Warum der Nahost Konflikt einfach zu vestehen,
aber schwierig zu lösen ist
von ex-blond
Es gibt eine Antwort auf diese Frage.
(Das Foto stammt von einer kleinen Anti-Israel-Demo vom 11.1.2009 in Frankfurt am Main.
Ich würde die Israelis wahrscheinlich hassen, würde ich als Palästinenserin in Gaza leben. Ganz abgesehen von der arabischen Hass-Propaganda in Schule, Fernsehen und Zeitungen, mit der ich aufgewachsen wäre, würde ich auch zu viele wahre Geschichten von himmelschreienden Ungerechtigkeiten gehört oder selbst erlebt haben. Ganz zu schweigen von der schutz- und ausweglosen Situation in Gaza jetzt, während der israelischen Bombardierungen!
Würde ich Israelin sein, würde ich die Palästinenser hassen. Nicht alle natürlich, ich würde in Gedanken einen Unterschied machen zwischen denjenigen, die Hass und Vernichtung säen und den unschuldigen Palästinensern, die nur verblendet und benutzt werden. Wahrscheinlich würde ich jemanden kennen, der jemanden kennt, dessen Bruder 2002 bei einem Attentat in einem Café sein Leben verlor.
Auf dieser Ebene sind sich glaube ich alle einig darüber, dass es sich um einen kaum zu lösenden und zu entwirrenden Konflikt des Hasses und Widerhasses handelt. Wie können solche tiefen, gegenseitigen, bösen Verstrickungen jemals gelöst werden und in einer friedlichen, gegenseitig wohlwollend annehmenden Akzeptanz enden? Die Lösung dafür scheint beinahe unmöglich zu sein.
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Das Problem hierbei ist, dass die meisten Menschen und die Medien den Nahost-Konflikt auf dieser Mikro-Ebene betrachten und beurteilen. Die Schlussfolgerung lautet dabei immer: beide Seiten tragen Schuld, beide Seiten müssen aufeinander zugehen, mehr Gewalt bringt nur mehr Gewalt – Krieg ist keine Lösung. Peace!
Unter dieser Perspektive, die ich eben „Mikro-Ebene“ nannte, weil sie den Fokus auf einzelne Ereignisse richtet, auf schreckliche Einzelschicksale, und daraus Schlüsse auf das große Ganze zieht, unter dieser Perspektive scheint der Nahost-Konflikt derart undurchschaubar und verfahren, dass höchstens sogenannte „Nahostexperten“ in den Medien ein Urteil abgeben können. Denn nur solche Experten haben (wie wir hoffen) ein ausreichendes Wissen über das Hin und Her, über das Attentat und den Vergeltungsschlag, über die Zahl der Opfer und die politische Lage im Nahen Osten, dass sie eine kompetente Einschätzung der Lage abgeben können.
Man muss aber gar nicht Nahostexperte sein, um den Nahostkonflikt und die jüngsten Ereignisse beurteilen und verstehen zu können. Statt sich mit allen Details zu befassen, muss man aus der Nahaufnahme der persönlichen Betroffenheit und der persönlichen Schicksale wegzoomen und sich den großen Zusammenhang ansehen. Man muss von der Mikro-Ebene auf die Makro-Ebene wechseln.
Und auf dieser Makro-Ebene muss man nur einen einzigen Sachverhalt kennen.
Dieser Sachverhalt lautet:
Das Ziel der palästinensischen und der anderen arabischen Terrororganisationen wie Hamas, Hisbollah, Fatah etc. ist die Vernichtung des Staates Israel.
Das ist alles. Mehr muss man nicht wissen. Aus dieser Tatsache leitet sich alles andere ab. Der gesamte Nahostkonflikt ist – auf der Makro-Ebene - durchsichtig und verstehbar, wenn man diesen einen Sachverhalt kennt.
