In den USA hat ein Wechsel des hauptsächlichen Diskussionsthemas stattgefunden. Hatte man bisher über Sinn und Unsinn eines baldigen Abzuges der US-Truppen aus dem Irak diskutiert, ist gegenwärtig die Frage “Wie weise ist es Saudi Arabien mit den neuesten US-Amerikanischen Waffen auszurüsten ?”.
Eine ähnliche Situation herrscht gegenwärtig in Frankreich, wo die Gemüter über die geplante Lieferung von Waffen und Nukleartechnologie an Libyen hochkochen.
In beiden Fällen werden die ökonomisch-politischen Beweggründe gegen die Bedrohungen aufgewogen, die Nukleartechnologie und Waffen in den Händen von Extremisten / Terroristen heraufbeschwören könnten.
Die relevanten Fragen waren immer schon die folgenden … mit wem darf man solche Geschäfte machen ? … und zu welchen Bedingungen ?
Der US-Kongress warnte bereits Präsident Bush, dass man im September, nach der Sommerpause, einen Gesetzesentwurf in beide Häuser des Parlamentes einbringen werde, der die Lieferung / den Verkauf bestimmter Waffen an Saudi Arabien unterbinden soll.
Man erklärte, dass sich Saudi Arabien nicht wie ein Alliierter und Freund Amerikas benehme, dass dieser Staat vielmehr “Militante” und “Selbstmord-Bomber” für den Kampf im Irak ausrüste und “terroristsche Aktivitäten” in aller Welt finanziere.
Diese Erklärungen beziehen sich auf einen “Schlüssel-Partner” und “Freund” in der arabischen Welt. Ähnliche Anschuldigungen hört man auch über die vorrangigen “Feinde” Amerikas, über Syrien und Iran.
Wo liegt der Unterschied zwischen einem “Freund” und einem “Feind” ?
Es stimmt, viele “Terroristen”, die gegenwärtig im Irak ihr Unwesen treiben, stammen aus Saudi Arabien und Syrien. Viele “Militante”, die im Irak festgenommen werden, besitzen Ausweisdokumente aus Saudi Arabien.
Aber dies bedeutet nicht, dass Saudi Arabien Terroristen unterstützt. Für Syrien gilt dies ebenso wenig. Im Gegenteil, besonders die Saudis sind sehr daran interessiert den Terrorismus zu bekämpfen.
Aber es existieren zweifellos “private Fonds”, welche Extremisten in Saudi Arabien und der restlichen muslimischen Welt finanzieren. Nach dem 11. September 2001 wurden die Golfstaaten sehr viel vorsichtiger, in Hinsicht auf diese “Fonds”, und änderten drastisch ihr Auftreten gegenüber den “Extremisten”. Diese bereiten nun weitaus mehr Kopfschmerzen als früher, “Extremisten” werden zum Problem für alle Muslime, nicht nur für Saudis.
Bedeutet dies nun, dass Waffenverkäufe in den “Mittleren Osten” generell verboten werden müssen ?
Robert Gates, der US-Verteidigungsminister, lieferte hierzu einen erstaunlichen Kommentar. Er äußerte sich gegenüber den Israelis, dass die Saudis (und andere “moderate” arabische Länder) sich die Waffen auch anderweitig besorgen könnten, so z.B. von Russland, sollten die USA sie nicht beliefern.
Diese Logik ist nachvollziehbar: Es ist besser zu kontrollieren welche Waffen an wen geliefert werden, und gegebenenfalls die Verkäufe unter internationale Kontrolle (z.B. durch die IAEO) zu stellen, als “den Markt” an andere abtreten zu müssen.
Moskau aber folgt bei der Zusammenarbeit mit Iran und Syrien der selben Logik. Viele Argumente könnten angeführt werden um die Unterschiede zwischen Saudi Arabien und Iran, zwischen Syrien und Irak, zu erläutern. Aber alle sind, in weiten Teilen, politisch motiviert.
Der gesamte “Mittlere Osten”, vielleicht sogar die gesamte muslimische Welt, sitzt im gleichen Boot. Waffenlieferungen an den Irak, Saudi Arabien, Ägypten, Pakistan oder die “Palästinenser Behörden” können sehr leicht in falsche Hände geraten, ebenso wie Lieferungen an Syrien und Iran. Es gibt keinerlei Garantie, sollte Russland diesen “Markt” verlassen, dass keine europäische oder amerikanische Rüstungsfirma die Lücke füllen würde.
Das “Unmögliche” wird nur zu oft möglich. Den libyschen Staatschef Muammar Gaddafi, früher der erklärte “Feind des Westens” und “Förderer des Terrorismus”, kann man heute in inniger Umarmung mit Nicolas Sarkozy, dem neuen französischen Präsidenten, sehen. Auch als Gastgeber Tony Blairs, noch in der Rolle des britischen Premierministers, war Gaddafi zu sehen. Auch Condolezza Rice, die US-Außenministerin, meinte, ein Besuch Libyens stieße bei ihr auf keinerlei Bedenken.
Resultat: Hochkarätige Ölfirmen kehren nach Libyen zurück, umfangreiche Waffenlieferungen und der Bau von Kernkraftwerken werden verhandelt.
Offensichtlich passiert all dies, weil Libyen die Entwicklung von “Massenvernichtungswaffen” einstellte, seine Außenpolitik umstellte und rhetorisch nicht mehr so offensiv gegen den Westen “austeilt”. Aber Gaddafi ist immernoch der selbe Mann - gestern profitierte er von bestimmten Dingen, heute von anderen. Nur die Zeit und die Umstände entscheiden für was er sich morgen interessieren wird.
Als alternatives Beispiel kann eine andere Region dienen: Nord Korea
Heute diskutiert die Weltgemeinschaft, inclusive der USA, wie man dem armen Land helfen könne. Gestern war es noch ein erklärtes Mitglied der “Achse des Bösen”.
Alles ist relativ: Freund und Feind, sowie die Regeln des Waffenhandels. Waffenverkäufe der USA an Iran und Syrien gehören nicht ins Reich der Phantasie und, wie wir sehen, ein “Regimewechsel” ist für solche Geschäfte keinesfalls notwendig.
Wenn solche Geschäfte profitabel und politisch machbar sind, warum nicht ?
Wir könnten weitergehend diskutieren ob Waffenhandel “ethisch” ist. Aber wenn man Waffenhandel nicht unterbinden kann, dann sollte er doch von ehrenwerten Geschäftsleuten kontrolliert werden. Seien diese auch die USA, Frankreich oder Russland. Anderenfalls, wie Robert Gates treffend bemerkte, könnte der Markt von gänzlich anderen Spielern besetzt werden.
Marianna Belenkaya ist politische Kommentatorin für RIA Novosti. Das englischsprachige Original dieses Textes erschien bei RIA Novosti am 08.08.2007 (Quelle). Übersetzung: Российская Федерация.