„For the thousands and thousands of years in fact that the human face has been speaking and breathing one somehow still has the impression that it has not yet started to say what it is and what it knows.“ Antonin Artaud
Robert Longo – Men in the Cities Series
Gesichter und abgebildete Gesichter haben eine Leerstelle, Kunstwerke sind offen, die „Grausamkeit“ mancher Bilder ist ein Versuch die Grenzen des Kommunizierens zu verwischen. Was sowieso passiert, dass nämlich das Publikum die Bilder anders versteht als geplant, wird zur Regel des Spiels. Wie bei den eher wenig zielführenden (zu ulkig) Versuchen der jumpology gibt es nun Taktiken die Modelle zum Spiel zu ermuntern, die im Fortgang beschriebenen Ziele zu stärken. Die Verzerrung der Körper ist eine Verzerrung der Realität.
Eine Utopie, in der die Menschen mit einem zentralen Kommunikationsorgan, dem spielerischen Zeichensystem Gesicht, wirklich frei spielen spielen. Nur gibt es keinen geschichtlichen Bruch, nach dem Motto heute nur Lookism, als zwanghafte Adaption der äußerlichen Normen, und morgen das freie Mienenspiel, sondern in der Wahl, zu schweigen und das Gesicht sprechen zu lassen liegt eine, von so vielen, Möglichkeit zur Entfaltung von Kommunikation: Nicht verstanden werden zu wollen, sondern zum Einfühlen aufzufordern. Diese Geschichte braucht Vorbilder.
Long Portrait: Graciella Longoria from Clayton Cubitt on Vimeo
Die neuen Porträts und grausamen Körper können als künstlerischer Versuch verstanden werden, den Raum des Mienenspiels offen zu halten und zu weiten. Als Gegenstück zu den eingefrorenen Typengesichtern der Werbung: „Die intimsten Reaktionen der Menschen sind ihnen selbst gegenüber so vollkommen verdinglicht, dass die Idee des ihnen Eigentümlichen nur in äußerster Abstraktheit noch fortbesteht: personality bedeutet ihnen kaum mehr etwas anderes als blendend weiße Zähne und Freiheit von Achselschweiß und Emotionen. Das ist der Triumph der Reklame in der Kulturindustrie, die zwanghafte Mimesis der Konsumenten an die zugleich durchschauten Kulturwaren.“ Horckheimer/Adorno
Stattdessen Eigentümlichkeit nicht von Äußerlichkeit zu abstrahieren, sondern vielmehr festzusetzen, dass Äußerlichkeit teils gespielt und teils visueller Ausdruck des Gefühlten ist. Unzwanghafte und bewusst undurchschaubare Spiel-Bilder. Gesicht klingt statisch, ich versuche daher noch einmal Miene. Die Miene stellt sich also dar als ein gespieltes und als gespielt empfundenes Zeichen, bei dem, anders als bei Worten, obwohl es bei ihnen genauso sein kann, ein offener Konnotationsraum mitgedacht wird. Es ist schlichtweg eine Herausforderung dieses Thema in Kunst aufzugreifen, da ganz bewusst ein offener Prozess gestaltet werden muss, was Teilen gegenwärtiger Kunst und ihrer Mentalität des Effektheischens gegen den Strich geht, sei es nun Highpass am Mischpult, Signalfarbfelder, Symbolschlacht, Cartoonfigur oder Hartewortepoesie*. Gemeint ist aber auch keine Beliebigkeit, unpolitisch nichtsagend, unendlich offen dahinzuknipsen und klecksen, genausowenig wie dieser Text wirr klingen soll, ich übe halt noch.
*jetzt noch eine wirre Fußnote: gegenbild zur sachlich-harten schreibe, die auf unmittelbarkeit und authenzität zielt, wären beispielsweise „poetic soviets“ (guy debord), also crews, die weiche wörter mit offener konnotation an die häuser der stadt schmieren: writing/graffiti. oder halt schreiben, das klar und gefühlvoll ist.