Aber halt! Ist das nicht auch wieder subjektiv?! Eine israelische Propagandalüge! Das kann ja jeder behaupten! Die Welt ist nicht einfach, sondern kompliziert! Und die Palästinenser behaupten ja genau das Gleiche! Nämlich dass Israel die Vernichtung oder Vertreibung der Palästinenser will und deren Land klauen! Und der Bekannte Ihrer Bekannten ist Palästinenser und der will ganz bestimmt nicht „Israel vernichten“ – das können Sie beschwören!
Es ist aber nicht subjektiv und keine israelische Propagandalüge. Vielmehr ist das sogar Bestandteil der schriftlichen Verfassung, die sich die Hamas selbst gegeben hat. Mit anderen Worten: die Hamas existiert, weil sie sich dieses Ziel gegeben hat – dieses Ziel ist gewissermaßen die Existenzberechtigung der Hamas und anderer Terrororganisationen, die sich durch dieses Ziel – die Vernichtung des jüdischen Staates Israels – selbst definiert haben.
In der Charta der Hamas heißt es wörtlich:
“Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat.” (Präambel)“Die Islamische Widerstandsbewegung ist eine ausschließlich palästinensische Bewegung, die Allah die Glaubenstreue hält und deren Weg der Islam bestimmt. Sie strebt danach, das Banner Allahs über jedem Zentimeter Palästinas zu entfalten.” (Artikel 6)
“Das jüngste Gericht wird nicht kommen, solange Moslems nicht die Juden bekämpfen und sie töten. Dann aber werden sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken, und die Steine und Bäume werden rufen: ‘Oh Moslem, ein Jude versteckt sich hinter mir, komm’ und töte ihn.’” (Artikel 7)
“Das Land Palästina ist ein Islamischer Waqf (Heiliger Besitz), der den kommenden Generationen der Moslems bis zum Ende der Zeiten als Vermächtnis gegeben wurde. Es darf weder darauf verzichtet werden, noch darf etwas davon abgetrennt werden.” (Artikel 11)
“Palästina ist ein islamisches Land … Deshalb ist die Befreiung Palästinas für jeden Moslem die höchste persönliche Pflicht, wo immer er sich befindet.” (Artikel 13)
“Friedensinitiativen und so genannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung. Die Konferenzen sind nichts anderes als ein Mittel, um Ungläubige als Schlichter in den islamischen Ländern zu bestimmen … Für das Palästina-Problem gibt es keine andere Lösung als den Jihad. Friedensinitiativen sind reine Zeitverschwendung, eine sinnlose Bemühung.” (Artikel 13)
“Der Jihad ist die persönliche Pflicht jedes Moslems, seit die Feinde Teile des moslemischen Landes geraubt haben. Angesichts des Raubes durch die Juden ist es unvermeidlich, dass ein Banner des Jihad gehisst. wird.” (Artikel 15)
“(…) Vom gemeinsamen Kampf gegen den Zionismus abzulassen ist Hochverrat; verflucht ist, wer eine solche Tat begeht.” (Artikel 32)
Anmerkung: mit „Teile des moslemischen Landes“ (Art. 15) ist ganz Israel, d.h. auch Tel Aviv, Haifa usw. gemeint)
Würde die Hamas das Ziel der Vernichtung des Staates Israel aufgeben, würde sie sich selbst einen Teil ihrer eigenen Existenzberechtigung als Organisation unter den Füßen wegziehen. Dieses Ziel ist das Licht, unter dem die Hamas den Nahost-Konflikt betrachtet und entsprechend handelt sie. Ein Aufgeben dieses Ziels (der Vernichtung Israels) würde entweder eine Selbstaufhebung der Hamas bedeuten oder mindestens einen ganz fundamentalen, ideologischen Wandel.
PLO, Hamas, Fatah, Hisbollah, und andere – sie alle verfolg(t)en dieses eine Ziel und verfolgen es auch weiterhin, jedoch mit unterschiedlichen Strategien und Mitteln und unterschiedlich gefassten Zeithorizonten.
Das ist die Makro-Ebene, und das ist alles, was man wissen muss.
