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Samstag, 17. Juli 2010

Anubis

Die Katze ist tot und liegt in der Küche. Schluchzend laufe ich ein paarmal quer durch die Wohnung, gebe bei Google "Katze reanimieren" ein, und stochere im Hals der Katze erfolglos nach vielleicht Verschlucktem. Dann rufe ich beim Tierarzt an.

Der Tierarzt kommt zwanzig Minuten später. Er scheint schon geschlafen zu haben in einem ausgeblichenen Logoshirt, statt Kontaktlinsen trägt er Brille, aber auch wenn er noch schneller gekommen wäre, wäre die Katze wohl auch nicht wieder aufgestanden. "Soll ich sie mitnehmen?", fragt der Tierarzt nach diesem Befund. Ich nicke. In einem braunen Karton verschwindet meine schwarze, zutrauliche, fröhliche Katze. Maunzend und knurrend läuft der Kater durch die Wohnung und schnuppert ihr nach.

Die Katze werde verbrannt, sagt mir der Tierarzt schon halb aus der Tür. Man werde sich bei mir melden. "Ist gut.", stimme ich allem zu, weil das in einer großen Stadt wohl so ist, wenn man keinen Garten hat, in dem man seine Haustiere einfach vergräbt und dann einen großen Rhododendron pflanzt.

Ein paar Tage passiert erst einmal gar nichts. Dann klingelt das Telephon. Ich verstehe erst gar nicht, wer mich anrufen will, ich glaube an eine Telephonwerbeaktion, nein, wissen Sie, ich bin gerade im Büro ...., aber dann fällt der Groschen doch. Es ist die Tierbestattung. Die Tierbestattung Anubis aus Pankow. Ich atme tief durch.

Wo sie die Asche hinbringen sollen, will die Tierbestattung wissen, und ich fange an zu stottern. Vor meiner Tür drücken sich Kollegen herum, die irgendwas besprechen wollen, E-Mails rattern in meinen Outlook-Account, mein Bürotelephon klingelt, und ich sage schnell irgendetwas Dämliches wie "weiß nicht, was meinen sie, für mich ist das jetzt auch eher so zweitrangig ... ich hab' nicht so eine Gedächtniskultur." - Die Tierbestattung schweigt einen Moment beleidigt. Ich komme mir geizig vor, geizig und pietätlos, und das ist vermutlich auch Sinn und Zweck des Schweigens des Bestatters.

Ich könne eine Urne nehmen, sagt mir die Tierbestattung unbeeindruckt von meiner Abwehr. Ich lehne ab. Ich könnte die Katze auch auf einem Tierfriedhof bestatten lassen, beharrt man weiter. Ich lehne auch ab. Man werde die Asche zum Tierarzt bringen, schließt schließlich das Gespräch, bevor ich sagen kann, sie mögen die Asche einfach behalten.

Am vergangenen Samstag gehe ich dann zum Tierarzt. Schon in der Tür kommt mir die Tierarzthelferin entgegen und drückt mir die Hand. Dabei zieht sie die ganz dünn gezupften Augenbrauen tief nach unten. Der Verlust. Trauer. Darüber Hinwegkommen. Und der Kater? - Ich vermeide jeden Blickwechsel mit dem J., um nicht laut zu lachen.

Schließlich übergibt mit die Tierarzthelferin einen braunen Briefumschlag und eine Urkunde. Auf der Urkunde steht mein Name, falsch geschrieben allerdings, der Name meiner Katze und die Bestätigung, dass die mir ausgehändigte Asche auch wirklich die Asche meiner Katze und nicht die irgendeines ganz beliebeiegen und fremden Tieres sei. Leicht belämmert (wohin nun mit dem Zeug?) gehen wir heim.

Am Sonntag ist der Schlachtensee dermaßen voll, dass sich das Asche Verstreuen mehr oder weniger von selbst verbietet. Unter der Woche bin ich zu beschäftigt, um mich mit der Katze zu beschäftigen. Heute habe ich auch keine Zeit gehabt, die Katze irgendwo zu entsorgen, aber morgen, morgen fahre ich irgendwohin. Fragt sich nur, wo.

Samstag, 10. Juli 2010

Sommerabend

Träge schwankend vor Hitze schlingert die Stadt durch die Straßen. Ein wenig neben sich lächeln sich Fremde an auf dem brennenden Grase der Parks. Halb in den Schatten gelagert, liegst auch du auf deiner Decke, französischer Pop, ein Magazin über schöne Kleider, und in deiner Hand wird eine Flasche Biozisch immer wärmer.

"Hallo, der Herr!", begrüßt du einen kleinen Bub, der dich besuchen kommt vom Handtuch nebenan. Der Bub heißt Ansgar, erfährst du, und er wohnt "da drüben". Als er geht, lacht er dir fröhlich zu.

