Wir dokumentieren einen Beitrag der Antifa Task Force Jena
Den Aufruf zur Vorabenddemo in Gera inhaltlich zu kritisieren ist der Mühe nicht wert. Bei einer Demonstration, welche dazu angelegt ist, sich von vornherein bei der Geraer Bevölkerung dafür zu entschuldigen, dass, und zu rechtfertigen, warum man sich doch den Nazis „widersetzen“ müsse. Bei einer Demonstration, bei der es den Organisator_innen darauf ankommt, klar festzuhalten, dass man auf keinen Fall ein_e Extremist_in sei. Bei einer Demonstration, die der Provinzbevölkerung vermitteln soll, dass die Neonazis mittels „verfassungswidrigen Inhalte[n] der Ton- und Redebeiträge“ eine „Bedrohung […]unserer Kultur und […] Gefährdung des kommunalen Zusammenlebens“ darstellen. Die Erklärung, wie diese “unsere Kultur” auszusehen hat, bleiben die Verantwortlichen dieses Prachtexemplars deutscher Empörung selbstverständlich schuldig. Die Formulierung lässt jedenfalls schlimmes erahnen.[1]
Wenn dann noch das „Aktionsbündnis Gera“ und das „Bürgerbündnis gegen Rechts“ dazu aufrufen, „dass sich in Gera ein breites gesellschaftliches Bündnis“ bilden solle, kommt uns das Kotzen. Dass sich in diesem Bündnis des Volkes sämtliche Querulant_innen unterzuordnen haben und das der betont gewaltfreie „Aktionskonsens“ bei Androhung des Ausschlusses aus der Gemeinschaft der verfassungstreuen Wutbürger_innen unbedingt einzuhalten ist, müssen die Verfasser_innen hierbei nicht einmal explizit äußern.
Den Schulterschluss mit den „bürgerlichen“ Bündnissen zu suchen macht es den Organisator_innen natürlich leichter, eine größere Menge an Menschen zu mobilisieren. Ob dies aber der Anspruch linksradikaler, antifaschistischer Politik sein sollte, ist stark anzuzweifeln. Die Erkenntnis, dass man als Mensch, der sich einer Emanzipation der gesellschaftlichen Verhältnisse verpflichtet fühlt, immer skeptisch gegenüber Ansammlungen deutscher “Massen” sein sollte, ist keine neue.
Denkt man an die letzten Jahre zurück, dürfte den Meisten aufgefallen sein, dass die Gegenproteste in Gera meistens weniger Zulauf hatten als das RfD selbst. Dass in einer Stadt wie Gera knapp 100.000 Menschen leben und sich an den Protesten im letzten Jahr nur zwischen 500-1000 Menschen beteiligten, zeigt eindrucksvoll, dass nicht einmal die inhaltlich platteste Mobilisierung dabei helfen kann, ein Nazifest in einer Stadt zu verhindern, die wie kaum eine andere symptomatisch für die Tristesse der ostzonalen Provinz steht. Und gleichzeitig tummelt sich ein Großteil der linksmilitanten Szene in Großstädten wie Hamburg und Berlin und scheut den Weg in die Pampa, wenn diese nicht verspricht, “dass was geht”. Dieser Zustand ist schon seit Jahren zu beobachten und kritisierenswert.
Abgesehen davon bleibt auch ein bitterer Nachgeschmack, wenn sich der deutsche Mob beschwert, dass es eine Gefährdung des kommunalen Zusammenlebens durch Neonazis gebe. Dabei sind gerade diese die striktesten Hüter „unserer Kultur“ und treten für ein sittliches und solidarisches Zusammenleben innerhalb der Volksgemeinschaft ein. Demzufolge dürften sie sehr wohl zu denen passen, die sich einer Bedrohung der „kollektiven deutschen Kultur“ ausgeliefert fühlen.
