Es ist schon unglaublich, was für eine Posse in Cottbus unterwegs ist. Aber mal von Anfang an.
2007. Der Atom- und Kohlestromkonzern Vattenfall will in Łakoma bei Cottbus ein FFH-Gebiet abbaggern, um dort Braunkohle zu fördern, Treibstoff für die Dreckschleuder Jänschwalde. Ein paar Menschen besetzen das Waldgebiet und ketten sich mit Metallrohren an die Bäume. Die Vattenfall-Werksfeuerwehr räumt das Gebiet unter der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Umweltaktivist_innen, während der zuständige Richter der Polizei beim Festnehmen zusieht, anstatt die Widersprüche der in Gewahrsam genommenen zu bearbeiten. Das war im Herbst 2007.
Nun ist eine Umweltaktivistin vor dem Amtsgericht Vattenfall - pardon - Cottbus angeklagt wegen einem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch passive Bewaffnung, da sie sich mit einem Metallrohr um einen Baum gekettet hatte. Abgesehen von der Frage, wie die Staatsanwaltschaft darauf kommt, dass eine Person, die sich in einem Baum ankettet unter das Versammlungsgesetz fällt, ein sehr kreativer Einfall der Staatsanwaltschaft, der stark nach Gesinnungsjustiz aussieht. Wo Hausfriedensbruch, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Sachbeschädigung nicht zutreffen, muss eben was erfunden werden. Es ist offenbar leider der Zweck von Staatsanwälten, sich nicht um Gerechtigkeit zu bemühen, sondern mit allen Mitteln und Wegen zu Verurteilungen im Interesse des Staates und seiner Geldgeber_innen zu gelangen. Dass innerhalb des Justizapparates dabei mitunter Recht gebeugt, gebogen und gebrochen wird, ist kein Geheimnis.
Heute war das Verfahren, aber ein Urteil gab es nicht. Das Angebot des Richters, 50 Euro Ablass an einen «Verein behinderter Kinder» zu bezahlen und das Versprechen zu geben, zukünftig keine Ankettaktionen mehr zu machen, schlug die angeklagte Aktivistin aus.
Im Zuge dieser Justizposse haben irgendwelche Leute™ einen Fake im Vattenfall-Design in Umlauf gebracht. Darin heißt es:
“Lassen Sie uns feiern!
Sehr geehrte Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Cottbus,
wir von Vattenfall Europe Mining fühlen uns, wie Sie wissen, sehr mit Cottbus und der Lausitz verbunden. Seit langem verstehen wir uns als Ihr zuverlässiger Partner in der Region. Deshalb freuen wir uns, dass auch die Justiz konsequent für unsere Interessen eintritt.
Als global agierendes Großunternehmen sind wir uns unserer Verantwortung für den Klimaschutz bewusst. Daher bauen wir CO2-freie Kohle- und Atomkraftwerke, denn nur mit erneuerbaren Energien gingen bei uns bald die Lichter aus! Deshalb ist es für uns unverständlich, dass selbsternannte “Umweltschützer” gegen die für Ihre Energieversorgung notwendige Umplatzierung von Siedlungs-, Natur- und Kulturlandschaft protestieren. Doch Dank der besonderen Bemühungen der Cottbusser Staatsanwaltschaft, die auch bereit ist, für die Durchsetzung unserer gemeinsamen Interessen, rechtswidrige Wege der Strafverfolgung zu gehen, ist sicher gestellt, dass Störer wie Cécile Lecomte, die im letzten Jahr massiv in die Bauarbeiten am Tagebau Nord eingegriffen hatte, ein gerechtes Urteil zu erwarten haben.
Wir wollen sie, liebe Bürgerinnen und Bürger von Cottbus, einladen, mit uns gemeinsam zu feiern, wenn diese “Umweltschützerin” ihrer gerechten Strafe zugeführt wird. Vor dem Gerichtsgebäude empfangen wir sie am Mittwoch, den 21. Mai, ab 12:30 mit Sekt und Schnittchen. Kommen auch Sie vorbei und setzen Sie mit uns gemeinsam ein deutliches Zeichen für die Zukunft der Lausitz als Bergbauhalde. Wir freuen uns auf Sie!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Team von Vattenfall Europe Mining Cottbus
PS: Überzeugen auch Sie sich davon, dass alle Kritik an uns wegen angeblicher Intransparenz, vermeintlich gefährlicher Atomkraftwerke und mangeldner Innovationen im Klimaschutz auf den preisgekrönten Kundenservice von Vattenfall keinerlei Auswirkungen hat.” —Vattenfall Fake
Vattenfall reagiert darauf stinksauer:
“In verleumderischer Art und Weise wird in dem verteilten Flugblatt im
Vattenfall-Firmendesign nicht nur das Unternehmen Vattenfall, sondern
zugleich auch die Staatsanwaltschaft Cottbus verunglimpft.” — Vattenfall Pressemitteilung
Ein Konzern, der proaktiv die Umwelt zerstört und dabei versucht, sich ein grünes Image zu erkaufen, gibt sich also pikiert über ein Flugblatt, dass der Konzern fast so veröffentlichen könnte, wäre dessen Kommunikation direkt und ehrlich.
Nette Aktion, muss ich schon sagen.
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