen oder mittelstädtischen Journalistinnen, die sich gänzlich auf ihre kernigen palästinensischen Stringer verlassen müssen, kann Toameh nämlich Arabisch. Und er versteht, was die Fatach sagt.

Es ist mir vollkommen unverständlich, warum solche Berichte nicht die Aufmerksamkeit in deutschen Medien finden, die sie verdienen. Denn die deutschen Medien achten doch so sehr auf „Ausgewogenheit“! Ist ihnen das nicht ausgewogen genug? Oder stört es das obsessiv verfolgte Motiv von den störrischen Israelis, dem einzigen Friedenshindernis im Nahen Osten? Warten die deutschen Medien auf saftigere Brocken, zum Beispiel eine beschmierte Parkbank in Safed oder eine Facebook-Seite von einer dümmlichen Ex-Soldatin? DAS sind doch die wahren Nahost-Nachrichten. (Israel heute bringt die Nachricht auf Deutsch – wer von Euch hat sonst aus deutschen Medien davon erfahren?)

Wieso drängt die Welt uns, in Verhandlungen einzusteigen, die von vornherein sinnlos sind? Oder ist auch hier nur ein trügerischer Schleier von Rhetorik, hinter dem sich Bereitschaft verbirgt? Nun, werden wir dann mal diese Bereitschaft konkret sehen können?

Ein Nachruf November 29, 2010, 21:23

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Heute habe ich eine traurige Nachricht erhalten. Meine beste Freundin aus dem Kibbuz (eigentlich die einzige, mit der ich ständig in Kontakt bin) hat heute ihren Vater verloren.

Meine Freundin ist wenige Jahre jünger als ich,  und sie  ist die Jüngste von Fünfen (sie hat vier große Brüder). Ihr Vater war fast 80 Jahre alt, in den letzten Jahren sehr hinfällig. Er ist im Kibbuz-eigenen Altersheim gestorben, in den Armen seiner Frau.

Meine Freundin ist typische Israelin: sie hat einen gemischten ethnischen Hintergrund. Ihr heute verstorbener Vater war Holocaust-Überlebender aus Ungarn, ein Budapester Junge, der nach dem Krieg und Holocaust jahrelang nach überlebenden Familienmitgliedern suchte. Er kam mit einer Gruppe von anderen jugendlichen, verwaisten Überlebenden aus Ungarn in den Kibbuz – sie halten bis heute als Gruppe wie Pech und Schwefel zusammen, denn die meisten von ihnen sind im Kibbuz geblieben.

Diese ungarische Gruppe hatte immer einen leichten Groll auf die Gründer, die älter waren, nicht direkt vom Holocaust berührt (weil sie als glühende Zionisten wie die Großeltern meines Mannes schon in den frühen 30ern nach Palästina kamen) und ihren Gründerstolz nicht verbargen. Für die ungarischen Waisen, die mit ihren Traumata und seelischen (auch körperlichen) Narben hinzukamen, war es nicht einfach.

Der Vater meiner Freundin heiratete eine der nettesten und charmantesten Frauen des Kibbuz. Auch mit Mitte 70 hat sie nichts von ihrem Charme verloren, und niemand kann mit ihr reden, ohne ihr Lächeln zu erwidern.  Auch die Mutter meiner Freundin hat ihre Eltern sehr früh verloren, aber nicht durch den Holocaust. Sie ist ägyptische Jüdin und ist in Alexandria geboren. Den Vater hat sie nie kennengelernt, er ist vor ihrer Geburt gestorben, und die Mutter starb kurz darauf. Eine Odyssee der verwaisten Kinder folgte, bis schließlich die älteste Schwester sich um die Geschwister kümmerte.

In den 50er Jahren verließen die meisten ägyptischen Juden das Land und wanderten nach Israel ein. Die Schwestern wurden von der Aliyat ha noar, der Jugendaliya, auf Kibbuzim verteilt. In einer solchen Noar-Gruppe ist ja auch meine Schwiegermutter, Kind einer armen polnischen Familie, in den Kibbuz gekommen.  Auch die Mutter meiner Freundin hat also ihr Leben im Kibbuz nicht als privilegiertes Kind einer Gründerfamilie angefangen. Sie hat jahrelang im Kinderhaus gearbeitet, dabei auch Y. betreut, zu dem sie bis heute ein ganz besonders nettes Verhältnis hat, das sie auch auf mich und die Kinder ausgedehnt hat.

