Ein Bild - idiotischer als tausend Worte

25. Januar 2010
evangelisch.de - Verkündigungsstark?

evangelisch.de - Verkündigungsstark?

Journalisten sind merkwürdige Menschen, wir uns hier als Leser und Schreiber Betätigende wissen es. Was aber zumindest wir Schreiber gerne noch wüssten: Was sind das für Menschen, die einen Text über Journalisten und Journalisten-Schüler mit einem “ziemlichen Einheitsbrei”-Foto einer Internet-Billig-Agentur zumanschen, das mit Sicherheit kein Spiegel des Journalismus ist?

Tendenziöser Sprachgebrauch

22. Januar 2010

Ein Leserbrief

Vorhin bin ich über einen Spiegelartikel gestolpert, in dem ich einige Beispiele für richtungsweisenden Sprachgebrauch finde: “Hetzen, jagen, töten”.

Es geht um schwere Konflikte zwischen Muslimen und Christen (oder Christen und Muslimen) in Nigeria. Der Artikel wirkt eigentlich ausgewogen.

Meinen Blick fängt eine gefettete Zwischenüberschrift:

“Von Norden drängen die Muslime, von Süden halten die Christen dagegen”

Von Norden wird also angegriffen, von Süden verteidigt, lese ich daraus.
Belegt der Artikel das so? Schicke Zwischenüberschrift.

Dann weiter:

“Was das Gemetzel am vergangenen Sonntag ausgelöst und wer wen provoziert hat, blieb unklar, wie so oft. Eine Version der Geschichte: Militante Muslime hätten Christen nach dem Sonntagsgebet aufgelauert.”

Okay, die Muslime sind die Auflauernden. Natürlich nicht sympathisch, aber kann ja sein.

Weiter:

“Andere Quellen besagen, der Streit habe begonnen, als christliche Jugendliche in ihrem Viertel gegen einen Muslim vorgegangen seien, der versucht habe, sein bei Unruhen 2008 niedergebranntes Haus wieder aufzubauen.”

Hier wird eine klare Sprache gesprochen, und dennoch werden die meisten Leser die Kleinigkeit wohl nicht bemerken: “Vorgehen” tut normalerweise die Polizei, oder jedenfalls der Gute, gegen den Bösen. Und was hatte der Böse gemacht? Der wollte sein Haus wieder aufbauen, heißt es. Wie kam es dazu? Es war “bei Unruhen niedergebrannt”. Da wissen wir jetzt nicht, wer es angezündet hatte.

Wieviel wörtlich vom Autor ist, wieviel hineinredigiert sein mag, kann ich nicht beurteilen.

Verwundert: Anja

Gottes Schöpfung, App-kompatibel*)

11. Januar 2010

“Piratenpartei zieht sich aus: Am Flughafen Tegel demonstrierten ein Dutzend Parteimitglieder gegen Nacktscanner - wie Gott sie schuf.” (Turi2, verlinkend auf einen Artikel in der BZ mit Fotostrecke)

Nackte Männer wären ja mal eine schöne Bereicherung in der B.Z., - doch leider Fehlanzeige. Da wir nicht davon ausgehen, dass Turi Menschen wie uns linkschindend**) in die ästhetische Wüste schicken wollte, sei ihm - in völliger Übereinstimmung mit der Evolutionsforschung - erklärt: der Mensch kam nicht in Unterhose und BH auf die Welt.

*) Verständnishilfe

**) Update 12. Januar: Allerdings war es prompt der meistgeklickte Link, wie der Turi-Dienst heute verkündet.

Im schlimmsten Fall wird Recht gesprochen

05. Januar 2010

schlimmes-gefaengnisWenn jemand schon vom “schlimmsten Fall” schreibt, der rechtsstaatlich “droht”, ist Vorsicht geboten. Und in dieser Geschichte hier ist es wie so oft einfach nur dusselig: Für Sex in einer katholischen Kirche sollen zwei Leute drei Jahre ins Gefängnis kommen können? Das sollte gerade einen Panorama-Redakteur, der Skurrilitäten aus aller Welt sammelt und verbreitet, stutzig machen -  denkt man bei einem solchen Tat-Straf-Verhältnis eher an die großen und kleinen “Unrechtsregime” als an eine Demokratie, die ausschließlich “im Namen des Volkes” verurteilt.

Ein Blick ins Strafgesetzbuch alleine reicht eben nicht. Bei Störung der Religionsausübung (§ 167 StGB) steht ein Sanktionsrahmen von Geldstrafe bis zu drei Jahren Freiheitsentzug zur Verfügung.  Eine einmalige, denkbar kleine und vermutlich nur fahrlässig verursachte Störung der Religionsausübung wird niemals die volle Ausschöpfung des Strafrahmens begründen können. Für eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe muss schon weit mehr an Strögung vorliegen - bei der Tat und wohl auch beim Täter.