Wenn eben dieser Mob dann noch gegen “Linksextremisten” wettert, wie es manch ein SPD-Politiker tat (“[es ist] kein Geheimnis, dass Nazikundgebungen und Aufmärsche in gleicher Weise von linksextremen Demonstrationstouristen genutzt werden, um Intoleranz und Menschenverachtung mit gleicher Münze zu beantworten.”)[2], dann bleibt eigentlich nur zu sagen: Jeder Stadt das Nazifest, das sie verdient.
Weiterhin werden wir den Aufruf des „Aktionsbündnisses Gera gegen Rechts“, das RfD zu blockieren, nicht unterstützen. Unsere Begründung ist dabei eine ganz simple: Wir erachten es als unmöglich, das RfD nur gewaltfrei zu verhindern, wie es die Aktionen in Dresden in den letzten beiden Jahren bewiesen haben. Im diesjährigen Aufruf von „Gera-Nazifrei“ ist ausdrücklich beschrieben, dass sich die Organisator_innen der „Menschenblockaden“ nur mit denen solidarisch zeigen, „die mit uns das Ziel teilen, Naziaufmärsche gewaltfrei zu verhindern!“[3] Ähnliches zeigte sich auch bei der letztjährigen Nachkonferenz zu Dresden in Jena, als die Grüne Jugend explizit darauf bestand, sich nicht mit militanten Aktionsformen zu solidarisieren.
An sich ist es zu begrüßen, wenn sich Bürgermeister_innen neuerdings gegen Naziveranstaltungen aussprechen.[4] Oft bleibt es aber bei Lippenbekenntnissen oder die Probleme werden einfach totgeschwiegen. Als Paradebeispiel hierfür kann die Stadt Wismar angeführt werden. Deren Bürgermeister geht davon aus, dass Wismar kein Naziproblem hat, natürlich auch um dem Tourismus nicht zu schaden. Vielen dürfte jedoch das Video bekannt sein, das während einer Demo in Wismar aufgenommen wurde. Ob sich Gewaltfreiheit hier bewährt hätte, wenn keine Bullen anwesend gewesen wären ist stark zu bezweifeln. Auch eine zweite Demo wurde in Wismar von Nazis angegriffen.
Die Verpflichtung auf absolute Gewaltfreiheit seitens der Geraer Bündnisse stellt einen Affront gegen jegliche autonomen Antifaschist_innen dar und ist für uns untragbar. Was von anderen Antifagruppen, die versuchten, sich wider jeder Vernunft in Bündnissen mit zivilgesellschaftlichen Akteur_innen zu engagieren, erreicht worden war, nämlich dass man mit allen solidarisch ist, die das angestrebte Ziel teilen, ist von „Gera Nazifrei“ kurzerhand um das entscheidende Wort “gewaltfrei” erweitert worden. Nicht nur, aber gerade deshalb sind wir sehr verwundert darüber, dass, neben anderen Gruppen wie dem Aktionsnetzwerk Jena (Überraschung!) und dem „Netzwerk für Demokratie und Courage Thüringen“, die „Antifaschistische Aktion Gera“ einen solchen Aufruf mit unterstützen kann. (Update, siehe unten)
Daher ist es zwingend notwendig, nach Gera zu fahren, um den Nazis UND dem deutschen Mob zu zeigen wo der Hammer hängt. Also: Lasst es krachen, lasst es knallen, Deutschland in den Rücken fallen!
[1] http://www.gera-nazifrei.com/cms/wp-content/uploads/vorabend_r%C3%BCck-A6.jpg
[2] Jungle World, 2010, Ausgabe 26/2010: http://jungle-world.com/artikHYPERLINK “http://jungle-world.com/artikel/2010/26/41241.html”eHYPERLINK “http://jungle-world.com/artikel/2010/26/41241.html”l/2010/26/41241.html
[3] http://www.gera-nazifrei.com/cms/aufruf/
[4] http://www.gera.de/fm/sixcms/193/doc20110714121923%282%29.pdf
Update: Noch vor einigen Tagen stand die “Antifaschistische Aktion Gera” auf der Liste der Unterstützer_innen. Mittlerweile ist dies nicht mehr der Fall.