Sie ist auch die Frau, von der ich mal erzählt habe – sie traf mich gegen Ende meiner Schwangerschaft mit Secundus, als ich mit Primus spazierenging. Sie sah mir ins Gesicht und fragte: „na, machst du dir Sorgen, ob du genügend Liebe für zwei Kinder haben wirst?“ Und ich: „ja, hm, keine Ahnung, wie ich beiden gerecht werden soll, werde ich das neue Baby so liebhaben wie Primus und wird er nicht leiden….“ Und da lächelte sie und sagte: „vergiß nicht, das Herz ist ein Muskel. Je mehr du es benutzt, desto stärker wird es“.  Diese Worte, die wirklich ganz einfach und nicht phrasenhaft aus ihrem Mund kamen, haben mich tatsächlich seitdem begleitet. Sie ist eine ganz besondere Frau, die Mutter meiner Freundin.

Der verschlossene Überlebende aus Budapest und die temperamentvolle kleine Frau aus Alexandria – fünf Kinder – zwölf Enkelkinder – ein Urenkelchen – und ein Ruf als solider, zuverlässiger Mitarbeiter in der Verwaltung des Kibbuz. Das war sein Leben. Nichts Auffälliges, nichts Großartiges.

Er stand eigentlich immer ein bißchen im Schatten seiner Frau, die mit ihrer warmen Persönlichkeit nicht nur das Haus, sondern ihre ganze Umgebung versorgte. Sie ist die Nachbarin, die mir einmal, als wir alle krank waren, einen Topf Suppe durch die Tür reichte (köstliche Kürbissuppe, die ich seitdem oft nachgekocht habe). Aber sie hat ihn für den Verlust seiner Herkunftsfamilie zu entschädigen versucht, auch wenn das natürlich unmöglich ist. Sie hat sogar Ungarisch gelernt – sprechen und kochen. Wie viele Leute gibt es, die Hebräisch, Arabisch und Ungarisch fließend sprechen? Sie waren ein gutes Team, und es ist fast unmöglich, sie als Witwe vorzustellen.

Meine Freundin hat zu ihren so verschiedenen Ahnen ein ganz interessantes Verhältnis. Sie war immer, obwohl sie das einzig´Mädchen war und ihres Vaters Augapfel, selbst mehr Mutters Kind. Trotzdem hat sie sich in ihren Interessen und kulturellen Identität immer den europäischen Ahnen mehr verbunden gefühlt. Sie sieht eindeutig orientalisch aus, fühlt sich aber gar nicht so. Ihr langsam anlaufendes Projekt „Familienforschung“ ist viel komplizierter als meines. Sie war zuletzt vor zwei Monaten in Budapest, hat dort die Spuren der Kindheit ihres Vaters gesucht. Sie hat ihm die Bilder gezeigt, und er hat gelächelt, obwohl er sonst kaum noch kommunizieren konnte oder wollte.

Meine Freundin trauert nicht nur um den Verlust ihres Vaters, sondern auch darum, daß sie nun keine Chance mehr hat, die Löcher in seiner Kindheits- und Familiengeschichte zu füllen, die leer geblieben sind.

Ich kann auf Google Earth jedes Haus angucken, in dem meine Eltern und Großeltern gewohnt haben. Ich weiß, welche Schulen sie besucht haben, und kenne ihre Kindheitsfreunde und selbstverständlich alle Vettern und Cousinen. Ich weiß, wem ich ähnele und von wem ich, nach familiärer Vererbungstheorie, meine diversen Charakterfehler geerbt habe. Und ich habe erst in den letzten Jahren gelernt, daß das nicht selbstverständlich ist, und kostbar.

Meine Freundin hat jahrelang keine Fragen gestellt und sich nicht für die Geschichten ihrer Eltern interessiert. Erst als sie selbst älter wurde, erwachte auf einmal der sehnsüchtige Wunsch, mehr zu wissen. Der Vater gab nur unwillig Informationen preis, und die schließlich gefundenen Verwandten in Ungarn wissen nicht alles.  Jetzt wird sie mit den Lücken leben müssen, und auch mit der Frage: war es richtig, daß wir Kinder nicht weiter nachgefragt haben?  Haben wir dem Vater damit einen Gefallen oder Bärendienst getan?

Mittwoch wird er beerdigt.

In den Nachrichten November 29, 2010, 20:38

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Channel 2 – Yonit Levy hat gerade ein Wikileaks-Bübchen interviewt – James Ball (er hat auch gleich darüber gezwitschert). Er meinte auf Levys Frage, was noch alles ans Licht kommen wird, daß Israel nicht jedes Dokument gern sehen wird. Beziehungen zu den Nachbarn, Waffenhandel… auch unsere Achillesfersen werden bloßgelegt werden. Ich hoffe nur, daß wir mit möglichst wenigen lahmen Beinchen vom Feld humpeln…. und nicht etwa als Tausendfüßler mit lauter, lauter Achillesfersen…