Erwartungen an einen Journalismus, der Apps für very hip hält

04. Januar 2010

“Außer NRW-Medienminister Andreas Krautscheid gibt es kaum einen Politiker, mit dem man halbwegs kundig über Apps plaudern könnte”, beklagt Hajo Schumacher in seinem Artikel “Wie das iPhone das Mediengeschäft revolutioniert”. Schumacher vermisst eine anspruchsvolle Mediendebatte - in Politik und Justiz. “Aber von einer politischen Klasse, die das Versenden von SMS für hip hält, ist wohl kaum mehr zu erwarten.”
Das dahinter stehende Politik- und Journalismusverständnis kann ich nicht teilen. Denn für die Diskussion über die Notwendigkeit oder notwendige Veränderung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Medienpluralität und Medienökonomie müsste doch der Journalismus selbst sorgen. Es ist seine Aufgabe, Fragen zu stellen und Antworten zu suchen. Sich dabei immer und ewig an Politiker zu wenden, ja von ihnen die Impulse zu erwarten (vermutlich in Form von Gesetzentwürfen, Pressekonferenzen und Hintergrundgesprächen), ist mindestens einfallslos.
In einer Demokratie sollte die Gesellschaft entscheiden, wo es hingehen soll. Die Politik ist dann ggf. für die Umsetzung zuständig. Wenn einzelne Politiker (oder Journalisten) iPhone-Programme für eine (notwendige oder unaufhaltsame) Revolution halten, ist das ein Beitrag zur gesellschaftlichen Meinungsbildung. Das weit mehr und anderes diskutiert wird, sollte der Journalismus mitbekommen, beleuchten und zur Diskussion stellen. Politiker sollten dabei angemessen, d.h. entsprechend ihrem intellektuellen Output, berücksichtigt werden. In der öffentlichen Diskussion kommt nicht die “politische Klasse” zu kurz, sondern “Helga W.”, die “zivilgesellschaftliche Stimme” (Christiane Schulzki-Haddouti).

Maulendes Land

22. Dezember 2009

Es ist, wie uns heute Studenten schrieben, nicht gerde die treffendste Überschrift: “Balkanstaaten feiern, Türkei mault” - wenn es um die Kritik des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu an der neuen EU-Visumsfreiheit für Serbien, Mazedonien und Montenegro geht, während Türken weiterhin ein Visum beantragen und allerhand Nachweise erbringen müsssen, wollen sie z.B. nach Deutschland reisen.

Denn ganz unabhängig davon, dass  die neue Regelung nicht alle Balkanstaaten betrifft - Bosnien-Herzegowina etwa bleibt von der Freizügigkeit ausgeschlossen -: Deutsche kommen schon lange schlicht mit ihrem Personalausweis in die Türkei, während ein Gegenbesuch eben von bürokratischen Genehmigungen abhängt. Kritik daran als “maulen” zu bezeichnen wirkt überheblich - oder ist das schlicht hanseatisch?

MoPo zeigt Rammstein die schwarze Schulter

16. Dezember 2009

Sie haben mal wieder ernst gemacht: die Hamburger Pressefotografen, von der Musikindustrie  gerne als unbezahlte PR-Spezel eingespannt, haben die Aufführung von Rammstein am Montag gemeinschaftlich boykottiert - wegen völlig inakzeptabler Vertragsbedingungen des Managements.

Konzertfotografen in Hamburg
In ihrem Text zum Protestfoto - das ganz ehrlich zur kostenfreien Nutzung überlassen wurde, sogar ohne Einschränkungen für Satire o.ä. - schreiben sie:

“Hamburger Konzertfotografen boykottieren das Rammsteinkonzert am 14.12.2009 aufgrund von Knebelverträgen. [...] Der Vertag der Rammstein GbR reduziert u.a. die Verbreitungsmöglichkeiten der Konzertfotos auf ein einziges, namentlich zu bezeichnendes Medium und beinhaltet, dass Rammstein die Bilder gratis für eigene Zwecke nutzen darf. Bildjournalistinnen und -journalisten sollen der Band gestatten, Fotos für die Nutzung auf Webpages von Rammstein oder dem Management der Band ohne gesonderte Vergütung nutzen.”

Die Solidarität war erfolgreich. Denn dem alten Aufruf, in den Zeitungen schwarze Kästen zu drucken statt PR-Fotos, wenn Pressefotografen nicht frei waren, ist die Hamburger Morgenpost nachgekommen.