Auf dem Weg weiter nach Mitte lädt man dich ein. Ein Eis mit zwei Israelis mit starkem, russischen Akzent? Ein Stück Melone, das dir ein barfüßiger Franzose entgegenhält mit quellendem, krausem Brusthaar unter einem dünnen, blauen Hemd? Lachend beißt du ab, winkst und wünscht einen herrlichen Sommer, strahlend vor Sonne, überschießend vor Leichtsinn, galoppierend vor Glück wie die weißen Pferde, die du einmal gesehen hast als Kind, gestreckt vor Behagen im spritzenden Wasser der flachen Furt, gesäumt von schattigen Bäumen.

Montag, 5. Juli 2010

Paukenschlag statt Flöte

Wolf Jobst Siedler, Ein Leben wird besichtigt, 2000

Vielfach liest man, mit dem Bürgertum gehe es demnächst zu Ende. Die deutsche Sprache sterbe aus, sogar die Frau des Bundespräsidenten sei abstoßend tätowiert, niemand könne mehr vernünftig Latein, und unter Bildung missverstünden die Deutschen eine unverstandene Faktensammlung, die höchstens zu Quizsendungen im Privatfernsehen tauge. Gleichzeitig genießt das Bürgerliche ein Ansehen, das zumindest ein wenig naiv anmutet, als sei vor hundert Jahren jedes Gymnasium eine kleine Gelehrtenrepublik gewesen und nicht die protofaschistische, kinderquälende Anstalt, wie sie sich in den damals vermutlich nicht von ungefähr beliebten Schülerromanen der Kaiser- und Zwischenkriegszeit spiegelt. Auch hätten sich früher Familien zu sorgsam komponierten Mahlzeiten zusammengefunden, statt hektisch vor dem Fernseher erwärmte Tiefkühlgerichte zu verzehren, weder Damen noch Herren wären in missgestalteten, bunten Plastiksäcken auf die Straße gegangen, und Ehen hätten lebenslänglich gehalten. Früher sei mithin nicht alles, aber ziemlich viel besser gewesen, und selbst wenn es nicht besser gewesen sei, dann habe es zumindest besser ausgesehen.

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Donnerstag, 1. Juli 2010

Meine Katze

Die Treppen hochgelaufen, einen Schlüssel nach dem anderen in die Hand genommen. Die Tür geöffnet. Vollgesogen mit Wärme, den Geschmack von Sekt und Sherry. Gelächter im Ohr.

Die Tür weit geöffnet. Die stickige Luft hängt schwer auf den Dielen. Nach der Katze Ausschau gehalten, unwillkürlich. Die Augen geschlossen, um die Katze nicht nicht zu sehen.

Doch keine schwarze Katze kommt um die Ecke. Keine schwarze Katze maunzt. Niemand wirft sich vor mir auf die Dielen. Niemand schreit nach meiner streichelnden Hand. Ein bißchen Futter verlangt nur der Kater. Niemand antwortet mehr, wenn ich rufe, und niemals mehr rufe ich die Katze beim Namen. Die Katze ist tot.

Montag, 28. Juni 2010

Am See

Aber die ganze Zeit bist du nur in Berlin, ausgeschlagen mit Asphalt und Benzin, um dich herum klingeln Telephone, und nachts rattert irgendwo etwas immer weiter. Vielleicht bist das du.

Doch eine Stunde entfernt nur rauschen die Bäume. Schilf drängt sich zwischen Felder, Wiesen und See. Tief hängen die Äste der Weiden ins Wasser. Im Abendlicht spielen Mücken am Ufer. Kein Mensch ist zu sehen.

So viel höher scheint dir der Himmel und blauer als blau. Dass es wirklich Störche gibt, dass Rehe die Wälder duchstreifen, dass in alten Parks die Bäume Schatten werfen, erscheint dir unfassbar, und wenn die Vögel zur Nacht ihre Nester anfliegen, ist dir, als kämest auch du einmal nach Haus.



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Das haben Sie doch jetzt...
Das haben Sie doch jetzt erfunden, oder? Nein, ich...
[croco - 18. Jul., 11:06 Uhr]
Ich kenne zwei Ansgars,...
Ich kenne zwei Ansgars, beide können noch nicht...
[Modeste - 17. Jul., 18:58 Uhr]
Ja, im Sommer lebe ich...
Ja, im Sommer lebe ich immer ein bißchen mehr...
[Modeste - 17. Jul., 18:58 Uhr]
Anubis
Die Katze ist tot und liegt in der Küche. Schluchzend laufe ich ein paarmal...
[Modeste - 17. Jul., 18:56 Uhr]
"Ansgar..." quellendes...
"Ansgar..." quellendes Brusthaar... ;-)
[g a g a - 17. Jul., 0:38 Uhr]
Gute guete! Wie sind...
Gute guete! Wie sind sie denn auf dieses Buch gekommen?
[kittykoma - 15. Jul., 21:55 Uhr]
"Kleine Freuden" ? Leben...
"Kleine Freuden" ? Leben pur, das ist es.
[walküre - 12. Jul., 14:28 Uhr]
Sommerabend
Träge schwankend vor Hitze schlingert die Stadt durch die Straßen....
[Modeste - 10. Jul., 9:53 Uhr]

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18. Jul. 2010, 11:06 Uhr

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