Warum aber weiß das keiner? Warum eröffnet nicht abends der Tagesschau-Sprecher die Meldung über den Gaza Krieg mit einem grundsätzlichen „Wie sie wissen, meine Damen und Herren, strebt die Hamas die Vernichtung Israels an …“
Und - Wenn alles so einfach ist: Warum gibt es keine Massendemonstrationen zu Gunsten Israels in allen europäischen Großstädten? Warum demonstrieren statt dessen Hunderttausende gegen Israel?
Auf diese Frage habe ich bisher zwei Antworten gefunden.
1. Moralische Feigheit
Mit klaren, moralischen Urteilen zwischen Recht und Unrecht tun sich die Europäer, insbesondere die Deutschen, sehr schwer. (Ich halte das für eine Folge des moralischen Schocks, den die Nazis den Deutschen und den Europäern zugefügt haben. Das ist aber ein anderes Thema, das ich an dieser Stelle nicht vertiefen will.) Das Europäische Ideal lautet „Fairheit und Neutralität“. „Moral“ hingegen gründet entweder im Letzten religiös, womit die säkularisierten Europäer ein arges Problem haben. Oder Moral ist subjektiv, und damit relativierbar, so dass objektiv nicht ersichtlich ist, warum die eine Moral besser als die andere sein sollte. Deshalb halten sich die Europäer an „Fairheit und Neutralität“, die sie, da „Moral“ ja wegfällt, ausschließlich als Gleichbehandlung definieren. Irgendwie hat jeder ein bisschen Recht und die Wahrheit liegt -grundsätzlich – in der Mitte. Peace!
2. Antisemitismus
Ja, diese Keule muss ich an dieser Stelle leider zücken. Jeder Journalist, jeder Bürger, der, wenn er gefragt wird, Israel für eine semi-faschistischen, aggressiven, kriegslüsternen Staat hält, hat gute Argumente parat, dies zu begründen. Daran ist zunächst einmal nichts auszusetzen. Ich halte solche Meinungen nicht per se für antisemitisch. Nur für falsch. Aber die Menge, die allgemeine Tendenz (gegen Israel), der breite Konsens gegen Israel: der ist auf einer abstrakten Ebene antisemitisch. Also kein persönlicher Antisemitismus – d.h. kaum jemand wird heute wie die Nazis auf die Idee kommen, ein Jude sei ein Untermensch. Aber es ist ein abstrakter Antisemitismus, ein Antisemitismus auf einer größeren, abstrakteren Ebene – auf der Makro-Ebene. Irgendetwas liegt in der Luft, das beim Thema Israel den Zeiger auf der Misstrauensskala ganz nach oben schnellen lässt. Irgendetwas veranlasst die Menschen dazu, die annähernd 6000 Kassam-Raketen, die in den letzten beiden Jahre seit dem Rückzug aus dem Gazastreifen auf Israel niederregneten, nicht ernst zu nehmen oder darüber nicht angemessen zu berichten. Irgendetwas will nur die Mikro-Ebene der persönlichen Schicksale sehen und nicht nüchtern einen Blick auf die Makro-Ebene werfen. Mit den Stimmen der arabischen Staaten wurden in UNO Vollversammlungen so viele Resolutionen gegen Israel erlassen und so viele Sondersitzungen zum Nahostkonflikt einberufen wie zu keinem anderen Thema auf der Welt. Gleichzeitig gibt es in arabischen Fernsehsendern und Zeitungen einen offenen und primitiven Antisemitismus, welcher der „Stürmer“Hetze aus der Nazi-Zeit beste Konkurrenz macht. Irgendetwas bewirkt, dass das niemanden stutzig macht, dass darüber kaum berichtet wird, dass diese Dinge nicht in Zusammenhang gebracht werden, sondern im Gegenteil, dass die Leute sich auf die UNO berufen. Dieses „irgendetwas“ halte ich für einen abstrakten Antisemitismus.
Nachtrag: ausführliche Informationen über die Ziele der Hamas hat in den Jahren 2001 bis 2008 die Journalistin Gudrun Eussner in ihrem Blog zusammengestellt - hier klicken!
Hier noch zwei sehenswerte Filme:
http://www.youtube.com/watch?v=9i57PrvlCWo
http://www.youtube.com/watch?v=vhk9jJW0m5k