Hamburger Morgenpost druckt schwarzes "Konzertfoto"

Hamburger Morgenpost druckt schwarzes "Konzertfoto"

Das Problem ist aus unserer Sicht allerdings nicht die konkrete Vertragsgestaltung, sondern die Möglichkeit, solche Verträge überhaupt zu schließen und damit als Veranstalter über den Zutritt der Presse frei entscheiden zu können. Dem zugrunde liegt die juristische Auffassung, dass es sich bei allen Veranstaltungen auf privatem oder gemietetem Gelände nicht mehr um öffentlichen Raum handelt, sondern um eine Fete im Freundeskreis auf dem eigenen Grundstück - wo Presse nichts zu suchen hat. Bisher ist diese Auffassung leider mehrheitsfähig - sicherlich auch, weil der Staat selbst gerne privater Veranstalter ist und damit die Öffentlichkeit kontrollieren möchte.

Was es braucht, ist eine andere Definition von Öffentlichkeit. Das könnten natürlich ohne jede Gesetzesänderung die Gerichte leisten, Anhaltspunkte gäbe es genügend. Aber wie wir bei den aktuellen Urteilen etwas um Bagatellkündigungsgründe oder Abschiebungen sehen können, ist hier nicht mit all zu viel Weitblick zu rechnen.

Um der Pressefreiheit willen sind daher die Medien selbst aufgefordert, den Einschränkungen entgegenzutreten. Nicht zu berichten von all den Veranstaltungen, bei denen sie an die Kandare gelegt werden sollen, ist das eine. Viel mehr zu berichten über all das, was sie angeblich nichts angeht - von Sportveranstaltungen, Bahnhöfen, Universitäten etc. - ist das andere.

Tagesspiegel lüftet bekanntes Geheimnis (und erzählt ein bisschen drumrum)

14. Dezember 2009

Frank Jansen ist ein mehrfach ausgezeichneter Journalist, Reporter beim Tagesspiegel. Leider hat er uns bisher trotz Anfrage nicht geholfen, seinen Artikel “Nahkampf und linke Agitation im Zeltlager” auch als Wächterleistung zu sehen.
Der Beitrag vom 1. Dezember 2009 berichtet über ein Jugendzeltlager in Homberg (Ohm), das in den letzten fünf Tagen der hessischen Sommerferien vom “Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen” ausgerichtet worden war. Nach Jansens Darstellung kam auf dem Zeltplatz des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) “ein Viertel der gewaltbereiten Linksextremisten in Hessen” zusammen. Vor den Augen der Öffentlichkeit mit Planen und einem Zirkuszelt abgeschirmt soll mit Tonfas und Schlagstöcken der Nahkampf geübt worden sein. “Die Autonomen wandten Angriffs- und Verteidigungstechniken an, gegen die Judo nahezu kindlich wirkt.” Laut Jansen sehen Sicherheitsexperten nun die Gefahr, “dass hessische Autonome noch härter zulangen, gegen Rechtsextremisten und die Polizei.”

Das klingt alles ziemlich abenteuerlich - allerdings vollständig ohne belastbare Quellen. Es gibt lauten Widerspruch - und auch offensichtliche Fehler in der Darstellung.

Frank Jansen schreibt: “Nach den fünf Tagen endete das konspirative Camp, als sei nichts geschehen. [...] Das Treffen sollte geheim bleiben.”

Dem widerspricht das Bündnis in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung: “Denn das Jugendantifa-Camp wurde bereits ein halbes Jahr im Voraus offen beworben. Dies lässt sich bereits mittels einer kurzen Google-Recherche nachprüfen, welche über den ersten Sucheintrag zur offiziellen Internetseite des Jugendantifa-Camps (www.jugendantifa-camp09.tk) führt. Zusätzlich wurde das Camp öffentlich durch Plakate, Flugblätter und Anzeigen in bundesweit vertriebenen Zeitschriften beworben.”
Die Seite ist mit Programm noch heute verfügbar, und es finden sich Monate alte Verweise auf diese. Heimlich war nur der genaue Ort des Camps:  “Aus Sicherheitsgründen geben wir den genauen Ort, an dem das Camp stattfinden wird, erst nach Anmeldeschluss und nur für alle erfolgreich angemeldeten TeilnehmerInnen bekannt.” Dies ist im Hinblick auf vorangegangene Begegnungen von Rechten und Linken in Hessen und insbesondere den Überfall auf ein solid-Camp im Schwalm-Eder-Kreis am 20. Juli 2008 nicht allzu verwunderlich.
Auch in einem anderen zentralen Punkt widerspricht das Bündnis der Darstellung im Tagesspiegel. Jansen schreibt: “Doch das, was sich im Sommer in Hessen abgespielt hat, war selbst für lang gediente Fachleute eine Überraschung.” Das Bündnis antifaschistischer Gruppen in Hessen entgegnet: “Auch dies entspricht nicht der Wahrheit. So sind im Vorhinein und auch während des Camps sowohl die Polizeidirektion Homberg/Ohm als auch das LKA Hessen an uns herangetreten. Ein Anruf bei den Dienststellen sollte ausreichen um dies zu überprüfen. Grund für diese Absprachen waren die Sicherheitsbedenken der Polizei. So befürchtete diese eine Gefährdung der Teilnehmer_innen durch die Neonaziszene im Vogelsbergkreis.”
Der für die Vermietung des Zeltplatzes zuständige Bildungsreferent des BdP Hans-Joachim Böhm sagt, er habe vor der Belegung sowohl beim Landeskriminalamt als auch beim Hessischen Jugendring nachgefragt, ob es Bedenken gegen eine Vermietung an den Camp-Veranstalter gebe, was verneint worden sei.
Irritierend ist in diesem Zusammenhang auch, dass sowohl das Bündnis als auch der BdP auf Anfrage sagen, Jansen sei mit ihnen nicht in Kontakt getreten. Dass Jansen weder dem Veranstalter noch dem Zeltplatz-Betreiber die Möglichkeit gegeben hat, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gleichzeitig keine einzige Quelle für seine Informationen nennt, hebt nicht gerade die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung. Die Wirkung blieb gleichwohl nicht aus.
Der Gießener Anzeiger hatte zunächst die Darstellungen aus dem Tagesspiegel in weiten Teilen übernommen und mit seiner eigenen Recherche nicht gerade an den kritischen Punkten angesetzt: “Trainingslager von Autonomen im August - Experten befürchten Auftakt zu mehr Gewalt” hieß es dort am 5. Dezember.

Gleich meldete sich die Junge Union Vogelsberg zu Wort: “Das mittlerweile bekannt gewordene Lager ca. 100 linksextremer Autonomer in Homberg zeigt deutlich, wie sich linke Gruppen in Deutschland auf gewalttätige Auseinandersetzungen vorbereiten“, so Kreisvorsitzender Michael Ruhl in einer Pressemitteilung.

Einen anderen Blickwinkel zeigte dann die Gießener Allgemeine am 10. Dezember und schildert, dass auch die Stadt Homberg in die Planung des Camps eingebunden war.

Das geliebte Parlament

14. Dezember 2009

Die Verbots-Liste für Kommunikation bei Welt Online ist schon lang. Neben dem üblichen Tamtam ist etwa der “Aufruf zu Demonstrationen und Kundgebungen jeglicher politischer Richtung” untersagt, ebenso eine Störung der Kommunikation “durch die Schaffung von Feindbildern”.

Im journalist 12/2009 (S. 25) ist nun zu erfahren, was für Chefredakteur Thomas Schmid beispielhaft die klar definierten Grenzen in der Diskussion überschreitet: “Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Parlament als ‘Schwatzbude’ bezeichnet” wird.

Denn, so ergänzt der geneigte Welt-Leser, solche Wortfreiheit ist in einer Demokratie den Mitgliedern des  Parlaments vorbehalten, welches allenfalls druch Plebiszite wieder zur Schwatzbude würde.

Lesebeute: Warum Verlagsleiter Christian Schlottau den Spiegel verlässt

14. Dezember 2009

Der Spiegel hatte am Freitag in einer Pressemitteilung geschrieben:  “Christian Schlottau, 52, als Verlagsleiter zuständig für alle Verlagsobjekte der SPIEGEL-Gruppe mit den Bereichen Anzeigenvermarktung, Onlinevermarktung, Vertrieb, Marketing-Services und Werbung, wird das Unternehmen zum 31. Dezember 2009 in bestem Einvernehmen und aller Freundschaft verlassen.”

Die Fachzeitung Horizont sieht neben der formalen Umstrukturierung, die der Spiegel als Begründung für den Weggang Schlottaus angibt, auch andere Motive und schreibt u.a.: ” Die wahre Erklärung für Schlottaus scheinbar plötzlichen Abgang dürfte im Inneren des „Spiegel” liegen: Die neue, fusionierte Vermarktungssparte Spiegel QC, die seit September am Start ist, läuft dem vielfachen Vernehmen nach nicht richtig rund. “